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Wilsdruffer Tageblatt : 15.03.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192403151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19240315
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19240315
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-03
- Tag 1924-03-15
-
Monat
1924-03
-
Jahr
1924
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.03.1924
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rm ganzen Hause ist Ler Fahrstuhlführer, der'nun für zwei Monate Ruhe Hot. Schon ist cs durchgesickert, daß in allen Parteien bei der Aufstellung der Kandidatenlisten eine starke Verjüngung eintritt, und so mancher, der hier seit langem, langem im Sitzungssaal den angestamm ten Platz hatte, wird schon aus diesem Grunde nicht wieder kehren. Bei den D« u t sch n a t i o n a le n hat eine über aus sympathische Persönlichkeit auf die Kandidatur ver zichtete, so sehr man sie ihm auch aufdrängen wollte, das ist der General v. Gallwitz. Er hatte keinen Feind im Reichstag. Auch der bejahrte Herold vom Zentrum soll, wie es heißt, nicht mehr kandidieren, und ein anderer wird an seiner Stelle die erste Sitzung des neuen Reichs tages eröffnen. So manche andere Persönlichkeit wird aber einziehen, z. B. der General Leguis, der im Dezember 1918 die Kavallerie-Schützen-Division nach oder, wenn man will, gegen Berlin führte. Ein anderer, hier oft gesehener Mann wird wiederkommen, Hugo Stinnes. Nun wird es im Reichstagsgebände öde und leer, wäh rend draußen der Wahlkampf tobt und erbitterte Schlachten geschlagen werden. Im Reichstag werden sich die Scheuerfrauen austoben und Gefechte gegen den Staub liefern. Es ist wirklich höchste Zeit, daß der Reichstag aus- gcmottet wird. Das meinen wir natürlich nur bildlich. Noch weiß freilich niemand, wie das Unbestimmteste, was es gilt, nämlich die V o lks me in u n g, sich entscheiden wird. Und zwischen dem Tag der Auflösung und dem Tag der Wahl werden so schwerwiegende Entscheidungen über Deutschlands Schicksal gefällt werden, daß jenes unbe stimmte Ding noch unberechenbarer wird, vaß noch unge wisser als sonst jede Voraussage wird über die Art, wie diese öffentliche Meinung auf jene Entscheidung antworten wird. Reichstag ade, scheiden tut weh, und man hat bei die sem Scheiden nur den einen Wunsch, daß der neue Reichs tag sich immer der furchtbaren Verantwortung bewußt ist, besser bewußt ist als manchmal der vergangene Reichstag es war, daß auf ihm die Gestaltung des deutschen Schicksals lastet. WgMsgWmmungrlM. Drei Fragen waren es, die einen jeden Deutschen in den letzten Tagen interessierten und in gewisser Spannung hielten: Wird der Reichstag aufgelöst, löst er sich selbst auf oder wird er bis zu seinem verfassungsmäßigen Ende die Stimme des Volkes sein. Die heutige Sitzung des Reichstages brachte die Entscheidung. Heber die in den Wandelgängen sich bildenden Gruppen debattierender Volksvertreter lastete ein spannender Druck. Möglichkeiten und Unmöglichkeiten fanden vielfache Erwähnung. Besonders wurde stark die Gefahr erörtert, daß unvorhergesehene Schwierigkeiten die Vorlage des Golddis- kontbankgesetzes in eine Gefahrzone getrieben würde. Unter diesen Zeichen gespannter Erwartungen begann die letzte Sitzung des Reichstages, an die die Pessimisten noch immer nicht glauben