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Monopolverwaltung für Branntwein gibt Sprit zu zweierlei Preisen ab, und zwar Sprit zur Trinkbranntweinherstettung zum Preise von 4 Mark das Liter und vergällten Jndustrie- spiritus, der zur Herstellung von Riechwässern, von Schön- heits- und Heilmitteln sowie zur Lackfabrikation dient, zu dem ermäßigten Preise von 45 Pfennig das Liter. Es besteht also zwischen diesen beiden Preisen eine Differenz von 3,55 Mark. Dr. Kopp hat im Laufe der letzten Jahre weit über l Million Liter Sprit von der Reichsmonopolverwaltung bezogen, an geblich. um sie in seiner Fabrik zu verarbeiten. Er erhielt den Sprit demgemäß als vergällten für 45 Pfennig das Liter. Kopp bewog aber den Obcrzollinspektor Quehl beim Hauptzollamt Neukölln und den Zollassistcnten Welsch, das Vergüllunasver- fahrcn bei dem ihm zu liefernden Sprit nicht durchzuführen, so daß ihm unvergällter Spiritus geliefert wurde. Diese riesigen Mengen Sprit wurden natürlich nicht in seiner Fabrik verarbeitet, sondern gingen sosort in eine ganze Anzahl Likör- sabriken. Eine große Anzahl von Firmen ist in diese Affäre verwickelt veuWer ZWimg. Hannover, 25. September. In der Mitgliederversammlung hielt Bürgermeister Dr. K ü l z-Dresden einen Vortrag über die „Wiederherstellung der Sell^verwaltung im Reich und in den Ländern." Dir für Reich, Lander und Gemeinden aus der Not der Nachkriegszeit und der Inflation bereits entstandene unorganische Enrwick- tung der Finanz- und Steuerwirtschaft ist durch eine syste matische Finanz- und Steuerreform zu ersetzen. Grund legende Ziele einer solchen Reform sind: Vereinfachung und wirtschaftlichere Gestaltung der Steuern, organische Aufteilung der Steuergebiete zwischen Reich, Ländern und Gemeinden unter gerechter Berücksichtigung ihrer Ausgabennotwendig keilen. Die Aufsicht des Staates über die Städte in Selbst verwaltungsangelegenheiten ist aus die Prüfung der gesetz mäßigen Führung der Verwaltung zu beschränken. Eine Über spannung der Parteipolitik und eine wahllose Übertragung parlamentarischer Regierungsformen aus die Selbstverwaltung hemmt die Auswirkung der Persönlichkeitswerte. Die innere Kraft der deutschen Selbstverwaltung liegt nicht in Systemen und Programmen, sondern in der starken Auswirkung der persönlichen Kräfte derer, die im Ehrenamte oder im Lebens- beius ihr dienen und in der lebendigen Teilnahme aller Schichten des Volkes. lsmr NMriiilng Srr keinen. Rach einer Regierungserklärung unmöglich. Im Anfwertungsausschuß des Reichstages ließ die Reichsregierung erklären, daß eine Aufwertung oder auch nur eine geringe Verzinsung der Renten im jetzigen Zeit punkt vollkommen unmöglich sei. Sie begründete ihre Haltung mit der Finanzlage und wies die Unmöglichkeit einer höheren Aufwertung durch die Zahlen des kommen den Etats nach. ' Neichsfinanzminister Dr. Luther entwickelte im Anfwertungsausschuß den Plan, wie den nachweisbar be dürftigen Besitzern von Kriegsanleihe auf sozialem Wege geholfen werden kann. Auf Besitzer anderer Neichs- anlcihen würde sich das nicht beziehen. Der Minister suchte in zahlenmäßigen Darlegungen zu beweisen, daß es der Reichsfinanzverwaltung ganz unmöglich sei, eine Aufwertung oder auch nur eine geringfügige Verzinsuna von Reichs- und Kriegsanleihen vorzunehmen. Gegen die Aufwertung. Berlin, 25. September. Der Unterausschuß des Auf- wertungsausschusses des Reichstages setzte heute vormittag seine Beratungen fort. Die Verhandlungen waren auch dies mal vertraulich. Aus parlamentarischen Kreisen hört man, daß im Ausschuß sämtliche