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Ailsttrutter Tageblatt 2. matt Nr. 22b — 7rritag,2b. September IY2L Sehnsucht O härt' ich DraHenzähne stqtt her Lieder, Daß, sät' ich sie auf diese dürre Küste, Draus ein Geschlecht von Kriegern wachsen« müßte, Im Wafsentanz zu rühren Eisenglieder. Sie alle sollten Deutschlands HeerschK wieder Erhöh'n 'unnahbar jedem Rauhgelüste Und nimmer fragen nach des Kampfes Rüste, Bis Hauch des Siegs umspielt ihr Helmgefieder. Nun hab' ich Worte nur: allein wie Saaten Will ich sie streun in «deutsche Seelen wacker, Ob hier und hort mag eine Frucht geraten. Doch soll draus aufgeh'n nicht ein Zorngeflacker, Nein, ruhig ernst ein Mut zu großen Taten. Du aber, Herr, bereite selbst den Äcker. Emanuel Geibel. ReichrMs-astM und Zolltarif. Gemäßigtes Schutzzollsystem. Unter Zuziehung des deutschen Botschafters inParü behandelte der wirtschaftliche Ausschuß des Reichswin schaftsrats auf Ansuchen der Reichsregierung die Zolltarif, fragen. Es wurde ein Ausschuß eingesetzt, welcher für die Regierung schleunigst Richtlinien für die bevorstehenden Handelsvertragsverhandlungen ausarbeiten soll. Eine angenommene Entschließung an die Reichs- cegierung besagt, daß seit dem Kriege viele Länder zum Hochschutzzoll übergegangen seien, der den Bedürfnissen eines internationalen Warenaustausches widerspreche, die Aufnahmefähigkeit des Weltmarktes verringert und die Arbeitslosigkeit in allen Ländern gesteigert habe. Zur Ge sundung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sei dagegen eine Handelspolitik im Sinne der einstimmig ge faßten Beschlüsse der Konferenz von Genua nötig, die den internationalen Warenaustausch erleichtere. Dement sprechend fordert der Reichswirtschaftsrat eingemäßig - tes Schutzzollsystem als Ausgangsstellung bei den kommenden Handelsvertragsverhandlungen. -r- Der Deutsche Industrie- und Handelstag, der in dieser Woche seine Beratungen abhält, beschäftigte sich ebenfalls mit den schwebenden Zollfragen. Man kam zu dem Ergebnis, das wichtigste Ziel der deutschen Han- velsvcrtragspolitik müsse die Gleichstellung der deutschen Ware und des deutschen Kaufmanns in den Verttags- staaten auf der Grundlage der allgemeinen gegenseitigen und unbeschränkten Meistbegünstigung sein. Der Deutsche Industrie- und Handelstag erklärt die Wiederherstellung ver Vorkriegsertragszölle für die landwirtschaft- lichen Erzeugnisse für ausreichend. Mribr arr sioftlensvnMatt geMitett. Neue Verhandlungen. Die Verhandlungen des Ruhrkohlensyndikats mit dem amerikanischen Eguitable Trust haben sich, wie aus Essen gemeldet wird, zerschlagen, weil eine Anzahl deutscher Großbanken eine Giroprovision von 3 A forderte. Die amerikanische Gruppe verlangt für sich ein» Verzinsung von 6 A, so daß also die deutschen Banken für ihr Giro die Hälfte dessen forderten, was die Geld geber Äs Verzinsung für ausreichend erachteten. Die An leihe sollte über 10 Millionen Dollar lauten. Es finden zurzeit, durch Vermittlung westdeutscher Banken, Verhand- lungen mit amerikanischen Finanzgruppen wegen be deutend kleinerer Kredite statt. Auch diese Verhandlungen haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Von anderer Seite wird später gemeldet, der Grund zum Scheitern der Anleihe seien keineswegs übertriebene Forderungen der deutschen Banken gewesen. Umerbllngmig üer ÄmegelümpfÄngrr Wiederanstellung bei Bedarf. Zur Erleichterung der Unterbringung