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aus dem Saale gedrängt worden war, gelang es, die Verhandlungen fortzusetzen. Der Sozialdemokrat Hanke erklärte, die Kultur, welche die deutschen in Afrika ver breiteten, sei eine Syphilis, und SLnapskultur. Die bürgerlichen Redner traten dem energisch entgegen. Als ein sozialdemokratischer Redner äußerte, cs sei eine Schande, daß 8000 deutsche Soldaten nicht mit den paar Hotten- totten fertig würden, wurde ihm entgegengehalten, daß die deutschen Soldaten in Südwcstafrika deutsche Arbeiter, Söhne und Brüder deutscher Arbeiter seien, denen er öffentlich Feigheit vorwerfe. Darauf fand der Sozial- demokrat kein Wort der Entschuldigung für seine Schmähungen. Schnelles Verfahren im Kolonialamt. Ueder eine schnelle Erledigung von Kolonialbeschwerden wird aus HandelSkreisen folgendes geschrieben. In Kamerun wurde vor einiger Zeit durch eine Verordnung des Gou vernements der Ebolowa-Bezirk gesperrt. Die Maß regel war von einschneidendster Bedeutung für den Ge samthände! im Südbezirk des Schutzgebietes. DieBatanga- Firmen legten sofort Beschwerde bei der Kolonialadteilung des auswärtigen Amtes ein Sie wiesen nach, daß, ent gegen den Auffassungen des Stationsleiters von Ebolowa, Leutnants Heinicke, keine Unruhen zu befürchten seien, wohl aber, wenn die Verordnung aufrecht erhalten würde. Der Kolonialdirektor hat darauf sofort den stellvertretenden Gouverneur Wirkt. Legationsrat Gleim ersucht, sich per sönlich nach dem Süden Kameruns zu begeben, um an Ort und Stelle die Angelegenheit zu prüfen und seine Entscheidung zu treffen. Laut einem im Amte eingetroffenen Telegramm aus Kamerum hat Legationsrat Gleim nach beendeter Untersuchung und Rücksprache mit den euro päischen Kaufleuten in Kribi im Interesse der Firmen die Verordnung wesentlich gemildert. Ei« heiteres Vorkommnis hat sich in Schleswig bei der Auslegung der Reichstags. Wählerlisten ereignet. Nicht nur fehlte der Oberpräsident in der Liste, sondern auch alle im Regierungsgebäude wohnenden Angcstellten. Auslan d. Der serbische Kronprinz. Von einem gelegentlichen Mitarbeiter, der mit einem persischen Politiker eine interessante Unterredung gehabt hat, erhalten die „L. N. N." eine Zuschrift, der wir folgendes entnehmen. Der Kronprinz ist zwar nicht ganz irrsinnig, wie dies einige ausländische Blätter zu melden wußten, er ist aber geistig abnormal veranlagt, pervers und grausam, er wird periodisch von Anfällen heimzesucht, in denen er vor Wut und Sinnlichkeit absolut nicht weiß was er tut. Der König hat schon seit längerer Zeit die Absicht, seinen Erstgeborenen in einem Sanatorium uuterzubringen, man nahm aber bisher in Anbetracht des geradezu un- bändigen Charakters des Kronprinzen noch immer davon Abstand, diesen Plan auszuführen. Der Kronprinz weilt gegenwärtig noch im Konak und wird dort von seinem Vater und zwei Irrenärzten streng bewacht. Adju tanten sind dem Kronprinzen jetzt keine mehr zugeteilt worden, weil er seine hisherigen der Reihe nach gröblich beleidigt und tätlich mißhandelt hat. Die wiederholtes Meldungen Belgrader Blätter, daß der Kronprinz bei seinen Ausfahrten durch die Stadt vom Volke lebhait und freudig akklamiert wurde, sind so zu verstehen, d-ß nicht das Volk eS war, das ihm „zujubelte", sondern die Offiziere und Soldaten, die den Sprößling ihres Königs akklamieren müssen. Das serbische Volk rechnet schon längst mit der Tatsache, daß Kronprinz Georg bei der Thronfolge gar nicht in Betracht kommt, denn er ik ein in gewisser Beziehung beklagenwertes Opfer sinnlicher Ausschweifungen, denen er sich infolge mangel. Hafter Aufsicht und zu wenig strenger Erziehung schon in seiner frühesten Jugend hingegcben hat. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein längerer Aufenthalt in einem Sa- natorium ihn noch einigermaßen zur Vernunft bringen und ihn von seinen perversen Passionen heilen könnte aber wie gegenwärtig die Dinge in Belgrad liegen, ist eS wohl begreifllich, wenn in gewissen Kreisen der Bevölker. ung der Wunsch immer ?rger wird, beizeiten für eine andere Thronfolge zu sorgen, und — König ß Peter davon nichts wissen will — eventuell gleich einen Dynastie wechsel vorzunehmen. Dieser soll aber diesmal womög. lich unblutig verlaufen, um Europa nicht noch einmal mit dem schaudernden Entsetzen vom Juni 1903 zu erfüllen, als König Alexander mit seiner Draga hingemordet wurde. Die Vrottenerung i« Spanien. In Madrid fanden wegen der Brotteuerung Aus schreitungen statt, bei denen mehrere Personen verletzt wurden. Ueberall sind die strengsten Maßregeln gegen eine Erneuerung der Ruhestörung getroffen. Beide Häuser des Parlamentes beschäftigten sich mit der Frage der Brotteuerung. Im Senat unterzogen mehrere Senatoren die Haltung des Finanzministers und der Bäckcreibesitzer einer scharfen Kritik. Der Senator Azinlera, Bürgermeister von Madrid, erklärte, er werde mit aller Macht gegen die Bäckereibesitzer vorgehen und im Notfälle auch die äußersten Maßregeln gegen sie ergreifen. Drr Finanzminister gab darauf die Versicherung, die Regierung werde das Vorgehen des Bürgermeisters mit Entschiedenheit billigen. Ei« «euer politischer Mordversuch. In Mohilew feuerte ein Individuum drei Revolver- schnsse auf den im Schlitten fahrenden Polizeimeister Rodionoff ab. Dieser blieb unverletzt, während der Kutscher schwer verwundet wurde. Gleichzeitig warf vom Trottoir aus ein zweiter Uebeltäter eine Bombe, die jedoch niemanden verletzte. Rodionoff verfolgte mit herbei- eilenden Polizribeamten und Passanten die beiden Männer. Der eine von diesen erschoß sich, der andere sowie ein dritter, der zu ihnen gehörte, wurde festgenommen. Russische Nenjahrstragödie. In der Nacht zum russifchen Neujahrstage kam es in einem in Petersburg auf Wassili Ostrow belegenen Hause durch ein Mißverständnis der Polizei zu einer blutigen Trägödie. In der Wohnung einer Frau Lebe- dewa, dir sich durch Zimmervermicten ernährte, befand sich ein Student Surba, der sich zum Silvesterabend einige männliche und weibliche Kameraden eingeladen hatte, um das neue Jahr gemeinsam zu erawrten. Dieser Auf- forderung haben sieben Studenten und drei Studentinnen Folge geleistet. Alle waren in der heitersten Stimmung beisammen, als es kurz vor Mitternacht hieß, die Polizei sei da und wolle im Zimmer des Studenten Surba eine Haussuchung vornehmen. Schon an und für sich über den eigentlichen und zudem in der Neujahrsnacht vor genommenen Hausfriedensbruch aufgebracht, beschloß Surba, sich der Haussuchung mit Ler Waffe in der Hand zu widersetzen, holte seine Mauserpistole aus dem Schrank, schoß den zuerst das Zimmer betretenden Schutz mann einfach nieder nnd verwundete die hinter im stehenden Polizeioffiziere und einen weiteren Schutzmann so schwer, daß an ihrem Aufkommen gezweifelt werden muß. Auf einen solchen Empfang war die Polizei nicht gefaßt. Sie zog sich in dem Glauben zurück, daß sie auf ein wohbewaffnetes Nest von Revolutionären gestoßen sei. Unter Zurücklassung der Toten und Mitnahme der Schwerverwundeten wurde der Rück zug angetreten, bis nicht nur die nötige Verstärkung an Polizei, sondern auch Militär requiriert worden war, das das Haus von allen Seiten umzingelt«, während die Polizei Wohnung für Wohnung systematisch absuchte und weder im Zimmer des Studenten Surba noch in irgend einem anderen Raume des Hauses auch nur irgend etwas vorfand, was ihr ein Recht zu einem derartigen Vorgehen gegeben hätte. Während der Haussuchungen war Surba in den Hof hinuntergeeilt und hatte sich dort in einer Scheune versteckt, von wo er beim Herrannahen der Polizei ßtW das Zeckm und seine rote SlWuM lautet die Wahlparole für den 25. Januar. Wer eine« Sozialdemokraten wählt, stützt das kulturfeindliche Zentrum in feiner ausschlaggebenden Stellung, schwächt die Wehrkraft Deutschlands, macht das Deutsche Reich bundnis- unfähig, Hilst den Mächten, die uns isolieren wolle«, beraubt unsere« Welthandel des Schutzes, entzieht den Arbeitern Arbeitsgelegen heit und Verdienst, gefährdert die Ernährung unserer wachsende« Bevölkerung. Ml ivHseu heißt sWOWkraW mW». zuerst ein scharfes, aber unwirksames Feuer eröffnete Dann schoß er sich selbst die lettzte Kugel in den Kop als er sah, daß er sich werde ergeben müssen. Die Polize verhaftete die sieben im Zimmer Surbas befindlichen Studenten und drei Stuoenttnnen und ließ sic unter einer starken Bedeckung in die Festung absühren. So gehts nicht! ES war am Rhein in einem kleinen Städtchen. Da hatte das Haupt des Stadtregiments ein Jubiläum und die Bürgerschaft beschloß, ihn besonders zu ehren an diesem Tage. Und zwar sollte es eine besondere Ehrung werden. Nun war es just ein guter Herbst gewesen und jeder eingesessene Altbürger hatte vom guten Jahrgang reich lich im Keller. So sollte der Jubilar einen Jubiläums- wein erholten, an dem noch seine Enkel sich erfreuen könnten. Man beschloß, ein Smckfaß herumfahren zu lasse» vor jedes Weinbergbesitzers Keller. In das Faß sollte ein jeder von seinem besten Most ein angemessenes Quantum geben. Das würde dann den besten Jubiläums wein geben. Damit aber kein Nachbar vom andern beschämt werde und auch der schlichte Winzer sein Scherflein nicht zurück halte vor der großen Gabe des reichen Weinbauer, sollte die Mostabgabe geheim geschehen. In stiller, verschwiegener Nacht sollte der Stückfaßwagen umfahre» und seine Most abgaben im Geheimen entgegennehmen. Dann sollte er direkt vor des Jubilars Wohnung gefahren werden und am nächsten Morgen, dem Jubiläumstage, unter ent- prechender Feier dem Jubilar überwiesen werden. So wards unter allgemeiner Begeisterung beraten und beschlossen. Der Tag des Jubiläums nahte. Die Nacht der Imfuhr kam. Alles war programmmäßig: die Abholung till, die Nacht verschwiegen, die Abgabe geheim. Kein Nachbar wußte vom anderen, wie viel er gespendet, und mit ubiläumswürdig gehaltener Feststimmung versammelten ich die ehrsamen Bürger am nächsten Morgen Vorm Bürger- neister um ihre Ehrengabe. Die Festrede stieg, der gerührte Jubilar dankte für die sinnige Gabe und versicherte, er werde bei jedem Schluck aus dem Jubiläumsfaß seiner getreuen Bürger und Mitarbeiter am--Gemeindewohle gedenken. Aufs Wohl der getreuen Stadt sollten in fernen Zeiten seine Kindeskinder das letzte Glas dieses Ehrcnweines trinken, wie er heute das erste. Der Humpen ward gebracht, das Faß angestochen, der Hahn lief und — gab reines Wasser in den Ehrenhumpen. „Wenn jeder Andre von seinem Besten gibt, so kannst du schon etwas Wasser dazu tun. Um dich hats der Bürgermeister so nicht verdient. Vor 10 Jahren hat er dich geärgert", so hatte der erste gedacht und — Wasser ins Faß gegossen. Und der Zweite batte auch einen alte« Verdruß auS- zugleichm und der Dritte und Vierte auch — und jeder hatte gedacht, er könnte sich heimlich rächen und das Ganze würde doch keinen Schaden leiden. Und so hatten sie heimlich ihr Mütchen und Wütchen gekühlt und gehofft, der Anstand der Anderen würde ihre Unanständigkeit ver decken. Aber, sie hatten ihre Stadt, ihr Stadlregiment und am meisten sich selber blamiert. Nichtsozialdemokrstische Reichstagswähler! so geht es nicht. Es geht nicht, daß der einzelne Wähler denkt: wenn alle die Anderen nichtsozialdemo kratisch wählen, von denen man es denkt, dann kannst du rot wählen, zur Strafe dafür, daß dir einmal irgend eins Person auf die Hühneraugen getreten ist und du mußtest es damals aus Nützlichkeitsgründen herunter schlucke«. Es geht nicht, daß einer im 6. Wahlkreis nicht wählt, weil er denkt: wenn nur die anderes sächsischen Wahlkreise keinen Sozialdemokraten wählen, dann schadet unser Sozialdemokrat gar nicht so viel, der in unserer Jndustricgegrnv doch durchkommt." So geht es nicht! Mag sozialdemokratisch wählen, wer Sozialdemokrat ist. Er hat eS zu verantworten und auszubadeu. Denn die Zuchthausproxis im Gewaltgebiet der Sozialdemokratie ist doch nachgerade offenbar genug geworden. Aber, wer nicht Sozialdemokrat ist, der darf auch nicht sozialdemokratisch wählen oder durch Fernbleiben von der Wahl die Sozialdemokratie stärken. Die Wahl ist keine Gelegenheit, heimliche Rache zu üben für irgend einen persönlichen Verdruß, sondern sie ist die Pflicht des Einzelne«, mitzuwirken zum Wohle des Ganzen. Ohne Recht kein Knecht — ohne Pflicht ein Wicht! Mit Pflichten und Rechten ein Maun von de« echten! Und so allein gehts und wird es auch bet uns gehen! Aus Stadt und Land. Mitteillwxeu aus dem Leserkreise jür diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. Wilsdruff, den 23. Januar 1907. — König Friedrich August schenkt, wie mau vernimmt, dem gegenwärtigen Rerchstagswahlkampf außer ordentlich großes Interesse, was angesichts der bisherigen Vertretung Sachsens im Reichstage leicht verständlich ist. Der Monarch lieft täglich und eingehend di« verschiedenen Zeitungen auf die Rubrik vom Reichstagswahlkampf und ist über die mehr oder minder günstigen Aussichten der einzelnen Kandidaten sehr genau informiert. Im Ge spräche mit seiner Umgebung und gelegentlich auch bei Audienzen wohlinformierter und einflußreicher Persönlich keiten aus dem Lande kommt König Friedrich August oft auf die früheren und auf die bevorstehenden Reichstags wahlen zu sprechen und mehr als einmal ging von ihm die Ermahnung aus, tüchtig und unermüdlich für die nationale Sache einzutreten und zu arbeiten. Der Monarch, der sich sehr viel und gern in allen Schichten des Volkes aufs leutseligste bewegt, ist fest überzeugt, daß keineswegs all« Arbeiter der roten Fahne aus Ueberzeugung -folgen, und hegt volles Vertrauen zu dem guten Kern seiner Sachsen. Daß eine solche Tatsache nicht ohne Einfluß auf den Ausfall der Wahlen bleiben kann, zumal sie all gemein bekannt ist, bedarf keiner besonderen Betonung. — Gegen Doppelwähler! Das Ministerium des Innern erlaßt im „Journal" folgende Verordnung: Nach den Reichstagswahlen von 1903 haben zahlreiche Straf verfahren wegen Wahlfälschungen gegen Personen durch- geführt werden müssen, die unter falschem Namen oder mehrfach in verschiedenen Wahlbezirken ge wählt hatten. Angesichts dieser Vorkommnisse werde« die Wahlvorsteher darauf hingewiesen, daß sie be rechtigt sind, von den zur Wahl erscheinenden Personen, wenn sie ihnen unbekannt sind, einen Ausweis über ihre Person zu verlangen, und daß es sich empfiehlt, Wähler, welche neu zugezogen sind, oder oon denen sonst anzunehmen ist, daß sie auch anderwärts in die Wahlliste eingetragen wurde«, in geeigneter Weise darauf aufmerksam zu machen, daß jeder Wähler nur in einem Wahlbezirke und nur einmal wählen darf. — Das Wahlbureau der Ordnungsparteien im Amtsgerichtsbezirk Wilsdruff befindet sich am Wahltag von abends 7 Uhr ab im Stuckzimmer des Hotels zum Adler. Dorthin werden auch alle uns zugedachten Mel dungen der Wahlresultate erbeten. (Fernspr. Nr. 5.) — Es ist nichts zu dumm, als daß es nicht kolportiert und geglaubt würde. Der alleinige Kandidat der Ordnungsparteien, Herr Gymnasialoberlehrer Dr.Bassenge, war bekanntlich am Montag — und nur an diesem Tage — sienstlich behindert, in Tanneberg zu sprechen. Was machen da die Sozialdemokraten? Sie erzählen harmlosen Ge mütern, man könne ja dem Kandidaten seine Stimme geben; Zweck habe es aber nicht, denn der Mann bekomme ieinen Urlaub, wenn er gewählt werde! Gegenüber diesen unsinnigen Redereien sei nur auf Artikel 21 unserer Reichs verfassung hingewiesen. Dort heißt es: „Beamte bedürfe« keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag." Klarer und bestimmter konnte diese Bestimmung wohl nicht lauten! — Am Wahltage geben wir mehrere Extrablätter jeraus, die über das Resultat der Wahlen in sächsischen Vahlkreisen unterrichten.