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MMMrMeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, M« »Wilsdruffer Tagedlatt' erscheint tLglich nach«. s Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in dar GefchLstsftelle und den Ausgabestellen 2 Wll. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,R> Mb., bei Postbestellung I Mb. zuzüglich Abtrag- ... , . ,, . — .. . gebühr. Einzelnummern »Pf, «»eBoftanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAu^ «siger und BefchSftsftcllen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgeh». Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung de» Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis die 8gefpalteneRaumzeile20Goldpfennig, die2gefpalteneZeilederamtlichenBekanntmachungen40Gold- pfennig, die Z gespalteneReklamezeNe im textlichen Teile !00 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. 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Das preußische Justizministerium kündigt die Heraus gabe einer Verordnung an, durch die der Strafvoll zug ganz beträchtlich gemildert werden soll, wo durch vor allem die Zusatzstrasen in den Zuchthäusern, also beispielsweise Dunkelarrest und Fesselung, abgeschafft werden sollen. Derartige Bestrebungen auf Erleichterung in der Lage der Gefangenen, sowohl in den Gefängnissen wie in den Zuchthäusern, sind ja namentlich in den letzten Jahren stark in den Vordergrund getreten. Bei dem Urteil über diese Bestrebungen stehen sich naturgemäß die Vertreter der beiden großen juristischen Theorien über den Geist der Strafe einander gegenüber, also die Anhänger der Abschreck ungs- und die der Erziehungs theorie, die sich auch mit den Befürwortern des rein staatlichen Zweckmäßigkeitsstandpt..zktes, d. h. der reinen Unschädlichmachung der Verbrecher vielfach decken. Die Anhänger der Abschreckungstheorie haben sich gerade in den letzten Jahren im Hinblick auf das furchtbare An schwellen der Zahlen der Verbrecherstatistik bedeutend ver mehrt. Es fragt sich nicht nur, ob die Theorie richtig oder falsch ist — sondern vor allem, ob siewirksam ist. Tat sache ist, daß unzählige Vergehen kleinerer Art, nament lich Diebstähle, ungcsühnt bleiben, da gegenüber der hoch angeschwollenen Woge gerade der Eigentumsverbrechen uns -vergehen der Beamtenapparat der Kriminalpolizei längst nicht mehr ausreicht. Ebensowenig hat die Ab- fchrcckungstheorie Erfolg gehabt bei der Strafverfolgung der modernsten Verbrechen, nämlich des Hoch- bzw. Lan desverrats, dazu des Landfriedensbruchs, kurz aller Ver gehen und Verbrechen, die man als sogenannte politi sche bezeichnet. Bei der Behandlung gerade dieser Ver brechen, bei denen ja auch in der Regel die Zusatzstrafen der Aberkennung der Ehrenrechte usw. nicht ausgesprochen werden, wenn das Verbrechen sich auf rein politischem Gebiet bewegt und nicht durch die Begehung etwa von Eigentumsverbrechen in seinem Charakter getrübt wird, hat sich beim Strafvollzug die Gewohnheit herausgebildet, diese politischen Verbrecher anders zu behandeln als die gewöhnlichen. Das soll nun verordnungsmäßig noch da hin erweitert werden, daß diese „überzeugungsverbrecher* nicht in mechanischer Weise und ihrer Vorbildung ganz unangemessen beschäftigt werden, sondern daß für sie eigentlich nur noch die Strafe der Freiheitsentziehung be steht. Aber auch ganz allgemein soll eine wesentliche Er leichterung des Loses der Gefangenen durch eine Reihe von Vergünstigungen eintreten, die nicht generell gewährt, sondern die verdient werden müssen durch gute Füh rung in einer Bewährungsfrist von drei Monaten für Gefängnisinsassen und von neun Monaten bei Zuchthaus gefangenen. Da ist zuerst zu erwähnen, daß in solchen Fällen das Halten einer Tageszeitung gestattet wer den soll: natürlich nur von solchen, die nicht