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Ailsclruller Tageblatt 2. Man Nr. 2b0 vonnrrslsg b. Novrmberlyr». November. Das bunte Sommerleben Ist langsam äbgebMt, Der letzte Dust zerstoben. Der Sonnenglast verglüht; Vom kahlen Stamm gesunken. Verwelkt und sonnenmatt. Ein Tropfen schweren Blutes, Das letzte rote Blatt. Und blaffe Nebelflöre Wehen in schläfriger Luft — Don schweigender Stätte leise Die ewige Sehnsucht ruft. Und tiefer sinken die Nebel — Scheu durch das herbstliche Land Schleicht meine weinenbe Seele 6m grauen Bö bergewand. knchUG erlöst. Entsprechend den Ausführungsbestimmungen des Lon doner Dawes-Abkommens haben die Franzosen nunmehr, nachdem sie mit nur allen möglichen Mitteln ihre Ver pflichtungen hingezögert haben, verschiedene im Abkommen genau bezeichnete deutsche Eebietsstätten geräumt. Die Be satzung ist überall in diesen Eebietsstrichen abmarschiert und es haben in verständlicher Freude über die endliche Erlösung von den schweren Drangsalen der Besatzung in Städten und Dörfern dieser Landstriche begeisterte Kund gebungen stattgefunden. Wir, die wir nicht direkt von den harten Bedrückungen der fremdländischen Besetzung be troffen sind, können uns wohl kaum ein Bild darüber machen, was es heißt, endlich wieder frei zu sein. Wir haben gewißlich auch viel zu ertragen durch die schwere Not dieser Zeit. Was aber unsere Brüder und Schwestern am Rhein und an der Ruhr in diesen letzten Jahren durch gemacht haben, das können wir uns wohl kaum recht vor stellen, wenn auch Berichte unserer Landsleute darüber vor liegen. Ein Aufatmen geht daher durch unser ganzes Volk, das wenigstens ein winziger Teil unseres armen, geknech teten Westens befreit worden ist. Darüber hinaus aber müssen wir der Gebietsteile gedenken, die zum Teil noch recht lange Jahrs unter feindlicher Besetzung zu schmachten haben. Ihrer wert zu sein und sie in all ihren Nöten nicht zu verlassen, das ist eine Pflicht für uns alle, die wir uns gelobt haben, aus den Niederungen dieser Zeit unser Vaterland wieder emporzuheben. Mit diesem Ge danken wollen wir die unentwegte Tat verbinden. Wir wollen uns in ihm einen, damit die tapferen Kämpfer und 'Pioniere für drille und des Vaterlandes Erhal- lung sehen, daß sie nicht allein sind, sondern daß ein eini ges Volk hinter ihnen steht. Das aber muß auch in dec bevorstehenden Wahl zum Ausdruck kommen. Zersplittern wir uns jetzt im unfruchtbaren Parteihaß, so wird es un sern beutelustigen Feinden um so leichter fallen, dereinst die von ihnen besetzten Gebiete in irgendeiner Meise für alle Zeiten von uns abzutrennen. Wirtschaft und Wahlkampf. Von unserem volkswirtschaftlichen Mitarbeiter. Für den Wähler, der am 7. Dezember seine Stimme für diese oder jene Partei des Reichstags abgeben soll, ist es bei dem heftigen Kampf, der zwischen den Parteien tobt, nicht leicht, sich über die großen Fragen zu unterrichten, dis durch die Auflösung des Reichstags und durch die Aus schreibung von Neuwahlen zur Entscheidung gebracht werden sollen. Neben Fragen der inneren Machtvertei lung und der Staatsform sind es hauptsächlich wirtschaftliche Probleme, die bei Len Neu wahlen zur Erörterung stehen. Durch Lie Be schlüsse des alten Reichstags vom 29. August sind in gewissem Umfang Bindungen geschaffen worden, von denen keine neue Parlamentsmehrheit und keine neue Reichsregierung sich freimachen kann. Wir müssen die über nommenen Verpflichtungen gewissenhaft zu erfüllen suchen, uns aber nicht wieder durch eine falsche .und verderbliche Scheu dazu verleiten lassen, dabei sich er gebende schwere Störungen im Leben unseres Volkes zu ^verschweigen. Abgesehen von den beiden Flügelparteien Lers Rechten und der Linken wird sich der Wahlkampf unter Lers Parole: „Bürgerblock oder Sozialdemokratie" vollziehens Kein sozialgesinnter Deutscher, der sich für den „Vürger- block" einsetzt, beabsichtigt dadurch, die Massen des werk tätigen Volkes von der Mitverantwortung an Ler Führung unserer staatlichen Geschicke auszuschließen und sie in ihrer Lebenshaltung zu drücken. Im Gegenteil suchen alle an ständigen deutschen „Bürger" den von ihrer Hände Arbeit Lebenden einen möglichst großen und sicheren Anteil an dem Ergebnis der nationalen Produktion zu schaffen. Sie sind aber überzeugt, daß dies nicht durch Zertrümmerung des Be- < sitzes und durch gleichzeitige Einschränkung der Arbeits leistung geschehen kann. Sie bekämpfen — nicht den Geldbesitzern, sondern der nationalen , Wirtschaft zuliebe — die rücksichtslose Wegfteuerung , Les Kapitalbesitzes, weil dadurch die Schuldknechtschaft gegen über dem fremden Kapital bis weit über den Zeitpunkt hin aus verlängert würde, an welchem wir unsere Reparations verpflichtungen abgetragen haben werden. In dem kommenden Wahlkampf geht es nach der Be hauptung linksradikaler Führer um die „Verteilung der Lasten". Für die in Teilen der deutschen Arbeiterschaft und Angestelltenschaft herrschende Not werden die „besitzenden Klaffen" verantwortlich gemacht, die sich angeblich scheuen, von ihrem „Ueberfluß" dem Staate zu geben, was ihm ge bührt. Wie es in Wirklichkeit um diesen „Ueberfluß" be stellt ist, zeigt Lie endlose Liste der Geschäftszusammenbrüche. Es ist aber eine falsche Einstellung, die gedrückte Lebens haltung so vieler Deutscher einem bestimmten Teil des deutschen Volkes zur Last zu legen. Der verlorene Krieg und der Versailler Frieden sind in Wirk lichkeit die Bedrücker unseres Volkes. Das Problem laustet nicht, wie man das Verfügbare verteilt, sondern wie man es vermehrt. Der gegenwärtige Er trag der deutschen Wirtschaft reicht nicht aus, um allen eine erträgliche Lebens haltung zu sichern. Der Kamps gegen die Not ist darum kein Nechenexempel, sondern ein Produkstonsproblsm. Darum erscheint es ratsam, daß jetzt nicht die Klaffenparteien die Führung des deutschen Volkes übernehmen. Nur solche Parteien, in denen Männer mit umfaßender Wirtschafts- kcnntnis, starkem sozialen Empfinden, lebendigem nationalen Sinn, aber auch mit nüchternem außenvolitischen Verständ nis die Führung haben, sind jetzt befähigt, die Geschicke Deutschlands während der nächsten Zeit zu lenken. WmWWMAU. Dom Wahlkampf. Abänderungen der Reichsstimmordnung. Der RekchK- rak beschäftigte sich mit einer Abänderungsverordnung zur Nsichsstimmordnung. Es handelt sich dabei einmal um die Ermöglichung eines besonderen Wahlverfahrens für S eeleute, und zweitens um den Ausbau des Einheits- ftimmzettels. Für Seeleute wird die Möglichkeit geschaffen, daß sie bereits zehn Tage vor dem amtlichen Wahltag oder auch noch zehn Tage nachher wählen dürfen. Bei dem Einheitsstimmzettel erstreckte sich bisher die Einheitlichkeit nur auf die einzelnen Wahlkreise. Die Verordnung dehnt nunmehr die Einheitlichkeit über das ganze Reich aus. Deutschnationale Kandidaten. Der Vorstand des Landesverbandes der Provinz Schleswig-Holstein der Deutschnationalen Volkspartei hat für die Wahlen am 7. Dezember die Kandidatenliste ausgestellt. Die Spitzen kandidaten für den Reichstag sind Dr. Ernst Ober- sohren-Kiel, Hofbesitzer Geh. Oberregierungsrat a. D. Tomsen-Struckum, Kaufmann Paul Eggert, Direktor der Düngerfabrik Rendsburg, Gutsbesitzer Peter Bossen-Koge- lund bei Achtrup, und für den Landtag: Gutsbesitzer Theodor Milbcrg-Quarenbeck, Arbeitersekretär Paul Rüf fer-Berlin, Tischlermeister Heinrich Bayer-Kiel und Hufner Hans Bundtzen-Langstedt. — Im 12. Wahlkreise (Thü ringen) kandidieren für die Deutschnationalen zum Reichs tag Rittergutsbesitzer von Goldacker-Weberstädt, Amts gerichtsrat Graef-Eisenach und Rechtsanwalt Dr. Schnei- oer-Erfurt als Spitzenkandidaten. — Für den Wahlkreis Franken wurden folgende Kandidaten für die Reichs tagswahlliste