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MMnOrAgebW Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, M»» »PM,»raster Ta«edla>t» erscheint tS,!>ch nachm. 8 Uhr fstr »en sollen»»» r«^ vrplssprrt,: Bei «dholn», in »er Deschästrstcl« und »en Anrgnbrstrllrn 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Baten 2,Z0MK-, bei Postdeftellun, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten ^dlln"^«ü^ erLaer and cheschSstosteSen nehmen >u jeder Zeit vr» fteLungcn entgegen. Im Aale ddherer Semalt, jkrieg oder sonstiger BrtrtebrstSrnngen besteht kein Anspruch auf Liesernng der Zeitung ober IkSrsuu, de» Bezugopreise«. — SUichseudmi, eingesanbter Schriststsche erfolgt nur, wenn Port» beilieg«. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anjeigenprei»! bi« b,rsp«Ue»e Slaumzeile M »oldpfennig, die 2zespalt«ne geile der amt»chen«ekanntmachmij,en40<Sold- pfennig, »i« Z »esp«IIeneRekl»»r»etIe i« trktltchen Teile Ivv Doldpsermig. Rachmeifungagedühr 20 Loldpfennige. vor- grschriebeneLrlcheinnng». — . . -- , —« r» >»8° und Plazporschrifton werden nach Wbglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Rr. 6 berücksichtigt. «Nt-igen- annahMtbiaoorm.lvUhr Für di« Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. JederRadattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage ringezogen werden muh oder der Auftraggeber in Konkur» gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Da« Wilsdruffer Tageblatt euthLlt die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meißen, de« Amtsgerichts «nd Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nr. 165 — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Post check: Dresden 2Siiv Donnerstag den 17 Juli 1924 Steigende flut. Dte wirtschaftliche Lage wird ernster von Tag zu Tag, von überall her kommen die Nachrichten über Still legung von Betrieben. Vor allem natürlich aus dem besetzten Gebiet, wo die Industrie von den Micum- verträgen langsam aber sicher abgewürgt wird, trotzdem ja auf Grund der letzten Verträge jetzt auch das Reich Lei der Finanzierung der Lieferungen Hilst. Dort sind es vor allem die Kohlenzechen im südlichen Randgebiet des Ruhr deckens, die für ihre nicht ganz hoch wertigen Kohlen keinen Absatz mehr finden, bisher trotz der großen Unkosten den Betrieb ansrecht zu erhalten ver suchten, jetzt aber zum Erliegen kommen. Zahlreiche Zechen der dortigen Gegend haben stillgelegt und Hunderte von Arbeitern sind bereits abgewandert, anderswo nach Arbeit zu suchen. Ebenso meldet die Rheinprovinz eine Zunahme der Betriebsstillegungen, und zwar nicht nur von mittleren und kleineren, sondern jetzt auch von Großbetrieben. Be kanntlich hat vor einiger Zeit auch Krupp Einschränkungen vorgenommen, und jetzt kommt die Nachricht, daß eine der bekanntesten oberrheinischen Firmen von Weltruf, nämlich H. Lanz-Mannheim, sämtliche Arbeiter entlassen und den Beamten und Angestellten gekündigt hat. Geradezu trost los sind die Meldungen über die allerorts steigende Er werbslosenziffer; nur die Landwirtschaft ist noch imstande, Arbeitskräfte anzufordern. In allen anderen Gewerben sind starke Betriebseinschränkungen vorgenom- men worden. Die Ursache ist überall dieselbe: Kreditnot und — teilweise deshalb -Absatzstockung. Es ist so schlimm, daß Geschäfte gegen sofortige oder auch nur kurzfristige Be zahlung, überhaupt nicht mehr gemacht werden können, -daß vielmehr in der Regel ein Ziel von wenigstens drei Mona ten in Anspruch genommen, daß in zahllosen Fällen aber auch dann um Verlängerung der Zahlungsfrist gebeten wird. Irgendwelche Hilfe ist von der Reichsbank nicht zu erwarten, die Warenwechsel sogar erstklassiger Firmen nicht mehr diskontiert. Auch