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Vas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Weihen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: dir «gespaltene Slaumieile M Doldpscmns, die 2gespaltene Ztile drr amtlichen Bekanntmachungen 4» Sow- psennig, di« Z gespaileneAeklamezetle im textlichen Teile lv» Goldpsennig. Nachweisungsgebühr 2» Gotdpfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 LLNÄS annahmebisvorm.10Uhr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Sienu^^ Mger nnd Defchastrstellcn — . nehmen ,u jeder Zeit Be- Pallungen entgegen Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter EchriUtücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 188 — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 264» Mittwoch den 13 August 1924 Fortschritte in London. Herriots „Zieg". Fanfaren, Glockengeläut, Triumphgesänge. Friedens- bringer Herriot ist in Paris freundlich ausgenommen und mit dem Segen und der Zustimmung des Gesamt kabinetts, mit freundlicher Ermunterung des Präsidenten der Republik wieder nach London zurückgeschickt worden. Man hat ihm nicht, wie weiland seinem Vorgänger Briand, der in Cannes zu einer Verständigung mit Deutschland gelangen wollte, den Kopf abgerissen oder doch wenigstens in offener Kammersitzung schmählich im Stich gelassen. Nicht einmal Kriegsminister Nollet ist auf der Strecke geblieben. Durchaus nicht. Ein Herz und eine Seele treten die beiden hervorragendsten Mitglieder der französischen Delegation vor das Forum der Lon doner Konferenz, und die Welt wird erwarten, daß nun in wenigen Sitzungen sich alles in Freundschaft und Wohlgefallen auflösen werde. Denn wenn selbst die Frage der militärischen Räumung der Ruhr befriedigend gelöst werden kann, welche Schwierigkeit sollte dann noch der langersehnten deutsch-französischen Annäherung ernstlich entgegenstehen? Herrlich, wenn es so wäre. Welcher Deutsche würde nicht freier aufatmen, wenn er sich darauf verlassen könnte, daß aus Hagen und Bochum, aus Dort mund und Essen die fremden Bedrücker heute oder morgen abziehen und mit ihnen der ganze Troß dieser französisch-belgischen Belagerungswirtschaft für immer verschwinden soll. Darüber hinaus natürlich auch Düsseldorf, Mülheim und Ruhrort nicht zu vergessen, wie auch die Städte und Flecken im Hessischen s und Badischen, wo die Franzosen überhaupt niemals etwas zu suchen hatten. Wir sind ja so bescheiden ge worden; wir glauben schon Grund zur Freude und Dankbarkeit zu haben, wenn nur altes, schweres Unrecht, unter dem unsere Brüder und Schwestern seit Jahr und Tag unsäglich zu leiden haben, aufgehoben wird — ohne Wiedergutmachung natürlich! Nein, im Gegen teil. Wenn die Franzosen ein Unrecht aufgcben, so ver- ! langen sie dafür — Kompensationen! Weil die Welt eben nicht glauben darf, daß sie mit dieser oder jener „Sanktion" ein Unrecht begangen, einen Vertrag verletzt, ein anderes Volk über Verdienst und Gebühr geknechtet haben, so mutz die Beendigung eines Konfliktes immer so „gefingert" werden, daß der Gegner draufzahlt und damit also sein Unrecht zum mindesten mittelbar ein gesteht. Es sprechen Anzeichen dafür, daß es auch diesmal so kommen soll. Es wird uns angesonnen, den Rückzug der Franzosen aus der Ruhr durch Konzessionen auf wirt schaftspolitischem Gebiete zu erkaufen, ins-! besondere sollen wir ihnen einen Handelsvertrag anbieten, der das Loch im Westen in anderer Form noch wer weiß wie lange weiterbestehen läßt und dadurch der deutschen Industrie und dem deutschen Handel neuen schweren Schaden zufügen muß, nur damit die Unersätt- lichkeit der