wollten. Der Präsident eröffnete geschäftsmäßig 12Z0 Uhr die Sitzung und hob die zweite Lesung des Gesetzes über die Deutsche Golddiskontbank auf die Tagesordnung. Der Ausschuß hatte lediglich die Streichung des Amnestieparagraphen vor genommen, für dessen Beibehaltung sich aber Wirtschaftsminister Hamm einsetzte. Dr. Helfferich sah eine Gefahr darin, daß der Bank die Befugnis zur Ausgabe von Banknoten erteilt werden soll. Das Gesetz ging jedoch ohne weitere Schwierigkeiten durch und fand die Zustimmung der Parteien. Nur die Deutschnatio nalen schlossen sich aus. Eine kurze Aussprache entwickelte sich über den Antrag der Mittelparteien und der Sozialdemokraten, den Mitgliedern des Reichstages die Freifahrtkarten bis zum Tage nach der Wahl zuzugestehen und den Mitgliedern der verfassungsmäßigen Ausschüsse, und zwar dem Auswärtigen Ausschuß und dem Ueberwachungsausschuß, die Diäten weiter zu zahlen. Der Antrag fand Annahme. Inzwischen war der Reichskanzler Marx im Saale mit einer grünen Mappe unserm Arme, nicht mit der gewohnten „roten", erschienen. Der Reichs kanzler erhielt dann sogleich das Wort zu einer Ansprache, in der er zum Ausdruck brachte, daß die Notverordnungen ein einheitliches Ganzes darstellen und daß die Regierung es im —? - AkmF Mefakür j MdllMdM. Von Hans Ostwald. Vorsichtig- tastete er die Treppe hinunter, Stufe für Stufe, Absatz für Absatz. Nach jeder Treppe ruhte er sich erst aus. Er hatte nicht gedacht, daß ihn die Krankheit so mitnehmen würde. Es war ihm nicht möglich, Stufe um Stufe hinabzusteigen. Wie ein kleines Kind mußte er erst das zweite Bein nachziehen, ehe er den Fuß auf die folgende Treppenstufe setzen konnte. Manchmal war es ihm, als rutsche die Treppe unter ihm fort. Zitternd hielt er sich am Geländer fest. Endlich war er auf der Straße. Das Leben und Treiben betäubte ihn fast. Das Rollen und Rattern der Geschäfts- wagen, das Lärmen der Kinder brauste ihm in den Ohren. Schlürfend ging er über den Straßendamm, auf dem ganze Schwärme von Kindern spielten. Bälle warfen sie einander zu, mit Steinen schmetterten sie kleine von einem größeren, Reifen sprangen sie, griffen und haschten einander — und was Kinder noch alles auf dem Großstadtpslastere spielen können, um.sich auszutoben in dem schmalen Svnnenstreifen, den der Schatten der hohen Häuser in den Straßen wenige Stunden freiläßt. Dem Genesenden'sckwindelte in dem wirren Durcheinander, zwischen dem gesunden, übervollen Leben, das ihn umlärmte. Und doch war es ihm, als wenn sich das Leben ihm mitteilte, als ob es ihn erwärme und kräftige. Da rief ihn der Kutscher eines Wagens an. Er bemühte sich, rafch auf den Bürgersteig zu kommen. Aber die Deine versagten ihm den Dienst. Nur ganz langsam schleppte er sich vorwärts. Der Kutscher rief und flucbte und zoppte das Pferd zurück, aber das Rad streifte den Genesenden trotzdem noch. Kalter Schweiß lief ihm über das Gesicht. Er hörte nur dumpf das Gewettre des Kutschers: „So'n großer Mensch könne sich doch vvrsehen!" Zitternd stand er an der Bordschwelle. Diese Roheit! Weiler konnte er nichts denken. Der Kopf war ihm immer noch von der Krankheit benommen. Als er wieder zur Besinnung kam, ging er geradeaus die Straße hinunter. Einige vorübergehende Arbeiterfrauen riesen Interesse der Sicherung der auf dem besten Wege zur Besserung befindlichen innerdeutschen