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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. n-chm. S Uhr für den folgenden Tag. Bezugsprei,! Bei Abholung in d^eschLftostelle und den Ausgabestellen L Wk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,ZO Ml-., bei Postbcstellung WunÄchVell^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten ^un""r" für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile SO Goldpfennig, die 2gefpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Gold pfennig, die 3 gefpalteneReklame-eNe im textlichen Teile l00 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Vor- geschriebeneGrscheimmgs- tage und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. 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Herriot wollte in Paris mit dem Ministerrate und dem Präsidenten der Republik Fühlung nehmen. Es handelte sich dabei natürlich in erster Linie um die Frage der Ruhrräumung und der Belassung der französischen und belgischen Eisenbahner im Rheinlande. Also nm die Kernstücke der ganzen Konferenz. In London und Paris liefen Gerüchte um von Gegensätzen in Konferenzkreisen. Das ist an und für sich selbstverständlich, da ja eine Konferenz dafür da ist, vorhandene Gegensätze, die natürlich auch auftanchen müssen, auszugleichcn. Deshalb darf man auf derartige Gerüchte nicht allzuviel Gewicht legen. Auch Gerüchte über eine Krise innerhalb der französischen Delegation Wurden verbreitet. Dies war schon eine ernstere Sache. Es ist bekannt, daß zwischen Rollet und Herriot in der Frage der Ruhrräumung und der damit zusammenhängenden Dinge von Anfang an ein großer Gegensatz bestand. Der Standpunkt Nollets schien sich eine Zeitlang durchgesetzt zu haben. Man vermutet nun, datz^der letzte Besuch einiger französischer sozialisti scher Abgeordneter in London Herriot den Rücken gesteift habe, so daß nationalistische französische Kreise bei ihm Anzeichen von Nachgiebigkeit gegen Deutschland glaubten entdecken zu können. Da soll nun Rollet das schwere Ge schütz mit der Demissionsdrohung anfgesahren haben. Und darüber sollte angeblich der französische Ministerrat entscheiden. Der ganze Vorgang erinnert an einen ähnlichen im Januar 1922 zur Zeit der Konferenz in Cannes. Da mals war Briand im Begriffe nachzugeben. Das hatte das Erwachen Poincares zur Folge, der als Vor sitzender des auswärtigen Ausschusses Briand nach Paris lud, von wo er nicht wieder zurückkehrte. Damit war dann die ganze Canneskonferenz ins Wasser gefallen und die deutschen Unterhändler konnten nicht mehr zu Worte kommen. Poincars suchte damals den üblen Eindruck etwas abzuschwächen, indem er die Genua-Konferenz zu gestand, die aber infolge seiner heimlichen Sabotage versuche ohne jede Wirkung blieb. Insofern bestand aber jetzt gegen damals ein gewisser Gegensatz, als seinerzeit Briand nach Paris zitiert wurde, während man jetzt von einem derartigen Zwange auf Herriot doch wohl nicht reden konnte. Außerdem handelte es sich nicht um Erörterungen vor dem auswärtigen Aus schuß, sondern um einen Ministerrat, der natürlich ein greifen muß, wenn wirklich noch immer die tiefen Gegen sätze zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Kriegs minister bestehen. An diesen ist kaum zu zweifeln. Der Ausgang der Pariser Besprechungen muß zeigen, ob das französische Kabinett wirklich so einmütig ist im Sinne der Linksmehrheit der Kammer, daß Herriot unter Umständen es wagen kann, auch gegen Rollet seinen Willen durch zusetzen. Durch die Reise Herriots trat eine Art Pause in der Konferenz ein. Auch Macdonald feierte feiner