Volltext Seite (XML)
MsdmfferLWM Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze», des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffe« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D« .Wilsdruffer Tageblatt« erscheint täglich nachm. 8 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mb., bei Postbestellung M. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^üger une Geschäftsstellen — . ——" ... nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 2gespalteneZeile der amtlichenBekanntmachungen 40Gold pfennig, die 3 gespalteneReklamezeNe im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorin.ivUhr Mr die Richtigdeii der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir Heine Daranlie. Jeder Radattanfpruch erlischt, wcnn der Detrag durch Klage ein,«zogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Dermittlungsslellco entgegen. Nr 281 83. Jahrgang. Telcgr.-Adr.: »Amtsblatt« Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2S4V Dienstag, 2. Dezember 1924 Schädlings Ker Nation. »Ich, nein, ich wähle grundsätzlich überhaupt nicht." Man sieht ihn vor sich, wie er voll Hochachtung vor sich selbst den Bart streicht — nur Männer haben derartige „Grundsätze!" —, man hört seine Stimme, wie er durch diesen Satz die tiefe Verachtung mit allen jenen zum Aus druck bringt, die so „dumm" sind zu wählen, sich zu einer Partei bekennen, während er, der Nichtwähler, hoch erhaben über allen Parteien steht. Er ist förmlich geschwollen von Hochachtung vor sich selbst, schaut mit einem Lächeln, in das er vergeblich „eisigen Hohn" hineinzulegen versucht, auf alle jene, die ihr oberstes Recht und ihre oberste Pflicht als Staatsbürger ausüben. Im alten Athen gab es eine Bestimmung, daß bei Auseinandersetzungen zwischen den Bürgern ein jeder Partei ergreifen mußte, wollte er nicht durch ein „Scher bengericht" des Landes verwiesen, ins Elend der Ver bannung gestoßen werden. Es war sozusagen eine Wahlpflicht eingeführt. Und wenn der Nichtwähler voller Genugtuung über sich selbst am Wahlsonntag zum gewohnten Frühschoppen schreitet, dann nach dem Mittagessen sich zum Nachmittags schlummer hinlegt und hernach beim Kaffee befriedigt fest stellt, daß nun endlich „Gott sei Dank der ganze Rummel wieder einmal vorbei ist", sich dann beim Dämmerschoppen gar noch damit brüstet, daß er „natürlich" nicht gewählt hat, „weil ja die Parteien alle miteinander nichts taugen", dann merkt er freilich noch nicht, was er begangen hat. Aber ihr sollt ihn erst einmal hinterher schimpfen hören, wenn ihn nun das Parlament an dessen Zu sammensetzung er doch gänzlich unschuldig ist, am Geldbeutel zwackt oder ihm sonstige Verpflichtungen auf packt I Da kann er schimpfen und fluchend die Faust auf den Stammtisch niedersausen lassen, daß die Biergläser Hüpfen. Da zetert er, schreit Mord und Brand über Reichs, tag und Negierung — bloß, da nutzt es ihm nichts mehr. Er hat dann vielmehr überhaupt nicht mttzureden. Denn man hat als Staatsbürger in einer Demokratle nicht bloß das Wahlrecht, sondern auch die Wahl- Pflicht. Trostlos war wieder vielfach die Beteiligung an den Wahlen der letzten Monate. Das setzte schon bei den Nachwahlen für Oberschlesien ein, wo nur 65 A der Wahb berechtigten ihre Stimme abgaben. Die Partei der Richt- Wähler war immer schon recht groß; es ist gar nichts aus. geschloffen, daß sie am 7. Dezember die größte wird. Obwohl es um aller Deutschen Geschicke geht. Es ist fast wie bei jener biblischen Erzählung von dem König, der ein Mahl rüstete und seine Boten aussandte, um einzuladen. Ich will das nicht weiter ausführen; aber wortwörtlich trifft das, was man dem Boten erwiderte, auch jetzt bei den Wahlen zu. Bei den meisten ist es ja Faulheit. Und das ist für den Staatsbürger, also den Träger der Souveränität seines Volkes, das Unverant wortlichste. Dann ist er eben nicht reif dazu, sich selbst zu regieren, auch wenn es in den Einleitungsworten zur Ver fassung des Deutschen Reiches steht. Da lobe ich mir noch den oben skizzierten „Grundsätzlichen", der täuscht wenig stens ein allerdings falsches Denken vor. Der Nichtwähler ist wie der Junge, der hinter vre Schule geht; es schadet ihm daher gar nichts, wenn ihm hinterher das Schicksal als Lehrer sozusagen die Hosen stramm zieht. Aber häufig, meist sind es solche, die einen Entschluß überhaupt nicht fassen können. Es ist wie bei Bileams Esel, der zwischen zwei Heubündeln verhungerte, weil er sich für das eine oder das andere nicht ent scheiden konnte. Auch er, der Richtwähler, „kann sich nicht entscheiden für eine Partei", — dabei geht es bei der Wah! gar nicht um das Wohl und Wehe einer Partei, sondern um das Wohl und Wehe des Vaterlandes. Wenn das auch bei jeder Wahl bis zum Überdruß g«^ predigt wird, so ist es trotzdem wahr. „Ach Gott, es wird ja doch nicht anders" — damit versucht sich der Richtwähler für sein Fernbleiben zu „ent schuldigen". Ganz bestimmt nicht, wenn Millionen ihre Wahlpflicht nicht erfüllen, hinterher dann aber alles bester wissen und machen wollen, wenn es zu spät ist. Die Nicht- Wähler aus eigener Schuld sind wie Parasiten am Körper des Volles, sind staatsbürgerliche Überflüssigkeiten, sie sind Schädlinge der Ration. „Ich wähle grundsätzlich nicht'— das ist ebenso dnmm wie . ich beschäftige mich grundsätzlich nicht mit Politik" oder „ich lese grundsätzlich keine Zeitung'. Für den, de, solches Geschwätz vollführt, ist es das Beste, er packt sich in eine» Sarg, da sieht und hört er auch nichts mehr. Das angebliche Memorandum Herriots. Berlin. SO. Rovemv-r. Ein angebliches Memorandum Herriots über die deutsche» Wahlen uno die deutsche Reichswehr wurde in einer hiesigen Zeitung veröffentlicht. Dazu wird halbamtlich bemerkt: „Ver schiedene süddeutsche Blätter wie auch die Berliner Börsen- zeuuug haben Auszüge aus einem angeblich von der französi schen Negierung am 8. d. M. an die interalliierten Mächte ge- richleien Memorandum gebracht, in dem die Absendung emei üemelnschaftlichen Rote an die deutsche Regierung mit der WimgsW ia FmkrA. MM SW« Wt Herriot in zwei Verssmmlunken ausge pfiffen und beschimpft. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". P rris, 30. November. Herriot hat sich heute früh nach Epinal begeben, obwohl ihm seine Freunde davon abrieten. Wie vorauszusehen war, ist es dabei zu Zwischenfällen gekommen. So wohl in Saint Die, wo Herriot das Wort zu einer Ansprache ergriff, wie auch in Epinal spielten sich bei seiner Ankunst er-, regte Szenen ab. Dis katholischen Verbände und dis Action Francaise halten alle verfügbaren Mitglieder zu einer Kundgebung gegen Herriot aufgedoten. In Saint Die war der Bahnhof von einer dichten Menschenmenge umlagert. Die Stadt war weder geflaggt noch geschmückt, wie es sonst üblich ist. Als Herriot er schien, fielen Rufe: Es lebe Frankreich! Nieder mit Herriot, nieder mit dem Scheckbezieher! Die Anhänger des Ministerpräsidenten demonstrierten dagegen und so kam es zu lebhaften Zusammen stößen. Die Polizei mußte eingreisen und verschiedene Verhaf tungen vornehmen. Diese Szenen wiederholten sich in Epinal in stärkerem Maße. In seiner ersten Ansprache sagte Herriot, es sei eine Verleumdung, wenn man behaupte, daß wir die Rechte Frankreichs preisgeben oder uns dieser Rechte weniger annehmen als unsere politischen Gegner. Frankreich kann nicht abrüsten, solange es seine Sicherung nicht durchgesetzt hat. In Genf habe ich den Standpunkt zur Geltung gebracht, baß es außerhalb der Sicherheit keinen Frieden gebe. Innerer Friede und äußerer Friede ist das schönste Programm, das es geben kann. Es ist ein moralisches Programm, weil die Politik meiner Ansicht »ach nichts wester ist als die Anwendung der Moral auf das Staats wesen. In seiner zweiten Ansprache, die Herriot in Epinal hiev, betonte er sein« politische Gesinnung und spielte dann auf die Zwischenfälle an, die sich bei seiner Ankunft ereigneten. Er sagte: Ich habe die Freilassung der Feftgenommsnen veranlaßt. Vor der Unterzeichnung des engttfch- deutfchen Handelsabkommens. Pari s, 1. Dezember. Zu den englisch-deutschen W'rt- schaftsverhandlungen ersährt der „Matin" aus London, daß der einzige strittige Punkt augeMicklich nur noch die 26prozentige Ausfuhrabgabe bildet. Zurzeit wird an der Abfassung einer Kompromißformel gearbeitet. Man hofft, daß das Abkommen am Dienstag unterzeichnet werden kann. Das englisch-deutsche Kompromiß. London, 1. Dezember. Mm, erwartet, daß die deutsche Regierung ihre Vertretung bei den Handelsvertragsverhandlun- gen ermächtigt wird, dem Kompromiß zuzustimmen, daß die 26^ige Abgabe von Deutschland periodisch in Pauschalsummen bezahlt werde. Die Bezahlung habe in Pfund, nicht wie Deutsch land es verziehen würde, in Mark zu erfolgen. Schlachtfeldrüuber. Paris, 1. Dezember. Die Polizei hat in Lhalons sur ! Marne Personen verhaftet, die aus den Schlachtfeldern sehr große Mengen Metall stahlen. Nach dem „Petit Journal" soll aus den Schlachtfeldern bei Reims ebenfalls viel Metall entwendet worden sein. Der Exkaiser von China noch unter japanischem Schutz. Paris, 1. Dezember. Nach einer Meldung aus Peking hält sich der Exkaiser noch immer in der Japanischen Botschaft auf. Die Eingänge des Botschaftsgebäudes werden von chine sischer Polizei bewacht. Der neue Ministerpräsident ersuchte den > Exkaiser, in den kaiserlichen Palast -urLckzukehren. Forderung der Auflösung der beiden Gruppenkommandos und die Umwandlung der Dienststelle des „Chefs der Heeresleitung" in eine „Militärverwaltung beim Reichswehrminister" ver lang, wird. An amtlicher Stelle ist von einer solchen Rote de, interalliierten Mächte nichts bekannt, vielmehr wurde auf das französische amtliche Dementi der Havas-Agentur vom 22. d. M. hingewiesen, demzufolge bereits die französisch, Re- giciung eine solche Maßnahme ihrerseits in Abrede gestellt bat. Widersprechende Angaben über Aathusius Berlin, 29. November. Ein hiesiges rechtsstehendes Blatt teilt mit, General von Nathusius sei in Nachwirkung seiner auf ner vöser Grundlage beruhenden Unterernährung während seiner Gefangenschaft an einem schweren Ruhransall er- krankt und bettlägerig; er könne deshalb seine Absicht, in eurer deutschnationalen Wahlerversammlung zu sprechen, nicht ausführen. Dagegen veröffentlicht das sozialdemokrati- sche Casseler Volksblatt eine Zuschrift des Herrn von Nathusius, in welcher der General seinen Dank da- für ausspricht, daß die gesamte Casseler Presse in so warm« herziger Weise für ihn eingetreten sei, ebenso wie alle Kreise der Bevölkerung. Gleichzeitig teilte nach der Angabe des Casseler Blattes der General diesem mit, er werde in der Deutschnationalen Wahlversammlung nicht sprechen. Er hätte bloß die Absicht gehabt, einige Worte des Dankes zu sagen, da er aufgefordert worden sei. Da er aber gesehen habe, daß sein Auftreten in dieser Versammlung