benannt: Großadmiral von Tirpitz, Okonomierat Bachmann, Prof. Dr. Strathmann, Ritter- gutsbesitzer Fromm-Coburg, Geheimrat Hans Sachs, Fabrikbesitzer vor dem Feld-Aschaffenburg. Wahlburgfrieden der Rechtsparteien in Thüringen. Die Einigungsverhandlungen für ein Zusammengehen der Rechtsparteien in Thüringen haben nicht zur Aufstellung einer gemeinsamen Liste geführt. Jedoch haben sich die Parteien völlige Wahrung des Burgfriedens beim Wahl kampf zugesichert uud erklärt, daß der Wahlkampf unter der Parole „Für Schwarz-Weiß-Rot" zu führen ist. Der Abmachung ferngeblieben ist die Frciheitspartei. Die Reichsliste der Nationalsozialisten für den Reichstag beginnt mit folgenden Kandidaten: Luden- dorff, v. Graefe, Feder, Röhm, v. Heydebreck, Graf Helldorf. Volksparteiliche Kandidaten. Der Vorstand des Wahlkreisverbandes Hl (Berlin, Teltow-Beeskow) der Deutschen Volkspartei hat feine. Kandidaten für den Reichstag und Landtag ernannt. Für den Reichstag wurden ausgestellt: LanLrat a. D. Siegfried v. Kardorff, Pfarrer Dr. Luther, Fabrikant Schwarz (Steglitz) und Frau Mergis. Für den Landtag wurden folgende Kandidaten ernannt: Prof. Dr. Leidig, Schriftsteller Jos. Buchhorn, Kammergerichtsrat Caspari, und Frau Dr. med. Ilse Szagenn. Wahlaufruf der Deutsch-Hannoveraner. Die Deutsch- Hannoversche Partei fordert in einem Wahlaufruf das große, einheitliche, bündisch-gegliedcrte Deutschland. Jede Diktatur, die völkische wie die proletarische, wird abgelehnt. Demokratische Kandidaten. Im Wahlkreis Potsdam I Wurden als Spitzenkandidaten für die Reichstags» wähl Professor Bergsträßer, für die Landtagswahf Baukdirektor Wiglow aufgestellt. Der bisherige Spitzen« kandidat der demokratischen Reichtagswahlliste in Hessen, Pfarrer Korell, ist wieder als Kandidat benannt worden. — Der Demokratische Wablkreisverband Nordwestfalen hat als Spitzenkandidaten für die Reistagswahl Harry Graf Keßler und für die Landtagswahl Pastor Moering (Breslau) nominiert. Reichswchrminister Geßler lehnt endgültig eine Kan didatur ab. Dr. Geßler, der bisher die fünfte Stelle auf der demokratischen Reichswahlliste einnahm und diese Stelle wieder erhalten sollte, hat sich endgültig dahin ent schieden, keinerlei Kandidatur, weder für Vie Reichsliste noch für eine Kreiswahlliste, anzunehmen. Wahlrede Dr. Schachts. In Dessau sprach Reichs- bankpräsident Dr.Schacht in einer demokratischenWahlver- sammlung für die „demokratische Politik der letzten zwölf Monate". Drei große Probleme seien das Ergebnis der Politik der letzten zwölf Monate: 1. Die Herbeiführung eines Ausgleiches im Neichshaushalt. 2. Die Währungs reform. 3. Das Bestreben, die ausländischen Mäcbte im Wege der Verhandlungen zu zwingen, auf einen vernünf tigen Boden gegenseitiger Aussprache zurückzukehren. Für die Nvtlnae unseres Vaterlandes ist es bezeichnend, daß Ich hab Lich Lieb. Noman von Erich Ebenstein. Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentralc C. Acker mann, Stuttgart. Sollte sie durch Len zweiten Eingang versuchen einzu- dringen? Er sprang auf, um auch diese Tür abzusperren, aber es war schon zu spät. Die Tür öffnete sich und — Maja stand vor ihm. Maja, wie sie damals im Vorfrühling auf der Flußbrücke vor ihm gestanden hatte: Strahlend, rosig, ein glückseliges Leuchten in den dunklen Augen. Und dann noch einmal an jenem Tag, wo ihr Vater ihre Hand in die des Bräutigams gelegt hatte . . . XXIV. Wie eine Vision starrte er sie an. Undeutlich nur er blickte er hinter Maja seine Mutter, hörte sie sagen: „Diesen Trost, den ich dir bringe, wirst du wohl nicht zurückweisen I" Dann verschwand die Mutter. Leise schloß sich die Tür. Und da lag Maja auch schon an seiner Brust, die Arme fest um seinen Nacken schlingend ... wie das blühende Leben selbst, das sich an ihn klammerte, ihn zurückreißend von dem finstern Abgrund, dem er zugetau- melt