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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ,MI«dr»If«r Taa'blatt» erscheint täglich nach«. 5 Uhr für d«n folgende« Tag. Bezugspreis Bei Abholung in d«, DefchLftrstelle und den Ausgabeftrllen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,30 Mb., bei Postdestellun, LA.NW-AL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Wien L«"» Miger und Deschllstsstellen <- nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Fall« HSHerer Bemalt, Krieg oder sonstiger Betriebrftllrungen besteht »ein Anspruch auf Lieferung Ker Zeitung ober Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandtcr Schriststö-Ke erfolgt nur, meun Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis - di« S,-spalt«« Raum,eile ?0 Doldpfennig. die 2g«spalten«Zeilr der amtlichen Bekanntmachungen 40 «old- pfeunig, die 3 gesp-lten-Reklam«,eile im textlichen Teile l«> Doldpfennig. Nachmcisungsgebühr 20 Doldpsennige. Dor- we^rn nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 bcrückstchdg°*°BnAgen- -nnahmebi-vorm.iouhr —— ! Für di- Richtigkeit Ler durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Nabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muh oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Arteigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Pas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffen. Nr. 175 — 83. Jahrgang T-legr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdrnff-DresLen Postscheck: Dresden 2840 Dienstag den 30 Juli 1924 Nacimiirimg im Reichstage. Non einem parlamentarischen Mitarbeiter wird uns geschrieben: Die Art und Weise, wie im Reichstage die außen politischen Fragen behandelt werden, wirkt wahrhaftig nicht erhebend. Die letzte sogenannte große Aussprache darüber nahm sich — zumal gemessen an den Dingen, die letzt in London vorgehen — wieder sehr klein aus. Schon, daß man die Besprechung der Außenpolitik nicht als selb ständigen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist kennzeichnend; sie durfte nur unter dem Deckmantel der Beratung eines Notetats erscheinen, noch dazu erst! in einer N-achisitzung, nach vielstündiger parlamentarischerÄrdeit, bei der sich die Parteileidenschasten schon verschiedentlich gehörig erhitzt hatten. Freilich wäre bei großen Debatten auch nicht viel herausgekommen; denn leider beschäftigen sich bei uns unter dem parlamentarischen System, ebenso wie früher unter dem konstitutionellen, jetzt dis Politiker im allgemeinen viel zu wenig mit den auswärtigen Fragen. Allein es hätte doch vielleicht einen besseren Eindruck ge macht — man soll auch äußerliche Wirkungen nicht unter schätzen —, wenn wenigstens die Regierung etwas mehr aus ihrer Zurückhaltung herausgegangen wäre und sich nicht gleich den Regierungsparteien auf ein paar kurze Sätze beschränkt hätte. Dadurch allein hätte schon die Sitzung ein der Bedeutung der Stunde angemessenes Ge präge bekommen können, während es so eine gewöhnliche Nachtsitzung blieb, in der Ulk- und Radaustimmung die Vorhand hatten. Infolge dieser mangelhaften — sagen wir — Regie kam auch die sachliche Bedeutung der Aussprache nicht zu ihrem Recht. Denn sachlich bedeutsam war es, daß sich wenig stens bis zu einer gewissen Grenze eine einheitliche Front ergab, daß selbst Scheidemann, als Redner der So zialdemokratie, sich vielfach in Übereinstimmung mit den Deutschnationalen befand, die bekanntlich sehr bestimmte Richtlinien für Lie Annahme des Dawes-Gutachtens auf gestellt haben. Sehr bedauerlich war es allerdings, daß er sich nicht damit begnügte, die Meinschuld Deutschlands am Kriege als Lüge zu kennzeichnen, sondern hinzufügte, daß alle Regierungen der Vorkriegszeit die Schuld trügen, und noch dazu