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Wilsdruffer Tageblatt : 20.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192405205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240520
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-05
- Tag 1924-05-20
-
Monat
1924-05
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 20.05.1924
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rcronen vewllUgt, vamit eine Lebens mittelexped i - tion nach OstgrönlanÄ geschickt werden kann, di« »ach dem Schoner „Teddy" der Ostgrö-nland-Kompagni« suchen soll. Der Schoner hat seit dem vorigen Sommer nichts von sich hören lassen mid ist, wie man annimmt, vom Eis eingeschlossen. Das Expeditionsschiff wird Vor- dLte für zwei Jahre mitnehmen. Blitzschlag in einen Radioapparat. Während eines heftigen Gewitters hörte in Buntin gford (England) ein Schüler an seinem selbstgebauten Kristallempfänger ge rade die Londoner Unterhaltungen, als ein starker Blitz strahl mit derartiger Gewalt einschlug, daß der Schüler vom Tisch geschleudert wurde. Das Tischtuch und die darausliegenden Zeitungen gerieten in Brand. Der Apparat wurde völlig zerstört. Untersuchungen ergaben, daß der Blitz ineinenBaum geschlagen war, an dem die An tenne befestigt war, die den Blitz statt in die Erde in den Radioapparat leitete. (Es kann nicht genug davor gewarnt werden, den Radioapparat während eines Gewitters zu benutzen.) Seekrieg gegen den Schnaps. Im Laufe der nächsten Tage soll in den Vereinigten Staaten eine großzügige Kampagne gegen die A lko h o lschm u g g le r unter nommen werden. 363 Motorboote mit einer Gcsamtbe- satzung von 4500 Mann werden, begleitet von 20 Zer störern, den Versuch unternehmen, der Schmugglerflotte auf die Spur zu kommen und ihre weitere Tätgkeit zu unterbinden. Ein schwerer Bandenübersall in Indien. Laut einer Meldung aus Delhi hat eine Bande von hundert Einge borenen ander nordwestlichen Grenze Indiens eine britische Polizeialueilung angegriffen. Es soll 11 Tote und 3 Ver wundete gegeben haben. Außerdem hätte die Ba«^ ia Gefangene gemacht. Bunte Tages Ehronik. Rom. Rach einer Meldung aus Neapel beginnt der Vesuv wieder in Tätigkeit zu treten. Der Krater ist wie der oon einem rötlichen Feuerschein umacbcn. - « KechMechMA « - Aktendirbstähle im Berliner Polizeipräsidium. Bernotat und Kaminski, die berüchtigten Berliner Ein- und Aus brecher, stehen wieder einmal als Ai^eklagte vor einem Berliner Gericht, diesmal in Gemeinschaft mit zwei Kriminal betriebsassistenten. Es handelt sich bei der Sache um Aktendiebstähle, die im Berliner Polizeipräsidium began gen worden sind, und die seinerzeit großes Aufsehen erregt haben. Eines schönen Tages waren sämtliche Akten in Sachen Beruotat spurlos verschwunden, so daß die Staatsanwaltschaft aus dem Gedächtnis eiüe neue Anklage über Bernotats genial- Hotel- uno Pcnsienseinbrüche aufbauen mußte. Die beiden Kriminalbeamten waren nun beschuldigt, Bcrnotat bei der Beseitigung der Akten behilflich gewesen zu sein. Sie be streiten ihre Schuld, und Bernotat, der sie anfangs schwer be lastet hatte, widerruft jetzt seine früheren Aussagen. Verurteilung eines deutschsozialen NeichstagZabgeordncte». Dor dem Schöffengericht Kottbus hatte sich der Wanderredner Hans Kurth aus Breslau, der inzwischen als deutschsozialer Reichstagsabgeordneter gewählt worden ist, wegen Vergehens gegen das Gesetz zum Schutze der Republik zu verantworten. Im vergangenen Winter hatten die DcMschsozialen eine Ver sammlung veranstaltet, in der KKrth als Redner austrat. Seine Rede war mit zahlreichen Angriffen gegen die Regierung durch setzt. Kurth wurde zu 300 Mark Geld st rase verurteilt; der Staatsanwalt hatte 2 Monate Gefängnis beantragt. Neue französische MilitSrgerichtsurteile. Wegen Zugehörig keit zu einer verbotenen Verbindung