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Dampfer „Prinz Waldemac" ist ein vollständiges Wrack. Bei den Ausgrabungen wurden zahlreiche Touristen tot aufgefunden. Man sand auch unter den Trümmern viele Juwelen. Die Versuche, den sozialistischen Staat aus der Theorie in die Wirklichkeit umzusetzen, das heißt, die privatkapitalistische Wirtschaft durch eine kommunistische Wirtschaft, durch eine kommunistische Betriebsweise ab zulösen, find bisher elend gescheitert. Sie mußten scheitern, weil die Menschen versagten, weil sie in ihren Chacaktern und Idealen nicht gleichwertig waren. Es fehlt das Ja- tercfse, welches nur der eigene Besitz, die Arbeit für die Hebung eigenen Wohlstandes verleiht. Schließlich will niemand mehr arbeiten. Im 19. Jahrhundert versuchte, wie die Leipz. N. N. sich erinnern, der Engländer Owen die Errichtung eines kommunistischen Staates. Der englische Sozialschüststeller Robert Owen kam zu Vermögen und betätigte seine Ideen zunächst durch menschenfreundliche Einrichtungen in seiner Fabrik zu New-Lanark. In einer Schrift Asw visws ok socist^ (1812) entwickelte er seine phantastischen Ansichten. Er ging davon aus, daß der Mensch gänzlich das Kind der Umstände sei, und daß von der Uederlegendett einzelner Menschen, vom Eigentumsrecht, von der Ehe und der Religion die verwerflichen Zustände unserer Gesellschaft herrührten. Also ganz die sozialdemokratische Lehre von heute. Um eine volle gemeiuschastlichkeit herzustellen, wanderte er mit einigen tausend Männern und Frauen nach Nordamerika aus und begründete 1824 in Indiana die Kolonie N w-Harmony. In diesem Staat herrschte völlige Gleichheit. Es sollte da keine Belohnungen, keine Strafen geben. Ver brecher wurden als „moralische Kranke" behandelt und einem für sie errichteten „Spital" übergeben. Aber die moralisch Kranken nahmen bald überhand und immer größer wurde auch die Zahl derjenigen, die nicht arbeiten mochten. Jeder verließ sich auf den anderen; bekamen doch alle gleich viel, mochten sie arbeiten oder nicht. Da nun die Fleißigen selbstverständlich nicht für die Faulen sich abmützen wollten, so arbeitete bald niemand mehr, und es entstand Streit und Unordnung, Not und Elend. Die Fleißigen verließen schließlich die Kolonie, die sich dann bald völlig auflöste. Obwohl in der neuen Welt zweiund dreißig Ansiedelungen nach Owar.s Grundsätzen begründet wurden, ist es doch mir keiner einzigen geglückt. Ein neuer interessanter Versuch mit dem sozialistischen Zukunftsstaat ist der folgende: Am 23 September l896 feiert die schwedische Kolonie Biscop Hill im Staat Illinois in Nordamerika unter Teilnahme von zweitausend Fest gäste« ihr fünfzigjähriges Jubiläum. Sie verdankte ihr Entstehen einer Anzahl Schweden, die, mit den be- stehenden Verhältnisses unzufrieden, im Jahre 1846 unter der Führung eines gewissen Erich Janson die H.tmat ver- lassen halten. Die Gemeinde setzte sich zusammen aus einer stattlichen Anzahl erfahrener uno kräftiger Bauern, aus betriebsamen Handwerkern aller An und aus tüchtigen Fabrik- und Bergwerksarbeitern. Die meisten waren arm, aber auch eine Anzahl reicher Bauern und Grundbesitzer hatten sich in schwärmerischer Begeisterung dem sozialistischen Unternehmen angeschlossen und Hab und Gut dafür ge opfert. Diese Ansiedler schwangen sich zu ungeahntem, gemeinsamen Wohlstand empor, so daß, wie cs schien, nichts mehr zu wünschen blieb, um der Welt ein augen scheinliches Muster des sozialistischen Zakunftsstaates zu geben. Aber gerade der Beginn wachsenden Wohlstandes der Kommune war auch der