glaubte, dem Vorkriegs-Deutschland seine Sünden Vorhalten zu müssen. Das hätte er sich schon für eine andere Gelegenheit aufsparen sollen, um nicht feine Feststellung zu verdunkeln, daß das ganze deutsche Volk in der Zurückweisung des 8 231 des Friedensver- trages, in der Zurückweisung der Lügevonder deutschen Kriegsschuld, einig ist. Wie seine weiteren Ausführungen bewiesen, geht ja die nationale Geschlossenheit glücklicherweise noch weiter, aber, wie ge sagt, eine mangelhafte Regie verhinderte, daß diese erfreu liche Tatsache mit der wünschenswerten Klarheit ihren Ausdruck fand. Was dann noch kam, war von minderer Bedeutung. Unmittelbar nach Scheidemann hielt der Kommunist Rosenberg eine lange Rede gegen die Annahme des Gutachtens im allgemeinen und die Sozialdemokraten im besonderen. Auf ihn folgte der Nationalsozialist Graf Neventlow, der ein Mißtrauensvotum seiner Partei gegen die Reichsregierung einbrachte und die Politik der Alldeutschen vor dem Kriege als friedfertig zu verteidigen suchte. Allerdings wäre den Alldeutschen, wenn der Krieg Unvermeidbar war, ein Krieg zu rechter Zeit als Vorbeu gungsmittel bester erschienen als ein Krieg unter Wilhelm II., für den die nötige Ausdauer fehlte. Ihm antwortete, nachdem noch der Deutschsoziale Kunze gesprochen hatte, unter andauerndem Lärm der Sozialdemokrat Braun-Franken, der sich zum Schluß noch an den nominellen Gegenstand der Tagesordnung erinnerte und dem Notetat einige Bemerkungen widmete. Damit war die erste Lesung des Gesetzes über den Haus haltsplan beendet, der dann auch gleich ohne tveitere Aus sprache in zweiter Beratung erledigt wurde. Obwohl inzwischen die Mitternachtsstunde herange naht war, wandte sich das Haus dann noch der Aussprache über die Anträge des Rechtsausschusses zu, die ursprünglich mit der über den Notetat verbunden werden sollte. Es handelt sich da umdre Zulassung des Wiederaufnahmeverfah rens gegen Urteile der bayerischen Volksgerichte, um die Aufhebung von Ausnahmeverordnnngen und um die Auf hebung des Verbotes von Parteien. Zur Abstimmung darüber konnte nicht geschritten werden, da um 1 Uhr nach Mitternacht von deutschnationaler Seite die Beschlußurr- fähigkeit des Hauses mit Erfolg angezweifelt wurde. Das übliche Ende einer Dauersitzung, die sich zur Abend- und Nachtsitzung auswächst. StiMUWMsM in London. Mäßige Entspannung. , In London ist die trübe Stimmung einer etwas freundlicheren gewichen, für die man die nicht üble Be rechnung „behutsame Zuversicht" gefunden hat. Es rst ein Schwanken zwischen Hoffnungsfreudigkeit und Lust- ^sigkeit. In den Kreisen der Konferenz selbst ist man, wie aus -er englischen Hauptstadt berichtet wird, der Ansicht, "aß eine allgemeine Entspannung einaetreten ist. auch vor enttcheickencken LelchIUNen Vie miMSrifrbe vuhrrS umung im vorckergruncke. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Juli. Der heutige Tag dürfte, nach fran zösischen Blätter» zu schließen, vielleicht die Entscheidung in London bringen. Der englische Ministerpräsident, der aus ver schiedenen Gründen mit der langwierigen Verhandlungsmethode der letzten Tage ein Ende machen will, soll dem „Petit Parisien" zufolge einer Leberrumpelung der Konferenz planen. Die Frage sei nur die, ob die französische Delegation bleiben wird. Per- tknax, der Sonderberichterstatter des „Echo de Paris"- ist der Ansicht, daß das Schicksal Frankreichs sich heute entscheiden werde und daß heute im Verlauf der Plenarsitzung versucht werden soll, Herriot endgültig auf die Texte der verschiedenen Kommissionen festzulegen. Mau müsse leider befürchten, fügt Pertmax pessi mistisch hinzu, daß der 28. Juli als der verhängnisvolle Schick salstag in der französischen Geschichte in der Erinnerung haften bleiben