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18 Sonnenwärls. Roman von A. Gaber. ' Morljctzung.) Z ^Ms^ue andere Ecke des Zimmers war durch ein weißlackicrtes Schränk- chen ausgcfüllt. Der Schlüssel ft zu diesem Schränkchen war groß und schwer und lag neben dem Paule auf dem Tisch. Wer ein Medikament brauchte, bekam den Schlüssel in die Hand. Dann mußte er sich mit dem Rücken gegen den Tisch stellen und mit rückwärts gerecktem Arm den Schlüssel nie derlegen. So, meinte der Paule, fände er immer sofort das Nichtige heraus. Berthold Sturm trat neben den Tisch, nickte dem Männlein zu — und schwieg. Vielleicht hat cs ein. wenig in seinem Ge sicht gezuckt, und der rechte Arm hing etwas steifer herab als sonst. Die Hornissen be gannen schon w eder zu rumoren Sie waren gute Bekannte, da sie schon oft im Walde einander begegnet waren und ein kleines Gespräch über die Kriegslage geführt hatten Der Paule begann vom Wetter zu spre chen. Wie es doch so rasch vom warmen Sommerwind ins Gegenteil umgeschlagen habe; da sei es doch nicht zu verwundern, wenn sich die Menschen jetzt mit allerhand Leiden plagen müßten Warum regte sich denn der Ingenieur bei seinen Worten so auf? Er stieß einen leisen Schmerzenslaut aus und faßte an seinen rechten Arm „Und dann ist's einem, als wenn zwan zig Mäuse im Körper nagen täten/ — Berthold Storm ließ eine leise Verwün schung hören. „Nicht fluchen —" mahnte der Alte. „Geduld ist gegen mancherlei ein besser Mittel, denn Arznei. „Paule Paulsen/ sagte der Ingenieur rauh, „wenn cs mir um Geduld zu tun wäre, dann käme ich nicht zu Euch. Geduld kann mir jeder Doktor verordnen — und er hat's verordnet. — Der Ziegenpaulc grinste den Ing na», an. „Ach so, man is marode, man doktert schon/ er rückte sich auf seimm Stuhl zu recht, schlug ein Bein übers andere und saß in Nachdenken »erümken eine Weile da. Dann lächelte er auf einmal und reichte dem Besuch den großen Schlüssel herüber. Bert hold Sturm mußte sich umwenden und dann wurde ihm besohlen, den Schlüssel mit rück wärts ausgerecklem rechten Ann auf den Tisch zu legen. Er tat es solgsam. Aber ein leises A?ch- zen entfuhr ihm dabei, und Tränen traten in seine Augen. Aber dfr Z cgcnpaule sah seine Wut nicht. Er ging mit nusgestrecktem Zeigefinger um den Tilch he-um, betvegte den Mund und zupfte mit der linken Hind an seinem roten Bart Berthold Stuun empfand die henschendc Stille wie eine Wohltat. Die Schmerzen waren plötzlich verschwunden. Nach einiger Zeit schonte der Alte aul mit Augen, die wie aus der Fe>ne herkamcu „So — " sagte er, „nu hab' ich's her aus. Sie haben keinen Arzncimagen. Ihnen hilft allein der „Strom" Salben lun'c auch nicht, und auch die Warme allem wird's nick- schaffen. Wie ick sage — Ihnen rücken. Da gab er alle Zimperlichkeit auf, Hände. — in die kleine Ort, in dem Berthold Sturm andere Gerechte des Nachts unter der Hut des Meisters Säuerte schliefen. augelangt, als er über dem Wege stehen !z beladen war Und und Ob- Das hacke er vor- ß der Wagen vorn leichter zu bewegen sei als hinten. Er trat an die Deichsel. Eine sonderbare Glätt« hatte -das Holz. Einen Moment dachte er an des Alten bronzefarbme Hände. Aber hilft nur „der