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MMi st, »KH rrnd Ltmgegen- Amtsblatt H 66. Jahrg Dienstag, den 13. Augnst 1S07 No. S4 für die Kgl. Amtshauptmann fchaft Meisten, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forffrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Rlttanueberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, HerzogSwalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Rottzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmtedewalde, Sora, Steinbach bet Keffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck uns Verlag von Zschunke S Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wi« druff. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar DienStagS, Donnerstags und Sonnabends. BeruaSvreiS vierteljährlich I Ml. 30 Pfg., durch die Post " bezogen 1 Ml. 54 Pfg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. wird, was er als Verjünger auf daS Krankenbett gerate» ner Aktiengesellschaften getan hat. Um diese Stellung einzunehmen, gab er das Direktorat einer großen Bank auf, das ihm jährlich 12500 Pfd. Sterl, eiubrachte und nahm dafür eine Kabinettsstellung mit einem Gehalt von 1250 Pfd. Sterl, und die glänzende Möglichkeit in Tausch, sich zu blamieren. Der Kaiser suchte aber einen Spezia listen im Wegräumen von Hindernissen, und als er von Dernburg als Lebensretter halb verkrachter Unternehmungen hörte, sagte Wilhelm H-, er habe seinen Mann gefunden. ES folgte dann die dramatische Ernennung des junge«, in Amerika grobgezogenen Marines aus dem Volke zum Direktor des Kolonialamtes, die sofortige hervorragende Rolle, die er im Reichstag spielte, und ein over zwei Monate später die Betätigung seiner aggressiven Persönlichkeit in den stürmischen Reichstags- wählen. Er wurde da der Hauptkämpfer in den Reihen der Regierungsvertreter und sozusagen über Nacht der starke Mann der Regierung, der binnen vier Monaten nach seinem Amtsantritte sich Berühmtheit und meteorische Popularität zu erringen verstanden hatte. Seine „Karriere", die erst im September ihren Geburtstag feiern wird, hat Zehntausende seiner jüngeren Landsleute begeistert, denen der Name Dernburg gleichbedeutend mit Energie, Wage- mut und Erfolg geworden ist. Die Zahl seiner Feinde ist bereits groß und eifrig an der Arbeit. Sie sagen, es könne nicht lange mit ihm dauern. Die Aristokraten, welche die hohen Stellungen im Staatsdienste als ihr Erbteil betrachten, sind erbittert über das Empor- kommen eines Bürgerlichen voa semitischer Abstam mung. Sie würden ihn zum Sturze bringen, wenn sie könnten. Er hat aber „Dinge getan" in der bureaukratt- schen Stickluft des Kolonialamtes und hat Freunden und Feinde« keinen Grund gegeben, ihn des „Langsam voran" zu bezichtigen. Seine jetzige Inspektionsreise nach den Kolonien bildet den Höhepunkt seiner vorhergegangenen Neuerungen. Er wird die Möglichkeiten der Kolonien an Ort und Stelle studieren, und wenn er im November zurückkehrt, so rechtfertigen seine früheren Errungenschaften die Erwartung, daß die vielverleumdeten „Wüsteneien des Kaisers" den Anbruch besserer Tage erleben. Wer die Karriere Herrn Dernburgs auf dem Finanzgebiete kennt, weiß, daß ihn eins besonders charakterisiert: Rück- fichtslofigkeit — kaltblütige, unerbittliche Rück sichtslosigkeit, wenn es gilt, ein Ziel zu erreichen. Von dem verstorbenen berühmten Dr. Bergmann erzählt man sich, daß er einem verwundeten Soldaten, der ihn fragte, waS für ihn geschehen könne, geantwortet habe: „Köpfen!" — Köpfen war auch das leitende Prinzip Herrn Dernburgs, wenn irgend ein wundes finanzielles Projekt in sein Operationszimmer gebracht wurde. Er ist von demselben Geiste erfüllt an das Problem herangetreten, den Augiasstall in den deutschen Kolonien zu reinigen. Krankhafte Organe, Verwaltungsskandale, amtlicher Zopf, BureaukratiSmus, Amtsunfähigkeit werben von diesem politischen Wunderarzt, der sich weder um Rang noch Titel kümmert, erbarmungslos amputiert werden. „Arbeit in Hemdsärmeln", wie die Amerikaner sagen, ist das Regime, welches dieser deutsche Chamberlain in Kolonial- fachen einführt, der daS Hasten in Wall Street gelernt hat. Dernburg war nur zwei Monate im Amte, als sein Mut und seine Klugheit auf eine harte Probe gestellt wurden. Ein bloßer Lehrling auf dem Gebiete der Politik, sand er sich der mächtigen kolonialfeindlichen katholischen Partei im Reichstage gegenüber, die dachte, es würde ihr