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Vas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Rofleu. Nr 197 — 83. Jahrgang Sonnabend, 23 August 1924 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Tclegr.--Adr.: „Amtsblatt" Was geschieht bei Ablehnung? s Mantelgefetz zum Londoner Abkommen. Dem Neichsrat ist der Entwurf eines Gesetzes über die Londoner Konferenz zugegangen. Der Entwurf trifft folgende Bestimmungen: Den in den Anlagen des Schlußprotokolls der Lon doner Konferenz vom 16. August 1924 enthaltenen Verein barungen, soweit sie von Deutschland bereits unterzeichnet sind oder nach Maßgabe des Schlußprotokolls am 30. August 1924 unterzeichnet werden sollen, wird zu gestimmt. Der Reichsminister -er Finanzen wird er mächtigt, 800 Millionen Goldmark im Wege des Kredits flüssig zu machen. Die Reichsregierung wird ermächtigt, die erforder lichen Maßnahmen zu treffen, damit die im Schlußprotokoll erwähnten Zertifikate für: a) 11 Milliarden Goldmark Schuldverschreibungen der Deutschen Reichsbahngesell schaft, b) 5 Milliarden Goldmark Schuldverschreibungen nach Maßgabe des Gesetzes über die Jndustriebelastung übergeben werden können. Bei der Ausstellung der Zerti fikate wird die Reichsregierung durch die Reichsschulden- verwaltuna vertrete«. Die offizielle Stellungnahme der DeuLsch- ßmMonalen (Eigener Fernsprcchdiensl des „Wilsdruffer Tageblattes".) Berlin, 22. August. Die deutschnaÄonale Reichstags fraktion hielt gestern nachmittag eine längere (dreistündige) Sit zung ab, über deren Verlauf folgender Bericht ausgegeben wurde: Die deutschnationale Reichstagsfraktion, verstärkt durch zahlreiche Mitglieder des Landtages, nahm heute einen eingehenden Be richt ihres Parieivorsitzenden entgegen. Sie sprach zu der bis herigen Haltung der Parteileitung, insbesonder zu der Veröffent lichung vom 15. August 1923 einmütig ihre Zustimmung aus. Sie stellte einstimmig fest, daß sie nach wie vor aus den in ihren sieben Punkten vom 22. Juli 1923 und in der Rede des Abge ordneten Höfisch vom 26. Juli >924 festgelegten Standpunkt ver harrt. Sie ist sich dabei ihrer Verantwortung voll bewußt, datz sie mit dieser Haltung den Interessen ihrer Parteifreunde im be setzten Gebiet entspricht. Die Bayrische Dolkspartei für Annahme ?des Londoner Abkommens Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". München, 22. August. Die bayrische Volkspartei-Korre spondenz erklärt nunmehr, daß im Falle der Ablehnung des Londoner Paktes durch den Reichstag jede Hoffnung aus Ret tung Wahnwitz sei. Londoner Stimmen über die Lage in Deutschland. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 22. August. Die Auseinandersetzungen in Deutschland über Annahme oder Ablehnung des Londoner Ab kommens finden in den hiesigen Morgenblättern allgemeine Be achtung. Westminster Gazette schreibt an leitender Stelle, daß Amerika die Unterstützung des Dawes-Planes durch einen Teil der Deutschnationalen sehr erwünscht sei, um einen allgemeinen Zusammenbruch der gegenwärtig eingeleiteten Pläne zu verhin dern. Aehnlich äußern sich andere Blätter. Die Schwierigkeiten und Gefahren, die aus der Nichterfüllung der Räumungssorde- rung entstanden sind, werden im allgemeinen klar begriffen, in- dsseen erwartet man doch eine Annahme, weil man sich sagt, daß die Vereitelung der schwierigen Verhandlungsergebnisse zweifel los von nachteiliger Rückwirkung auf die gesamte politische Lage der Welt sein würde. LInü üir Parteien?. -. Berlin, 21. August. Nachdem die Neichsregicrung mit den Vertretern der Lander und den Führern der Reichstagsfraktionen ver handelt, fängt die parlamentarische Lage an, sich ein wenig zu klären. Daß die Koalitionsparteien und die Sozial demokraten für und die Flügelparteien, die National- sozmliften und