Verhältnisse nicht zulassen könne, über Abänderungsanträge der Opposition sowie Einzelberatun gen zuzulassen. Die Reichsregierung habe sich daher veranlaßt gesehen, die entsprechenden Schritte beim Reichspräsidenten zu unternehmen und die Auflösung des Reichstages durch den Reichspräsidenten zu befürworten. Der Reichspräsident habe daher auf Grund der Vorstellungen der Reichsregierung die Verordnung zur Auflösung des Reichstages erlassen. Damit war also der Reichstag aufgelöst und das erlösende Wort ge fallen. Die große Mehrheit des Hauses nahm die Worte des Kanzlers mit lautem Beifall auf. Der Zentrumsabgeordnete Fehrenbach richtete noch einige Worte des Dankes an den Reichstagspräsidenten, dem er den Dank des Hauses für seine unparteiisch und gerechte Geschäftsführung aussprach. Präsi dent Löbe selbst hielt dann die Schlußansprache. Mit warm empfundenen Worten gab er einen Ueberblick über die derzeitige politische Lage und gab der Hoffnung auf eine glücklichere Zu kunft des deutschen Volkes Ausdruck. Er schloß mit einem Hoch auf bas deutsche Volk und die deutsche Republik, in das alle Parteien mit Ausnahme der äußersten Rechten einstimmten. SSGMr rsMsg. Dresden, 13. März 1924. Präsident Winkler teilt mit, baß ein Sparausschuß ein gesetzt worden fei. (Bravo-Rufe.) Dieser Ausschuß hätte viel leicht schon wegen der heutigen Tagesordung in Tätigkeit treten können, wenn er in der Lage gewesen wäre, eine Sitzung abzu halten. Dem Ausschuß gehören an die Abg. Ziller, Anders, Siewert, Schnirch, Dr. Seyfert und Winkler. — Abg. Böttcher - (Kom.) wünscht, daß der Aufgabenkreis dieses Ausschusses be grenzt werde. Sodann erfolgt die Wahl von Beisitzern und Stellver tretern in die Gemeindekammer. Der Präsident verliest die vor geschlagene Liste, die einstimmig Annahme findet. Zur Beratung steht sodann der Antrag Dr. Kastner (Dem.) und Genossen wegen Einführung der Sommerzeit. Abg. Dr. Kastner (Dem.) begründet den Antrag und beantragt, die Re gierung zu ersuchen, bei der Reichsregierung auf die Einführung der Sommerzeit hinzuwirken. — Abg. Lippe (DVP.) unter stützt den Antrag. — Abg. Schreiber (Dn.) widerspricht dem Antrag. Dieser wird hierauf mit den Stimmen der Deutsch- nqtionalen, Sozialdemokraten und Kommunisten akgelehnt. Die Beschwerde des Sächsischen Militärvereinsbundes in Dresden gegen die Verordnung des Ministeriums des Innern vom 13. Oktober 1922 betr. die Entziehung alter Rechte wird aus sich beruhen gelassen. — Ein Antrag des Abg. Hofmann und Genossen wegen Erteilung von Waffenscheinen wird nach Erwiderung eines Regierungsvertreters, der eine Erweiterung des Waffenbesitzrechts als nicht nötig bezeichnet, abgelehnt. — Weiter liegt vor ein Antrag des Abg. Grellmann und Genossen auf Aushebung der Verordnung, betr. das Verbot des Waffen- führens der Militärvereine und des Abgebens von Ehrensalven bei Begräbnissen. — Abg. Grellmann (Dn.) tritt für Aufhebung des Verbotes ein. Nicht einmal die Ententekommission habe den Militärvereinen das Führen ihrer alten Waffen verboten. Das sei Herrn Lipinski Vorbehalten geblieben. — Ein Ministe rialrat erklärt, das Ministerium sei bereit, den Militärvereinen die Ausübung ihres alten Brauches wieder zu gewähren. Da gegen könne sich das Ministerium nicht dazu entschließen, den Kriegerverelnen eine Sonderstellung inbezug auf die Führung von Waffen