wurde der Klempnermelster Josef Goldschmidt aus Altenessen und der Hütlenbeamte Karl Hill aus Dahlhausen vom französischen Militärgericht in Esten zur Rechenschaft gezogen. Goldschmidt gehörte dein Deutschnationalen Jugendbund an, während Hill Mitglied des Bismarck-Jugendbundes war. Ersterer wurde zu 3, letzterer zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt. Ein Kommunistenprozeß. Vor dem großen Schöffengericht m Offenbach a. M. standen 13 Kommunisten, die stch an einer roten Hundertschaft beteiligt hatten. Die Hundertschaft wurde gelegentlich einer Haussuchung entdeckt, wobei festgestellt wurde, daß auf Weisung der Kommunisten in einem Offenbacher Werk Handgranaten hergestellt wurden. Das Gericht verurteilte drei Angeklagte zu je 5 Monaten Gefängnis, die übrigen Ange klagten kamen mit kleinen Geldstrafen davon. Ei» Angeklagter wurde sreigesprochen. Das Urteil im Separatistenprozeß. Im Separatistenprozeß vor dem Staatsgerichtshof in Stuttgart erklärte der Vor sitzende vor Bekanntgabe des Urteils, daß die Feststellungen des Oberreichsanwalts als erwiesen anzusehen und die Angeklagten wegen Beihilfe zum Hochverrat zu verurteilen seien. Das Urteil lautete gegen Gilcher aus 6 Jahre Zucht haus und 6 Jahre Ehrverlust, gegen Gießler, Walz und Steinbrecher aus je S Jah re Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Wagner aus 5 Jahre 6 Monate 1 Woche Zuchthaus und S Jahre Ehrverlust, gegen Nees auf 3 Jahre Zuchthaus, außerdem gegen sämtliche Ange klagten auf 50V Mark Geldstrafe, im Falle der Uneinbringlichkeit aus einen weiteren Monat Zuchthaus, der jedoch durch vie Untersuchungshaft als verbüßt zu erachten ist, ferner aus Tra gung der Kosten des Verfahrens. Mildernde Umstände wurden nicht zugebilligt. k * Au/HüM « ; Der Palast der zwanzig Schönheiten. Auf der briti schen Reichsausstellung in Wembley gibt es einen „Palast", in dem zwanzig schöne Frauen sitzen, um sich als Dar stellerinnen historischer Berühmtheiten verschiedener Zeiten (Kleopatra, Beatrice, Frau von Pompadour usw.) bestau nen zu lassen. Die zwanzig Frauen sitzen hinterGlas und sollen fünf Monate hindurch so sitzen bleiben. Da das aber etwas anstrengend ist, wurden für jede Rolle zwei Frauen ausgewählt, die einander von Zeit zu Zeit ablösen. Charakteristisch ist, daß bereits sechs von den zwanzig Schönheiten weiter „verkauft" oder „verpachtet" sind: sie werden im Oktober nach Amerika gehen und dort in einer großen Revue auftreten, damit auch die Yankees sehen, was für prächtige Weiblichkeit es in Altengland gibt. Alle diese Schönheiten sind nämlich wie überhaupt alles, was man in Wembley zu sehen bekommt, „made in England,,. Sie wurden aus einer Schar von 400 englischen Damen ausgewählt und drei Monate lang gedrillt, nm den von ihnen verkörperten Personen in Charakter, Haltung und Gebärden ähnlich zu Werdern Uns können die zwanzig Schönheiten im Glaskasten leid tun, aber den Engländern tun sie offenbar wohl, denn die Glasfutterale sind vom frühen Morgen bis zum späten Abend von einer gewal tigen schaulustigen Menge umlagert. - Clemenceau als Cmcinatus. Als der römische Staats mann und Feldherr Cincinatus die Politik „bis hier oben" hatte, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück und begann seinen Acker zu bearbeiten. Als man ihn dann wieder brauchte, mußte man ihn vom Pfluge wegholen, worauf er rasch die Äquer besiegte und wieder zu seinem Dünger zürückkehrte. Auch Clemenceau, Frankreichs „großer Tiger", der Manu, der den Versailler Vertrag gedichtet und nicht nur uns, sondern auch seinen Freund Wilson damit hineingelegt hat, hat, wie er dieser Tage einem Be richterstatter erklärte, die verd.... Politik gründlich satt bekommen und beschäftigt stch in seinem kleinen Landhaus in der Vendöe nur noch mit Gartenarbeiten, Salatbeeten, Erdbeerfeldern