Franzosen auch noch über den 10. Januar 1025 hinaus ohne sonderliche Anstrengungen auf ihre Kosten kommen kann. Bringt Herriot uns die Nuhrräumung, so erfüllt er damit im Grunde nur eine Pflicht, die für die Franzosen schon im vorigen Herbst überfällig wurde, als der Reichskanzler Dr. Stresemann den passiven Widerstand für beendet erklärte. Statt dessen ist sie bis zum heutigen Tage hingezögert worden, und jetzt endlich soll sie, immer noch in Etappen bis in das nächste Jahr I hinein, durchgeführt werden, weil Frankreich einsehen muß, daß es ohnedies nicht mehr geht. Die Franzosen haben gar keine Ursache, aus ihrem Abzug viel Wesens zu machen; je stiller sie aus dem Ruhrgebiet verschwinden, desto bester für sie. > So liegen die Dinge, wenn man an die Aufrichtigkeit des Paktes glauben soll, den Herr Herriot jetzt vielleicht in London abschlicßen wird. Aber die Zustimmung des Generals Nollet, die er dabei gefunden hat, nötigt zu schärfstem Mißtrauen. Darüber braucht man keine Worte weiter zu verlieren. Wenn schon der bürgerliche Minister präsident sich nachsagen lassen muß, daß er nichts umsonst tun wird, um wieviel mehr Reserve gehört sich gegenüber dem früheren Leiter der internationalen Kontrollkom mission, von dem wir wissen, daß nicht einmal die Uniform der deutschen Schutzpolizei ihn ruhig schlafen ließ. Wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß die Rückzugslinie, auf der diese beiden Männer sich geeinigt haben, für uns nichts weniger bedeuten würde als einen Passionsweg, und daß deshalb die militärische Räumung des Ruhr gebietes, wie sie von ihnen geplant wird, für die deutsche Delegation möglicherweise kaum annehmbar sein könnte. Die sofortige Räumung der Rtchr ist von allen Mitglie dern der Reichsregierung wie auch von allen Parteien ohne Unterschied ihrer sonstigen politischen Einstellung stets und ständig als die Grundbedingung für die An nahme des Dawes-Gutachtens bezeichnet worden. A« dieser Forderung müssen wir deshalb unbedingt festhalten, wenn anders nicht der Reichstag hinterher durch alle die feingesponnenen Formeln von London einen dicken Strich »iehrn soll. Stresemann, sterriot unck Lheunis. ?insnLpoMiscve Huseinsnüersetzungen. London, 12. August. In der sechsten Nachmittagsstunde trafen im Hydepark-Hvtel Reichsaußenminister Dr. Stresemann und Ministerpräsident Herriot zusammen, um die am Freitag vergangener Woche vorzeitig abgebrochene Unterhaltung über finanzpolitische Fragen fortzusetzen. Der belgische Ministerpräsi dent, der für eine möglichst rasche Ruhrräumung eintritt, ver hält sich vorläufig zurückhaltend, um im gegebenen Falle die Rolle des Vermittlers zwischen Frankreich und Deutschland zu übernehmen. Ueber das Ergebnis der Besprechung zwischen Stresemann und Herriot werden vorläufig keine Einzelheiten berichtet, sie sollen vielmehr am Abend, nach der Verfassungs feier, die in den Räumen der deutschen Botschaft stattfindet, fortgeführt werden. Der Kreis der Teilnehmer wird dabei durch Reichskanzler Marx und Finanzminister Clemente! erweitert werden. Die letzten Kommissionsardeiten in London. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Paris, 12. August. Der Bericht der zweiten Kommission ist von den Verbündeten und der deutschen Delegation gestern vormittag 11 Uhr in einer gemeinsamen Sitzung angenommen worden. Innerhalb der dritten Kommission ist eine Einigung ebenfalls zustande gekommen. Die deutsche Regierung wird durch die schiedsrichterliche Entscheidung gezwungen, für die Sachlie- serungen, soweit sie durch eventuelle Obstruktionen der Lieferan ten nicht zur Ausführung gelangen, selbst aufzukommen. Die Verantwortung der deutschen Regierung erstreckt sich auf die Lieserung von Kohlen, Kols, Braunkohlen, Briketts usw. Die deutschen Sachverständigen haben indessen abgelehnt, die Liefe rung der Farbstoffe zu gewähren. Diese Frage ist bis jetzt noch nicht entschieden und wird wahrscheinlich heute der Großen Sie ben oder der Großen Vierzehn zur Entscheidung unterbreitet werden. Der Bericht der dritten Kommission ist gestern abend den Verbündeten und der deutschen Delegation unterbreitet wor den. Heute vormittag gegen elf Uhr wird er von den Hauptdrle- gierten besprochen werden. Die Arbeiten der Sachverständigen sind so weit zu Ende geführt. Ein völliges Einvernehmen in der Frage der Amnestie steht aber noch aus. Es konnte die Frage noch nicht entschieden werden, zu welchem Zeitpunkt Deutschland seine Souveränität in der Gerichtsbarkeit zurückgegeben wird. Vie kubl^Sumung. London, 12. August. Herriot schlug in der Besprechung mit Dr. Stresemann vor, zum nächsten Juli die Räumung des ver vettszsungsiag. Feier der Reichsregierung im Reichstage. Berlin, 11. August. Saal und Tribünen waren schon lange vor Beginn mit einer festlich gekleideten Menge angefüllt, die Vertreter der Reich sregierung waren, soweit sie in Berlin sind, vollständig anwesend. Auch die Vertreter der Län der und Gemeinden waren zahlreich zur Stelle. Bei dem Erscheinen des Reichspräsidenten in der früheren Hofloge, den man durch Erheben von den Sitzen begrüßte, nahm die Feier mit dem Gesang des Domchores: „Wo ist ein so herrlich Volk?" von Brahms ihren Anfang. Daraus ergriff der erste Bürgermeister von Hamburg, der frühere demokratische Abgeordnete Dr. Petersen, das Wort zur Festrede. Er legte seinen Ausführungen das Wort zugrunde, daß der 11. August ein Tag des deutschen Volkes sei. An diese Ansprache schloß sich der Chorgesang von Albert Becker: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen", woraus an Stelle des noch in London weilenden Reichskanzlers Dr. Marx der Innenminister Dr. Jarres die Tribüne betrat. Er sagte, weil die Weimarer Ver fassung unsere Verfassung sei, deshalb hätten wir sie alle zu achten und zu wahren. Der Redner ging auch auf die Londoner Verhandlungen ein und führte aus, daß Deutschland die unsäglich schweren Lasten, welche das jetzt zur internationalen Verhandlung stehende Sach verständigengutachten ihm zumutet, nur dann tragen könne, wenn es wenigstens die schmalen Freiheiten wieder erhält, die ihm der Friedensvertrag ließ. Die Rede endete in einem Hoch auf das in der Republik geeinte deutsche Volk, in das die Anwesenden stürmisch einftelen. Das von allen Anwesenden stehend gesungene Deutsch landlied beendete die Feier. Nach dem Verlaffen des Reichstages nahm der Reichspräsident die Parade über die vor dem Hause aufgestellte Ehrenkompagnie ab. Ruhrgebietes durchzuführen. Stresemann lehnte das ab und brachte den Januar in Vorschlag. Die Räumung selbst wird voraussichtlich nur vier Tage in Anspruch nehmen. Die Aus sichten für eine Einigung sind nach der Auffassung von Reuter weiter hoffnungsvoll. Der deutsche Standpunkt Berlin, 12. August. Der Standpunkt der deutschen Re gierung und der deutschen Delegation liegt unwiderruflich darauf fest, daß die Räumung der Ruhr und des Einbruchsgcbietes unverzüglich erfolgen muß, nachdem der Reichstag die Gesetze zum Sachverständigengutachten mit Zweidrittelmehrheit ange nommen hat. Die deutsche Delegation wird nicht in der Lage fein, Konzessionen in dieser Frage zu machen. Die Absichten Herriots Paris, 12. August. „Ere Nouvelle" erfährt aus zuver lässiger Duells, daß Herriot