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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D« »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich vachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in dar Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postdestellung »N. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend tskger und Geschäftsstellen > - - - - - - > > nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deitiegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigendes: die 8gefpalteueAaumzeile MGoldpfennig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- pfennrg, die 3 gespalteneReklamezeNe im textlichen Teile 100 Goldpfeunig. Nachwcisungsgcbühr 20 Goldpfennige. Vor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.lüUhr - Für djx Richtigkeit der durch Fernruf üb-rmitteltenAnz-igen übernehmen wir kein- Garantie. Zeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage cinzezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmavnschast Weihen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nassem Nr. 193 — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag den 19 August 1924 Der Vertrag von London. Abschluß -er Konferenz. — Noch ein Jahr Nuhrbesetzung - Nimmung -er Dortmunder Zone. — Unterzeichnung am 30. August. Briefwechsel zwischen Marx und Herriot — Das EisenbahnahksMMLn — Rückkehr der Deutschen nach Berlin. Nach mehrwöchentlichen Verhandlungen hat die große Londoner Konferenz zur Regelung der Reparations verpflichtungen auf Grund des Sachverständigengut achtens ihr Ende erreicht. Der Abend des 16. August brachte die Zustimmung der deutschen Delegation und da mit die Eingung nach vorherigen nochmaligen ausgedehn ten Beratungen der deutschen mit den französischen und belgischen Ministern. Die Einigung wurde durch einen Briefwechsel zwischen beiden Teilen bestätigt. In dem Schreiben der Franzosen an Reichskanzler Dr. Marx erklären sie, daß sie an der Ru h r b e s e tz u n g für ein weiteres Fahr festhalten. Die Frist be ginnt am 15. August 1934. Reichskanzler Dr. Marx sagt in seiner Antwort, daß er die französische Erklärung zur Kenntnis nehme, aber die Besetzung des Ruhrgebietes auf Grund des Vertrages von Versailles nichtfürbc- rechtigt halte. Er hoffe, daß nach den Londoner Ab machungen eine neue Regelung der Verhältnisse erfolgen werde. Darauf haben die Ministerpräsidenten Frank reichs und Belgiens einen neuen Brief an den Reichs kanzler gesandt, in dem sie mitteilten, sie wollten Deutsch land einen Beweis des Geistes geben, in dem sie gegen Deutschland verfahren wolle«, und am Tage nach der endgültigen Unterzeichnung des Londoner Abkommens das Dortmunder Gebiet mit den Städten Dort mund, Hörde und Lünen sofort räumen, außerdem sämtliche außerhalb des Ruhrgebietes besetzten Sanktionsgebiete (Karlsruhe, Mannheim usw.). Diesen Brief hat der Reichskanzler Dr. Marx mit einem kurzen Schreiben beantwortet. Die Unterzeichnung der Verein barungen soll am 30. August erfolgen. Frankreich und Belgien haben außerdem die Zusage gegeben, das gesamte Sanktionsgebiet werde an dem Tage geräumt, an dem das Ruhrgebiet geräumt ist. Das betrifft Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort, welche die Verbindung zwischen dem altbesetzten Gebiet und dem Ruhrgebiet Herstellen. Die Franzosen und Belgier haben ihre Forderung auf Beibehaltung des Eisenbahner- stammes aufgegeben. Die Rückkehr der Ausge wiesenen und die Herstellung des Rheinlandab- kommens soll nach den deutschen Wünschen geschehen. Englische Garantien. Der englische Premier