und Spargelessen. Außerdem schreibt er natürlich Memoiren und läßt sich von schönen jungen Damen, die ihn verehren, den Hof machen. Das auch außerdem! Als ihn der Zeitungsmann fragte, was er über die Wahlen denke, sagte er etwas mystisch: „Ach, was für eine Rasse!" Er meinte nämlich die — deutschen Wahlen; die französischen sind ihm schnuppe. Nobelpreise und Nationalität. Die Nobelstiftima ver öffentlicht einen zusammenfassenden Bericht über die Ver teilung der Nobelpreise in den Jahren 1921 und 1922 Von den fünf Preisen für Chemie und Physik sind zwei an Deutsche gefallen (Walter Nernst und Albert Einstei n), -Wei an Engländer nnd einer an einen Dänen. Die beiden literarischen Preise dieser Jahre sielen an einen Franzosen (Anatole France) nnd an einen Spanier (Benavente). Der Friedenspreis von 1921 wurde geteilt zwischen dem schwe dischen Ministerpräsidenten Branting und dem General sekretär der Interparlamentarischen Union, Christian Louis Lange, gleichfalls einem Schweden; der Friedenspreis von 1922 wurde Fritjof Nansen, einem Norweger, zuerkannt. Von den 18 naturwissenschaftlichen Preisen, die seit Beginn des Weltkrieges verliehen worden sind, fielen 8 an Deutsche, b an Engländer, 2 an Dänen und je 1 an einen Amerikaner, Belgier und Französisch-Schweizer. Von den 8 literarischen Preisen fielen 2 an Franzosen, 2 an Dänen und je 1 an einen Deutsch-Schweizer (Spitteler), Spanier, Schweden und Norweger. I Vie SLneewsiillermg Ser MlMiegm Major Martin schildert feine Abenteuer. Major Frederick Martin, der Führer der amerika nischen Flieger, die einen Flug rund um die Welt unter nommen haben, war bekanntlich während seines Fluges über Alaska elf Tage lang verschollen, und man hatte in den Vereinigten Staaten schon alle Hoffnung ausge geben, ihn nvch lebend wiederzufinden. Amerikanische Torpedoboote wurden ausgesandt, um an den Küsten von Alaska nach ihm zu suchen, da man annahm, daß er mit seinem Flugzeug ins Meer gestürzt sei. Man fand aber keine Spur von ihm und glaubte bereits, daß er rettungs los verloren sei, als plötzlich und unerwartet aus Port Moller im nördlichen Alaska eine Nachricht von ihm einiraf. In einem Bericht an amerikanische Blätter schil dert Martin jetzt selbst, was er während der elf fürchter lichen Tage erlebt hat. Am 30. April hatte er mit seinem Begleiter Har- wey den Ort Chignik am Stillen Ozean zum Weiter flug verlassen. Der Flug wurde jedoch schon nach einer Stünde jäh unterbrochen, da das Flugzeug in einen dichten Nebel geriet und mit voller Gewalt gegen eine Bergwand anprallte, so daß die Maschine vollständig zertrümmert wurde, während die beiden Flieger wunderbarerweise unverletzt blieben. Wegen des Nebels konnten sie kaum ein paar Schritte weit gehen, so daß sie sich von dem Kom paß führen lasten mußten, als sie nunmehr notgedrungen eine Fußwanderung antraten, um, wenn möglich, die Küste des Stillen Ozeans zu erreichen. Sie kamen aber nicht weit, denn die Schneelandschaft und der Nebel blen deten sie derart, daß sie die Richtung verloren und sroh waren, daß sie zu den Trümmern ihrer Maschine zurück fanden. Unter den Überresten der Propeller machten sie es sich dann in ihren Pelzkleidern so bequem, wie es bei dem bösen Wetter möglich war. Da es bitterkalt war, machten sie ein Feuer an, indem sie einen Teil des zer schmetterten Flugzeuges als Heizmaterial verwandten. Da sich am 1. Mai das Wetter nicht änderte, mußten sie noch einen ganzen Tag in ihrer nicht sehr angenehmen Lage verharren. Erst am 2. Mai brachen sie wieder auf, obwohl auch an diesem Tage dichter Nebel herrschte, so daß sie sich vorsichtig Weitertasten mußten. Die Richtung gab ihnen ein kleines Flüßchen, das nach Nordwesten floß. Nachdem sie den ganzen Tag gewandert waren, suchten sie für die Nacht Unterschlupf unter einem Erlengebüsch, indem