staatsgefähr- liche Tendenzen haben. Dann soll den Gefangenen in be stimmtem Ausmaß das Rauchen gestattet sein und ebenso die Ausschmückung ihrer Zelle mit Blumen, Bildern usw. Schließlich auch noch die Anfertigung schrift licher Arbeiten für sich selbst, sodaß also die berühmten politischen Gefängnisbriefe, wie z. B. im Kriege die Spar takusbriefe waren, nun wirklich im Gefängnis geschrieben werden können. Vor allem bei der Gesängnisarbeit sollen grundlegend andere Bestimmungen wirksam werden. Einerseits soll den Gefangenen nach Erledigung ihres Arbeitsquantums die Verfügung über den noch übrig bleibenden Rest der Arbeitszeit gegeben werden; daraus folgt ohne weiteres, daß das in dieser restlichen Arbeits zeit produzierte in seinem Gesamtertrag dem Arbeitenden zugute kommen muß. Darüber hinaus soll eine teilweise »der auch eine ganze Selbstbeschäftigung gestattet werden, — immer natürlich unter dem Gesichtspunkt, daß diese Vergünstigungen verdient werden müssen. Damit werden nicht nur die Gefangenen, sondern auch jene wirt schaftlichen Kreise sehr einverstanden sein, die seit Jahren gegen die wirtschaftliche Konkurrenz der Gefängnis- srbeit protestiert haben. Bekanntlich ist der Lohnanteil an diesen Erzeugnissen derart gering, daß sich gewisse wirt schaftliche Erzeugnisse zu einem Monopol der Gefängnisse entwickelt haben; es braucht nicht betont zu werden, daß die Niedrighaltung der Gefängnislöhne insofern pro duktionshemmend wirkte, als durch sie irgendein Arbeits anreiz naturgemäß nicht erfolgte, der Grundsatz des Akkordlohnes wegen jener Niedrighaltung gleichfalls völlia unwirksam blieb. Vielleicht wird bei dieser Gelegenheit das wichtige Problem endlich wenigstens angeschnitten, die Frage näm lich, wie der Gefangene nach der Entlassung aus dem Gefängnis oder Zuchthaus in das bürgerliche Leben zurückfindet. Nur wenn dies Problem gelöst ist, hat die Milderung des Strafvollzuges einen Zweck, weil sie weniger abschreckend als erziehend wirken will. Aber wenn der eigentliche soziale Zusammenbruch erst nach der Gesängniszeit erfolgt und nicht vermieden werden kann, dann ist jene Arbeit im Gefängnis an der Seel« des Ge fangenen immer überflüssig Der KW - eMe HmklMtW MrzeiW « --»MI Debatte über das Sprachprvblem. Als einer der Ersten sprach der Abgeordnete Peyrothes. Die meisten Elsässer, so erklärte er, be herrschten nicht die französische Sprache und, obwohl die elsässische Jugend große Fortschritte in der Erlernung der französischen Sprach« mache, sei der Gebrauch des Deutschen bei Gerichtsverhandlungen, im Theater, in den Kirchen, auf der Kanzel und in der Preße unent behrlich. Insbesondere müsse die deutsche Sprache vor den Gerichten mit Rücksicht auf die unbemittelten Klaffen zugelassen werden, weil sonst geradezu drastische IustizirrLümer Vorkommen würden. Diese Notwendigkeit besteht auch für Kirche und Theater. Das Befremden einiger Pariser Blätter sei ganz unverständlich. Schiller, der Ehren bürger Frankreichs von 1793 habe ein Anrecht aus Rücksicht. Sei er wirklich ein Verbrechen, wenn eine deutsche Truppe in Straßburg Vor stellungen gebe und wenn sich deutsche Sportverbände mit französischen in Paris in friedlichem Kampfe treffen? Zu demselben Thema sprach dann der Abg. Müller. Tatsache sei, daß das Elsaß an der deutschen Sprache fcsthalte. Man muffe sich das Wort Napoleons ins Gedächt nis zurüärufen: Laßt sie deutsch sprechen, wenn sie sich nur als Fran zosen schlagen. (Lebhafter Beifall.) Cs liegt im Interesse sämtlicher Konfessionen, daß die Kinder deutsch lernen, um an dem religiösen Leben wirksam teilzunehmen. Herriot ergriff sodann das Wort zu einer kurzen Erwiderung und versprach die Zulassung der deutschen Sprache bei Gerichtsverhandlungen durch Gesetze. Es licde der Re gierung fern, sich bei ihrer Sprachpolitik von chauvinistischen Grund sätzen leiten zu lasten. Coolidges Botschaft an den Kongreß. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Newyork, 3. Dezember. In feiner Botschaft an den Kongreß lehnt Coolidge den Völkerbund mit scharfen Worten ab, spricht sich aber für ein Schiedsgericht aus, jedoch nur mit großen Einschränkun gen, da Amerika nicht in fremde Angelegenheiten verwickelt zu werden wünsche. Eine zweite Abrüstungskonferenz könne erst nach der Er ledigung der eurgpästchen Pläne für die Konferenz stattfinden. Japans Beunruhigung wegen der geplanten amerikanischen Flottenmanöver wies er mit der Begründung zurück, daß jedem Staat das Recht zu- stehc, seine Streitkräfte zu entwickeln und daß ein Manöver kein« feindselige Handlung bedeute. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 3. Dezember. Die Verhandlungen über den Handels und Schiffahrtsvertrag zwischen Deutschland und Großbritannien wurden am 2. Dezember in London zu Ende gesührt. Der Vertrag wurde 3 Uhr nachmittags im Londoner Auswärtigen Amt durch den deutschen Botschafter in London und Ministerialdirektor von Schuber! für Deutschland, sowie von dem englischen Staatssekretär für aus wärtige Angelegenheiten und von Lord d'Abernon für Großbritannien unterzeichnet. Der Text des Vertrages wird in Deutschland und Eng land am Freitag, den 5. Dezember veröffentlicht werden. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 3. Dezember, lieber den Abschluß der deutsch-eng lischen Handelsvcrtragsvrrhandlungen erfährt die TU. in Ergänzung der bisherigen Tatsachenmeldungcn von sehr gut unterrichteter Seite noch folgende Einzelheiten: Der deutsch-englische Handels- und Schiff fahrtsvertrag beruht auf der Grundlage der allgemeinen unein geschränkten Meistbegünstigung. Er umfaßt alle Gebiete wie Zölle, Schiffahttsrecht, Aktienrecht sowie auch die gegenseitige Anerkennung der Konsulate und enthält einen besonderen Schiedsgerichtsparagra phen. Er ist aus die Dauer von sünj Jahren abgeschloffen und ist mit einjähriger Frist kündbar. Da der Vertrag der Ratifizierung durch die beiderseitigen Parlamente bedarf, aber nicht anzunehmen ist, daß bis zum Michtag, am 1V. Januar (Ablauf der fünfjährigen Frist aus dem Verfailler Ertrag) in Deutschland und England die Ratifizierung möglich ist, kann für die Zeit nach dem 10. Januar mit dem Eintreten eines vertragslosen Zustandes gerechnet werden. Ob für diese Zeit ein modus vivendi gefunden wird, steht dahin. In einem besonderen Protokoll ist noch sestgestellt, daß bei künftigen Zollerhöhungen keiner der beiden Staaten seine Zölle so zuspitzen soll, daß sie nur den Gegen kontrahenten treffen könnten. In der Frage der 26prozentigen Aus- suhrabgabe liegt eine endgültige Abmachung noch nicht seft, weil hier noch weitere Verhandlungen mit dem Generalagenten notwendig sein werden. Die deutsche Sprache im Elsaß. Herriots Versprechungen' Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 3. Dezember. In der Kammer kam es gestern bei der Erörterung des Budgets von Elsah-Lothringen zu einer interessanten Verlängerung derenglischenSssetzMg London, 2. Dezember. Die „Westminster Gazette" will wissen, vast Köln am 1V. Januar von den Engländern ganz bestimmt nicht ge räumt wird, ganz gleich, was die alliierte militärische Kontrollkommission über Deutschlands Entwaffnung auch berichten möge. Als Grund wird angegeben, es märe unmöglich, die Dezentralisation der Polizei und die übrigen Punkte, die für die weitere Diskussion Vorbe halten waren, rechtzeitig zur Zufriedenheit der Alliierten zu regeln. Es sei aber immer noch möglich, meint das Blatt, daß Köln im April oder Mai geräumt werde. Das Blatt fügt hinzu, die Franzosen täten ganz gut daran, zum gleichen Termin die Ruhr zu ver lassen, da man in Deutschland schon ungehalten genug sei, wenn