den Forderungen der deutschen Dele gierten nach Ruhrräumung innerhalb drei bis vier Monaten nicht ablehnend gegenüberstcht. Herriot beansprucht aber entsprechende Kompensationen. Schnellere Ruhrräumnng. Eigener Fernsprechdlenst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 12. August. Das „Petit Journal" verzeichnet Londoner Meldungen, wonach die deutschen Bevollmächtigten die Räumung der Ruhr innerhalb dreier Monate verlangen werden. Der weitere Artikel des „Petit Journal" läßt darauf schließen, daß Frankreich — wenn ihm weitgehende Entschädigungen auf wirschaftlichem Gebiete geboten werden — in eine früher als bisher geplante Räumung der Ruhr willigen werde. Die Pariser Presse zu den deutsch-fran zösischen Besprechungen Paris, 12. August. Die Pariser Blätter äußern sich zu den Besprechungen', die zwischen der französischen und deutschen Delegation geführt werden, allgemein zuversichtlich. Der Bericht erstatter der „Ere Nouvelle" schreibt: Die Verständigung ist eine Frage der Taktik und der Geduld. Wir sind auf dem besten Wege. sten-iot bri Marx. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 12. August. Herriot hat gestern abend Reichs kanzler Marx im Ritzhotel einen Besuch abgestattet. Es fand eine einstündige Unterredung statt, die, wie man in englischen Kreisen annimmt, sich auf die Frage der militärischen Räumung des Ruhrgebietes bezog. Programmäßig war der Feier im Reichstag ein Au,» marsch der Schutzpolizei im Lustgarten vorangegangen. Der preußische Ministerpräsident Braun stellte in einer Ansprache fest, daß die Polizei nur ein Instrument des Friedens sei, daß sie lediglich die Staatsautorität zur Geltung bringen und die Ordnung im Lande aufrechterhalten soll. Reichspräsident Ebert begrüßte die Schutzpolizei und gab seiner Genugtuung darüber Ausdruck, daß die Schutzpolizei unerschütterlich auf dem Boden der Reichsversassung stehe. Die Reichs- und Staatsbehörden feierten ebenfalls vor mittags bereits in den Räumen des Cafes Sanssouci. Nach mittags wickelte sich ein Sportfest im Lustgarten ab, bei dem vom Reichspräsidenten Preise verteilt wurden. Abends wurde im Staatlichen Schauspielhaus Beethovens 9. Symphonie aus geführt. Die verschiedenen Veranstaltungen, wie Umzüge, Ver sammlungen, Ansprachen, die bereits am Sonntag statt- sandeu, wickelten sich ohne Störungen ab. Schwarz-rot-goldene Flaggen sah man nur vereinzelt an den Gebäuden. * Münster und Weimar. Die fünfjährige Wiederkehr des Verfassungstages war zu einer besonderen Wertung in Münster t. W. dadurch gelangt, daß Reichspräsident Ebert einer Ein ladung des westfälischen Oberpräsidenten zum Besuch der Stadt und zur Teilnahme an den dortigen Feierlichkeiten gefolgt war. Nach dem festlichen Empfang und der Be grüßung durch den Oberpräsidenten Gronowski hielt Reichspräsident Ebert vom Balkon des Schlosses eine Rede an die Menge, in der er ausforderte, Bekenntnis ab zulegen für die Republik, das Vaterland und einen festen nationalen Willen. Die Rede klang aus in einem Hoch auf die deutsche Republik und das deutsche Vaterland. Der Reichsminister für die besetzten Gebiete Hoefle sagte in seiner Ansprache, daß die Räumung der besetzten Gebiete in kürzester Zeit erfolgen müsse, es könne sich nicht um Jahre, höchstens um Monate handeln. In Weimar waren zahlreiche Abordnungen zu der vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold veranstalteten Ver fassungsfeier erschienen. Den Mittelpunkt der Feierlich keiten bildete der Festakt im Deutschen Nationaltheater, wo auch General von Deimling und General Körner, ebemals Generalinsvekteur der österreichischen