von Reichsbeamten, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden sollen oder versetzt worden sind und deren weitere Verwen dung im Interesse des Staates liegt, sind vor etwa einem halben Jahre besondere Listenstellen eingerichtet worden. Die Listenstellen bestehen für Beamte der Deutschen Reichsbahn bei den Reichsbahndirektionen, der Deutschen Reichspost bei den Oberpostdirektionen, der übrigen Verwaltungen bei den Landesfinanzämtern. Wartegeldempfänger, die im Reichsdienst wieder beschäftigt oder angestellt zu werden wünschen, haben die Vormerkung bei ihrer letzten Dienstbehörde zu beantragen. Die Beamten werden, sofern die Bedingungen erfüllt sind, bei der Listenstelle des Bezirks eingetragen, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Tritt bei den Ressorts ein Bedarf an Arbeits kräften ein, so müssen sie, falls nicht zwingende dienstliche Rück sichten entgegenstehen, auf die bei den Listenstellen vorgemerkien Beamten zurückgreifen. politische kunaschsu Strafverfolgung wegen verbotenerUmzüge Nach einer amtlichen Darlegung haben bei einer Reihe von sog. „Deutschen Tagen" oder ähnlichen Veranstaltun gen Teilnehmergruppen versucht, die vom Ministerium des Innern aus Grund der Verordnung des Reichspräsidenten ausdrücklich verbotenen öffentlichen Umzüge mit Gewalt gegen die Schutzpolizei durchzusetzen. Es wird festgestellt, daß selbstverständlich zur Wahrung der Staatsautorität in allen Fällen, in denen diese Zuwiderhandlungen gegen - die Verordnung des Reichspräsident^ vorgefallen sind, j Strafanzeige gegen die Rädelsführer erstattet worden und ? auch bereits eine Reihe von Bestrafungen erfolat ist. Preußische Regierungshilfe für die Land- ! Wirtschaft Der preußische Ministerpräsident Braun hatte im Hauptausschuß des Preußischen Landtages mitgeteilt, daß die Regierung alles daransetzen werde, um möglichst schnell Maßnahmen zur Hilfeleistung sür die durch die schlechte Erntewitterung besonders geschädigten landwirtschaftlichen Bezirke zu beschließen. Wie amtlich hierzu mitgeteilk wird, steht auch bereits auf der Tagesordnung der nächsten Kabinettssitzung ein vom Landwirtschaftsminister einge brachter Gesetzentwurf über die Bereitstellung von Mitteln zur Linderung der durä> Ernteausfälle hervorgerufenen Notstände. Abbauausschutz gegen Spekulation. Im Reichstag beriet der Unterausschuß des Aufwer tungsausschusses. Wenn die Beratungen auch noch nicht abgeschlossen sind, so kam doch in der Erörterung nach Ber liner Abendblättern die einmütige Ansicht aller Parteien zum Ausdruck, daß der Spekulation unbedingt jeder Boden entzogen werden müsse, und daß für eine eventuelle Auf wertung lediglich der nachweisbare alte Besitz in Frage kommen würde. Bulgarien Falsche Attentatsgerüchte. In London und Mailand waren Meldungen verbreitet, wonach Zar Boris von Bul garien ermordet worden sei. Diese Gerüchte finden keine Bestätigung. Auf der Wiener bulgarischen Gesandt schaft wurde erklärt, daß dort Meldungen aus Sofia ein- liesen, wonach vollkommene Ruhe herrscht, und daß die Nachricht über ein Attentat auf den Zaren glatt erfunden sei und zu der antibulgarischen Propaganda gehöre. Auch in Berlin lagen ähnliche Erklärungen der bulgarischen Ver tretung vor. Aus In- und Ausland Berlin. Bei der Reichsregierung besteht die Absicht, das Ministerium für die besetzten Gebiete in abseh barer Zeit in ein Staatssekretariat umzuwandeln, das wie früher dem