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Nr. 244. — 83. Ja^rMirg Freitag, 1924 WiisdrUsf-DresdeN Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt- Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ s/ T«ge-r«tt- rrschecm tügttch xcrchm. 5 Uhr für den fslyend«» r««. Vezn-rpret»: Bei Abholuns in i L LH» V^ch«st»steüe rrnd de« Ausyadrstalle« 2 Md. i« Mon«. bei Auft^ung darch die Votev 2,30 bei Postbestellvnsx ! A Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend M!d S>«sch»st«ftc!Im «khmni M j-»-r AM D» er r«t,^rn. Am Fak, HSHerrr «n-s ad« iaoDsn Bc«icd»stemia,oi drftu,! k^n Anspruch auf Lieferung dsAeiUm, -der LLrzuug »es Beruaspimjc». - «Lckscn»,!»« eiugcsnnvlee SchrtjtWch« erfolg! nur, wenn Paria deNiegl. Das Wilsdruffer Tageblat: er-LHSU die amtlichen Bekannrmachnnge« der Amtshauytmaunschast Weitze», de« Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Ti a: ««Di. Finanzamts Neffen. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: Vir 8gefpatte»e «mrmgeile LÄ ^oldpferrrns, dir LgesvalteneZeile de? cnN7tttchenBriir«nnt?nkrDnngen4't(k'aW- pf<tnrrig. die Sg^pLlteneReLlttMLgeNe im teisMkven Trilr iOS Goldpsenniy. NacbiveisungsgebÜbr 20 Gordpfenulge. Vvr- grschriebeneErichcinnngs- lag, und Platzvorschnfte» «erben nach Möglichkeit f 6 berüchsichtiyt. Änsiiszc«- snnahmrbisvorm.lOAHr Für die Richtigkeit de? dr^rch Ferrrrus übermittelten Anzeigen übernehme« wir Leine GaranM. Jeder Sin dattanspm ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden rvnH oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeige? ueümcu alle Berinltttuugsfteüen entgegeL. politiWer Wnüerspjel. Zu dem saft von Stunde zu Stunde wechselnden Schauspiel der Regierungsbildung, wie es sich nun seit Tagen inBerlin abrollt, erhalten wir von einem parla mentarischen Mitarbeiter folgende Betrachtungen über den Stand vom 15. Oktober: Es ist wirklich sehr schwer, keine Satire zu schreiben. Wer vom Schicksal verurteilt ist, über die einzelnen Phasen moderner deutscher Regierungsbildung zu schreiben, kommt aus dem vergnügten Lachen nicht heraus. Man nimmt nichts mehr ernsthaft. Keines der großen Worte, keine der langatmigen Erklärungen, die Tag um Tag, fast Stunde um Stunde, in den Fraktionszimmern entstehen, in die Welt hinausposaunt werden und dann vergehen wie der Wind, der über die öde Steppe weht. Sie sind wie die Kinder, die Fraktionen, die heute, die jetzt mit einer Puppe leidenschaftlich spielen, um sie im nächsten Augenblick fortzuwerfen, um nach einem bunten Kiesel zu greifen. Und inzwischen geht das Leben außerhalb der Fraktionen immer weiter, kümmert sich der Außenstehende kaum um das, oder belächelt verächtlich, was diese, einzeln genommen doch ganz vernünftige und ernsthafte Men schen, in den Fraktionszimmern aushecken. Vormittags wird ein Beschluß gefaßt, einstimmig, wie das offi ziell erklärt wird — und ein paar Stunden später wird ebenso einmütig oder mit gewaltiger Mehrheit der gleiche Beschluß umgeftoßen oder gar das Gegenteil be schlossen. Gestern abend gab kein Mensch mehr etwas dafür, daß der Reichstag weiter am Leben bleiben sollte. Das Zentrum hatte am Vormittag einen Beschluß gefaßt, wonach der Reichskanzler jede weiteren Bemühungen zur Erweiterung der Koalition entstellen und alles beim alten bleiben solle bis zum 10. Januar. -Den gleichen Beschluß faßte ein paar Stunden später die Demokratie. Und abends trat die Deutsche Vollspartei zusammen und brachte als Beschluß der Fraktion eine längere Er klärung heraus, in der nochmals und eindringlichst gesagt wurde, daß die Deutsche Volkspartei aus dem Kabinen austreten werde, wenn eine Erweiterung des Kabinetts nach rechts hin nicht erfolgen sollte, obwohl sie feststellen müsse, daß die Voraussetzungen für eine Regierungsum bildung, die den Deutschnationalen gegenüber von der Deutschen Volkspartei, dem Zentrum und den Demo kraten am 29. August gestellt waren, von der Rechten er füllt wurden. Aber auch nach diesem Beschluß, der das Ende der bisherigen Regierungskoalition darstellte, er klärte man in Zentrumskreisen, bei dem Beschluß vom Vormittag verbleiben zu wollen. Da wurde im Reichstag zunächst bekannt, daß der landwirtschaftliche Flügel derDemokratischenPar- > tei, nicht der Neichstagsfraktion, unter Führung des ! bekannten Vorsitzenden des Deutschen Bauernbundes Dr. Boehme, der jedoch Reichstagsabgeordneter ist, zur Deutschen Volkspartei übergetreten sei; das wurde äußer lich begründet damit, daß die demokratische Fraktion nie mals gegen das außerordentlich landwirtschastsfeindliche Verhalten der großstädtischen demokratischen Presse cin- geschritten sei. In Wirklichkeit klafft hier aber durch die Demokratische Partei der Zwiespalt, ob man sich der lwr- annahenden Rechtskoalition in den Weg werfen oder sich ihr gegenüber zum mindesten neutral verhalten soll Vor eine Entscheidung darüber ist aber unter einer ganz neuen Konstellation die Demokratische Partei wiederum gestellt worden. Denn in später Abendstunde hat die Zentrumsfraktion einen Beschluß gefaßt, der ihrer Vormittagserklärung schnurstracks wider sprach: sie erklärte nämlich ihre Bereitschaft, einer Regierungserweiterung nach rechts aus dem Boden der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien zuzustimmen, falls die Demokraten auch in der Ne gierung verbleiben. Wohl mit Absicht hat das Zentrum es vermieden, als Bedingung seines Mitwirkens bei einer Rechtskoalition das Verbleiben der Demokratischen Partei bei der neuen Parteikoalition aufzustellen, da nun der demokratischen Fraktion es immer noch möglich ist, sich neutral zu verhalten und ihren beiden Ministern im Kabinett, dem Reichswehrminister Dr. Geßler und dem Neichswirtschaftsminister Hamm das Verbleiben im l Kabinett nicht zu verbieten. Außerdem ist es bekanntge worden, daß Dr. Geßler namentlich für diese Neutralität seiner Partei, sogar für eine Mitarbeit bei der Rechts koalition ist und angeblich aus einem Zurückziehungs- bcschluß seiner Fraktion die Konsequenz des Hinüber- gehens zur Deutschen Volkspartei ziehen will. Formell wurde damit also wieder einmal die Ent scheidung den etwas mehr wie zwei Dutzend demokrati schen Abgeordneten zugeschoben. Wird man irgendeine Formel finden? Man findet im Parlament ja immer Formeln. Und die chinesische Maxime, das Gesicht zu wahren, ist von Ostasien her auch schon iü den Deutschen Reichstag eingedrungen. Für jeden Kenner der Parla mentsgeschichte ist es Gegenstand fröhlicher Erheiterung, wenn irgendeine Partei einer andern Umfall oder der gleichen vorwirft. Sie sind alle schon umgefallen. Die ! einen schneller, die andern langsamer. Und dann standen sie mit überaus ernsthaften Mienen wieder auf und gaben z acht auf die andern, die gerade wieder einmal beim Um- ? kalten sind. Man hat das Umfallen und das Aufstehen cm ! Reichstag