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s««. Jahrg Dienstag, de« S Februar 1867 Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis- vierteljährlich 1 M. 30 Psg., durch die Post be zöge» 1 Mk. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. UN- Hingegen-. Amtsblatt Inserate werdm Montags, Mitwochs und Freitag- bi- spätestens 12 Uhr angenommen Julertionspreis 15 Psg pro viergeipalteue KorpuSzeilr. Außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/» Ausschlag. für die Kgl. Amtshauptmann schäft Weihen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grano bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsvorf, Schmtedewaloe, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck und Verlag von Zschunke 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. No. 1«. Kslitisehr Nundscha«. Wilsdruff, 4 Februar 1807. Deutsches Reich. Amerikaner als Gäste des Berliner Hofes. Berlin zieht von Winter zu Winter mehr Amerikaner an, die hier mi bestens ebenso gut wie in London, Paris und Rom internationalem Vergnügen nachgehen können. Sie gehören gewöhnlich nicht zu denen, die das Geld ver dient haben, sondern zu denen, die es ausgeben. Unter den Gästen des Kaisers befanden sich auf dem letzten Hofballe Mrs. Cornelius Vanderbilt, die Witwe des verstorbenen Seniors der Familie Vanderbilt, und ihre Tochter Miß Gladys Vanderbilt. MrS. Vanderbilt be suchte Kiel mit ihrer Jacht im Juni 1905 und hatte den Vorzug, den Kaiser bei sich zum Diner zu sehen. Mrs. John Drexel aus Philadelphia war ebenfalls geladen. Sie ist die Frau des verstorbenen Anthony Drexel, des früheren Mitinhabers des Bankhauses I. Pierpont Morgan. Weiterhin waren geladen Mr. Henry Lehr aus New-Kork und Frau/'eine Kusine von Mrs. Drexel. Verschiedene Zeitungen haben die Nachricht verbreitet, Mr. Lehr sei in einem außergewöhnlichen Anzuge zur Defilier- cour erschienen und habe auch sonst sehr auffallende Ma nieren gezeigt. In Wirklichkeit ist Mr. Lehr mit dieser Behauptung Unrecht geschehen. Er war lediglich der einzige Herr im Frack unter all den vielen Uni orwen. Auch der amerikanische Botschafter in Paris, Mr. Mc Cormick, nahm mit seiner Gemahlin am Hosballe teil. Bureaukratische Rechnung. Eine Gemeinde im Gebiete der preußischen Staats bahnen beschwerte sich an zuständiger Seite darüber, daß ein stark frequentierter Bahnübergang durch Rangieren von Güterzügen tagsüber gesperrt wäre, daß der Verkehr mitunter fünfzehn Minuten lang unterbrochen würde. Der Referent in der Direktion leistete sich darauf folgenden abweisenden Bescheid: „Es ist festgestellt, daß an einem bestimmten Tage so und soviel Personen den Uebergang benützten. Wenn man die Anzahl durch die ebenfalls fest gestellte gesamte Dauer der Verkehrsunterbrechung an dem- selben Tage dividiert, so erhält man eine Wartezeit pro Person von 1,2 Minuten, was nicht so schlimm sein dürfte." Eine unfähige Wahlkommissto« scheint in Weeze (Kreis Geldern) ihres Amtes gewaltet zu haben. Dort sind nämlich nach der „Köln. Ztg." in folge eines Wahlprotestes sämtlich 840 abgegebenen Stimmzettel für ungültig erklärt worden- Der Protest ist damit begründet, daß in Weeze und in Kal beck durchweg vorschriftswidrige Wahlurnen benutzt worden find und daß den Jnsasfen der Arbeiterkolonie St. Petrusheim das Wahlrecht zugestanden worden ist. Kaun ein Blinder an der Reichstagswahl teilnehmen? In Berlin wurde diese Frage stets bejaht; auch am letzten ReichStagswahltage ließen sich mehrfach erblindete Wähler zur Urne geleiten und gaben vor dem Wahl- Vorstande die Erklärung ab, daß ihnen zu Hause schon der Zettel des Kandidaten, dem sie ihre Stimme geben wollten, ausgesucht und mitgegeben worden sei, sie er- hielten darauf das Wahlkuvert, wurden in den ab- geschlossenen Wahlraum geführt und wählten wie alle anderen. Im Vorort Johannisthal dagegen wurde ein erblindeter Wähler, der von seinem Sohne geführt, an die Urne herantrat, um seinen Stimmzettel abzugeben, auf den Einspruch eines Mitgliedes des Wahlvorstandes nicht zur Wahl zugelaffen, mit der Begründung, man könne nicht wissen, ob nicht einem Blinden böswillig ein anderer