leicht werde«, den vom Kaiser eingeführten Börsianer zu stürzen. Der erste Zusammenstoß im Reichstage zeigte aber schon, daß sich die Herren arg verrechnet halten. Dernburg ent- wickelte in der Debatte eine wunderbare Rednergabe und ein außerordentliches Geschick und warf so, bildlich ge sprochen, den Vitriolredner deS Zentrums in der Kolonialdebatte über den Haufen. Er trieb so den ersten Keil in die parlamentarische Oligarchie des Zentrums, auf welches in dieser Weise loszuhämmern seit Bismarcks Zeiten kein Minister der Krone den Mut gefunden hatte. Darauf erfolgte die Niederlage der Regierung im Par lamente durch die Allianz zwischen dem Zentrum und den Sozialisten und die herausfordernde Auflösung des Reichs tags. In dem Appell an das Land wurde von der Re- gierung Dernburg vorgeschoben, um das Evangelium >es größeren Deutschland über See zu predigen. Der zum Politiker gewordene Geschäftsmann, der Ziffer« .nicht überschritten haben und in der Regel ohne Hilfs kräfte oder mit nur einem oder zwei Lohnarbeitern (Gesellen, Arbeiter, Lehrlinge mit Lohn usw.) arbeiten, berechtigt, freiwillig in die Versicherung einzutreteu und hierzu aufzufordern. Die Aufforderung kann bez. soll alljährlich wiederholt werden. Nachversicherung auf ein volles Jahr ist gestattet. Jährlich find höchstens 52, mindesstenS aber 20 Wochenmarken zu steuern. — Auch ist darauf hinzuweisen, daß eine frühere freiwillige Ver sicherung, die aber fallen gelassen worden ist, jederzei wieder ausgenommen werden kann. In diesem Falle ist ebenfalls Nachversicherung auf ein volles Jahr gestattet. 5) Mit Rücksicht auf 8 148 Ziffer 2 des Invaliden- verstcherungsgesetzes kann versucht werden, den Verein (die Innung) von der Landeszentralbehörde als mit der Einziehung der Beiträge ermächtigte Stelle bezeichnen zu lasten, eventuell gegen Gewährung der geordneten Ver- gütung. 6) Die Haftung für die ordnungsmäßige Ausführung der Geschäfte übernimmt der Verein (die Innung); die Geschäftsführung besorgt der Ausschuß nach seiner Ge schäftsordnung unter Aufsicht des Vereins- (Jnnungs-) Vorstandes. 7) Der Ausschuß besteht aus einem Vorsitzenden, der zugleich Geschäftsführer und Kassierer sein kann, und aus zwei Beisitzern. Sie werden durch den Vereins- (Jnnunzs-) Vorstand ernannt, der auch ihre Vergütung bestimmt 8) Die Versicherungsbeiträge werden durch den Kassierer des Ausschusses eventuell in dessen Auftrage durch den Boten in der Regel mit den Vereins- (Jnnungs-) Beiträgen, im übrige« nach Bedarf, namentlich in kürzeren (monatlichen) Zeitabschnitten erhoben. 9) Ueber die gezahlten Beiträge gibt der Ausschuß Quittungen aus. Die Beiträge werden zum Ankauf der Verstcherungs-Wochenmarken verwendet. Das Einkleben und die Entwertung der Marken, den Umtausch der Qutltungskarten usw. besorgt bezw. vermittelt auf Antrag der Ausschuß. Er hat hierüber die von der zuständigen Versicherungsanstalt vorgeschrtebenen Bücher zu führen. 10) Auf Wunsch der Mitglieder kann die Marken verwendung auch dergestalt erfolgen, daß der Kassierer des Ausschusses oder der Bote die Beitragsmarken den Mitgliedern gegen Zahlung des entsprechenden Betrages und Vorlegung der laufenden Quittungskarte vermittelt. Das Einkleben und die sofortige Entwertung der Marken in der Quittungskarte müssen dann die Versicherten selbst besorgen. Sie haben die Quittungskarte sorgsam auf- zubcwahren und vor Ablauf der zweijährigen Frist vom Ausstellungstage ab zum Umtausch gegen eine neue OuittungSkarte einzureichen. 11) Weitere Bestimmungen über die Ausführungen der freiwilligen Versicherung im einzelnen bleiben dem Ausschuß nach Einvernehmen mit der zuständigen Ver sicherungsanstalt bez. Behörde, Orts- oder Jnnungs- krankenkasse überlasten. Es wäre recht wünschenswert, daß, solange die Ver- icherungspflicht nicht besteht, wenigstens auf diesem Wege versucht würde, die Wohltat der sozialen Fürsorge den Handwerkern mehr als bisher zugänglich zu machen. Das Universalmittel bleibt aber dieVersicherungspflicht. Sie anzustrebeu, bleibt Aufgabe aller Gewerbevereine und Innungen. politische Rtrndsch««. Wilsdruff, 12. August 1907. Deutsches Reich. Dernburg iu euglischer Beleuchtung. Mit welch lebhaftem Interesse die Engländer die Kolonialretse Dernburgs verfolgen, geht aus dem Folgen- den hervor: Die Ankunft des Kolonialdirektors in Dar- es-Salaam bietet dem Berliner Korrespondenten der „Daily Mail", Mr. Frederick William