richtete zwei Schreiben au den Reichskanzler. Das erste enthält seinem Inhalt nach die englische Garantie für die Durchführung der mili tärischen Räumung des Ruhrgebietes spätestens innerhalb eines Jahres. Im zweiten Schreiben schließt sich die englische Regierung der Verpflichtung, Düssel dorf, Duisburg und Ruhrort spätestens in einem Jahre zu räumen, an, stellt aber in Aussicht, daß diese drei Städte noch zu einem früheren Termin geräumt werden sollen als bei Ablauf der Maximalsrift. Die abschließenden Reden. In der Schlußsitzung der Konferenz hielt Macdonald di? Schlußansprache und redete die Versammlung mit der Formel „Meine Freunde" an. Er sagte, jeder müsse jetzt danach streben, das vollendete Werk für immer fruchtbar zu gestalten. Das Abkommen könne angesehen werden als der erste Friedensvertrag, weil es unterzeichnet sei mit einem Gefühl, daß man den furchtbaren Kriegs jahren und der Kriegsmentalität unseren Rücken gewandt haben. Es folgten Ansprachen des französischen Minister präsidenten Herriot, des amerikanischen Botschafters Kellogg, des belgischen Botschafters Theunis, des italie nischen Hauptdelegierten de Stefani, des Reichskanzlers Dr. Marx und des japanischen Botschafters Hayashi. Reichsknzler Dr. Marx dankte den Vorsitzenden für feine verständnisvolle Arbeit und deutete auf die schwere Auf gabe hin, die den Deutschen abgelegen habe, als sie einer Regelung zuftimmten, die dem deutschen Volks so große Opfer auferlegt. Um 9 Uhr schloß, nachdem das Protokoll genehmigt, die Sitzung und damit die Konferenz. Oie Aufgaben -es Reichstages. Die deutsche Delegation verließ London und kehrte nach Berlin zurück. Nur der Finanzminister Luther wie Staatssekretär T r e n d e l e n b u r g und der Reichs bankpräsident Schacht blieben in London, um sich für Verhandlungen über die Anleihe bereitzuhalten. Reichskanzler Marx gab in London noch die Erklärung ab, daß er nicht wisse, ob der Deutsche Reichstag das Ab kommen annehmen werde, nachdem Herriot gesagt hatte, er brauche zur Ratifizierung im französischen Parlament mindestens 14 Tage, so daß die Unterzeichnung am 30. August erfolgen könne. Der deutsche Reichskanzler fügte seinen Bemerkungen noch bei, wenn der Reichstag den Vertrag ablehne, mit einer Auslösung des Reichstages und weiteren langen Fristen zu rechnen sei. Sonst müßte die Räumung des Bezirks von Dortmund und der og. Flaschenhälse (Königswinter, Honnes, Linz usw.) am 1. September erfolgen. Macaonsickr Umlsll. Die Londoner Konferenz fand ihre letzte und gefähr lichste Klippe bei der Frage dermilitärischenRuhr« räumung. Die Art der Umschiffung dürfte in Deutsch land wenig freudige Überraschung auslösen. Man hatte bei uns immer erklärt, Deutschland müsse, wenn nicht auf sofortiger, dann doch wenigstens auf schneller Ruhr räumung bestehen. Die Frist eines ganzen Jahres läßt sich kaum noch mit diesen programmatischen Erklärungen in Einklang bringen. Auch dann nicht, wenn die Gegen seite, wenn Herriot sich bereitfinden ließ, daß er nicht den Tag des Inkrafttretens des Dawes-Planes am 1. Oktober d. I. als Ausgangspunkt nahm, sondern den Tag der Unterzeichnung des etwaigen Abkommens, so daß im August nächsten Jahres die französischen Truppen das widerrechtlich besetzte Gebiet verlassen. Die schwierige Lage, in die Deutschland geriet, war nur möglich, weil der Umfall Macdonalds er folgte, der plötzlich für das französische Verlangen eintrat. Nach seinem vorherigen Verhalten hätte man annehmen müssen, daß er sich gar nicht in die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich einmischte. Hatte er