Kommunisten, gegen die Annahme des Londoner Paktes stimmen werden, ist bekannt. Noch nicht geklart ist die Haltung der Deutschnationalen. Während diese Zeilen geschrieben werden, ist die Rcichstagsfraktion der Deutschnationalen versammelt, «m einen Weg zu finden, der es der Partei ermöglicht, ihre bisherige Ha^ -"siS. Sachen des Dawes-Gutachtens mit einer späteren Abstimmung im Reichstage in Einklang zu bringen. Eine Änderung der Haltung der Partei wird wesentlich er- lclchtcrt durch die erschöpfende Aufklärung, die ihr seitens der Reichsregierung gegeben wurde. Und so darf mau an nehmen, daß die Deutschnationalen vermeiden werden, durch ihre Abstimmung das Londoner Abkommen zu Fall zu bringen. Mm und Ktrestmm sprchkn. B e r l i n , Li. August. Zn dem heute zum erstenmal öffentlich ragcuocu Auswärtigen Ausschuß des Reichstages bildete den Kernpunkt der Verhandlungen die von ver schiedenen Seiten aufgeworfene Frage: Was geschieht, wenn die deutsche Regierung bis zum 30. August eine Zweidrittelmehrheit im Reichstag für die Annahme des Londoner Abkommens nicht findet, also keine Zustimmung zu der Inkraftsetzung des Dawes-Gutachtens er hält? Auf diese wiederholte Anfrage antwortete zunächst ver Reichskanzler Dr. Marx, indem er ausführte, der Vertrag von London sei zustande gekommen durch die vor läufige Unterschrift oder Paraphierung, die sämtliche Delegierte vollzogen hätten. Die endgültige Unter schrift würde bis zum 30. August aufgeschoben. Wenn Deutschland am 30. August nicht in der Lage sei, die Gesetze als angenommen präsentieren zu können, so muffe sich die Reichsregierung die Frage stellen, ob sie dann in London die Protokolle endgültig unterzeichnen könne. Sollte im Reichstag keine Zweidrittelmehrheit sür die Annahme der DaweS-Gesctze zu finden sein, so sei :s Pflicht der Neichsregicrung, alle verfassungs mäßigen Mittel anzuwenden, um den Reichstag zur Bewilligung zu veranlassen. Denn eS müsse nach innen Mes getan werden, was nach außen der Reichsregiernng sie Möglichkeit eröffnet, von neuem in Verhandlungen rinzutreten. Minister des Äußern Dr. Stresemann ergänzte diese Ausführungen mit dem Hinweis, daß im Falle dcS Scheiterns der Vorlagen irgendwelche bestimmten Mög lichketten neuer Vereinbarungen mit der Gegenseite aicht bestehen, solange keine Neuwahlen für den Reichs tag vorgenommen seien, bevor den Verhandlungsgegnern also unter Umständen mitgeteilt werden könne, daß ein Reichstag vorhanden sei, der auf den Boden der Londoner Beschlüsse zu treten gewillt sei. Dr. Stresemann fuhr fort: Während der Zeit, welche Vie Neichsvcrfassung für Neuwahlen vorschreibt, ist also für die Negierung jede Möglichkeit genommen, etwas zu tun. Während dieser Zeit hat der Finanzminister zu sehen, daß die Micumvcr- trüge verlängert werden. Während dieser Zeit hört alles auf zu lausen an Terminen, Vie sich aus die Räumungen beziehen, was sich auf die Freigabe der Regiezecheu be zieht, und auch alles andere, was vorgesehen ist. Wenn wir einen neuen Reichstag haben, der grundsätzlich Ja zu sagen gewillt ist, dann können wir erst an die anderen Mächte herantreten, und auch dann find die anderen Mächte völlig srei in ihren Entschließungen darüber, ob sie noch einmal mit dem Deutschen Reiche in Verhand lungen eintreten wollen. Ob am 15. Oktober, sagte Dr. Stresemann weiter, ein früherer Termin erscheint bei Neuwahlen nicht möglich, England sich bereitfinden läßt, noch einmal zu ver handeln auf den gleichen Grundlagen, sei ebenso zweifel haft wie die andere Frage, ob sich nicht in Frankreich Tendenzen hervordrängen werden, die Ruhrräumung von handelspolitischen Konzessionen abhängig zu machen. Jedenfalls könne man nach dem Experiment derartiger Wahlen vor schwereren Bedingungen stehen als heute, und alles wird