Parteien zu der Auffassung gelangt sind, daß der vom Finanzminister gezeigte Weg richtig und gangbar ist, für die nachweisbar bedürftigen Anleihebesitzer einen sozialen Fonds zu schaffen. Es wurde jedoch aus dem Ausschuß eine Erweiterung des Kreises gewünscht. politische kunchchsu ) Uebergabe der Ruhrtalbahn an die Reichsbahn. Nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen zwischen den Vertretern der Reichsbahn und der Regie steht fest, daß die Bahnhöfe Witten-West und Witten-Ost sowie die Eisenbahnhauptwerkstätte Witten (Ruhr) ebenso wie die gesamte Ruhrtalbahn von Vorhalle bis Essen am 15. Oktober dem Organisationskomitee übergeben wird. Dieses wird die Strecken zehn Tage verwalten und sie dann endaültia der Reichsbahn übergeben. Aufgehobene Ausweisungen Die Rheinlandkommission ließ der deutschen Abord nung in Koblenz eine weitere Liste zugehen über Zurück nahme von Ausweisungen in der französischen Zone des altbesetzten Gebietes, die 364 Namen enthält. Die Nest- Uste der Ausgewiesenen weist nach der der deutschen Ab ordnung vorliegenden Nachweisung nunmehr noch 74 Namen aus. über eine weitere Aufhebung von Auswei sungen werden die Verhandlungen fortgesetzt. In der belgischen Zone sind alle Ausweisungen von Privat personen bis auf eine zurückgenommen. EruschrZukNUg der HausziKOftruer. Im Hauptausschuß des Preußischen Landtages einig ten sich die Koalitionsparteien auf einen gemeinsamen Antrag, der die Landwirtschaft mit Rücksicht auf die schlechte Ernte von der Hauszinssteuer befreit, die Er höhung der allgemeinen Hauszinssteuer am 1. Oktober (IVO A — 4 der Friedensmiete) zwar eintreten läßt, aber von dieser Erhöhung nur die Hälfte dem Staate, die andere Hälfte der Förderung der Neubautätigkeit vor behält und für den Ausfall zum Teil durch eine Verschie bung der Volksschullasten Deckung schafft. Aus In- und Ausland Berlin. Der Reichsparteitag der Deutsch-Demo kratischen Partei findet vom 15. bis 17. November in Breslau statt. Berlin. Der Reichsjngendtag der Deutschen Volks partet ist endgültig aus den 18. und 19. Oktober in Minden (Westfalen) festgesetzt. Braunschweig. Der braunschweigische Landtag lehnte in seiner heutigen Sitzung den Vergleichsvorschlag zwischen dem Staal und dem vormals regierenden herzoglichen Haufe ab. Mainz. General Degoutte hat die Vereinigung „ehe maliger Angehöriger des XIV. Armeekorps" verboten. Ebenso sollen alle ähnlichen Vereinigungen aufgelöst werden. Lemberg. In Lemberg weilen mehrere Bevollmächtigte der Deutschen Reichsbahn zur Besprechung einer Reihe von Fragen, welche die Regelung des ostoberschlesischen und deutschen Eisenbahnverkehrs sowie des deutsch-rumänischen Eisenbahnverkehrs durch polnisches Gebiet betreffen. Madrid. Die Spanier haben große Truppennachschübe nach Marokko geworfen. Die Nachrichten über die Kämpfe lauten widersprechend. Peking. Die kämpfenden Parteien im chinesischen Bürgerkrieg sollen über einen Waffenstillstand unter handeln. Die Großmächte haben beschlossen, Nicht einzugreifen. Santiago. Die chilenische Regierung hat aus Ersparnis gründen von den 5l bei Auslandsmissionen tätigen Militär- at 1 ach 5 s 40 abberufen. Nus dem Sericbtsssai 1 Gefälschte Postanweisungen. Einen raffinierten Schwindel mit gefälschten Postanweisungen hatte der Posiaushelfer Kirschke mit seinem Freunde, dem stellungslosen Schifsssteward Kleiner, verübt und dadurch längere Zeit große Beunruhi gungen auf dem Postamt in Berlin, bei dem er beschäftigt war, verursacht. Nachdem das Verbrecherpaar sich einen Typen kasten verschafft hatte, fertigte es auf