doch selbst immer erklärt, daß diese ganze Frage eine Privatangelegenheit der betreffenden Länder sei. Das hätte natürlich nicht gehindert, daß er hinter den Kulissen seinen Einfluß irgendwie geltend gemacht hätte. Hier kam nun das Wunderbare, der Umfall, derart, daß er einen Druck nicht auf Frankreich, sondern auf Deutschland ausübte. Die englische Politik hat immer wieder die Ruhrbesetzung verurteilt. Auch Mac donald hat sich zu dieser These bekannt. Nichts wäre da selbstverständlicher gewesen, als daß er den Starrsinn Herriots zu erweichen versucht hätte. Statt dessen riet er geradezu den Deutschen, sie sollten sich mit dem franzö sischen Vorschlag abfinden. Die deutsche Position wurde noch schwieriger, als auch von amerikanischer Seite zu verstehen gegeben wurde, daß man die Schuld an einem jetzigen Scheitern der Konferenz Deutschland zuschieben würde. Die Gründe des Umfalls Macdonalds sind recht mannigfaltiger Art. Einmal herrschte bei ihm das Be- Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Offenburg, 18. August. Heute vormittag erschien General Boquet in Begleitung des französischen Verwaltungs- kommissars Rey bei der Behörde und erklärte, daß am heutigen Tage dis Orte Osfenburg und Appenweier von den französischen Truppen geräumt würden. Transportzüge zum Abtransport der Truppen stehen bereit. Amerikanische Freude über London. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 18. August. Der Londoner Vertreter des Petit Parisien hatte eine Unterredung mit einer hohen amerikanischen Persönlichkeit, die unter anderen erklärte: Alle Delegierten haben das Recht aus das höchste Lob, am meisten der französische Ministerpräsident, der der große Künstler der Einigung war. Sofort als die Einigung bekannt wurde, hat sich General Dawes beeilt, durch Telegramm dem Präsidenten der Konferenz seine tiefe Freude darüber auszudrücken, daß der Vertrag angenommen ist und er bat den Präsidenten der Konferenz, seinen Glückwursch allen anderen an der Inkraftsetzung Beteiligten zu übermitteln. Man sieht in Amerika in der gestrigen Einigung einen neuen Grund, sich in der Zukunft mehr zusammenzuschließen. Diese amerikanische Teilnahme werd? sich besonders auf der nächsten Konferenz der Finanzminister in Paris zeigen. Die Unter bringung der Anleihe werde nach Ansicht der Amerikaner leicht sein. Enttäuschung in Deutschland Berlin, 18. August. Die Beschlüsse der Konferenz werden von der gesamten Berliner Presse eingehend kommentiert. Sie finden nirgends vollkommene Zustimmung, und ihre Beurteilung ist in den einzelnen Punkten, wie auch hinsichtlich der Bedeutung des Gesamtergebnisses durchaus geteilt. Die Rechtspresse be zeichnet den Londoner Vertrag als ein neues Diktat, ein neues streben vor, die Konferenz auf alle Fälle zu einem guten Ende zu bringen. Deshalb glaubte er, aus seiner Reserve in der Ruhrsrage heraustreten zu müssen. Die Deutschen waren dabei in der schwächeren Stellung. Darum fetzte er dort den Hebel an. Wie man sagt, wollte er auf alle Fälle Herriot retten, der bei Änderung feines Standpunktes die Konferenz als Ministerpräsident nicht überlebt hätte. Ein Scheitern der Konferenz hätte Herriot wohl kaum geschadet, da dann die französischen Imperia listen ihr Ziel erreicht hätten. Das wäre aber ein schwerer Schlag für das Prestige Macdonalds gewesen. Dieser wußte auch, daß die Franzosen, wenn er auf sie gedrückt hätte, die Frage der alliiertenSchulden aufgerollt hätten, was wiederum das Mißfallen Amerikas erregt hätte. So befand sich Macdonald in einer Sackgasse, aus der er nur herausfand, indem er