Köln über den 10. Januar hinaus besetzt bleibe. * Das englische Blatt scheint vorläufig nach irgendeiner Seite Stimmungsmache zu treiben. Denn die Frage, ob Köln am 10. Januar 1S25 geräumt werden soll, ist zwar in der letzten Zeit in der Auslandspresse viel diskutiert worden, ist aber eigentlich gar keine Frage, weil bis zu diesem Termin die Räumung endgültig in Aussicht gestellt worden. In Frankreich hat man ein verständliches In teresse daran, die Engländer länger in Köln zu halten, da aus London deutlich erklärt worden ist, man werde keinesfalls einen Einmarsch der Franzosen in die Kölner Zone nach Abmarsch der englischen Truppen dulden. Und so spricht man viel von etwaigen ungünstigen Ergeb nissen der im Gange befindlichen M i l it ä r k o n t r o l l e, die eine Verlängerung der Besetzung notwendig machen könnten. Einer solchen vorgeschützten Besorgnis merkt man zu sehr die Verlegenheitssuche an, da bis jetzt nur überaus günstige Resultate der Militärkontrolle bekannt wurden, d. h. die Kontrolloffiziere sanden nirgends in Deutschland Anlaß zu Einwendungen. Die wirkliche Sorge der Franzosen geht dahin, daß sie bei dem Abmarsch der Engländer aus Köln einer richtigen Stütze für die längere Aufrechterhaltung der Ruhrbesetzung beraubt kein könnten. Das ist des Pudels Kern. * Zusammenkunft Chamberlain—Herriot. Am 4. Dezember sollen der englische Außenminister Austen Chamberlain und der französische Minister präsident Herriot eine Zusammenkunft haben, und es fall dabei, wie mehrfach behauptet wird, die Kölner Räumung besprochen werden. Allerdings bilde nach englsicyen Blättern diese Zusammenkunft nur die Vor bereitung für den Besuch Baldwinsbei Herriot. Austen Chamberlain werde mit Herriot alle schwebenden Fragen besprechen, um festzustellen, in welchen Fragen eine Ver ständigung mit Frankreich leicht erzielt werden könne. Diese Fragen würden dann Gegenstand einer mehr formellen Aussprache zwischen Baldwin und Herriot bilden. Der Zeitpunkt dieser Unterredung dürfte festgesetzt werden, sobald Chamberlain dem englischen Ka binett über das Ergebnis der Verhandlungen mit Herriot Bericht erstattet hat. Der Mvaler KommumstenMisch. Kriegszustand in ganz Estland. Der am 1. Dezember von bewaffneten Kommunisten in Reval unternommene Putschversuch ist von der Garnison der estländischen Hauptstadt blutig niederge schlagen worden. Wie ernst die Revolte war, ergibt sich aus den Mitteilungen, die in einer außerordent lichen Sitzung des estländischen Parla ments der Staatspräsident machte. Die Kom munisten wollten die Macht an sich reißen und traten nicht nur in Reval, sondern auch in anderen Städten des Landes in Tätigkeit. Die Regierung sah sich daher genötigt, in ganz Estland den Kriegszustand zu proklamieren und die militärische Gewalt in die Hand einer einzigen Person zu legen. Zum Oberkommandierenden mit außerordentlichen Vollmachten'wurde der Gcnerwl Laidoner ernannt. Die Erteilung der außerordentlichen Vollmachten wurde vom Parlament einstimmig gulgcheißen. Aus dem ersten Bericht, den General Laidoner dem Hause erstattete, erfuhr man, daß in Reval zehn Mi litärs, fünf Polizeibeamte und vier Privatpersonen, dar unter der Verkehrsminister Kark, getötet und etwa vierzig Nicht-Kommunisten verwundet worden sind. Auf kommunistischer Seite ist die Zahl der Opfer weit größer. Mehrere Offiziere und Soldaten sind im Schlafe hinterrücks ermordet worden. Ermordet wurden auch einige Eisenbahnbeamte, die auf den Bahn höfen Wache hielten. Die Kommunisten hielten ver schiedene Negierungsgebäude, gegen die sie den Kampf mit Bomben und Handgranaten eröffnet hatten, vor übergehend im Besitz. Jetzt soll in Reval und im ganzen Lande wieder Ruhe herrschen. Es wurden bisher etwa 60 Personenfest genommen, und die Feld gerichte sind bereits in Artigkeit getreten.