einzuräumen. — Abg. Lippe (DVP.) unterstützt die Wünsche des Sächsischen Militärvereinsbundes. — Abg. Dr. Dehne (Dem.) erklärt die Zustimmung seiner Freunde -um Anträge Grellmann. — Abg. Böttcher (Kom.)) droht: Wenn die Regierung -den Unternehmerknechten Waffen in die Hand gebe, dann dürste sie sich nicht wundern, wenn sich die Arbeiter in den Betrieben gleichfalls bewaffneten. — Der Antrag wird an den Rechtsausschuß verwiesen. Abg. Börner (Dn.) begründet den Antrag seiner Fraktion, das erlassene Verbot der Deutschvölkischen Freiheitspartei und der Nationalzolialistischen Arbeiterpartei für Sachsen sofort wieder aufzuheben. Es sei unverständlich, daß diese beiden Par- sich zu: „Solche Unvernünftigkeit! Das ist nun ein Erwach sener! Was darf man dann von Kindern verlangen?" Ein heißer Groll gegen sie stieg in ihm auf. Aus ihren verarbeiteten Gesichtern und Gestalten schien ihm nur Neid und Mißgunst zu blicken. In diesem Augenblicke haßte er sie mit jener übermäßigen Empfindung eines Kranken. „Nicht doch, der ist ja nicht gesund!" sagte da eine leisere, milde Stimme. Die Frauen schwiegen und sahen ihn an. Etwas neugierig, doch mitsühlend, mit mütterlich zarten Blicken. Das verwirrte ihn. Fast kindisch drohend erwiderte er ihre Blicke. Er brauchte kein Mitleid. An der Ecke konnte er nicht weiter. Der Bürgersteig wurde mit frischem Teer belegt. Den Weg versperrten zu- schauende Kinder. Die vorübergehenden Damen und Herren bahnten ihm keinen Weg durch den dichten Schwarm. Der scharfe Qualm, der aus dem Kessel hervorwehte, reizte ihn zum Husten. Seine Knie wankten . . . Da sah einer von ^den Arbeitern auf, die den Teer über die Steine strichen. Mit polterndem Ton fuhr er die Kinder an — der Genesende konnte vorüber; die Kinder waren erschreckt fortgelausen. Der Arbeiter lachte. Der Genesende lachte auch. Er sah abwechselnd den Ar beiter an und die Straße hinunter, wo sich das srische Früh lingsgezweig wie grüne Fäden über die grauen. Mauern spannte. Er kam sich vor, wie in einem Traum. Die Menschen waren viel, viel liebevoller, als er gedacht hatte. — ver gebilüete Mer Vom englischen Indertum hat man in der Dichtung mehr als genug gehört, aber ein Bild von dem Leben in den höheren Klasse der Eingeborenen konnte man sich bisher nicht machen. Es ist eine Aufgabe, die ein Außenstehender, mag er noch so sehr mit der brahminischen Weltanschauung vertraut sein, nicht unternehmen kann; ein gewöhnlicher Eingeborener hätte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, wozu dann noch die Schwierigkeit der Uebersehung käme. Mit seinem neuen Prosa werk „Gora" hat Rabindranath Tagore alle Hemmungen über wunden und die Übertragung in die englische Sprache gleich selbst besorgt. Dieses Buch enthält neben dem spannenden Roman den so erwünschten umfassenden Ueberblick über die sozialen Fragen Indiens und das Leben der Hindu, Die Ge schichte der Hauptpersonen — von Gora und seinen Freunden i teten noch verboten seien, während die Kommunistische Partei wieder erlaubt sei. Und doch hätte es im eigenen Interesse de» Staates gelegen, lieber das Verbot der Kommunistischen Partei ausrecht zu erhalten. Die Deutschvölkische Freiheitspartei er strebe rein deutsche Ziele. Abg. Fellifch (Soz.): Seine Partei behalte sich ihre Ent schließung zur Ausschußberatung vor. Das Verbot der Kommu nistisches Partei sei eine