zum mindesten um Monate hinausge schoben. Der Auswärtige Ausschuß schloß nach weiterer De batte, die sich immer wieder um die behandelte Frage drehte und bei der von sozialdemokratischer Seite -ie Möglichkeit eines Volksentscheides berührt wurde, die allgemeine Aussprache und begann die Beratung der Einzelheiten. Der kMaWf. Ein parlamentarischer Mitarbeiter schreibt uns? Richt nur ganz Deutschland, sondern die ganze Welt sieht dem im Reichstag beginnenden Endkampf um das Dawes-Gutachten mit gespanntester Aufmerksam keit entgegen, da die Abstimmung im Reichstage unter Umständen für die ganze Fortentwicklung der Weltlage wichtig ist. Auch die Parlamente der anderen beteiligten Staaten haben ja ihre Zustimmung zu geben. Diesen wird es jedoch nicht so schwer wie dem deutschen, da das deutsche Voll der leidtragende Teil ist. Die nächsten acht Tage sind Schicksalstage für das deutsche Voll. Rach dem Beschluß des Ältestenrats ist geplant, die entscheidende Schlußabstimmung am Donnerstag der nächsten Woche stattfinden zu lassen. In ähnlichen Lagen konnte man bisher eigentlich immer schon das Er gebnis voraus wissen. Diesmal hängt aber alles in der Luft. Würde es sich um eine einfache Mehrheit handeln, dann wäre sie ohne weiteres da. Man hat sich eine Zeitlang darum gestritten, ob die drei Gesetze, die sür die Ingangsetzung des Dawes-Gutachtens notwendig sind, aus alle Fälle eine Zweidrittelmehrheit er fordern. Bei dem Bankgesetz und dem Gesetz für die Jndustrieobligationen ist diese nicht nötig, da keine Verfassungsänderung vorliegt. Auch bei dem Eisen bahngesetz war man eine Zeitlang im Zweifel. Man hätte es vielleicht so abfassen können, daß man die ge fährliche Klippe der Verfassungsänderung umgangen hätte. Das ist aber nicht geschehen, und der Entwurf der Regierung spricht selbst in der Einleitung von ver fass u n gsge m äßen Voraussetzungen. Damit ist zwar jeder Zweifel gelöst, aber das Schicksal des Ganzen in Frage gestellt. Eine gewisse Klärung bieten vielleicht schon die Be- ratungerl des Auswärtigen Ausschusses, die, wie man sagt, die ganze Vorlage so beratungsreif machen sollen, daß am Montag die erste Lesung beginnen und damit die große politische Aussprache einsetzen kann. Man ist diesmal von der bisherigen Praxis des Ausschusses abge wichen und hat die Öffentlichkeit für die Verhandlungen zugelaisen, ebenso können die einzelnen Mitglieder durch andere Parteigenossen ersetzt werden, wie es tn anderen Ausschüssen üblich ist. Dabei können sich dann unter Um stünden schon Gegensätze in den einzelnen Parteien selbst ausgleichen. Solche sind iu erster Linie, mit Ausnahme der völlig negierenden Nationalsozialisten und Kommunisten, nur noch bei der Deutschen Volkspartei vor handen. Es ist aber nicht anzunehmen, datz sie ihren Außenminister im Stich läßt. Nach den Äußerungen der Parteivresse zu schließen, hat es den Anschein, als ob die Deutsch nationalen nach wie vor auf ihrem ab lehnenden Standpunkte beharren. Man weiß aber, daß es auch hier einen gemäßigten Flügel gibt, der unter Um ständen zustimmen würde. Haben die Vertreter dieses Teiles doch früher schon immer betont, daß sie nicht von voruherein gegen das Gutachten sind, es vielmehr auch Ihrerseits als geeignet. Grundlage für Verhandlungen ansehen. Man darf sich deshalb nicht Wundern, wenn Ge rüchte umgehen, daß die Partei unter Umständen die Ab stimmung freigibt und von einem Fraktionszwang absieyt. Deshalb dürfte auch dann noch keine endgültige Ent scheidung gefallen sein, wenn die Partei selbst in ihrer Fraltionssitzung sich nach außen hin auf ihren allen Standpunkt festlegen sollte, da es immerhin möglich ist, daß die Ausschußverhandlungen Momente zeitigen, die es doch geraten sein lassen, hier den Bogen nicht zu Über spannen. Inzwischen