Posianweisungssormn- laren die notwendigen Stempel an und Kirschke schmuggelte die mit hohen Beträgen ausgefüllten Geldanweisungen aus dem l Amt ein. Die Postanweisungen waren an Bekannte auf- I gegeben. Das Schöffengericht Charlottenburg verurteilte Kirschke zu zwei Jahren, den bereits vorbestraften Kleiner ? zu 2!4 Jahren Gefängnis wegen Urkundenfälschung und Betrug. Vier Jahre Gefängnis für Vorbereitung zum Hochverrat. Vor dem Staatsgerichtshos zum Schutze der Republik hatten sich der Bankangestellte Otto Maier und der Schreiner Karl Kal esse, beide aus Karlsruhe, wegen Vorbereitung zum Hochverrat bzw. Begünstigung und Beihilfe dazu, zu verant worten. Beide gehören der K. P. D. an. Sie werden be schuldigt, Flugblätter an Sipo- und Sicherheitsbeamte ver schickt zu haben, worin diese zum Ungehorsam aufgesorderi werden. Der Vertreter der Anklage hielt beide Angeklagte der Vergehen für schuldig und beantragte gegen Maier süns Jahre Gefängnis und 300 Mark Geldstrafe unter Anrechnung von sechs Monaten Untersuchungshaft, gegen Kalesse sechs Monate Gefängnis unter Anrechnung von zwei Monaten Untersuchungshaft. Das Urteil lautete gegen Maier auf vier Jahre Gefängnis und 400 Mark Geldstrafe. Die Geldstrafe und acht Monate gelten durch die Untersuchungshaft als ver büßt. Kalesse wurde von der Anklage der Begünstigung frei- gesprochen. vsr neue Aaspurin. Anisim der Wundertäter und seine Apostel. Rußland ist von jeher das Land der Wundertäter und der Sektengründer gewesen. So viel Sekten, religiöse und antireligiöse, wie im Lande der Sowjets gibt es selbst in Amerika nicht. Fast jede Woche wird eine neue gegründet, und da sie sich von den ungezählten alten unterscheiden muß, um im Wettbewerb bestehen zu können und gläubige Anhänger zu erlangen, muß sie natürlich auch Neues bringen. Besonders gern operieren die Religionsstifter mit Wundern, denn das Wunder ist nicht nur des Glaubens, sondern auch des Aberglaubens liebstes Kind. Der größte und berühmteste aller russischen Wunder täter der letzten Jahrzehnte ist noch in aller Erinnerung. Es ist jener Rasputin, der — man darf das sagen, ohne sich einer Übertreibung schuldig zu machen — bis zum Kriege und auch in den ersten Kriegsjahren noch das ganze große Rußland als alleiniger Alleinherrscher beherrschte und auf den letzten Zaren und sein Haus, vor allem aber auf die zum Mystizismus geneigte Zarin, einen ebenso un heimlichen wie unheilvollen Einfluß ausübte. Es sind ganze Bücher über diesen verschlagenen Bauern — denn Rasputin war ein echter Muschik — geschrieben worden, aber das Geheimnis dieser rätselhaften Persönlichkeit, der fast alle Frauen der Hofgesellschaft verzückt zu Füßen lagen, ist bis zum heutigen Tage noch nicht gelüftet. Man weiß, daß der fanatische Wundermann, der mit drakonischer Strenge bedingungslose Unterwerfung unter alle seine Be fehle forderte, eines Tages von ebenso fanatischen Gegnern, denen gewisse Großfürstenkreise nicht fernstanden, in grau samster Weise hingeschlachtet worden ist. Im russischen Volke aber lebt er bis zum heutigen Tage weiter und es spinnen und weben sich um feinen Namen die seltsamsten Legenden. Nun ist aber, wie man aus Moskau erfährt, dem „großen" Toten in einem großen Lebendigen ein gefähr licher Konkurrent erstanden, und da — nach einem Dichter wort — der Lebende recht hat, dürfte Rasputins Name vielleicht in absehbarer Zeit aus dem Gedächtnis der urteilslosen Menge vollständig verdrängt werden. Der neue Heiland heißt Anisim, und der Bauer Kalasch nikow ist sein Prophet. Anisim ist ein alter Herr von 68 Jahren, der, nach den Schilderungen der russischen Zeitungen, wie ein gemütlicher Bierphilister aussehen muß. Er ist klein und untersetzt, und nichts in seinem Auftreten verrät die göttliche Sendung. Man kann allerdings hier kaum von einer göttlichen Sendung sprechen, denn Anisim leugnet Gott, und seine Religion ist bewußt antireligiös. Er schwört zu Lenin und den Volkskommissaren, ist also der gegebene Bolschewistenheilige. In den Versammlungen seiner Jünger erscheint er stets in Begleitung einer kleinen molligen Dame, die wie eine Schwiegermutter aus einem Benedixschen Lustspiel aussieht, Taisija benamst ist und als „Muttergottes" vorgestellt wird. Zu der Religions gesellschaft gehören ferner zwölf Apostel, die gleich Mussolinis Schwarzhemden in schwarzen Hemdblusen und dito Pumphosen auftreten. Zweck der Gründung ist die W u nd e r h e il u n g auf großer Basis. Es werden schlechthin sämtliche Krankheiten geheilt: Lahme können wieder gehen, Blinde- wieder sehen, und der Andrang ist so groß, daß Anisim für seine Sprech stunden den Zwölfstundentag eingeführt hat. Nach dem Grundsatz: „Wer die Frau hat, hat die Welt", wendet sich Anisim vornehmlich an die Weiblichkeit und an die Un mündigen. Wer in den Versammlungen erscheint, erhält ein Medaillon mit dem Bildnis des Wunderheilers, einen Segen und einen Zettel. Das ist die ganze Behandlung. Das übrige besorgt, wie Anisim selbst zugibt, die Selbst hypnose und die Autosuggestion. Glauben muß man, sonst wird nichts! Und das Volk glaubt, glaubt bis zur völligen Verblödung. In einer der letzten Versammlungen wurden 28 Krücken auf den Tisch des Hauses gelegt. „Das sind," dozierte Anisim, „die Krücken von 14 Invaliden, die mit den Krücken zu mir gekommen und ohne Krücken gesund wieder weggegangen sind." Die Frauen und Kinder waren hingerissen und sangen zu Lob und Preis des Wunder täters einen Choral. Worauf Kalaschnikow der Prophet die Honorare einkassierte. Dies Geschäft ist richtig! S. Bon der eigenen Katze angesallen. In ihrer Woh-! nung wurde die Ehefrau K. in Hamburg von ihrer Katze stark gebissen. Das Tier biß sich in einen Unter«! schenket der Frau fest, die sich des Tieres nur mit Mühe erwehren konnte. Frau K. wurde, da die Katze der Poli zeibehörde tollwutverdächtig scheint, ins Kranken- -aus Barmbeck geschafft und das Tier zur Beobachtung jchergestellt. a Ich hab dich lieb. Roman von Erich Eben st ein. Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentrale C. Acker mann, Stuttgart. „Nein, Bernd. Das kann, das darf dein letztes Wort nicht sein! Du bist sein Sohn, ich seine Frau, und trotz all' dem, was geschah, dürfen wir heute, wo er sein Un recht bereut, nicht unversöhnlich sein! Sieh — ich wollte es dir ja vorläufig noch verschweigen, aber es hat doch keinen Zweck, und Wahrheit ist nötig zwischen Menschen, .die sich so nahe stehen. Dein Vater hat mir .. . geschrie ben! Er lebt in Buffalo als Leiter eines Hospitals, das er gegründet hat, und —" Eine ablehnende Handbewegung Bernds, der leichen blaß geworden war, schnitt ihr das Wort ab. „Die Schicksale des Dr. Wilhelm Riemer interessieren mich nicht", sagte er eisig. „Und ich hoffe, sie sind auch für dich nicht von Interesse!" „Doch, das sind sie! Und sie müssen es auch für dich fein!" rief die alte Frau erregt. „Jene Frau ist tot. Seit 'Jahren schon. Sie starb kurz nach ihrer Flucht. Und dein Vater hat sie nie so geliebt, wie wir vermuteten. Sie lockte seine Phantasie, das war alles. An ihre Seite ge- ' trieben habe nur ich ihn durch meine lieblose Kälte. Aber -nie — selbst nicht in jener ersten