zu Miß verständnissen führen könnte, hab« er «S abgelehnt, in der Wahlversammlung zu sprechen. über sein Revisionsgesuch erklärte der General noch, daß an ihn keinerlei Forderungen dahingehend ge- stellt seien, daß er das Revisionsgesuch zurückziehen solle. Er habe dieses Revisionsgesuch auch bis zum heutigen Tage nicht zurückgezogen und auch seinen Anwalt nicht dazu bevollmächtigt. Die Revision müßte daher noch lau sen und stehe in keinem Zusammenhang mit seiner Frei- laffuna. Gilberts Erklärungen. Der ReparattonSkommissar über Deutschland. In Paris trat die Reparationskommission zuwuuueu, um einen Vortrag des von Berlin nach Paris gereisten Reparationskommiffars Gilbert entgegenzuuehmen. Gilbert führte aus, daß Deutschland bei der Zahlung keine Schwierigkeiten mache, sondern sich pünktlich seiner Verpflichtungen entledige. Aber er könne die eingegangene Summe auf die einzelnen Alliierten noch nicht verteilen, da die Finanzministerkonferenz erst den Prozentsatz, der jedem alliierten Lande zukommen solle, festsetzen müsse. Die augenblicklich in Paris tagende Vorkonferenz der alliierten Finanzsachverständige» beschäftigt sich bereits eingehend mit dieser Frage. Bisher wurden die eingegangenen Sum men zur Bezahlung der Sachlieferungen verwendet, be sonders für Kohle und chemische Produkte. Es wurde auch der Abschluß eines Vertrages über die Lieferung von 2500 Tonnen Stickstoff und 500 Tonnen Schweselammo- nium an Frankreich genehmigt. Parker Hilbert ist wieder nach Berlin abgereift. , Die Wirren in Ägypten. Telegraphenverblndungen unterbrochen. Einige unbestimmte, drahtlos in London eingetroffene Nachrichten deuten an, daß der Kampf mit den Meuterern in Khartum noch andauert. Die Telegraphenlinien zwischen Kairo und Khartum sind an einer noch nicht festgestelltcn Stelle durchschnitten, und der Eisenbahnvcrlebr nach vem Sudan ist eingestellt. Die sog. Meuterer sollen aus Sudanesen und Arabern bestehen. Sie wurden mit Maschinengewehrfeuer bekämpft. Die Engländer halten Verluste, unter den Toten befinden sich mehrere Ärzte Man befürchtet in Regierungtskreisen, daß es sich um einen offenen Angriff der Sudanregierung handelt, die sich gegen das britische Regime auflehnt, da die britischen Offiziere bereits nach Ägypten abgeschoben worben sind. Die Nach richten von der Meuterei haben in England große Be stürzung hervorgerufen. In Kairo und Unlg^no ließ England weitere Verhaftungen vornehmen. * Persische Vertretung für Ägypten. Dem BLlkerbundsekretariat lag btzs zum Wocher-ende noch keine offizielle Bestätigung der mit Bestimmtheit aus tretenden Nachricht vor, daß die persische Regierung beab sichtigt, den englisch-ägyptischen Konflikt vor den Völker bund zu bringen. Bei der ständigen persischen Völker bundsdelegation in Genf sind in den letzten Tagen von ägyptischer Seite dringende Schritte unternommen worden, daß sie als einzige Vertretung der Muselmanen beim Völkerbund sich der ägyptischen Angelegenheit au-uhmen möae. * Frankreich und der ctigsisch-'g'si tische Konflikt. London, 30. November. L'^e e I N ie gemeldet wird, hat die französische NegchciU-g ter c:.-.sichln Regierung die formelle Verficht r-g ' geheu lachen, just i» dc» e: ^ijch - -,V- tischen Streitfall most rinzminschen. Der Arlsfiaud im Sudan niedcrgesck^grn. London, 80. Noeemler. Ter nuU'e, siche Ausstand in Khartum ist niedergeschlagen. Tic Lsisis.üne ischen, die sich d e ägyptischen MilitärlazareitS temächttgt heb n, wurden dort durch Artillerie zusammengeschoflen, w ra.f sic: die ttlc sc ergaben. Die Verluste der englische» Truppen betrugen zwei Offiziere und acht Leute.