war . . . Wie einst in jener Sommernacht, da sie der Zufall zu sammengeführt und sie Arm in Arm hinwandelten zwi schen den blühenden Gärten der stillen Villenstraße, so strömten süße törichte Worte der Liebe über ihre Lippen. Llles: ihre Verzweiflung, ihre Sehnsucht, ihre Angst und ihre heiße Liebe rauschten an seinem Ohr vorüber. Dazwischen fluchtig die Tatsachen. Wie sie gemeint hatte, sterben zu muffen nach seinem Absagebrief. Wie die Ihren sich bemühten, sie dem Leben wwderzugewinnen, und doch keines von ihm sprach, ob wohl ihre Augen nur danach fragten, ihre Seele nur diese Kuude verlangte. Bis Flor sie endlich über alles aufklärte. Und Flor teilte ihr auch heute das erfolgte Urteil mit. Da litt es sie nicht länger fern von ihm. Sie fühlte, was er dabei leiden mußte. Da war es in ihr, als müsse sie ihm sagen — just heute, in dieser Stunde der Enttäu schung: Ich stehe zu dir mit ganzer Seele! Mir bist du nicht kleiner geworden, weil der Erfolg gegen dich zeugt, weil du kein Gott warst, sondern ein Mensch, der eben irrte, wie andere Menschen! Tausendmal teurer nur bist du mir geworden, seid du leidest! Und wenn ich nicht dein Weib sein kann, gräme dich nicht — meine Liebe be gleitet dich ja doch auf allen, allen Wegen, die du gehst! Das kann uns niemand wehren, niemand rauben! Und nun mußt du mein starker mutiger Bernd sein, der be weist, daß er doch besser und klüger ist, als alle anderen, daß er gelernt hat aus der Vergangenheit, daß er auch an dere Wege wandeln kann, um seinem Ideal, der Gerechtig keit, zu dienen. Mildere Wege, die ihn zurückführen aus seiner Vereinsamung zu beglückender Gemeinsamkeit . . . Das hatte sie ihm sagen wollen. Darum war sie ge kommen. Und dann, als sie vor seiner Mutter stand, die ihr so feindlich gesinnt gewesen — „O Bernd!" rief sie in überqucllender Seligkeit und rüttelte an der Schulter des noch immer wie traumver loren Dastehenden. „Wie hast du deine Mutter verkannt! Wie gut ist sie, und wie viel hat sie gelitten — auch durch dich! Weißt du, was sie wollte? Heimlich zu mir kom men und mich bitten — ihr zu vergeben! Alles, alles wollte sie gut machen, nur weil es dein Lebensglück galt und sie sah, wie sehr du littest. Nun hat sie mich umarmt und geküßt und Tochter genannt, und olles, was sie von mir zurückstieß früher, das war wie ausgelöscht in der ersten Minute, da wir einander in die Augen sahen und nichls darin fanden als gemeinsame Liebe zu dir!" Sie schwieg. Bernd brachte noch immer kein Wort heraus. Stumm streichelte er ihr Haar, trank ihren An blick, und in seinen Augen lag ein feuchter Schimmer da bei. Hatte er das noch verdient? Ein Glück, so rein und unermeßlich, daß jedes Wort ihm banal erschien dafür? Plötzlich sah er, wie ihr liebes rosiges Gesichtchen jäh erblich, ihr Blick in Schreck förmlich erstarrte. Sie hatte das offene Kästchen auf dem Schreibtisch ge sehen, in dem zwei Pistolen lagen. „Bernd — das — das hast du mir antun wollen?" stammelte sie. Er senkte die Augen. „Ich habe so viel gelitten. Mehr als du ahnst. Ohm dich — ohne Arbeit — schien mir das Leben zwecklos ge worden." Maja hatte sich schon wieder gefaßt. Sie streichelte seine Hand und sagte herzlich: „Aber nun hast du mich wieder, Bernd! Nun wirst du auch arbeiten können, gelt?" „Wenn man mir Arbeit gibt! Du weißt nicht —" „Doch, ich weiß. Mama hat mir alles erzählt. Und das macht mir gar nicht bange, Bernd! Weißt du, die Menschen sind nun einmal so — im Handumdrehen ge- Wonnen und verloren. Da braucht bloß wieder eine Klei- nigkeit zu kommen, die zu deinen Gunsten, spricht, und du hast sie alle wieder gewonnen, die jetzt gegen dich sind." „Ich habe ihr Vertrauen verloren ..." „Und wirst cs wieder erringen, fester und dauernder als je zuvor! Denn nun trittst du ihnen ja ganz anders entgegen, als Mensch den Menscher — nicht wabr?" (Schlug folgt.)