wird. Sonderverhan-lunge« über die Ruhr. London, 28. Juli. Während der Flvttenparade am Sonnabend beratschlagten 'Macdonald, Herriot und Theunis u. a. über die Frage der militärischen Räumung des Ruhr gebietes. Herriots Vorschlag, daß diese Frage auf der Kon ferenz nicht berührt werden solle, da ske weder im Dawes-Be richt noch in der englisch-französischen Note vom 9. Juli ent halten sei, wurde angenommen. Es wurde beschlossen, über diese Frage außerhalb der Konferenz zwischen den Premierministern der alliierten Mächte und „vielleicht" mit der deutschen Dele gation gleich nach ihrer Ankunft zu beraten. Es verlautet, daß Herriot das Ruhrgebiet militärisch nicht ohne Kompensationen seitens der Alliierten und Deutschland räumen lassen werde. Er wolle dafür von den Alliierten entweder einen Teilerlatz der Schulden oder eine Sicherheitsgarantie und von Deutsch land den Abschluß eines Handelsvertrages fordern, der der französischen Industrie günstige Bedingungen einräumt. Weiter verlautet, daß die Franzosen als Gegenleistung für die eventuelle frühzeitige Räumung des Ruhrgsbietes heute in der Sitzung der ersten Kommission, die der Vollsitzung vorausgeht, verlangen werden, daß England das Protokoll von der letzten Woche in Verbindung mit dem Vorschlag des belgischen Ministerpräsiden ten annehme. Die Formulierung des bisher umstrittenen Ver fehlungsparagraphen wäre danach folgende: Bei Nichterfüllung soll die durch einen Amerikaner verstärkte Reparationskommis- sion das Dawes-Komitee auffordern, festzustellen, ob eine Nicht erfüllung vorliegt, und die Regierungen sollen von einem anderen aus fünf Mitgliedern bestehenden D-ttves-Komitee einen Sank- tionsvorschkag verlangen. Militärische Zusagen Englands? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Juli. Dem „Intransigeant", besten Nach richten zuweilen mit Vorsicht aufzunehmen sind, wird aus Lon don gemeldet, Ministerpräsident Herriot habe als Gegenleistung für die schrittweise Räumung des Ruhrgebietes es ist nicht gesagt, ob es sich um die wirtschaftliche oder um die militärische Räumung handelt und für gewisse Zugeständnisse hinsichtlich der Vollmachten der Reparationskommission in Sachen der Ver fehlungen und der Sanktionen die Zusage militärischer Unter stützung seitens Englands unter gewissen Voraussetzungen er halten. Verhandlungen hierüber, sagt das Blatt, seien im Gange, doch werde weitgehende Diskretion gewahrt. Ein Kompromiß für die Anleihe. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Juli. Nach dein „Journal de Debats" deu teten englische Geschäftsleute in Privatgesprächen die Möglich keit an, daß die Vereinigten Staaten eine englische Jahres leistung, welche auf Grund des Schuldenabkommens in Amerika bezahlt werden muß, zur Aufbringung der 800-Millionen-An- leihe verwenden wollen. Der Vorschlag hierzu soll von Frank reich gemacht werden. „Journal de Debats" glaubt nicht, datz die französischen Delegierten diese Initiative ergreifen werden, weil sie als unbescheiden ausgelgt werden könnte. Das Blatt macht dann den Vorschlag, Frankreich möge während eines Jahres auf die Naturalleistungen verzichten, so daß statt 80V Millionen nur die Hälfte, 400 Millionen, aufgebracht werden müßten. Das Blatt empfiehlt, sich zu dieser Konzession nur im äußerste» Falle zu entschließe». Drei Interpellationen über die Londoner Konferenz Paris, 28. Juli. Gestern sind bei dem Präsidenten der Kammer drei Interpellationen über die Londoner Konferenz ein gegangen. Der frühere Vorsitzende der Reparationskommistivn Dubois und der frühere Finanzminister im Kabinett Poincars Fabry wollen an der Debatte teilnehmen. Kabinettsrat in Paris Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Juli. Am Dienstagvormittag findet ein Kabinettsrat statt. Hughes fährt nach Paris und Brüssel. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Juli. Nach einer Meldung des „Petit Parstien" aus Brüstet wird Hughes sich nach Brüste! begeben und dort vom König empfangen werden. 200 Bergarbeiter verschüttet Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Neuyork, 28. Juli. Durch ein Wagendes Wetter sind in der Grube Gattes im Staate Pennsylvanien 200 Arbeiter verschüttet worden. Bis jetzt konnten fünf Leichen geborgen werden. wenn noch immer zahlreiche Schwierigkeiten bestehen. Nach der Vollsitzung verließen sämtliche Delegierten Las Haus mit lächelnder Miene, was eine gewisse Zuversicht ver muten läßt. Selbst Herriotsoll einem französischen Ab geordneten mitgeteilt haben, daß jetzt alles gut gehe. Der belgische Premierminister Theunis glaubt immer noch, eine Formel zu finden, die sowohl die Befürch tungen der Bankiers wie den empfindsamen „Patriotismus" Herriots befriedigt. Hinter den Kulissen der interalliierten Konferenz übt die starke Per sönlichkeit Les Staatssekretärs Hughes den größten Ein fluß auf die Mitglieder der verschiedenen Delegationen aus. Auch er ist ständig bestrebt, die Gegensätze zu über brücken. Vie militiirifcbe gäumung. Macdonald soll sie fordern. Der Londoner Berichterstatter Ler „Ere Nouvelle" will wissen, daß Macdonald in der nächsten Vollsitzung von Frankreich die militärische Räumung des Ruhrgebietes verlangen werde. Die Stellung Herriots zu diesem Punkt scheine noch nicht festgelegt zu sein. Herriot lasse sich von sehr vorsichtigen Erwägungen leiten. Man dürfe ihn nicht durch zu weitgehende Forderungen in Verlegenheit bringen. Nichtsdestoweniger wäre es von größtem Vor teil, wenn dem englischen Vorschlag stattgegeben würde. Die militärische Besetzung des Ruhrge bietes habe nur eine Berechtigung als Sicherung der wirtschaftlichen Besetzung. Da die letztere verschwinde, sehe man den Zweck der ersten nicht mehr recht ein. Wenn hier gesagt wird, Herriots Stellung sei noch nicht festgelegt, so erscheint das sehr natürlich. Er wird nach den Erfahrungen von Cbeauers. bevor er kick ent scheidet, hören wollen, was Poincarö sagt. Der würde sicherlich zur Stunde rund und glatt ablehnen. Mein, wie es heißt, begibt sich der amerikanische Staatssekretär Hughes nach Paris, um Pmncarö zu besuchen. Daß der mächtige Mann das nicht tut, um Poincarä nur zu be grüßen, sondern daß er die schwebenden Fragen mit ihm beraten wird, liegt auf der Hand. Auf feinen Einfluß setzt man allerhand Hoffnungem Vie ckeuffche Delegation. Unter Führung von MarxundStresemann. Die deutsche Delegation? Ja, sind denn die Dinge schon so weit gediehen? Es scheint, daß die Frage bejaht werden darf. In unterrichteten Kreisen hält man es nach den jüngsten Nachrichten aus London für nicht mehr zweifelhaft, daß die Konferenz in ihrer Vollsitzung die Ein ladung an die deutsche Regierung ergehen lasten und daß diese Einladung keine Einschränkung enthalten wird, so daß die Verhandlungen zwischen der deutschen Delegation und den Alliierten aus dem Fuße der Gleich berechtigung stattsinden werden. Man rechnet damit, daß die Abreise der deutschen Delegation am Mittwoch erfolgen kann. Die endgültige Zusammensetzung der Delegation wird erst erfolgen, wenn die offizielle Einladung in Berlin vorliegt; sie wird vom Reichskanzler Dr. Marx und vom Neichsaußenminister Dr. Stresemann geführt werden. Außerdem dürften ihr angehören: Reichsftnanzminister Dr. Luther, Reichspostminister und Reichsminister für die besetzten Gebiete Dr. Hoefle, Staatssekretär Ritter vom Auswärtigen Amt als wirtschaftlicher Sachverständiger, Ministerialdirektor Schubert, der Dirigent der Westabtei lung des Auswärtigen Amtes, und das unbedingt erfor derliche technische Hilfspersonal.