Anfang der Zerrüttung und des Verfalles. Das Jahr 1859 war eines der günstigsten gewesen, und eben in diesem Jahre begann unter den „Genossen" häßlicher Zink und leidiger Hader und töd liche Feindschaft wegen Verteilung der Einkünfte. Mit der angeblich das Glück und die Gleichheit aller Menschen verbürgenden Gütergemeinschaft und gemein samen Arbeit war man nicht mehr zufrieden. Anstalt der Mit- und Nachwelt eine dauernde Verwirklichung oft ge- Hörter Versprechungen und tönender Phrasen über eine selige Zukunft der Sozialdemokratie zu geben, wurde die Kommunistrugemeinde von Biscop Hill ein neuer Beweis für die Unmöglichkeit sozialistischer Träumereien. „Mit dem steigenden Wohlstand", so schreibt der Verfasser der Geschichte dieser interessanten Ansiedelung, „lösten sich immer mehr die Bande der Eintracht. Die Gemein schaftlichkeit de? Lebens wurde als unnatürlicher Druck empfunden." Die Festgäste des 23. September 1896 lächeln über jene kommunistischen Anwandlungen als einer romantischen Ueberschwenglichkeit, und niemand sehnt sich zurück nach den Fesselndes einförmigen sozialdemokratischen Gemeindelebens. Vermischtes. * Die Ermordung des Bankdirektors Stiller in Lübek. Zu der bereits gemeldeten Mord tat auf offener Straße wird noch folgendes aus Lübeck gemeldet: Die Schulz, die den Direktor Stiller von der Commerzbank auf offener Straße niederschoß, ist längere Zeit bei der geisteskranken Frau Stillers als Pflegerin tätig gewesen und soll dann von ihm entlassen worden sein. Sie glaubte nun noch Ansprüche erheben zu können, und verfolgte ihn mit solche» unausgesetzt in Briefen und auf öffentlicher Straße. Mehrfach machte sie ihm Szenen vor der Börse, so daß sich Direktor Stiller schließlich ge nötigt sah, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Schulz halte nun in diesen Tagen, nachdem sie einen früheren Termin unbeachtet gelassen hatte, einen Vor- führungsbefehl erhalten. Das scheint sie zu der entsetzlichen Tat veranlaßt zu haben. Sie erhob, ohne ein Wort zu sagen, gegen den mit seinem Freunde Senator Rabe durch die Mühlenstraße kommenden Direktor Stiller den Revolver und traf ihn durchs Auge ins Gehirn. Sie selbst gab darauf, vom Senator Rab« einige Schritte zurückgcjagt, gegen sich selbst zwei Schüsse ab, die durch die Schläfe in das Gehirn drangen. Stiller war sofort, die Schulz nach einer Viertelstunde tot. — Der Fall machte uuge- heures Aufsehen in Lübeck und der ganzen Umgebung. Auf den Straßen sammelten sich Hunderte von Menschen, handelt es sich doch bei dem so heimtückisch Ermordeten um einen Mann, der im öffentlichen Leben mit an erster Stelle stand. Direktor Stiller war Ende der 80er Jahre während einer Session Mitglied des Reichstages für Lübeck, er gehörte ferner dem Bürgerausschuffe an und war mehrfach, wie noch bis zu seinem Tode, Wortführer dieser Körperschaft. Stiller war in mehreren größeren Aktiengesellschaften im Direktorium und überall ein viel- gesuchter Mann, der gern und in großer Freundlichkeit jedem an ihn gerichteten Ersuchen nach Möglichkeit ent sprach. Direktor Stiller stand, wie schon gemeldet, im 63 Lebensjahre, die Schulz war etwa 35 Jahre alt. * Ein Erlebnis im Restaurant. Aus Wien berichtet die „Neue Freie Presse": „Der Restaurateur Franz Hopfner in der verlängerten Kärntnerstraße war von dem Fabrikanten LouiS Pollak wegen Beleidigung angeklagt. Dieser war am Silvesterabend gegen ^10 Uhr mit seiner Frau und Tochter in das Restaurant Hopfner gekommen. Dec Wirt empfing ihn sehr höflich mit den Worten: „Da habe ich gerade einen prächtigen Tisch