sie sich, um nicht im Schnee liegen zu müssen, ein Lager aus Erlenzweigen zurechtmachten. Am 4. Mai war das Wetter klar geworden, so daß Martin und sein Begleiter, mit Ausnahme der noch immer in Nebel gehüllten Berggipfel, das Land weithin über blicken konnten. Den Weg zum Meere fanden sie aber z trotzdem nicht. Nach langer Wanderung gerieten sie an einen See, in dessen Nähe sie wieder unter einem Erlen- busch schliefen. Am nächsten Tage kamen sie nur langsam vorwärts, denn sie waren so erschöpft, daß sie kaum gehen konnten: hatten sie doch nichts anderes zu essen als die flüssige kondensierte Nahrung, die sie mit sich führten. Martin war zudem schneeblind geworden und so ent kräftet, daß er allen Mut und alle Energie verlor. In dem Schnee, der 4 Fuß hoch lag, sanden die beiden Männer Fußspuren von riesigen Bären. Am 6. Mai schien sich endlich die Nähe von Menschen anzukündigen: Martin und Harwey entdeckten nämlich die Hütte eines Trappers und fanden hier nicht nur Angaben, die ihnen für die Wände- runq zum Meere die Orientierung erleichtern mußten, sondern auch einige Nahrungsmittel, und zwar Mehl und Büchsenlachs. Aüs dem Mehl buken sie heiße Kuchen, die sie gierig verschlangen, woraus sie in einen tiefen Schlaf verfielen. Als sie am nächsten Morgen erwachten, begann das Kuchenbacken von neuem, und die beiden Flieger zu Fuß sammelten infolge der warmen Nahrung so viel neue Kräfte, daß sie an die Weiterwanderung denken konnten. Vorher schossen sie noch mit einer Flinte, die sie in der Trapperhütte gefunden hatten, zwei Wildenten, so daß sie hoffen durften, das Meer, das nur noch fünf Kilo meter entfernt sein konnte, „unverhungert" zu erreichen. Ms sie an der Küste angelangt waren, mußten sie aber immer noch fast dreißig Kilometer marschieren, bevor sie zu Menschen gelangten. Am Abend des 10. Mais erst fand ihre abenteuerliche Wanderung in einer Fisch- ka »»enfabrik in Port Moller ein Ende . . . „ Am Hexeswez. Roman von F. Klinck-Lütetsburg. (Nachdruck verboten.) (Alle Rechte vorbehalten.) „Ist dies den Richtern bekannt geworden?" * „Ja, aber sie haben es mir nicht geglaubt." „Nun, Bruno Oltmanns, ich denke, einer von den anderen Geldscheinen ist schon gefunden, und es werden wohl noch mehr zu Tage kommen," sagte jetzt Heinrich Garrelt, indem er sich dem Gefangenen näherte. „Das wollte ich Euch nur sagen — und — ich weiß auch, wer ihn ausgegeben hat." Die letzten Worte Eren kaum hörbar gesprochen. Olt manns hatte sie aber verstanden, und jäh stieg ihm das Blut ins Gesicht. Heinrich Garrelt war offenbar Ueberbringer wirklichen Trostes. Er schaute ihn fragend an. „Gebt Euch nur noch kurze Zeit in Ruhe und verliert nicht die Geduld, Oltmanns. Ihr könnt Euch wohl denken, daß so was langsam geht. Theda soll Euch in Kürze Bescheid bringen, damit Ihr nicht denkt, daß es wieder einschläft. Nun sucht Euch aber einmal ein bißchen aufzurichten." Während Garrelt das Spinnhaus verließ, wurde Bruno Oltmanns in den Arbeitssaal zurückgeführt, um hier seine Arbeit wieder aufzunehmen. Zum ersten Mal seit dem Be treten dieses für ihn so entsetzlichen Raumes, in welchem er einen Platz unter Verbrechern schwerster Art einzu nehmen gezwungen war, belebte ihn ein Gefühl, das ihn befähigte, mit ruhigeren Blicken seine Umgebung zu betrachten. Am Abend aber, als er in seine Zelle zurückgekehrt, seine Glieder ans der Pritsche ausstreckte, konnte er einer leisen Hoffnung, wenn auch unter Zagen, den Einzug in seine ver düsterte Seele gewähren. 