hat nun die eigentliche parlamentarische Arbeit eingesetzt. Dem Reichsrat ist Gelegenheit gegeben worden, sich mit den drei Gesetzen und dem dazu gehören den M a n t e l g e s e tz zu beschäftigen. Dabei und bei den Äußerungen der Presse hat sich herausgestellt, daß das Gesetz über die Schaffung der neuen Noten bank das wenigst umstrittene ist. Es handelt sich dabei eigentlich nur um eine Umstellung der Reichsbank. Bei den Verhandlungen in London ist es gelungen, diesem Gesetze mehr als den anderen die Giftzähne auszuziehen. Wenn auch der auswärtige Einfluß groß ist, so tritt er doch nicht derart in Erscheinung, daß das neue Noten institut seinen deutschen Charakter verliert. Anfangs hegte man Befürchtungen, daß wir eine vollständig neue Währung bekommen, die sich nach dem Beispiel anderer Länder auf dem Werte eines Franken oder der öster reichischen Krone aufbaute. Die alte Reichsmark bleibt uns aber in der früheren Form erhalten. Sie be kommt ihren früheren Goldwert wieder, der im Gegensätze zum jetzigen Zustande das gesetzliche Zahlnngsmittcl wird. Die allen Vorschriften über die Pflicht der Goldzahlung leben wieder auf. Man kann sogar von einer gewissen Erhöhung des Wertes des umlaufenden Geldes sprechen, da die aüszugebenden Noten bis zu vierzig Prozent durch Gold oder ähnliche Werte gedeckt sein müssen. Aber die Tatsache, daß hier keine großen Streitpunkte bestehen, ist so gering gegenüber den Ausstellungen bei den anderen Gesetzen, daß die politische Lage und der Ansgang des Ganzen dadurch nicht wesentlich gebessert werden. Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Ml-idmffrr Tageblatt- erscheint täglich »achm. S Uhr für den folgenden Tag. Lczug-xrei,: Bei Abholung in benDeschSst-ftckl« und de» Ausgabestellen 2 Wb. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,M Md., bei Postdeftellun, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Woie» und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit De- «üungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung »er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Rdbau cker Hentenbsnk. In zehn Jahren. Im Zusammenhang mit dem neuen Bankgesetz wird dem Reichstag auch ein Gesetzentwurf über die Liquidierung der Rentenbank vorgelegt werden. Nach dem Entwurf wird die bisherige Belastung del Industrie-, Handel- und Gewerbe betriebe einschlietzlich der Banken aufgehoben. Die Grund- schnlden und Anteilrechte dieser Unternehmer erlöschen. Sie haben jedoch die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes aus gelaufenen Zinsen an die Nentenbank abzusühren. Es bleibt die Belastung der Eigentümer der dauernd land-, forstwirt schaftlichen oder gärtnerischen Zwecken dienenden Grundstücke. Die Grundschuld wird von 4 aus 5 N des Wchrbeitrages erhöht, ihre jährliche Verzinsung von 6 aus 5 ermäßigt. Ent sprechend der Verringerung der Grundschuld wird das Kapital der Bank von 3,2 aus 2 Milliarden Rentenmark ermäßigt; die Grundrücklage fällt fori. Die deutsche Rentcnbank darf über den Betrag der bei Inkrafttreten dieses Gesetzes von ihr ansgcgebenen Renten bankscheine hinaus Rentenbankscheine nicht mehr ausgeben. Die Reichsbank hat den Gesamtbetrag der ausgegcbeuen Rentenbankscheine innerhalb längstens zehn Jahren zu liquidieren. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespalte«e Raumzeile SV Goldpfennig, die SgespalteneZeile der amtlichen Bekanntmachungen^ Gold pfennig, die 3 gespalteneReklamezeve im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 2V Goldpsennige. Vor- gefchriedeneTrfcheinnngs- tage und Platzvorfchristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm, ro Uhr — — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanfpruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen.