Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt für.Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Nr 23S. — 83. Aahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt' Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, TascklaN- «schein« tLgNch »ach«, k Uhr ftk »« T»«. «„,»,,»«»,- Bei Abhollm, t» k« A«<chLft»stelle «,» de» L»»«»bestelle» r Mk. n» Maaat. bei z»ftelllui, »arch »i« Bair» r.» Mk., bei Poftdestell»», Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend st»,« »»» ch-schSstesteste» '—— — nehmen ,II jeder Sei, «e» st»E»m,r» enlqe^n. Im Falle Hitz«« Gewalt, Kur, ad« sonstiger Betriebest Senn gen besteht bei» Anspruch aus Lieferung de« I ei tun, ob« LLq»a« »er Bein,-preise,. — Aichsepbuag eingesandtrr Schriststiiche rrsolgt nur, wenn Porto beilie,!. An,eigeuprr,,: »ie »-es»-!--»« «»»--,nie ro Noldpsemn«, die -gespaltene Zeil, d« amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold, pseuutg, di«E»,-sp«I,rn.«ekl-m-,eIIe im textlichen Teil. >00 Doldpsennig. Nachweisungsgebkhr rv «oidpsennige. Vor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 durch Fernruf «b-rmitr-lten «n,eigen übernehmen wir keine Garantie. Jed« Rabllttanspruch erlischt wenn der Be«aa durch «lagr einge,ogen w«den mutz oder der Auftrag ««der in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen all- Vermittlungsstellen entgegech Vas Wilsdruffer Tageblatt enthLlt die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meißen, des Amtsgerichts «ad Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Rosten. W ilsbruffsDresbem Pog L.ck D e,dn 2« » Sonnabenb, 11. Vklober 1924 Englisches Unterhaus aufgelöst Marvonaws Meverlage. London, 8. Oktober. Nach einer Kabinettsratssttzung begab sich der im Unterhaus mit seiner Regierungserklärung in der Minder heit gebliebene Ministerpräsident Macdonald zu dem tn London heute aus Schottland eingetroffenen König. Mac donald schlug dem König die Auflösung des Unterhauses vor. Der König gab seine Genehmigung zur Auflösung. Das Auflösungsdekret soll verlesen werden, sobald das in zweiter Lesung vom Oberhaus genehmigte Gesetz über die irische Grenzfrage verabschiedet ist. Man nimmt als Termin für die Neuwahlen die Mitte des November an. * Wie es kam In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag fiel im Unter hause die mit Spannung erwartete Entscheidung über das Ka binett Macdonald. Die Einleitung zu der Abstimmung gab das bekannte Ver langen der Konservativen, der Regierung das Miß trauen auszusprechen, weil ihr eine gegen die Gesetze ver stoßende Niederschlagung des Verfahrens gegen eine kommu nistische Zeitschrift beizumessen sei. Der konservative Miß- trauensantrag wurde mit 359 gegen 198 Stimmen abgelehnt. Nun hatten aber die ebenfalls zum Vorgehen gegen die Ar- betterregierung entfchlossenek Liberalen tn der gleichen Angelegenheit beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzu- setzen. Das lehnte die Regierung ab, jedoch wurde der An trag mit 3K4 gegen 198 Stimmen angenommen. Damit war der Regierung der Boden unter den Füßen weggezogen. Die im Grunde genommen nur unbedeutende Sache mit der kommunistischen Zeitschrift gab natürlich nur den äußeren Anlaß, um das den Konservativen und Liberalen gleich uner wünscht scheinende Kabinett Macdonald zu stürzen, das na mentlich in letzter Zeit wegen des Vertrages mit der Sowjet republik stark an Sympathien verloren hatte. Macdonald ist also nicht über den russischen Vertrag, über das Londoner Abkommen, das Genfer Protokoll, über die Wohnungspolttik zu Fall gekommen, sondern über eine neben sächliche juristische Streitfrage. Das betonte er auch tn seinem Schwanengesang, als er vor der Abstimmung sagte: „Ist denn das vielgepriesene Recht ein Ding an sich außerhalb des Staates, oder ist es eine für die Wohlfahrt des Staates wesent lich erforderliche Grundlage? Mußten wir denn bereit sein, um einer Formel willen den Kommunisten, indem wir einen Redakteur zum Märtyrer machten, die großartigste Gratis- reklame verschaffen, die sich nur denken läßt?" Demgegenüber riesen die Bekämpser Macdonalds, Horne und Simon, ihm zu: „Sie haben das höchste Gut der englischen Zivilisation, den unpolitischen Charakter der Rechtspflege, zu zerstören ver sucht. Sie haben die englische Justiz der Verachtung preis gegeben." Es hals auch nichts, wenn der eigentliche Verantwortliche Generalstaatsanwatt, also der Justizminister im Kabinett, die Frage an die Gegner richtete: „Hätte ich mich denn lächerlich machen sollen, indem ich einen Kriegskrüppel vor die Schranken schleppte und ihn als den gefährlichsten Geist des englischen Kommunismus darstellte, ein Verfahren, das jede englische Geschworencnbank zum Freispruch ermuntert hätte?" Es half nichts, denn Konservative und Liberale waren ent schlossen, die tiefgreifende Abweichung ihrer Parteien von den wirtschaftspolitischen Ansichten der Arbeiterregierung des engli schen Weltteichs zum Ausdruck zu bringen, und sie taten es. Nun werden die Neuwahlen entscheiden, ob wieder diese oder jene, Torys oder Whigs, das Ruder ergreifen oder ob sich, wie bei den letzten Wahlen, zu den althergebrachten zwei Parteien eine gleich starke Arbeitergruppe gesellt und damit aufs neue das innerpolitische Ringen anhebt. Tine pikante Beimischung zur Krise gibt der Umstand, daß gerade tn den letzten Tagen die englische Labour- oder Ar beiterpartei, die Partei der Regierung, einen scharfen Strich zwischen sich und den Kommunisten zog. Die Jahres versammlung der Arbeiterpartei beschloß erst am Mittwoch den Ausschluß und die Nichtwiederausnahme aller Kommu nisten. Paris und die englische Regierungskrise Paris, 1ü. Oktober. Obwohl sentimentale Erwägungen in den Betrachtungen über die Niederlage der Arbeiterregierung keine besondere Rolle spielen, ist doch ersichtlich, daß die englische Krise aus den verschiedensten Gründen in Paris Bedauern ver ursacht hat. Die maßgebenden Pariser Kreise verhehlen sich nicht, daß die rein persönlichen Verpflichtungen, die Macdonald in der Frage der interalliierten Schulden in Chequers und während der Londoner Konferenz dem französischen Ministerpräsidenten gemacht hat, schwerlich von seinem Nachfolger gehalten werden würden. Im übrigen herrscht die unverkennbare Befürchtung vor, -aß sich aus einem englischen Kabinettswechsel betrübliche Folgen für das Genfer Protokoll ergeben konnten. Diese Be fürchtungen bringen die Blätter nachhaltig zum Ausdruck. Zu- jammenfassend schreibt der „Temps": Die Niederlage des Ka binetts Macdonald würde ohne Zweifel schwere Rückschläge auf die internationale Situation zur Folge haben. Man müsse fest stellen, daß Macdonald, nachdem er neun Monate am Ruder war, auf Sand gebaut habe und daß sein Work von einem par lamentarischen Zwischenfall abhängig ist. „Journal des Debats" benutzt die Gelegenheit, um eine Warnung an Herriot zu rich- len, daß, wenn er in seinem Kampfe gegen die katholische Kirche zu weit gehe, leicht das Schicksal Macdonalds teilen könne. Herriot über die Kabinettskrise in England. Paris, 10. Oktober. Herriot hat sich einem Vertreter des „Petit Provinziale" gegenüber folgendermaßen über den Sturz Macdonalds geäußert: Meine Ueberzeugung geht dahin, daß Macdonald die Geschäfte wieder übernehmen wird. Er hat die Mehrheit des Landes hinter sich. Die gegenwärtige Krise ist nur vorübergehend. Mögen die nächsten Ereignisse mir recht geben. Die Wahl««ssichtem in England. London, 10. Oktober. Die Wahlaussichken werden hier in gut unterrichteten politischen Kreisen wie folgt beurteilt: So wohl die Arbeiterpartei wie auch die Konservativen erwarten erhebliche Gewinne. Ein bekannter Führer der Arbeiterpartei schätzt den zu erwartenden Gewinn der Arbeiter auf 100 Sitze, während man im konservativen Lager auf einen Mandatszu wachs von etwa 40 Sitzen rechnet. Die Erwartungen der Ar beiterpartei scheinen jedoch etwas zu optimistisch zu sein. Im allgemeinen erwartet man aber in keinem Falls eine regierungs fähige Mehrheit wrber bei den Konservativen noch bei den Ar beiterparteilern. FU Zusagen - keine Lösung. über vte schwebenden Verhandlungen zur Regierungs krise erfahren wir aus politischen Kreisen in Berlin: Am Mittwoch, als die politischen Richtlinien des Reichskanzlers bekanntgeworden waren, hörte man im Reichstag das Spottwort, daß dieses Programm von allen Parteien einschließlich ihrer Fraktionsdienei unterschrieben werden könnte. Es ist auch von einer außer ordentlichen, aber — notwendigen Unbestimmtheit und zeichnet sich mehr aus durch Dinge, die nicht darin stehen als durch das, was es nun wirklich sagt. An und für sich ist der Gedanke, ein Negierungs programm aufzustellen und sich dann eine Mehrheit dafür zu sichern, ein völlig richtiger. Bloß soll man dann nicht gerade um die eigentlichen Differenzpunkte herumgehen, sondern klar Stellung nehmen. Man muß sagen, was man will. Da freilich jede deutsche Partei noch ihr eigenes Programm hat, ist eine gewisse Unbestimmtheit, ein Ver schieben in die Zukunft — „dann wird sich alles, alles finden" — notwendig, weil sonst sofort der Konflikt da ist, Hatte die Sozialdemokratie vom Kanzler verlangt, an die Deutschnationalen gewisse Gretchenfragen zu stellen, von deren Beantwortung der Eintritt von Sozial demokraten in das Kabinett abhängig gemacht werden würde, so stellten nun auch die Deutschnationalen derartige Fragen auf, die formell eine Vervollständigung der „Richtlinien" des Kanzlers bedeuten. Der Sinn der in der Fraktionssitzung formulierten, dem Kanzler übermittelten deutschnationalen Fragen war: Wollt ihr — einschließlich der Sozialdemokraten — in der „Volksgemeinschafts"regie- rung den christlichen Charakter der Jugend erziehung wahren und schützen? Will man dem Geist einer Volksgemeinschaft entsprechend den Klassrn- kampfgedanken und alle seine Konsequenzen auf geben? Ist die neue Regierung der Volksgemeinschaft bereit, im Sinne der Erklärung des Reichskanzlers vom 29. August die Protestaktion gegen die Kriegsschuld- iüge weiter zu verfolgen? Wenn diese drei Fragen mit Ja beantwortet werden, dann soll über die Regierungsum bildung auf dem Boden der „Volksgemeinschaft" weiter verhandelt werden. Nicht mal mehr die Fahrstuhlführer des Reichstags glauben, daß bei dieser ganzen Verhattd- lcrei auch nur das geringste herauskommt. Die Demokratische Partei hat in ihrer Sitzung einen Beschluß gefaßt, der besagt, man hatte eine Änderung der Regierung in der jetzigen politischen Lage nicht für erwünscht. Sollte eine Änderung der Zusam mensetzung der Negierung sich nicht vermeiden lassen, daun würde man dem Kanzler Unterstützung nach rechts und links nicht versagen. Das Zentrum verhielt sich bekanntlich ähnlich — ohne ausdrückliche Festlegung durch einen Beschluß — hat sich aber grundsätzlich darüber geeinigt, eine Regierung ohne Demokraten nicht mitzu machen. Auch bei den Demokraten haben sich übri gens die Ggensätze scharf zugespitzt. Der Reichswehr minister Geßler, so erzählt man, solle im Falle einer Regierungsbildung ohne Demokraten aus dem Kabinett zurückgezogen werden; wolle er bleiben, so müsse er sich parteipolitisch isolieren durch Austritt aus der Fraktion und der Partei. Daraufhin soll Geßler geantwortet haben, daß das zwar geschehen würde, aber in der Form, daß er dann sofort der Deutschen Volkspartei beiträte. Ferner ist auch nun die Deutsche Volkspartei dazu übergegangen — allerdings nicht in der Öffentlich keit — allerhand Zusatzfragen zu den Richtlinien des , Kanzlers zu stellen, die sich gleichfalls auf kulturpolitische Gesichtspunkte beziehen. Der offizielle Parteibeschluß vom Mittwoch lautete: „Der Standpunkt der Deutschen Volkspartei in der Frage der Regierungserweiterung ist bekannt. Er hat sich n i ch t g e ä n d e r t. Die Richtlinien der Reichsregierung erkennt die Fraktion als eine brauch bare Grundlage der Koalitionsverhandlungen an. Sie billigt einmütig das Verhalten ihrer Unterhändler und ersucht sie, auf beschleunigte Lösung der Frage der Regie- rungserwciterung hinzuwirken." In einem Schreiben an den Reichskanzler billigt die Sozialdemokratie die Haltung ihrer bisherigen Unter händler und ermächtigt sie zu weiteren Besprechungen mit dem Kanzler. Sie fragt, warum in den Richtlinien das Wort Republik vermieden, will Klarstellung, ob die Fortführung der bisherigen Außenpolitik des Kabinetts Marx festgelegt werde, ob der Eintritt in den Völker bund erfolge, ob das Washingtoner Abkommen über den Achtstundentag ratifiziert werde, und verlangt Sicherheit für Erleichterung der auf den breiten Volksmassen ruhen den Lasten. Die Sozialdemokraten haben also ihren früheren Fragenkreis wesentlich erweitert. So hält Marx jetzt zwar f ü n f Z u sa g e n in der Hand zu weiteren Verhandlungen über eine Volksge meinschaft, aber auf allen stehen derartige Sonder wünsche und Forderungen, daß von einer „Ge meinschaft" wirklich nicht mehr gesprochen werden kann. Der Kanzler hat nun den Gedanken aufgegriffen, die ganze Lösung der Krise hinauszuschieben bls nach dem 10. Januar, also dem Tage, da dw erste Raumungs- frist des Versailler Vertrages abläuft. Er will mit seiner Koalition also vorläufig weiterregieren, und links wie rechts soll bis dahin parlamentarische Neutralität gewahrt werden. Zur Bildung einer Mehrheit will er dann ver suchen, mal mit Hilfe der Deutschnationalen, mal mit der der Sozialdemokratie durchzukommen. Es darf schon jetzt gesagt werden, daß sich dieRechte darauf nicht einlasscn wird. Und daß dieLinke, wenn sie damit einverstanden ist, nun ihr Einverständnis wieder an Bedingungen knüpft, deren Erfüllung aber wieder der Deutschen Volks partei grundsätzlich und inhaltlich unmöglich ist, weil sie sich aus drücklich gegen eine derartige Taktik des Kabinetts scstgelegt hat. Es ist als zweifellos anzunehmen, daß der Kanzler nach Scheitern seiner „Volksgemeinschafts"idee trotzdem den Versuch machen wird, weiterzuregieren, 'sei es auch ohne Deutsche Volkspartei. Denn an eine „Bürgerblockregie rung" ohne Demokraten will er nicht heran. Auch Reichs präsident Ebert ist unbedingt dagegen. Wenn daher die Verhandlungen ergebnislos verlaufen, fo will der Kanzlei es einfach riskieren, sich in offener parlamentarischer Feld schlacht besiegen zu lassen oder aufzulösen. Inzwischen rollt das Leben der Wirtschaft recht unbe kümmert um all diese Programme und Richtlinien, Be- dinaunaen und Fragen ruhig weiter ab. Führerempfang beim Reichskanzler. Berlin, 8. Oktober. Die für heute anberaumte Besprechung der Partei- fuhrer der Koalitionsfraktionen mit dem Reichskanzler im Reichstag dauerte nicht lanae. Der Kanzler schilderte seine Auffassung von der durch die Entschließungen der Fraktionen geschaffenen Lage und ging im besonderen auf die Resolutionen der Sozialdemokraten und der Deutschnationalen ein und beschränkte sich auf die Erklärung, daß er an seinen Absichten, die auf die Erreichung der Volksgemeinschaft gerichtet sind, fest halte, und auf die Mitteilung, daß er die Ver handlungen mit den Dentschnationalen und Sozialdemo kraten fortsetzen wolle. Wie man erfährt, bat der Kanzler alsbald die Vertreter der Deutschnationalen und der Sozialdemokratie zu sich. Im Laufe des Nachmittags fanden Parteiberatungen der Völkischen, der deutschen Volkspartei, der Demokraten und des Zentrums statt. Beim Zentrum soll es sich namentlich um die Gegensätze zwischen rechtem und linkem Flügel handeln. Im Anschluß an die Unterhaltung des Kanzlers mir den Parteiführern wurde eine Kabinettssitzung abgehalten. Auch hier wurden die schwebenden Fragen und die Parteierklärungen besprochen. Wie die Partei führer der Koalition, stimmte auch das Kabinett weiteren Verhandlungen über die Volksgemeinschaft zu. RtichrsimzmWeriW ii. WmerM Im Unterausschuß des Aufwertungsausschusses des Reichstags wurde der Vorschlag des Abg. Dr. Flei- scher (Ztr.) für sofortige Inangriffnahme einer Ver zinsung der Reichsanleihen behandelt.