Stimmzettel unterschoben würde, als der auf den Kandidaten, den er zu wählen beabsichtigt. Die erste Reichstagsersatzwahl. Im Wahlkreis Wreschen-Pleschen-Jarotschin, welcher durch den Verzicht des doppelt gewählten Abg. v. Gzarlinski-Thorn frei geworden ist, wird wahrscheinlich Rechtsanwalt Adam Wolinski-Posen als Polnischer Kandidat aufgestellt werden, der sich als Ver teidiger in zahlreichen Polenprozeffen bekannt gemacht hat. Der Kreis gehört zum sicheren polnischen Besitzstände. Die Albernheit der Zentrumspresse wird zuweilen nur noch durch chie Bosheit übertroffen, allerdings auch umgekehrt, so im nachstehenden Fall des „Bayr. Kurier". Die Münchner „Jugend" hat den ganz famosen Witz gebracht, Serenissimus, bekanntlich die Karrikatur des vormärzlichen Duodezfürsten, bei einem Kirchenbesuch nach dem Bratwurstglöcklein fragen zu lassen, wie ihmdas Vesperglöcklein, das Armsünderglöcklein u- a. gezeigt werden. Das klerikale Blatt, gtftgeschwollen und allen Sinnes bar für ein bischen Humor, denunziert das und den Nachdruck als eine ausgesuchte Verijöhung der höchsten weltlichen Autorität, dasselbe Blatt, dessen geistiger Nährvater, Herr Doktor Heim, im Verhöhnen weltlicher Autoritäten schon Erkleckliches geleitet hat. Nannte er doch nach der Swinemüuder Depesche den Kaiser und den Regenten „gekrönte Agitatoren" des Zentrums. Und hat nicht Herr Schädler vor kurzem erst auf dem Münchner Kindlkeller höhnisch dazu aufge- fordert, mit dem Zentrumsstimmzettel dem Kaiser zum Geburtstag zu gratulieren? Weitere sozialdemokratische Schlappe«. In Bremen, das jeher zu dem sichersten Besitzstand der Sozialdemokratie zählte, wurde Hormann (frs. Vp) mit 29404 Stimmen gewählt. Der Sozialdemokrat Schmalfelo erhielt 27 690 Stimmen. Bei der Hauptwahl betrugen die Stimmen 28006 und 27362. Auch Pinne- berg-Ottensen, das von 18^7 an sozialdemokratisch vertreten war, ist wieder an den Freisinn verloren ge gangen, der von 1871 bis 1893 dm Wahlkreis inne hatte. Die Konservativen haben Memel-Heydekrug verloren. Dagegen wurde v. Treuenfels wiedergewählt. Ein eigenartiger Wahlvorsteher. Im „Volksfreund" der Ooerlausitz ist zu lesen: Im Wahlbezirk Ullersdorf wurden die 78 Stimmen für Bassermann und 3 Stimmen für Neumann ungültig er klärt, und zwar aus folgendem Grunde, der wohl einzig im Deutschen Reich dasteht! Der Wahlvorsteher Graf von Fürstenstein-Ullersdorf war an diesem Tage und schon vorher verreist, hatte aber die gesamten Wahlakten bis auf die W ählerliste eingeschlossen und keine Vorbereitug für die Wahl getroffen, sodaß der stellvertretende Wahlvorsteher, Riltergutspächter Kretschmer, ohne Vorbereitung die Wahl abhalten mußte und ein besonderes, natürlich nicht vorschriftsmäßiges Protokoll abfassen mußte, so daß die Wahl ungültig er klärt wurde. Daß der Wahlvorsteher Graf v. Fürsten stein-Ullersdorf sehr gewissenhaft gehandelt habe, wird wohl niemand behaupten können. Ist der Revanchegedanke tot? Ein SchüUrschreibheft aus Korsika gibt auf diese Frage die richtige Antwort. Die Vorderseite des Um schlages ziert ein Bild in Farbendruck mit der lieber- schrift „Niedermetzelung der Einwohner von Bazeilles", und darunter ist zu lesen: „Am 1. Dezember 1870 wurde das Dorf Bazailles eingeäschert und die Bewohner von dm Bagern massakriert, die dort Handlungen begingen, die zivilisierter Völker unwürdig sind" Die Schandtaten bestehen, wie auf der letzten Seite berichtet wird, darin, daß friedliche Einwohner bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, und daß, wie das schöne Bild zeigt, Frauen und Kinder totgestochen werden. Wo der Haß gegen die Deutschen mit solchen Mitteln den Kinderherzen eingeimpft wird, da kann von einem Absterben des Revanchegedankens nicht wohl die Rede sein. Ei« Offizier der Heilsarmee als Gesandter. Zum Gesandten Schwebens in Washington ist Herr Saderkrantz ernannt worden, der frühere Olfizier in einem der vornehmsten Kavallerieregimentern war. Er wurde Mitglied der Heilsarmee, wo er in kurzer Zeit Offtziersrang erhielt. Er war als Missionär der Heils armee in Indien und China tätig, kehrte jedoch insolge eines Zwistes nach Stockholm