Ge wohnheit gemäß das Wochenende außerhalb von London. Um nicht den Eindruck zu erwecken, als ob wirklich die Konferenz auf eine Art toten Punkt angekommen sei, wurde versichert, daß die Kommissionen unter Umständen auch Sonntag über tagen würden. Auf alle Fälle wurde der Wunsch Macdonalds vereitelt, die Konferenz schon Montags zu Ende gehen zu lassen. Herriots Reise nach Paris zeigte uns vielmehr, daß sie in ihr kritisches Stadium eingetreten ist. Eine Art Gefechtspause ist immer dazu angebracht, rückwärts zu schauen. Von verschiedenen Seiten ist von deutschen Erfolgen die Rede gewesen. Das ist viel leicht ein schiefer Ausdruck. Wenn bei einzelnen Fragen, so in der der wirtschaftlichen Räumung, der Feststellung der Verfehlung und in einigen anderen Punkten, nicht ganz die Unvernunft durchdringen konnte, fo bleibt doch für uns so viel des Üblen. Das einzige, was sich buchen läßt, ist die Tatsache, daß man die Deutschen als gleich- tz e r e ch t i g t e Verhandlungsfaktoren anerkannt hat. Das läßt vielleicht auch die Einladung des Reichskanzlers und Neichsaußenministers durch die amerikanische Bot schaft in London erkennen, wo sie zusammen mit den französischen Delegierten dinieren konnten. Wie fern unter Umständen noch das Ende ist, läßt der Umstand er kennen, daß auch in der so wichtigen T r a n s f e r f r a g e die Kommission sich noch immer nicht einigen konnte, zu mal sie bisher einen Standpunkt einnimmt, den Deutsch land unter keinen Umständen billigen kann. MmiMmW Men HeM m «Wemt. Kerrist wieüer in Lonüon. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 11. August. Herriot und General Nvliet sind gestern abend 9 Uhr über Dieppe nach London zurückgekehrt. Der Finanzminister Clemente! ist bereits um 4 Uhr abgefahren, weil ihm daran lag, noch vor Anbruch der Nacht in London ein zutreffen. Herriot wurde bis Bvulonge vom Handelsminister Raynaldy begleitet. Gegenstand der Besprechung Zoll laut Liberte die Vorbereitung des Handelsvertrages mit Deutsch land gewesen sein. Herriot hat im Verlaufe seines kaum 24stün- digen AüfenthUes in Paris einen bedeutsamen Erfolg davvn- getragen. Es war ihm infolge der Stellungnahme des Marschalls Foch, was ausdrücklich hervorgehoben zu werden verdient, ge lungen, die Zustimmung sämtlicher Minister und des Präsiden ten der Republik zu seinem Standpunkt hetr. die Ruhrräumung zu erlangen. Marschall Foch war der eigentliche Schiedsrichter der Situation. Herriot unterbreitete ihm vor Zusammentritt des Ministerrats einen Plan der militärischen Räumung der Ruhr. Als Foch sich für den Plan entschied, war der Verlauf und der Ausgang der Sitzung nicht mehr zweifelhaft. Selbst Rollet unter warf sich sofort widerspruchslos. Allerdings ist nicht zu über sehen, das die Erklärungen Macdonalds betr. die Verquickung des Reparations- und des Dawesproblems sowie die vorläufige Fortsetzung der Besetzung der Kölner Zone sämtliche Minister günstig gestimmt hatte. Der Plan zur militärischen Räumung der Ruhr ist in seiner genauen Fassung noch nicht bekannt. Ein Pariser Abendblatt geht indessen zu weit, wenn es behauptet, er wäre ein Geheimnis. Zunächst steht fest, daß die militärische Räumung der Ruhr ohne Rücksicht auf die Frage der franzö sischen Sicherheit nach dem Gesichtspunkte der Ausführung des Sachverständigenberichtes erfolgen soll. Auch diese Auffassung scheint nach den formellen, Frankreich beruhigenden Zusicherun gen Macdonalds, daß Reparationen und interalliierte Schulden künftig nur noch ein Problem bilden, für die Entschließung des Ministerrats nicht ohne Bedeutung gewesen zu sein. Bezeichnend