15. „Heinrich Garrelt!" Rechtsanwalt Peter Kantzius fuhr auf seinem Schreib sessel herum, als ihm dieser Name von einem Schreiber ge meldet wurde, um dem Eintretenden entgegensehen zu können. Er hotte seine Befürchtungen längst aufgegeben, sollte nun doch noch — „Ditte, wollen Sie nicht Platz nehmen?" Heinrich Garrelt machte von dieser Einladung keinen Gebrauch, sondern trat nur ein paar Schritte näher an den vor seinem Schreibtisch sitzenden Rechtsanwalt heran. „Ich danke, Herr Rechtsanwalt." „Was wünschen Sie?" „Das ist nickt so schnell gesagt, Sie werden mich wenig stens anhören müssen. Ich wollte map fragen, ob cs nicht anginge, daß der Prozeß gegen Oltmanns wieder ausgenom men wird." Peter Kantzius besann sich einige Augenblicke, ehe er d'iese Frage beantwortete. „Das läßt sich nicht vorher bestimmen. Oltmanns hat von dem Rechtsmittel der Revision keinen Gebrauch ge macht. Die gesetzliche Frist sür eine solche ist längst ver strichen und das Urteil rechtskräftig geworden." „Ja, das weiß ich alles ganz gut. Oltmanns hat in seinem Aerger über seine Verurteilung nicht Revision ein legen wollen. Er hat immer einen harten Kopf gehabt und er dachte auch am Ende, daß es ihm nichts nützen würde. Sie müssen nur bedenken, Herr Rechtsanwalt, daß man ihm rein gar nichts hat glauben wollen." „Das lag in der Natur der Sache, mein Lieber! Aber, sagen Sie mal — sicht sie denn jetzt vielleicht anders aus?" „Ich denke, ja. Jedenfalls ist Grund in Menge vor handen, um anzunehmen, daß Oltmanns unschuldig verur teilt worden ist und andere das ihm zur Last gelegte Ver brechen begangen haben." „Was Sie sagen", meinte der Rechtsanwalt in ironi schem Ton. „Vorläufig möchte ich aber Ihre Meinung nicht teilen. Ich wüßte nicht, woher mit einem Mal eine solche Annahme, bezüglich dieses vollständig überführten Verbre chers, kommen sollte." „Das will ich Ihnen klar legen, Herr Rechtsanwalt. Und Sie sollen mir kein Wort mehr dawider sagen. Ich möchte nur erst mal wissen, was für Wege ich einschlagen muß, um durchzusetzen, daß das Urteil gegen Oltmanns um gestoßen wird." Peter Kantzius lachte gezwungen. „Hoho, mein lieber Freund, so leicht geht so etwas nun nicht. Da muß erst alles klipp und klar liegen; vor allen Dingen müssen aber unumstößliche Beweise vorhanden sein, daß ein Anderer das Verbrechen begangen hat." „Die habe ich", sagte Heinrich Garrelt mit einer Seelen ruhe, die den Rechtsanwalt aufregte. Doch zwang er sich zum Gleichmut. „Na, dann man zu, da bin ich wirklich neugierig." Garrelts Miene verfinsterte sich und sein sonnenver branntes Gesicht färbte sich dunkler. „Herr Rechtsanwalt, wenn Sie keine Lust haben, mich anzuhören, dann gehe ich eben wo anders hin. Ich meine doch, es ist Wahrhaftig eine ernste Sache, wenn ein Man" unschuldig im Spinnhause sitzt." „Ja — wenn er unschuldig ist", sagte Kantzius mit eine^, Ausdruck, der seinen Unglauben deutlich erkennen ließ. „Oltmanns sitzt aber unschuldigl Und dabei bleibt'sk Haben Sie nicht einmal daran gedacht, daß es Leidhold gewe sen sein könnte, der Rudolf umgebracht hat?" „Der? Das ist ja gar nicht möglich. Um die Zeit, als Euer Bruder ermordet worden ist, hat der ruhig im BeU gelegen." „Wer fagt's denn?" „Die Untersuchung hat es doch ergeben. Um neun Uhr ist Leidhold im „Stern" in Rheidermoor gewesen." „Das stimmt auch." „Zwischen zehn und elf Uhr soll aber der Mord verübt- worden sein. Leidhold ist obendrein ein ganz schwächlicher Kerl." „Auch das stimmt beides, warum nicht?' Darum bleibe ich aber doch dabei, daß er und kein anderer meinen Burder Rudolf ermordet hat. Leidhold ist mit Friedrich Dahn so um neun herum im „Stern" gewesen. Ganz genau läßt sich das ja nicht aus den Leuten Herauskriegen. Ein gewisser Runken hat gemerkt, daß Leidhold den Bahn ein paar Mal zum Aufbruch gemahnt hat und auch unruhig gewesen ist. Wilhelm Karsboom aber sagt, er sollte meinen, er könnte mit ruhigem Gewissen beschwören, daß Bahns Wagen, nicht in der Richtung nach Rheidermoor, sondern nach Nordermoor gefahren sei. Er will damals noch seine Gedanken darüber gehabt haben."
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