zurück. Infolge seiner außerordentlichen Kenntnisse fremder Sitten und Gebräuche, die er sich auf seinen ausgedehnten Missionsretsen er worben hat, wurde er in den diplomatischen Dienst über nommen. Dort erwies er sich derartig brauchbar, daß be- reits nach ganz kurzer Zeit seine Ernennung zum Ge sandten erfolgte. Ausland. Die Dauer der Ewigkeit i« Frankreich. Im Jahre 1755 wurde der Herzog de la Boiffiöre de Chambors infolge eines unglücklichen Zufalles auf der Jagd erschossen. Ludwig der XV. setzte der Witwe und deren Nachkommen „für ewige Zeiten" eine Pension von 6000 Francs jährlich aus. Die Pension wurde von den sich ablösenden königlichen, kaiserlichen und republikanischen Regierungen immer anstandslos ausbezahlt. Als nun vor kurzem der Graf von Sainte Aldegonde, der penstons- berechtigte Nachkomme des Herzogs, starb, weigerte sich die Regierung, die Pension an die erbberechtigte Schwester des Grafen auszuzahlen. Um nun den Beschluß der Re gierung rückgängig zu machen, hat sich die Schwester des Grafen an den Staatsrat gewandt. Wenn dieser, wie zu erwarten ist, den Beschluß der Regierung billigt, so wird dadurch amtlich festgestellt, daß die Ewigkeit in Frankreich nur 152 Jahre dauert. Sie würde gewiß länger dauern, wenn Clemenceau nicht am Ruder wäre. Die Vereinigten Staaten nnd Japan. Wie der D auy-Telegraph meldet, bringen die New-Norker Zeitungen äußerst erregte Artikel üb er einen Krieg mit Japan. Trotz der Versicherung des Kriegs« sekcetärs Taft, daß ein derartiges Gerede sinnlos sei, wird in den Artikeln dargelegt, das einzige Mittel, einen Krieg mit Japan zu verhindern, sei, alle Maßnahmen wieder rückgängig zu macken, die man ergriffen habe, um die Kinder der Japaner vsn der gemeinsamen Erziehung mit den Kindern der Weißen auszuschlteßen. Daily News melden aus zuverlässiger Quelle in Washington, die letzte Note des japanischen Bot schafters Vicomte Aoki gelte tatsächlich als Ultima tum, da sie die Behandlung der Japaner in Kali fornien einennationalen Affrontneune. Offizielle Kreise geben zu, daß seit 1898 keine derartige diplomatische Krise bestanden habe. Nach der Washington-Post hat ein Kongreßmitglied aus Kalifornien erklärt, Präsident Roosevelt habe in einer Konferenz mit den Kongreßmitgliedern am 31. Jan. nachdrücklich die Notwendigkeit betont, die Reib- ungsursachen mit Japan sofort zu beseitige«. Die Schulfrage müsse geregelt werden, ohne daß man eine Entscheidung der Gerichte abwarte. Ein Krieg mit dem stolzen und tapferen Japan werde ganz anders sein alS der Krieg mit Spanien. Ungleich den Europäern würden die Japaner nicht alle Mittel der Politik erschöpfen, bevor sie den Krieg erklären, sondern sogleich losschlage«. Auch Staatssekretär Root habe dringend dazu aufgefordert, alle Streitfragen mit Japan sofort auf diplomatischem Wege zu regeln. Gegen die Geistlichkeit in Paris. Die Polizei in Parts ist davon verständigt worden, daß für den Faschingsdienstag öffentliche Maskenumzüge geplant sind, die den ausgesprochenen Zweck haben sollen, die Geistlichkeit zu verhöhnen. Der Polizeipräfekt unter sagte infolgedessen das Tragen von Masken, die Geistliche darsteven, mit der Begründung, daß hierdurch die Gefühle anderer Bürger verletzt und die öffentliche Ruhe gestört werden könnten. Vo« dem Kampfe zwischen italienische« n«d armenischen Mönche« in der Geburtsgrotte zu Bethlehem, liegen Meldungen in italienischen Blättern vor. Als die italienischen Franziskaner bei dem Altar zur Geburt Christi eine« feierlichen Gottes dienst abzuhalten begannen,erschienen plötzlich die arminische« Mönche, zogen schwere Stöcke hervor und schlugen mehrere Franziskaner zu Boden. Der erste und der zweite Sa« kristan sowie der Eoadjaior wurden durch Hiebe mit Stöcken, Rauchfässern und Kruzifixen schwer verletzt. Nach heißem Kampfe errangen die Franziskaner den Sieg über die in wilder Flucht abziehenden Armenier. Die Geburts grotte befindet sich in traurigem Zustande; alle Altar« gerätc, Kruzifixe und Lampen sind zertrümmert, die Teppiche zerrissen und mit Blut besudelt. Der italienische Konsul Graf Sennt Hal eine strenge Untersuchung ein geleitet.