Zeit, haben Reue und Sehnsucht ihn wahres Glück an ihrer Seite finden lasten." „.Nicht mehr als recht und billig! Es gibt nur ein Glück auf sittlicher Basis", schaltete Bernd kalt ein. Frau Dr. Haller fuhr, ahne den Einwurf zu beachten, fort: „Schon damals nach ihrem Tode hätte er gern Ver- jMnnng mit ihr gesucht, aber die Scham hielt ihn ab. »Richt als Bettler, der hier seine Existenz zerstört und drü ben noch keine neue gegründet hatte, wollte er vor Weib und Kind treten. Aber der Gedanke an uns hielt ihn aufrecht in all den folgenden Jahren schwerer Enttäu schungen, Existenzsorgen und Kämpfe. Und jetzt, wo er als unabhängiger Mann in guten Verhältnissen dasteht, wurde diese Sehnsucht übermächtig. Er ist ein alter Mann, Bernd, und alles, was er vom Leben noch erhofft, ist Versöhnung mit uns, ein gutes Wort von Weib und Kind! Du magst selbst urteilen ..." Sie zog mit beben der Hand ein paar engbeschriebene Briefbogen aus der Tasche und begann erregt zu lesen. Es war ein erschütterndes Bekenntnis menschlicher Schwäche und Reue, eine heiße Bitte um Vergebung, die da aus jeder Zeile an das Ohr des Hörers klang. Aber sie drang nicht bis an Bernds Herz, Has umpan- zcrt war von Grundsätzen, die ihm unfehlbar dünkten. Ungerührt, fast ungeduldig hörte er zu. Und wäh rend in der alten Frau alles Leid der Vergangenheit hin schmolz mit mitleidigem Erbarmen, sprach in Bernd nur die eherne Stimme der Gerechtigkeit, die blind die Wage hält zwischen Recht und Unrecht... kmt justitin, perent munäus! — War es nicht der Wahlspruch des Berufes, den er sich erwählt? Nein, keine Gnade für den, der gesündigt hat! Kein Erbarmen mit dem Mann, der so unheilbare Wunden schlug. Der seine ganze Jugend vergiftet hatte. Der n itleidslos über die Seinen hinweggeschritten war zu verbotenem Glück! Den er so tief und leidenschaftlich haßte seitdem, daß er es sogar durchgesetzt hatte, die Erlaubnis zu erwirken, den Mädchennamen der Mutter zu tragen, weil er nicht wollte, daß sie alle weiterhin durch den Na men eines Meineidigen entehrt würden. Daß nicht Liebe, sondern nur Schwäche und die Lok- kungen der Phantasie seinen Vater in die Arme jener Frau trieben, deren Namen er, Bernd, nicht einmal batte wissen mögen, änderte gar nichts an den Dingen in seinen Augen. Desto schlimmer, wenn drei Menschen hatten elend werden müssen um — einer Laune willen! „Und diese Epistel eines alten Mannes, der jetzt, wo er die Konsequenzen seiner Handlungsweise spürt, sich wieder eindrängen möchte in unser selbstgezimmertes Le ben, rührt dich?" fragte er, als die Mutter erwartungs voll schwieg. „Bernd — es ist dein Vater!" stammelte sie. „Dr. Riemer ist nicht mehr mein Vater! Ich finde keinen Grund, seine rührseligen Auseinandersetzungen mit anderem als durch vollkommenes Ignorieren zu beant worten." „Du — willst dich — nicht — mit ihm versöhnen? „Niemals! Was fällt dir ein, Mutter? Zwischen ihm und uns ist ein Abgrund, über den es keine Brücke gibt. Gib mir den Brief!" „Wozu! Was willst du tun?" „Ihn vernichten, damit du nicht etwa m Versuchung kommst — ihn zu beüntworten!" „Mir das zu verbieten, hast du kein Recht!" fuhr die alte Frau empört auf. „Er ist mein Mann, er hat an mein Herz appelliert . . . „Ich bin dein Sohn und appelliere an dein Mutter- hcrz! Oder willst du wirklich behaupten, daß ich dazu kein Recht habe?" Sein Blick ruhte schwer und ernst auf ihr. Und unter diesem Blick, in dem die stumme Mahnung an eine lange Kette stillschweigend gebrachter Opfer und Entbehrungen stand, sank die alte Frau langsam in sich zusammen. (Jortsctzuna folatü