polizeiliche Maßnahme, die anderen Verbote seien erfolgt von der verfassungsmäßig zustande ge kommenen Regierung, und zwar zum Schutze der Republik, nachdem einige der besten deutschen Männer durch rechtsstehende Verbrecher umgebracht worden seien. (Lebhafter Widerspruch.) Er persönlich sei gegen eine Aufhebung des Verbots der Frei heitspartei. — Minister des Innern Müller: Parteiverbote seien an sich unsinnig, wenn es sich um Parteien handle, die sich j im Rahmen der Verfassung und Gesetzes bewegen. Ob die beiden hier in Grage kommenden Parteien dazu gehörten, da rüber werde im Ausschuß Aufschluß gegeben werden. — Abg. Böttcher (Kom.) meint, der Minister sei um den Kern der Frage herumgegangen wie die Katze um den heißen Brei. Die beiden verbotenen Parteien existierten heute noch unter anderen Namen. — Der Antrag geht an den Rechtsausschuß. Gemeinsam verhandelt wird sodann über mehrere Anträge ! und Anfragen, die sich mit Reichswehr- und Polizeiangelegen- ' heilen befassen. — Abg. Beutler (Dn.) beantragt, diese Punkte von der Tagesordnung abzusetzen, denn sie beschäftigten sich in ! der Hauptsache mit der Reichswehr. Der Lanbtag habe aber einen Ausschuß eingesetzt zur Untersuchung der Vorgänge, die mit der Reichswehr Zusammenhängen. Sollte aber trotzdem heute die Beratung dieser Punkte erfolgen, fo würde sich seine Fraktion nicht beteiligen. — Abg. Siewert und Böttcher wider sprechen dem Absetzungsantrage. — Das Haus beschließt gegen die Stimmen der bürgerlichen Parteien entgegen dem Anträge Beutler in die Beratung einzutreten. — Abg. Böttcher (Konn) begründet hierauf den Antrag seiner Partei auf Auflösung der Hilfspolizei und verlangt von der Regierung Auskunft über die Stärke der Hilfspolizei, ferner darüber, wer die überplan mäßigen Kräfte bezahle, denn im Etat seien keine Mittel dafür ' eingestellt, und endlich über die verantwortliche Leitung der Hilfspolizeistellen. In der Hilfspolizei würden Hetzhunde gegen die Kommunistische Partei gezüchtet. Sachsen habe die reaMo- närste Hilfspolizei in Deutschland. (Redner spricht vor fast leerem Hause, es sind zeitweise nur 8—9 Abgeordnete im Saale.) — Abg. Liebmann (Soz.) begründet die sozialdemokra tischen Anfragen. Er meint, gegen den Reichskommissar Dr. Heinze müßte wegen Hochverrats vorgegangen werden. Des weiteren kritisiert er Maßnahmen des Reichswehrkommandeurs in Sachsen, der ebenfalls auf die Anklagebank gehöre. Die Polizei müsse zu Werkzeugen der Republik gemacht werden. Den Kommunisten sagt er, sie seien an den gegenwärtigen Zu ständen schuld. (Zuruf: Wir haben den General Müller nicht gerufen!) Nein, aber Ihr habt so große Dummheiten gemacht, baß die andern ihn geholt haben. — Abg. Renner (Kom.) wendet sich gegen die Vorwürfe des Vorredners gegen seine Partei. (Der Redner spricht vor 5 Abgeordneten und beklagt sich darüber, worauf ein Tribünenbesucher herabruft: Schade um das Geld!) Abg. Renner: Recht hast du, aber es ist noch nicht so weit, daß wir die Bude zumachen können. (Zuruf von der Tribüne: Quasselbude!) — Minister des Innern Müller: Er fei nicht in der Lage, auf alle Fragen eingehende Antwort zu geben, denn sie beträfen in der Hauptsache Dinge, die hinter uns liegen. Besonders werde er nicht alles das beantworten, was der Abg. Renner wissen wolle, denn es handle sich um untergeordnete Dinge, die nicht vor das