dafür ist, daß Herriot, wie eine hohe politische Persönlichkeit französischen Pressevertretern gestern nachmittag erklärte, von dem Ministerrat die nöligen Vollmachten erlangte, um in Lon don mit den deutschen Vertretern die Umrisse eines deutsch-fran ¬ zösischen Handelsvertrages festzulegen und zwar soll der franzö sische Ministerpräsident die Räumung der Ruhr zum Gegenstand eines Tauschobjektes machen wollen. Keine Ueberruschung in London London, 11. August. In den Kreisen der hiesigen Kon ferenz hat das von Havas gemeldete Ergehnis des französischen Ministerrats keinerlei Ueberraschungen hervorgerufcn, da man einen solchen Beschluß erwartet hatte. Es wird allgemein für sehr wahrscheinlich gehalten, daß nunmehr bald zwischen der deutschen Delegation einerseits und der französischen und der belgischen Delegation anderseits eine Aussprache über die Frage der militärischen Räumung des Ruhrgebietes heginnen wird. VeceiRborrLAg in der AmrrestiefrKge. London, 11. August. Wie der Sonderberichterstatter des WTB. in Konfereuzkreisen erfährt, ist das von dem Dele gationschef mit der Behandlung der Amnestiefrage betraute, aus einem deutschen, einem französischen und einem belgischen Sach verständigen zusammengesetzte Iuristenkomitee gestern in später Abendstunde zu einer Vereinbarung in der Amnestiefrage ge langt. Danach erstreckt sich die Amnestie auf alle politischen Handlungen, die in den besetzten Gebieten seit dem Beginn der Nuhrbesetzung begangen worden sind, ferner auf alle Zuwider handlungen gegen die Befehle und Erlasse und sonstige Verord nungen der Besatzungsbehörden und der deutschen Behörden. Alle hiermit zusammenhängenden Strafen werden erlaßen und es dürfen keine neuen verhängt werden. Ausgenommen von der Amnestie sind nur solche Personen, die Verbrechen gegen das Leben mit tödlichem Erfolge begangen haben. Künftige Prozeße wegen etwaiger hochverräterischer Handlungen in den besetzten Gebieten werden entsprechend der deutschen Gesetzgebung durch- geführt. Die Beschlüße des Iuristenkomitees bedürfen noch for mell der Genehmigung durch die Vollkonferenz. Die gestrige Arbeit des 3. Kommitees. London, 11. August. Das dritte Komitee hat auch am Sonntag seine Arbeiten fortgesetzt. Um 6 Uhr abends erstatteten die deutschen Sachverständigen Bericht bei der deutschen Dele gation, um neue und erweiterte Vollmachten zu erhallen. DieWmiWiiktllitte bevorstehend Keine Krise i« London. Eine zwar nicht amtliche, aber doch offenbar von maß gebender Stelle beeinflußte Pariser Mitteilung be zeichnete alle Gerüchte von Unstimmigkeiten innerhalb der französischen Delegation als unwahr. Herriot, der alsbald nach dem Entschluß zur Reise nach Paris von diesen Gerüchten erfuhr, richtete sofort ein Telegramm an den Ministerrat in Paris, in dem er diesen ermächtigt, alle Gerüchte über einen Gegensatz zwischen ihm und Rollet für falsch und den Tatsachen widersprechend zu bezeichnen. Die Reise der französischen Delegation nach Paris - sei ausschließlich von dem Wunsche diktiert, sich direkt vor i der vorgesehenen Eröffnung der Debatte über die mili- j tärische Räumung dcS Ruhrgebiets mit dem Präsidenten der Republik sowie mit den Mitgliedern des Ministerrats ins Benehmen zu setzen. Herriot soll jetzt die Ansicht ge wonnen haben, daß es unmöglich sei, noch langer die For mel von der „Sicherheit Frankreichs" als Grund für die Aufrechterhaltung der militärischen Besetzung der Ruhr festzuhalten. Die in dem ursprünglich von den französischen und belgischen Sachverständigen festgelegten Räumungsplan vorgesehenen Fristen von zwei Jahren könnten indessen