von der Reichsbahn erfährt die In- Lustrie beim Warontransport keinerlei Unterstützung oder Zahlungsnachlaß; vielmehr wird hier allseitig nicht nur über die Höh« der Tarife, sondern vor allem über die Rigo rosität der Zahlungsbedingungen geklagt. Die Eisenbahn selbst bekommt jetzt natürlich die Folgen -der steigenden Krise schon sehr deutlich zu spüren: im Ruhrgebiet ist bereits im Juni die ar-bettstägliche Wagenanforderung um nicht weniger als 5500 Wagen zurückgegangen — das ist etwa ein Drittel des früheren Bedarfs. Die Kredit politik der Reichsbauk ist das Ziel von überaus ernsten Angriffen geworden, nicht etwa bloß aus jenen Krei sen heraus, -die Giftblüten der Inflation gewesen sind und nun verdorren und absterben, sondern jetzt auch von alten, gutfundierten Unternehmungen aus, die unter dem Druck der steigenden Wirtschaftskrise zum Zusanunenbrechen ver urteilt werden. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß bei dieser „Zurückhaltung", die zu einer tatsächlichen Kreditsperre geworden ist, allgemeinpolitische, außerhalb des Wirtschaftlichen liegende Gründe mitspielen. Kein Wunder, daß diejenigen Wirtschaftskreise, die sich gegen die Annahme des Sachverständigengutachtens sträuben, daß darüber hin aus die gesamte deutsche Wirtschaft mürbe wird und den Zwang fühlt, in der Annahme und Durchführung dieses Gutachtens das letzte Hilsmittel in ihrer furchtbaren Not zu sehen und sich deshalb für seine schleunigste Erledigung einzusetzen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Kurs stand der Effekten aus den Börsen zu betrachten, die noch die lebten Geldreserven darstellen: jede Hausse an der Börse wird gleich m ihrem Beginn erstickt und mit einer Baisse be antwortet, die den Wer« der Aktien noch weiter herunter drückt. Gewiß haben auf die Absatzstockung übertriebene Kartellpreise eingewirkt, — aber der Preisab bau, den wir jetzt auf allen Gebieten erleben und der von der Kreditnot erzwungen ist, schießt weitüberdas volkswirtschaftlich z u billigende Ziel hin aus. Denn man beschränkt sich schon längst nicht mehr aus eine Verzichtleistung auf jeglichen Verdienst, sondern sieht sich zu einem Verkauf weit unter Herstellungskosten ge nötigt, weil man den für die Festhaltung der Waren notwendigen Kredit entweder nicht bekommt, auch im Schwarzhandel nicht, oder doch nur zu Bedingungen, die noch größere Verluste verursachen als ein Verkauf unter Selbstkostenpreis. Es ist dieselbe Entwicklung wie in der Inflationszeit, als — allerdings gezwungenermaßen — der Verkauf zu dem Wiederanschafftmgspreis verboten war, was bekanntlich zu einem ungeheuerlichen Sub- stanzverlustderdeutschenWirtschaft und da mit zu der Krise geführt hat, in der wir jetzt noch nicko einmal mitten drin sind. Es ist also die zweite Welle in dieser katastrophalen Entwicklung, und diese Welle steigt; wir werden von ihr noch in die Höhe getragen, und es wird eine genau so furchtbare Zertrümmerung wirtschaftlicher Wertz geben, wenn sie sich überschlägt. Und überaus zweifelhaft ist es, ob «ns die Entente ft dieser steigenden Flut einen RettungSgürtel zuwerfen wird. Konlerenx-veginn in Lonckon. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") London 16. Juli. Wenige Minuten vor 11 Uhr vor mittags begab sich die Delegation für die interalliierte Nepara- tionskonferenz nach dem englischen Außmamt. Präsident der Eröffnungssitzung war der englische Ministerpräsident Macdo nald. Ihm zur Rechten saß der französische Ministerpräsident Herriot. Die Sitzung begann mit einer Begrüßungsansprache des englischen Ministerpräsidenten. Es wurde festgestellt, daß die Hauptaufgabe der Konferenz die ist, daß Dawes-Gutachten vor Sicherung der deutschen Zahlungen zur Ausführung zu bringen. Belgien gegen die Zulassung Deutsch lands zur Konferenz. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Brüssel, 15. Juli. Vor seiner Abreise nach London er- ftärte Theunis im Senat auf die Anfrage des Senators Lonques, daß die belgische Regierung gegen die Zulassung Deutschlands in London stimmen würde, da Belgien das größte Interesse habe, mit den Reparationsverhandlungen zu Ende zu kommen. Ferner erklärte Theunis: Nach den Zusicherungen Macdonalds in Paris dürfen die militärischen Räumungsfragen in London nicht dis kutiert werden. Deutschland auf der Londoner Konferenz (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Paris, 16. Juli. Es verlautet, daß Dr. Schacht seine letzte Anwesenheit in Paris dazu benutzt hat, um mit den fran zösischen Delegierten für die Londoner Konferenz sich vor deren Abreise noch in Verbindung zu setzen. Als ein vorläufiges Er gebnis dieser Besprechungen Dr. Schachts kann die Tatsache ver zeichnet werden, daß der deutsche Vertreter in der Kriegslasten- kvmmission, Dr. Mayer, sich nach London begeben wird, um während der Konferenz an Ort und Stelle zu sei» und sich zur Verfügung der Konferenzmächte zu halten. Die Repko und der Sachverständigenplan Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 16. Juli. Die Reparationskommiffion trat gestern vor mittag zu einer offiziellen Sitzung zusammen. Nach dem „Petit Jour nal" wird die Reparationskommission dann offiziell den Sachver ständigenplan durch Deutschland als ausgesührt feststellen, wenn die nachstehenden fünf Bedingungen erfüllt sind: i. Begründung der Goldnotenbanl, 2. Bildung der Eisenbahngesellschast, 3. Organisa tion des Systems der Schuldverschreibungen, 4. Aushändigung der Eisenbahn- und Industrieobligationen an den von der Nepara tionskommission ernannten Treuhänder, 5. Unterbringung der aus wärtigen Anleihe in Höhe von 8ÜÜ Millionen. — Der letzte Punkt gab zu einer lebhaften Debatte Anlaß, in der besonders die britischen Vertreter erklärten, daß die Unterbringung -er Anleihe sehr schwierig und geradezu unmöglich sei, wenn die wirtschaftliche Einheit des Reiches nicht zuerst wieberhergestellt würde. Der Vorsitzende der Kommission, Barthou, mußte seine ganze Beredsamkeit aufwenden, um Bradbury zum Nachgeben zu bewegen. Er wurde dabei von de la Croix lebhaft unterstützt. Amerika gegen ein Ultimatum Eigener Fomsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Washington, 16. Juli. Nach dem „Newyork Herald" vertritt man in maßgebenden Washingtoner Kreisen den Stand punkt, datz Deutschland Gelegenheit gegeben werden müsse so bald eine Verständigung unter den Verbündeten selbst zustande gekommen ist , auf der Londoner Konferenz gehört zu werden. Ein Versuch, Deutschland zur Annahme eines Ultimatums zu zwingen, würde einen schweren Irrtum bedeuten, weil eine er zwungene Unterschrift bei weitem nicht den Wert einer freiwil ligen Mitarbeit besitze, die zur wirksamen Durchführung des Sach- verftändigenplanes unerläßlich ist. In den Washingtoner Krei sen, die dem Staatsdepartement nahestehen, wird erklärt, daß der Erfolg der geplanten deutschen Anleihe in den Vereinigten Staa ten wie auch in den sicheren Ländern in hohem Matze da von abhänge, datz auf der Londoner Konferenz definitive Garan tien für den ungestörten Verlauf der Produktion im Ruhrgebiet geschaffen werden. Jugoslavische Neutralität in der bessara bischen Frage. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Wien, 16. Juli. Der jugoslawische Minister des Aeuhern Dr. Nintschitsch erklärte auf die Frage, welche Haltung Jugo slawien im Falle eines russisch-rumänischen Konflikts wegen Bessarabien einnehmen werde, er halte einen derartigen Krieg vorläufig für ganz unmöglich. Wenn es aber doch dazu käme, so würde Jugoslawien gegenüber Rumänien eine wohlwollende Neutralität einnchmen. 8le pranrosen gegen ckar Abkommen mit Mna. Eigener Fernsprcchdwnft des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 16. Juli. Der französische Botschafter in Peking hat der chinesischen Negierung drei Nolen über das chinesisch- ' deutsche Abkommen überreicht. Zehn Fragen heischen Antwort Programm der Konferenz. s London, 15. Juli. In der englischen Presse glaubt man, den Beratungs stoff der Londoner Konferenz in folgende zehn Fragen glie dern zu können: 1. Wie soll der Dawes-Bericht zur Ausfüh rung gebracht werden, d. h. mit welchem diplomatischen Instrument? 2. Soll Deutschland zu den Besprechungen ein geladen werden oder soll ihm nur erlaubt werden, seine Ansicht der Reparatiouskommission vorzutragen? 3. Zu welchem Datum soll der Dawes-Plan in An wendung gebracht werden mW wer soll erklären, daß er in Anwendung gebracht ist: die Reparationskommiffion oder eine andere Körperschaft? 4. Sollen noch andere Garantien verlangt werden als Lie im Dawes-Bericht festgesetzten? 5. Wann soll die gegenwärtige militärische Be setzung unsichtbar gemacht werden, und wann soll sie ganz cm sichren? Der letzte französisch-belgische Vorschlag geht dahin, baß die gesamte Besetzung erst aufhören soll, wenn vie Eisenbahnbons und industriellen Schuldverschreibungen auf ein nominelles Kapital von 806 Millionen Pfund ge bracht sind. 6. Welche Körperschaft soll d-ie Einzelbefiimmun- gen des Dawes-Berichts interpretieren: das Haa ger Schiedsgericht, die Reparationskommission oder wer? 7. Welche Körperschaft soll entscheiden, ob Deutsch land zu einer gegebenen Zeit seinen Verpflichtun gen nicht nachgekommen ist: Das Finanzkomitee des Völ kerbundes oder die Reparationskommiffion plus einem Ame rikaner? In letzterem Falle: wer soll den Amerikaner er nennen, und welche Rölle wird er in der Reparattonslom- mWon spielen? Lder ist er nur ausschlaggebend bei gleicher Stimmenzahl? 8. Wie sollen die Alliierten ihre Zahlungen ein - tr eiben, wenn die dazu berufene Behörde erklärt, Laß Demschland seinen Verpflichtungen nicht nachkommt? Falls die Alliierten zu einem einheitlichen Entschluß nicht kommen, muß dann die Fmge einem Schiedsrichter unterworfen werden, oder kann eine Macht oder eine Gruppe von Mäch ten Sanktionen (!) beschließen, unabhängig von den anderen Mächten? S. Zu welchen Bedingungen soll die erste 40 - Millio- nen-Pf und-Anleihe auf den internationalen Markt kommen? Zu welchem Zeitpunkt soll die Anleihe aus den Markt geworfen werden? Soll ihr Priorität über alle deutschen Zahlungen zugestcmden werden? 10. Sollen zwischen den alliierien Regierungen, sei cs ,rcmcinsmn oder getrennt, und dem ftbertragungsanSschuß Sonderabmachungen über Barzahlungen und S a ch l i e f e r u n g e n getroffen werden? * Wertere Bedingungen. Die Bedingungen für die 40-Millicmen-Pftmb-Anleihe dürften nach Ler „Times" folgende sein: n) Keine Änderung des Dawes-Planes. b) Ler gute Wille Deutschlands, e) absolute Priorität für die Anleihe, <l) Garantien, baß der abertragungsausschuß die Ausführung der Anleihe nicht stört, s) eine wirklich unparteiische Körperschaft, die ent scheidet, ob Deutschland seine Verpflichtungen vernachlässigt, k) keine Sanktion ohne Einstimmigkeit für soche Ent schlüsse einschließlich der Vertreter der Geldgeber. Die Londoner Presse scheint etwas nervös geworden zu sein. Man liest aus- ihren Zeilen Lie Besürchiung ber- nus, daß Frankreich die Arbeiten der Konferenz sabotieren könnte. Inwieweit diese Nervosität berechtigt ist, wird aran ja in den nächsten Tagen erfahren.