Parlament gehörten. Offiziell sei die Regierung vom Ausschüsse noch nicht um Vor legung des Materials ersucht worden. Wenn aber der Landtag auf Vorlegung der zugesagten Denkschrift bestehen sollte, dann werde er den Wunsch erfüllen, obwohl diese Denkschrift dem Lande mindestens eine Million kosten.würde, eine Ausgabe, dir jetzt kaum zu verantworten sei. Von der Polizei verlange er, daß sie sich als Instrument der Gesamtheit des Staates fühle und allen Kreisen der Bevölkerung beim Wiederaufbau der Wirtschaft biene. Er denke zurzeit nicht daran, dem Landtage , den Vorschlag der Auflösung der Hilfspolizei zu machen. Aber in dem Maße, in dem sich die extremen Parteien bemühten, und Feinden — wirb in Verbindung gebracht mit den großen Bewegungen der Kasten und Religionen. Vor allem wird das Problem der Pflichten beleuchtet, die der gebildete Inder sich selbst und der Welt schuldet im Vergleiche zu seinen Pflichten einer beschränkten Gesellschaft gegenüber. Gora ist ein streng orthodoxer junger Fanatiker, — erinnert an Gandhi — die strengste Beobachtung aller Riten verficht, weil er ihnen das wesentliche Moment zur Erhaltung der Rasse zu erblicken glaubt. Ihm in persönlicher enger Freundschaft verbunden ist eine Gruppe junger Leute, darunter Binoy, die freiere Ansichten vertreten. Ihre Freundschaft wird zu einem tragischen Konflikt, als Binoy sich in eine schöne Frau brahminischer Heikunft ver liebt, die westliche Erzieh-ung genossen hat. Die Darstellung beider Charaktere ist eindrucksvoll und anziehend, und das Ganze erhält einen Ton von Erhabenheit, als Gora das Ge heimnis seiner Herkunft erfährt. Was die übermäßige Weis heit seines Körpers vermuten ließ, stellt sich als richtig heraus. Gora ist der Sohn weißer im indischen Aufstand niedeige- metzelter Eltern. Mit dieser Entdeckung fällt der ganze Bau der Grundsätze des jungen Fanatikers zusammen. * kin LwiMngsIeben. Das Lebensschicksal eines englischen! Zwillingsbrüder paares, von bem kürzlich englische Zeitungen berichteten, dürfte in der Tat einzig dastehen und erschiene unglaubhaft, wenn nicht auch die Namen und Bilder der Brüder veröffentlicht wären. Sie wurden 1851 geboren, begannen mit 12 Jahren im gleichen Beruf, sie sind seit 34 Jahren bei derselben Firma tätig gewesen und heirateten am gleichen Tage. Leider stand für diesen Zweck kein gleichwertiges Zwillingsschwesternpaar zur Verfügung. Dafür taten die beiderseitigen Frauen in ihrem besonderen Pflichtenkreise bas ihrige hinsichtlich der ab surden Parallelität der Lebensumstände ihrer Männer: sie schenkten ihnen je 10 Kinder und zwar die eine dem einen sieben Töchter und drei Söhne, die andre dem anderen sieben Söhne und drei Töchter. Beide Brüder waren 57 Jahre lang Kirchensänger, bis sie zur selben Zeit die Stimme verloren, beide waren an der gleichen Sonntagsschule tätig. Sie wohnen Tür an Tür, trennen sich auch nach getaner Arbeit nicht, sondern gehen zusammen kneipen und bummeln — soweit es die Jahre erlauben. Und — die Guten! — sie erinnern sich nicht, daß in den 70 Jahren ihrer Gemeinschaft einer dem andern jemals lästig gewesen sei, hoffen im Gegenteil noch auf möglichst viele Jahre gleicher Gemeinsamkeit. Hoffentlich hat dereinst Ge vatter Hein so viel Einsehen, sie auch zusammen auf die letzte Reife zu schicken.
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