nicht als unbegründet angesehen werden. Wenn Deutsch land eine frühere Räumung wünscht, so müsse es „untrüg liche Beweise eines guten Willens liefern", die ebensogut auf dem Gebiete der Mobilisierung eines Teils der deut schen Schulden wie in bestimmten Maßnahmen zur Siche rung der Abrüstung und in freiwilligen Vereinbarungen auf wirtschaftlichem Gebiete liegen könnten. j Die Kölner Zone. Die amtliche „Agence Havas" meldet zu den fran zösisch-englischen Verhandlungen über die Räumung der Kölner Zone, die englischen Truppen müßten in Köln stehen bleiben, bis die Alliierten die Erfüllung ihrer For- d 'rung hinsichtlich der Wiederaufnahme der interalliierten Militärkontrolle erreicht hätten, ja sogar im Anschluß dar an noch solange, bis der Völkerbund das System der zur zeit gültigen interalliierten Militärkontrolle durch ein anderes wirksames System ersetzt habe. Bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Frankreich und Eng land über die Erfüllung der deutschen Reparations- und Abrüstungsverpflichtungen wolle, wie angeblich in ge wissen Kreisen vorgeschlagen werde, England die Kölner Zone erst nach Konsultierung einer Kommission von un-' parteiischen Sachverständigen räumen. Die letzte Ent- 1I IIIII scheidung werde aus alle Fälle nach Rückkehr Herriots und seiner Mitarbeiter nach London erfolgen. Weitere Vereinbarungen. In den letzten Kommissionsverhandlungen wurden noch einige weitere Punkte fixiert, für die eine gegenseitige Übereinkunft mit den Deutschen besteht. Danach beginnen die wirtschaftlichen Rkumungs- fristen 8 Tage nach Inkraftsetzung des Dawes-Planes zu laufen; dazu rechnet man auch die Aushebung aller Aus fuhr- und Einfuhrverbote. Die Außenzollgrenze geht nach 35 Tagen in deutsche Hoheit über. Während der Über gangszeit soll Deutschland monatlich ein Zwölftel der Jahreszahlung des Dawes-Planes leisten. Das belastet Deutschland in jedem Monat mit 83 Millionen Goldmark. Eine solche Summe geht allerdings über die Vor schläge des Gutachtens hinaus, da monatliche Vorschuß zahlungen im Gegensatz zum Gutachten gefordert werden. Dafür werden die Eingänge aus den Kohlensteuern, Zöllen, Lizenzen usw., die jetzt Frankreich einzieht, in deutsche Hände gegeben. Das Rheinland- Abkommen wird wieder vollständig in Kraft gesetzt gemäß dem Wortlaut der beiden Mantelnoten vom August 1919. Kriegsschuldenkonferenz in Paris. Vertrauliche Unterhandlungen zwischen den Führen, der alliierten Delegierten haben zu dem definitiven Be schluß geführt, eine zweite Konferenz in Paris abzuhalten, um über eine Revision der sogenannten Spa-Prozentage zu sprechen. Diese Prozenkage reguliert die Verteilung der Reparationen unter den Alliierten. Die Franzosen stehen auf dem Standpunkt, daß ihnen ein höherer Prozentsatz zugebilligt werden muß. Erklärungen Luthers? Nach in Paris veröffentlichten Meldungen aus London habe Reichsfinanzminister Luther den Vorsitzen den der Reparationskommission, Barthou, in Kenntnis gesetzt, daß die deutsche Delegation bereit sei, das von der Reparationskommission aufgestellte Protokoll über die Durchführung des Dawes-Planes zu unterzeichnen. Es handelt sich dabei in erster Linie um die drei Gesetze über die Gründung der Emissionsbank, über die Jn- dustrieobligationen und über die Umwandlung der Eisen bahnen in eine Aktiengesellschaft, ferner um verschiedene Kontrollmaßnehmen. Die Unterschrift werde aber unter dem ausdrücklichen Vorbehalt gegeben, daß das Inkraft treten der Vereinbarungen abhängig gemacht sein solle von dem Zustandekommen einer Verständigung über die gesamten in London zu regelnden Frag««.