Reichsinnenministerium angegliedert würde. Düsseldorf. Die Nachricht vom Rücktritt General Degouttes vom Posten des französischen Oberkomman dierenden im besetzten Gebiet wird von amtlicher Stelle als unrichtig bezeichnet. Koblenz. Die Rheinlandkommisston übergab den zu ständigen Stellen eine neue Liste von weiteren 364 Ramen Ausaewiesener. die in ihre Heimat zurückkehren dürfen. München. Wie verlautet, sollen die Abgeordneten Streicher und Wiesenbacher nunmehr endgültig aus der völkischen Fraktion des Landtages ausgeschieden sein, mit der sie seit längerem in Meinungsverschiedenheiten sind. Reichenberg. Wie verlautet, hat sich der Fraktionsvor sitzende der Nationalsozialistischen Freiheitspartei v. Graefe, M. d. R., nach blutigen Anschlägen der Kommunisten in einer Versammlung in Friedland in Böhmen freiwillig in Schutz haft begeben, ebenso der in seiner Begleitung befindliche Pfarrer Schliephake. Paris. Eine Frau Bigot-Pomjean stellte sich bei der Poli zei und gab an, sie habe auf den Ministerpräsidenten Herriot ein Attentat geplant. Dabei gab sie einen Revolver ab. Man hält sie für geistesgestört. i Steuern unck Abgaben l Abschluß- und Vorauszahlung auf die Einkommensteuer. Von HugoMeyerheim, M. d. O. Abschlußzahlung auf die Einkommensteuer 1923. Viele Steuerpflichtige sind vom Finanzamt durch eine teilweise recht empfindliche „Hochschätzung" zu einer Abschlußzahlung heran- zezogen worden. Ein Maßstab für das Einkommen im Jahre >923 ist nicht vorhanden, denn die Hunderttausende, die in der ersten Hälfte des Jahres 1923 verdient wurden, haben häufig einen weit höheren Wert als die Milliarden der zweiten Hälfte. Es wurde daher von namhaften Steuerjuristen der Rat erteilt, sie Bilanz des Vorjahres, also die auf den 31. Dezember 1922, m Goldmark umzurechnen und dem Ergebnis die Goldmark- vilanz auf den 31. Dezember 1923 gegenüberzustellen. Man müßte eigentlich annehmen, daß dieses Verfahren das tatsäch liche Einkommen genau bestimmt. Der Reichsfinanzhof hat indessen in einem Urteil nunmehr entschieden, daß dieser Weg nicht gangbar sei, „da das Einkommen 1922 aus der Grund lage der Papiermark zu errechnen ist und das so errechnete Einkommen und die daraus ermittelte Jahressteuerschuld, wie auch hier, den Ausgangspunkt zur Bestimmung der Abschluß zahlung bildet." Au hohe Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer Gewerbetreibenden. Bekanntlich beträgt die Vorauszahlung grundsätzlich 2 Prozent des Umsatzes abzüglich Gehälter und Löhne. Wenn auch für einzelne Kreise von Gewerbetreiben den Ermäßigungen bewilligt worden sind, so steht diese Berech nung keineswegs im Einklang mit dem tatsächlichen Ein kommen, Welches im Jahre 1924 erreicht wird. Allerdings soll die endgültige Abrechnung stattsinden. Bis dahin haben aber viele Gewerbetreibende möglicherweise zu hohe Voraus zahlungen geleistet, aus deren Zurückzahlung sie vor April nächsten Jahres wahrscheinlich nicht rechnen können. Hier gibt es nur den Ausweg, daß an Hand der Buchführung berechnet wird, wie groß das tatsächliche Einkommen 'im Laufe des Jahres 1924 bereits war, und wieviel daraus an Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer vorausgezahlt ist. Daraus wird dann auch das wahrscheinliche Einkommen im ganzen Jahre be rechnet und unter dieser Darlegung bei den künftigen Vor anmeldungen ein Stundungsantrag gestellt, sosern eben die Steuer schon überzahlt ist. Da in solchen Fällen eine Steuer- sorderung des Reiches nicht besteht, werden wahrscheinlich Verzugszinsen auch nicht berechnet werden können. Der Reichssinanzminister hat übrigens angeordnet, daß jetzt monat- >ick> nur 114 Prozent Verzugszinsen erhoben werden sollen. Man sieht also, wie wichtig es ist, eine Buchführung zu haben, dw mit geringer Mühe die Übersicht über das Ver mögen und den Gesamtnutzen ausweist. Am aller wenigsten ist hierzu die sogenannte „einfache Buchführung" in der Lage. Diese trägt ihren Namen zu unrecht, denn vielfach müssen auch bei ihr Beträge zweifach verbucht werden, und, da sie in sich keine Selbstkontrolle besitzt, mutz sich der Buch führende unnötig mit übermäßigem Vergleichen und Addieren abmühen. Wer den neuesten Errungenschaften in der Buch haltung gefolgt ist, Weitz, daß es direkte Methoden der doppelten Buchführung gibt, wie z. B. die „über- sichtsbuchführung", bei denen sich zede Buchung ohne weiteres kontrolliert, und trotzdem jeder Vorgang nur einmal verbucht wird. Auch sind hierzu die Kenntnisse der doppelten Buchführung nicht erforderlich, schon deshalb nicht, weil der schwierige Kontenabschluß fortfällt. Vor allen Dinacn aber kann man aus der Übersichtsbuchführung jeder zeit ohne Inventur den Wert der Vorräte und den Reinnutzen ersehen, also gerade das, was man der Steuerbehörde gegen über braucht. Sie eignet sich deshalb nicht nur für Kaufleute, sondern gerade für Kleingewerbetreibende und Landwirte. * Die Herabsetzung der Umsatzsteuer. Durch die Verordnung des Reichspräsidenten über wirt schaftlich notwendige Steuermilderungen vom 14. September 1924 ist der Satz der allgemeinen Umsatzsteuer für die Umsätze vom 1. Oktober 1924 ab von zweieinhalb vom Hundert auf zwei vom Hundert ermätzigt worden. Darüber, ob ein Umsatz vor oder nach dem 1. Ok tober liegt, entscheidet nach den Durckfübrunasbestimmunaen «g Ich hab dich lieb. Roman von Erich Eben st ein. Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentrale C. Acker mann, Stuttgart. Es läßt mir ja Tag und Nacht keine Ruhe, daß es so geworden ist zwischen Gustav und mir! Ich habe ihn so rasend lieb, Mama! Und er hatte mich doch auch lieb! Warum hätte er mich sonst geheiratet, arm wie ich war?" »Gewiß hatte er dich lieb, Jella . . .!" tröstete die alte Frau. „Und wahre Liebe stirbt nicht so rasch. Nur mußt du eben Geduld haben ..." „O, Mama, wie sprichst du heute anders, als sonst! Wenn Bernd dich hören könnte! Er sagte doch auch immer. . ." „Du sollst in diesem Punkt nicht so viel auf Bernd hören. Er hetzt dich gegen deinen Maun auf und das ist nicht gut." „Aber das ist doch sicher, daß Gustav mich hintergeht!" „Weißt du darüber denn schon etwas Bestimmtes?" „Nein, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe, ihn zu ertappen, seine Korrespondenz überwache, ihm heimlich folge, wenn es nur irgend angeht usw.; aber er weiß das und ist darum Wohl doppelt vorsichtig. Ein einziges Mal, vor zwei Tagen, habe ich ihn mit einer sehr eleganten Dame im Auto fahren sehen. Leider war sie verschleiert, und ich konnte ihr Gesicht nicht deutlich sehen. Aber schließlich — brauche ich denn noch Beweise? Wo sein kaltes, liebloses Wesen und mein Instinkt es mir doch jede Minute auf's deutlichste beweisen, daß er mich betrügt!" Frau Dr. Haller sah ihre Tochter kopfschüttelnd an und seufzte tief auf. Dabei fingerte sie unruhig an ihrer Kleidertasche Kerum, ließ aber die Hand