Wile, Veranlassung, Herrn Bernhardt Dernburg einen sehr freundschaftlich gehaltenen Artikel zu widmen. Nach einer kurzen Ein leitung über die bevorstehende Inspektionsreise des Kolo- ntaldtrektors heißt es dann weiter: „Dernburg war schon im Alter von 33 Jahre« einer der Kapitäne der deutschen Finanz, und man er- wartet von ihm, daß er für die deutschen Kolonien tun Die freiwillige Invaliden versicherung der Handwerker. Dcr Wilsdruffer Gewerbeverein beschäftigte sich im Frühjahr mit der zwangsweisen Ausdehnung der sozialen Gesetzgebung auf die selbständigen Handwerker und Gewerbetreibenden. In der Versammlung wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß die Handwerker im Alter oder auch bei vorzeitig überkommener Invalidität oft viel schlechter gestellt sind, als die Arbeiter, für deren Altersversorgung sie oft Jahrzehnte lang Opfer bringen müssen. Freilich haben die Handwerker schon jetzt die Fügigkeit, sich freiwillig zu versichern. Aber merkwürdiger weise machen die Beteiligten von dieser Fügigkeit nur ganz selten Gebrauch — in Wilsdruff haben unseres Wissen! nur zwei Handwerker durch freiwillige Versicherung für ihren Lebensabend gesorgt. Es fehlt eben der Zwang. Er wird jetzt von vielen Seiten gefordert, und zwar mit vollem Recht. Der „Dresdner Anzeiger" nimmt zu der Sache in einem längeren Artikel das Wort. Er betont, daß, so lange die Verstcherungspflicht nicht besieht, es Auf gabe der Handwerker- und Gewerbevereine, der Innungen u. s. w. sei, immer und immer wieder auf die Möglichkeit und den Wert der freiwilligen Versicherung hinzuweisen. Das Blatt führt sehr zutreffend aus: „Wie viele Gewerbetreibende, Betriebsamte, Werk meister usw lassen diese günstige Gelegenheit, sich für Alter und Invalidität mit geringen Beiträgen eine Rente bis zu etwa 450 Mk. jährlich und den Anspruch auf ein etwaigs Heilverfahren zu sichern, ungenutzt vorübergehen. Wenn dann die dauernde oder längere Erwerbsunfähigkeit oder das Alter an die Türe klopfen, dann beginnt die Reue über die Versäumnis der Versicherung. Die frühere Versäumnis und die Unkenntnis des gesetzlichen Bestimmungen rächen sich. Dann ist aber der Fehler nicht mehr gut zu machen." Das genannte Blatt regt die Bildung von Aus- schüssen seitens der Handwerker- und Gewerbevereine und der Innungen an, die die Besorgung oder Vermittelung der Versicherungsgeschäfte für ihre Mitglieder übernehmen. Die Anregung ist überaus dankenswert und man kann nur wünschen, daß ihr recht viele Vereine Folge geben. Für die Wirksamkeit der Ausschüsse empfiehlt das Blatt nachstehende Bestimmungen: 1) Der Verein (die Innung) errichtet einen Ausschuß für die Alters- und Invalidenversicherung der Mitglieder. 2) Dem Ansschuß liegt ob, die freiwillige Versicherung der Vereins. (JnnungS-) Mitglieder nach 8 14 des Jnvalidenversicherungsgesetzes anzustreben und zu fördern: a. durch Belehrung der Vereins- (Jnnungs-) Mit glieder über ihre Versicherungsrechte; d. durch Vermittlung der Anmeldung der die freiwillige Versicherung begehrenden Personen bei den Organen der zuständigen Versicherungsanstalt (Orts- oder Jnnvngskrankenkasie, Gemetndekrankenverstcherung, Rentenstelle, Gemr ndebehörde usw ); c. durch Vermittlung der Beitragszahlung; ck. durch Besorgung oder Vermittlung der für die freiwillige Versicherung sonst noch erforderlichen Geschäfte. Der Ausschuß hat sich wegen Schaffung der hierzu erforderlichen sachgemäßen Einrichtungen mit der zuständigen Gemeindebehörde bez. Ver- ssLerungsanstalt in Verbindung zu setzen. 3) Der Ausschuß hat die Vereins- (Jnnungs-) Mit glieder zu befragen (Fragebogen), ob sie vor ihrer Selb- ständigmachung usw. auf Grund ihrer früheren Beschäf- tiguugsverhältnisse gegen Invalidität versichert waren (wann, wo, in welcher Stellung usw.,) und sie zu belehren, tn welcher Weise sie die aus früherer Pflichtversicherung erworbenen Rechte aufrechterhalten können (durch Fort- Zahlung von mindestens 10 Wochenbeiträgen jährlich zu je 14, 20, 24, 30 oder 36 Pfg. ohne Rücksicht auf das Lebensalter; Nachzahlung auf ein volles Jahr gestattet). 4) Ergibt sich nach vorstehendem, daß die Vereins- (Innung«.) Mitglieder früher der Pflichtversicherung nicht unterlagen, so find sie, wenn fit das 40. Lebensjahr noch Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 15 Psg. pro viergeivalleue Korpuszeile. Außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/, Aufschlag.