viel besser weg als die Stehaufmännchen, die man als beliebtes Spielzeug für Kleine und Große ver lauft. * Wettere parteiverhandlungea r Berlin, 15. Oktober. Im Neichtage trat der Vorstand der Zentrumsfraktion zu einer Sitzung zusammen, an der auch der Reichskanzler Marx teilnahm. Vertreter des Zentrums haben sich mit den demokratischen Führeren in Verbindung gesetzt und aus den Besprechungen feststellen müssen, daß der letzte Zentrumsbeschluß eine Änderung der Haltung der Demo kraten nicht herbeiführen wird. Diese sind nach wie vor der Meinung, daß die Bildung eines Bürgerblocks schwere innen- und außenpolitische Gefahren in sich berge. unv daß eine Beteiligung daran für sie unmöglich sei. Das Zentrum wird sich daher vor eine neue Situation gestellt sehen, und die Neichstagsfraktion des Zentrums wird in einer neuen Sitzung dazu Stellung nehmen. Die demo kratische Fraktion ist ebenfalls heute einberufen, ferner die Fraktion der Deutschen Volkspartei und die der D e u t schnationalen. Sozialdemokraten, Bayerische Volkspartei, Wirtschaftliche Vereinigung und Kommunisten haben bisher keine Fraktionssitzungen angesetzt. Gegen 12 Uhr mittags empfing der Reichskanzler M a r r nacheinander die Vertreter der Regierungspar teien. Diese Konferenzen waren nur von kurzer Dauer und trugen nur informatorischen Charakter. Nach Abschluß d-cser Besprechungen fand eine K a b i n e t t s si tz u n g Die Landung in Lakehurst. Zn SV Stunden 4V Minuten. ! Newhork, 15. Oktober. ! Der LEreuzer „Z. R. 126« (Z. N. 3) kam ' kurz vor 3 Ahr bei Lakehurst iu Sicht, stürmisch f begrüßt von der angesammelten Mengs. Das f Luftschiff kreuzte mehrmals in großen Schleifen s über dem Flugplatz, senkte sich dann, landete um s 3" mitteleuropäische Zeit glücklich an der borge- ' schrieben«», Stelle und wurde in die Halle ge bracht. Die gesamte Flugdauer von Friedrichs hafen nach Lakehurst betrug 80 Stunden 40 Min. * „Daß sich das größte Werk vollende, genügt ein Geist für tausend Hände!" Faust ist es, der diese Worte spricht, - und wir alle werden heute, wo sich wieder einmal ein Werk : deutschen Schöpfergeistcs die Welt erobert und unseres Vaterlandes Ruhm über des Ozeans dräuende Fluten ; getragen hat, ihrer unvergänglichen Bedeutung inne. Und die Brüder am jenseitigen Ufer, die Deutschen drüben, die i die Heimat verlassen, aber die Heimat nicht vergessen haben, ! dürfen sich heute wieder voll Stolz und voll Vertrauen in f Deutschlands Zukunft emporrecken und den Neidern und s Geiferern, den Haffern und Verkleinerern deutscher Art und deutschen Fleißes zurufen: „Seht, nicht auf kriegerische Taten sinnen unsere vielgeschmähten alten Heimats genossen — nein, an Werken des Friedens bauen sie, auf daß das Völkertrennende endlich, endlich einmal durch das ! Völkerverbindende abgelöst werde, auf daß über Länder > und Meere, über Riffe und Klippen hinweg sich Volk zu Volk finde und die große Völkergemeinschaft, der wahre i Völkerbund, nicht bloß eines Tages Traum, ein j leerer Schemen bleibe." Durch die Lüfte flog, selbstsicher allen Gefahren trotzend, ein Schiff, wirklich ein Schiff, wie es sollst nur über die Kämme der Meereswogen dahingleitet, von Europens Festland zu fernsten Breiten, und trug friedliche Kunde von der Alten zur Neuen Welt. Ja, machen wir uns denn ganz klar, was solcher Wagemut, was solche überwältigende Tat bedeutet? Dämmert uns nicht die Ahnung, daß