gleich wieder er schrocken herabgleiten, als ein leise knisterndes Geräusch dabei hörbar wurde. Der Brief! Ach Gott, der Brief, den sie heute morgen bekommen hatte . . . Wenn ihre Kinder davon wüßten! Und doch — er hatte fo vieles in ihr klar gemacht, so viel längst Begrabenes wieder aufgeweckt . . . Manches von dem, was in ihr selbst langsam als Er kenntnis emporgereift war, hatte er bestätigt, und es könnte Jella jetzt nützen, wenn . . . „Woran denkst du denn, Mama? Hast du gar keinen Trost für mich? Keinen Rat?" Da raffte die alte Frau sich in plötzlichem Entschluß auf. „Doch, mein Kind. Vor allem sieh — ich meine, du bist auf dem falschen Weg! Dies Nachspionieren entwür digt dich und muß deinen Mann immer weiter von dir entfernen. Du wirst damit nichts erreichen, als daß du deine Ehe ganz zertrümmerst, wie ich einst — die meine!" „Mama!" schrie die junge Frau auf und starrte die Mutter bestürzt an . „Du — du sagst mir dies? Du klagst — dich an, wo es doch Vater war, der Schuld an allem trug und dich schmählich verließ?" „Er hätte es vielleicht nie getan, wenn ich klüger und — geduldiger gewesen wäre! Sie —" Die Stimme der alten Frau wurde immer hastiger und erregter. „Ich tat ja dasselbe, was du heute tust. Ich schlich ihm nach und lauerte ihm auf, wenn er jene Frau auf suchte, die seine Patientin gewesen war, und die es nach her mit ihrer Koketterie so gut verstand, ihn sestzuhalten. 1lnd wenn er daheim war, machte ich ihm das Haus zur Hölle mit Klagen, Trotz und Vorwürfen. Keine friedliche Stunde hatte er mehr, kein freundliches Gesicht bekam er zu scheu. War es ein Wunder, daß er immer öfter zu ihr ging, wo er nur angenehme Eindrücke fand? Hätte ich nicht fo viel an mich gedacht, ihm ein freundliches Gesicht gezeigt, ein behagliches Heim geboten, voll Liebe und Frieden, es wäre Wohl nie so weit gekommen! Sein Herz gehörte doch anfangs noch mir, und die andere beschäftigte nur seine Phantasie. Und er war im Grunde so gut und weich . . ." „Das sagst du, Mama?" fiel Jella, die immer erstaun- ter aufgehorcht hatte, erregt ein. „Und all die Jahre her hast du geschwiegen, wenn Bernd ihn einen Ausbund von Schlechtigkeit nannte, so daß ich glauben mußte, es sei- auch deine Ansicht!" „Weil ich nicht anders — durfte!" fügte die Mutter mit scheuem Blick, und ein Ausdruck tiefer Bitterkeit glitt über ihr verhärmtes Gesicht. „Du kennst doch Bernd! Bei dem gibt es kein Verstehen und also auch kein Ver- zeihen. Da gelten nur die Tatsachen. Vom ersten Tag an, als ihn damals mein Teelgramm aus dem Institut heimrief, bestimmte er alles in seiner schroffen, unjugend lichen Weife: Unsere Uebersiedlung nach G., um dem Ge rede zu entgehen, unsere Lebensweise, jeden Schritt, deu wir machen durften oder nicht durften, unsere innere Stellung zu den Dingen, ja selbst unsere Gedanken! Papa war der Verbrecher, ich die Märtyrerin, ihr die Opfer! Und anfangs, fo lange ich noch ganz betäubt von Schmerz und Scham war, da schien mir diese Auffassung ja auch natürlich und gerecht. Aber später.. ., als ich erst wieder selbst zu denken anfing, erschien mir doch vieles in ande rem Licht. Und glaube mir, Jella, das Bitterste meines Lebens, das Härteste all' die Jahre her war mir, nie von ihm sprechen zu dürfen, kein gutes Wort über ihn zu hören, ihn nicht verteidigen, ja nicht einmal nachforschen zu dürfen, was aus ihm geworden war!" „Warum ließest du es dir von Bernd verbieten?"