deutsche Jnter- : ssen opferte, um die gute Laune Frankreichs zu er halten. Man hat sich eben wieder einmal auf dem Rücken von Deutschland verständigt. Die Deutschen sucht man zu trösten mit dem Hinweis, baß sie doch auch alles Mögliche erreicht hätten. Unsere wirtschaftliche Freiheit brauchten wir nach dem Januar des nächsten Jahres nicht zu opfern. Man sei uns auch in anderen wirtschaftlichen Dingen, so in der Transfer- (Verrechnungs)frage entgegengekommen. Wahrscheinlich soll auch sein, daß Frankreich endgültig darauf verzichten wird, feine Eisenbahner im Rheinland zu belassen. Aber es fragt sich, ob all das die Schwere der weiteren Ruhrbesetzung gutmacht. Wir dürfen bei Abwägung nicht das psychologische Moment vergessen, nicht die Tatsache, daß dem deutschen Volke wieder einmal brutal zum Be wußtsein gebracht wird, was es sich trotz allen Rechtes und aller Verträge gefallen lassen muß. So versteht man die Zweifel, ob es wirklich in einem Jahre zur Räumung kommt, zumal ja das Dawes-Gut achten durch das Verhalten der Franzosen einen derartigen Stoß erhält, daß es kaum richtig funktionieren kann. So dürfte es Frankreich nicht schwer fallen, irgendwo eine deutsche Verfehlung feststellen zu lassen und dann, wenn die anderen nicht wollen, einfach zu erklären, daß es nicht aus dem Ruhrgebiet geht. Hier müßten vor allem die nötigen internationalen Garantien geboten werden, da sonst als sicher anzunehmen ist, daß auch weite Kreise des Reichstages, die das Londoner Kompromiß sonst schlucken wollen, mit Rücksicht auf die Stimmung im Lande Nein sagen werden. Die Hauptentschsidung fällt erst in den Parlamenten. Wie sich der Deutsche Reichstag verhalten wird, bleibt zum mindesten nach allen den ge schilderten Vorkommnissen und Bedenken recht zweifelhaft. Heuke geräumt Versailles und als eine vollkommene Niederlage der deutschen Delegation. Das Druckmittel in der Huud Frankreichs (Eigener Fernsprechdicnst des „Wilsdruffer Tageblattes".) London, 18. August. Die italienische Delegation hat gestern London um 2 Uhr gleichzeitig mit dem japanischen Bot schafter in Paris verlassen. In englischen Kreisen wird erneut darauf hingewiesen, daß die Wiedererhebung der 26prozentigen Ausfuhrabgabe aus deutsche Waren nach deni Inkrafttreten des Dawes-Berichtes keine Vermehrung der deutschen Zahlungsver pflichtungen bedeutet, da auf diese Weise nur eine Regelung der von dem Reparationsagenten auf Reparationskonto für die eng lische Regierung zu verrechnenden Beträge erfolge. Der diploma tische Korrespondent des Observer, des wichtigsten Sonntags blattes, betont die handelspolitische Bedeutung der französischen Weigerung, das Ruhrgebiet vor Ablauf eines Jahres zu räumen. Es komme der französischen Politik — das war besonders der Sinn des Loucheurbesuches — hauptsächlich darauf an, für die künftigen Handelsvertragsverhandlungen ein Druckmittel in der Hand zu haben. Man will von Deutschland die Meistbegün stigungsklausel ohne entsprechende Gegenleistung, die Fortsetzung der zollfreien Einfuhr der elsaß-lothringischen Erzeugnisse und eine 50prozentige Beteiligung an der Ruhrindustrie erzielen. Beginn der deutsch-belgischen Wirtschafts- verhandlungen. Paris, 18. August. Der Petit Parisien meldet aus Brüssel, Stresemann habe gestern noch der belgischen Delegation ein Schreiben überreichen lassen, daß die deutsch-belgischen Wirt- schastsverhandlungen am ersten September beginnen könnten. Infolgedessen werden sich der Direktor der Wirtschaftsabteilung des belgischen Außenministeriums, von Langenhoofe, zu diesem Zeitpunkte nach Berlin begeben.