wir am Beginn einer neuen Ära, einer neuen, in ihrer ganzen gewaltigen Bedeutung noch gar nicht zu überschauenden Epoche des Weltgeschehens stehen? Wir sind gleichgültig geworden, und Höchstes, Erhabenstes selbst ist uns Alltag und Selbstverständlichkeit. Fernsprecher und Rundfunk, Fernsehen und Himmelsflug, alles sehen wir mit nüchternen, kritischen Augen an: es muß so sein, und uns imponiert nichts mehr. Und doch und doch! Und l doch eröffnet diese Zeppelinfahrt von Erdteil zu Erdteil l Möglichkeiten, die Spöttern und Zweiflern heute s noch phantastisch erscheinen mögen, aber trotzdem unbe - > grenzt sind. Die große, grobe Welt wird winzig klein, Völker, die sich weltenweit voneinander entfernt dunklen, werden einander nähergerückt und können sich die Hand reichen, Amerika wird zum Vorort Europas, alle Grenzen sind verwischt, alle Schranken gefallen, und zum Pol, zur fernsten Thule führt ein bequemer Weg. Wie einst durch Gutenbergs geniale Erfindung einer ganzen Welt zu gleicher Zeit Erleuchtung wurde und Wissen aufging, wie einst durch Schienenstränge und Dampfschifflinicn Länder verknüpft wurden und Völker, die sich fremd gewesen, plötz lich voneinander wußten, so wird, so m u ß, was jetzt ge schieht. Ivas mit des Luftkreuzers glückhaftem Flug und glückhafter Landung vollendet wurde, der ganzen Welt neues Heil bringen, Herzen an Herzen ketten und alle Menschen wahrhaft Brüder werden lassen. So wird, was Ereignis war, zum Symbol, so wird eines Luftschiffes kühner Flug zum Zeichen, zum Beginn engster Länderverknüpfung und einer wirklichen, von keinen politi scher! Erwägungen angekränkelten „Internationale". Und so grüßen wir denn das stolze Schiff, das den!schein Geist sein Dasein verdankt und von deutschem Geis: zeugen wird bis zu fernsten Äonen, als den wahren Friedcnsbringer, als den Führer zu vielleicht nicht mehr allzu fernen Lagen, in denen man von den Bereinig ten Staaten der Welt wird reden dürfen. Heil und Dank dir, deutsches Schiff! Der große kMg. Einen Augenblick lang bangten wir um ihn — aber auch nur einen Augenblick. Funknachrichten, allerdings zum Teil verstümmelte, waren eingelanfen, die von Mo- torendesekten, Sturmzeichen und neuen dicken Nebel schwaden zu melden wußten. Aber er hat das alles sieg reich überwunden, den Sturm im Sturm genommen, in dreistündiger sicherer Fahrt sich durch das Nebelmeer durchgekämpft, und als sich wieder eines Tages Lauf voll endete, tauchte der Riesenvogel nach dem großartigen Meerflug wie ein Himmelswunder über dem amerika nischen Festland auf. „Land! Land!" Wie einst vom höchsten Mast des Kolumbus-Schiffes, das einer neuen Welt entgegensteuerte, nach siebzigtägiger Seefahrt dieser Freudenruf ertönte, als aus den brandenden Mecreswogen die jungfräuliche Küste Amerikas auftanckts, so mögen jetzt auch die Piloten der Lust gerufen oder doch empfunden haben, als sie nach nur dreitägiger Fahrt derselben Küste zustrebten und sie zu mitternächtiger Stunde in Umrissen unter sich liegen ließen. Von den Küsienwachen aber ertönte, durch die Funkstationen weit in die Welt hinausgetragen, der alte Seemannsgruß: „Schiff ahoi! Schiff in Sicht!", und ein Begeisterungs- laume! erfaßte die Alte und die Neue Welt und Pflanzte sich in tausendstimmigem Echo durch alle Lande fort Die abgeändcrte Flugrichtung. Vorher aber hatte es noch eine kleine Enttäuschung gegeben. Die Bewohner der Bermudas-F niet n