für drei Personen", und fragte ihn such, ob er über den Silvesterabend bleibe. Die Antwort war eine bejahende. Herr Pollak bestellte sogleich ein gemeinschaft- lichcs Souper. Ais er aber um ^11 Uhr an Getränken erst ein Gumpolbktrchner bestellt halte, sagte Herr Hopfner plötzlich zu ihm: „Ich brauche den Tisch für meine Stamm gäste; der Tisch ist sofort zu räumen." Auch rief erden Kellnern zu: „Sofort den Tisch aufräumen, er gehört für eine andere Gesellschaft. Herr Pollak entfernte sich mit seiner Familie nach Begleichung einer Zeche von 13 Kr. 28 tz. Der Wirt wurde infolge der von dem Gaste an gestrengten Klage zu einer Geldstrafe von 300 Kr. verurteilt. * Ueber die Erfindung eines Lelegraph- oskop, das von der Lamsru obscura ausgenommene Bilder unmittelbar in die Ferne zu senden vermag, wird auS Paris gemeldet: In der Duccetetschen Werkstätte für Präzisionsarbeiten wurde ein von den Brüdern Belin und Dc. Andreas Bing konstruierter Apparat, genannt Tele- graphoskop, fertigqestellt, welcher mit den Kornschen Fern- Photographen di- Verwendung von Selenium-Zellen gemein hat. Doch bedienen sich Belin-King keiner präparierten Platten, es handelt sich bei ihnen um die auf physikalischem Wege zu bewirkende Vervollkommnung der älteren Methode, das von der Lumsra obscura mittels Spiegelsystems aufgerwmmcne Bild unmittelbar in die Ferne zu senden, also um ein Produktions-, nicht um ein Reproduktions- Verfahren. DaS Ergebnis ist eine auf gewöhnlichem, nicht präparierten Papiere entstehende Gruppe von Punkten, welche einen Gegenstand oder eine Landschaft vorstellen sollen. Proben liegen noch nicht vor, daher ist auch kein Urteil darüber gestattet, ob die vor Jahren erschienenen ersten punktierten Photos wirklich an Präzision übertroffen sind. Die Erfinder nennen jene? Organ ihres Apparates, das sie neu hiuzugesügt habm, und daS bestimmt ist, die schwachen Ströme propoctionell zweckentsprechend zu stärken, den Eguilibreur oder mechanischen Phoiometsr. - 38 — Cynthia getraute sich nicht, ihn anzusehen; schweigend ging sie neben Lätitia her und zertrat die Blumen, mit denen der Bräutigam ihrer Schwester unfreiwillig ihren Pfad bestreute. An der Gartenthür blieb er stehen, und Lätitia eilte voraus, . um zum Nachtessen noch Salat zu schneiden. „Ich habe diese An ordnung nicht getroffen," begann er verlegen und wurde rot bis an die Haarwurzeln; ich habe versucht, Lätitia davon abzubringen; aber ihr ganzes Herz hängt daran. Es tut mir furchtbar leid, aber — aber — ich habe es ihr nicht abschlageu können " Mit schamroten Wangen und verächtlichem Blick drehte sich Cynthia nach ihm um. Sie wollte die Annahme gar nicht aufkommen lassen, daß der Anblick von Lätitias Glück in dieser geheiligten Zeit ihr irgendwie peinlich sein könne." „Und warum hättest du das tun sollen?" fragte sie kalt. „Lettice und ich haben uns unser ganzes Leben lang nie getrennt warum sollten wir es jetzt tun?" „Ich bitte um Vergebung," erwiderte er mit heiserer Stimme, „ich wußte nicht, daß es dein Wunsch war. Ick dachte, du möchtest vielleicht lieber hier bleiben." „Wo Lätitias Glück in Frage kommt, habe ich überhaupt keine eigenen Wünsche," gab sie in kaltem, gemessenen Tone zurück, der . hart und mitleidslos in sein Ohr fiel. „Was immer ihr angenehm sein mag, ist genügend Glück für mich." „Tust du aber auch recht daran, dies Opfer zu bringen?" fragte er mit erstickter Stimme, als schnüre ihm jemand die Kehle zusammen; bedenke dein eigenes Leben — deine Jugend." „Es ist kein Opfer," erwiderte sie mit unzerstörbarer Ruhe. An den verwelkenden Lilien und den Rosensträuchern vorüber waren sie den Weg hinaufgegangen und standen nun vor Cynthias Lieblingsrosenstock, unter dem der Kanarienvogel und die vergrabenen Schätze ihrer Jugend lagen. „Für dich nicht!" sagte er bitter. „Nein, für mich nicht!" erwiderte sie mit einer Stimme, die so fremd und kalt und verächtlich klang, daß Cynthia selbst sie kaum wieder erkannte. Sprachlos und tief beschämt wandte er sich ab; denn von der andern Seite kam ihm Lätitia mit einer Hand voll frischen grünen Lattichs eilends entgegen. „Wie ist's nur möglich, daß ich dies kleine, verschrumpfte Wesen je geliebt habe?" fragte er sich bitter. Ueber das junge Mädchen aber kam' eine große Schwäche, während sie dastand und gedankenlos eine Rose zerpflückte, die sie von dem kleinen Grabe zu ihren Füßen gebrochen hatte. Schwankend erreichte sie das Haus und kam an diesem Abend nicht mehr herunter. — 39 —. Während der ehrenwerte Basil Haworth unten mit einer ge nügenden Zutat von Essig und Del seinen Salat verspeiste, lag sie oben auf ihrem kleinen, weißen Bett, und ihre Hände krampften sich in die Kissen hinein, während ein wilder Aufruhr in ihrem Herzen tobte. . Sechstes Kapitel. Nachdem Cynthia den Antrag des törichten Bauern abgelehnt hatte, führten sie ihre einsamen Streifereien drei Abende nacheinander an den Fluß. - Richard Holders, oder, wie man ihn in der Nachbarschaft ver traulich nannte, Dick Holders, war der Sohn eines der wohlhabendsten Pächter von Silverton, eines Landmannes von echtem Schrot und Korn, der das im Schweiße seines Angesichts der Erde abgerungene, sauer verdiente Geld nicht für die Bildung seiner Kinder vergeudete. Seine Söhne erzog er für den Pflug, seine Mädchen für die Milch wirtschaft; die Welt jenseits ihrer Kornfelder und ihrer Wiesen war für sie nichts, als der Markt für ihre Hühner und ihre Eier, für ihr Korn und ihr Vieh. Heiter und zufrieden lebten sie ihr einfaches, friedliche? Leben, machten dabei Ersparnisse und bezahlten ihren Zehnten auf den Tag, ohne je seine Verminderung nachzusuchen. Die Holders waren reicher als alle ihre Nachbarn, obgleich sie selbst ihre Felder bestellten und sich damit begnügten, aus einem mit Sand bestreuten, gestampften Lehmboden zu wohnen. Leicht hätten sie die Hälfte der vornehmen Leute in Silverton, die an Markttagen ihre Butter und Eier herunterhandelten, auskaufen können. Farmer Holders hatte manche Gelegenheit gehabt, den Damen im Myrtenhäuschen Freundlichkeiten zu erweisen; aber obgleich nur einige Felder zwischen ihnen lagen, waren doch stets nur rein äußer liche Höflichkeiten zwischen ihnen ausgetauscht worden. Eine große gesellschaftliche Kluft, mochte es nun eine wirkliche oder eine ein gebildete sein, trennte die einfache, freundliche Familie auf dem Bauernhöfe von ihren vornehmen Nachbarn. Die Mädchen machten ihre Knixe, wenn sie an den beiden Fräulein Primrose vorüber gingen, und die Jungen griffen an ihre rauhen Stirnhaare, und so war Cynthia in dem alten, mehr durch Gewohnheit als durch Nach denken entstandenen Glauben groß geworden, daß infolge einer ge heimnisvollen Anordnung der Vorsehung diese Art Leute sozusagen das irdene Geschirr der Welt, sie und ihresgleichen aber das feine Porzellan verstellten. Diese Meinung ist keineswegs neu und wird überall von den wohlmeinendsten Menschen in vollster Harmlosigkeit verbreitet. Auch Dick Holders lebte in diesem Wahn und war, wie er es in seiner fchlichten Weise ausgcdrückt hatte, der Meinung, das Cynthia so hoch über ihm stehe, wie ein Engel im Himmel. Seit seiner