Strom". Oder ist Ihnen/ nicht schon vnü besser?" Berthold Slurm bejahte freudig. Die Schmerzen seien ganz verschwunden, meime er. in der gleichen Sekunde begann eine der Hornissen in seinem Arm ihren Stachel zu „Ihr müßt eben äbladen und zweimal fahren, lieber Mann Sonst schleppen Sie sich säst zu Tode " Der Atle nickle ooi sich hin. „Ja zwei mal dcn weitenWeg für fünfzig Pfennige." Das Mitleid des/JngenieurS wuchs. „Hört, guter Mann, ich weiß, wie cs zu machen wäre/ sagte er. „Ihr geht an die Deichsel und ich schiebe hinten. So bringen lvir den Karren auf die Höhe, und drüben läuft er dann von selbst." Der Alte spuckte in die Hände und sagte nichts. Er trat an die Wagendeichsel und drehte den ächzenden Wagen aus den Weg. Der Ingenieur stemmte die Arme gegen den es ih er die Hand Alte lacht wenn Sie Deichsel los und er einen Steinhagen am Wege und warVte, spuckte glk UN sich r hätte, legte Wagen. Der Gost, Herr. Aber hin möchten?" ie kamen glücklich den Berg her- ie es gegangen war, darüber war r nicht klar. Ihm wa ein Winde Hel Platt. " ' Wagen, die Füße gegen das glitschige Pflaster.' Er spürte, wie es in seinen Mus keln, in seinen Gelenken zu brodeln begann. ! Es war kein Schmerz. Nur eine Erinne- > rnng an Schmerz war cs. Dic Stirne ! wurde ihm heiß, und das Herz klopfte. Er- ! staunt lauschte er auf das Brodeln in seinem ! Innern, und dachte: „das ist der Strom." Und jetzt erst kam ihm der Gedanke, daß i das, was er soeben getan, eine Guttat war, eine Guttat mit den Händen. Sic ereichlcn den Gipfel und standen ani Kreuzweg still Es war keine Ader an Berthold Sturm, die nicht flog Der Alte fuhr sich mit dem Acrmcl über die perlend: Stirn und mein e: „Ja, ja, die Stadtherrn sind nichts gewöhnt —" Links in der Tiefe tag das Wiesewal mit dem Fließ, und einigen vereinzelten Billen, rechts drückte sich die kleine Siadt unter dem grauen Himmel zusammen, der Er war fast einen Wag sah, der voll mit nun kam h nter einem dec Holzstöße ein Mann helvm und grüßte Es war ein klei- ms, aunks Kcklcken in zerriss nem Kittel. Den Ingenieur erfaßte Mitleid mit dem alten Mann. Obwohl es sonst nicht seine Es war noch ein steiler Abftieg und dann ein weiter, ebener Weg bis dahin Aber so ein naßkalter Tag ist nichts für eine Nast auf dem kahlen Berge. Berthold Sturm sah dey steilm Weg an und dachte, wie wohl das Männlein, das soeben sorglos eine Prise nahm, mit seinem Wagen da herunterkommen werde, denn er hatte keine Bremse, Es hätte können ein Unglück geben. Das Männlein spuckie von neuem tn die Hände, reck c die Schultern, faßte an die Deichsel und sagte: „So — nun käme der zweite Teil." Ein kalter Windhauch traf den Inge nieur in den Nacken und brachte ihm zum noch ben. Als „Also," sagte, der Alte und rückte näher an den Ingenieur heran," gehen Sie nach Hause. Aber gehen Sie nicht am Fließ ent lang, gehen Sie über den Hainbcrg. Und gehen Sie heut nicht zu Bett, ehe Sie nicht drei Guttaten getan haben. Guttaten mit den Händen, nicht mit dem Geldbeutel. Ver stehen Sic, was ich meine? Ich kann Ihnen ja nicht sagen: Lun Sic's. Ich hab's Reißen nicht. Mir kann's gleich sein, ob Sie mir folgen wollen oder nicht. Ich sag' bloß, Ihnen hilft allein-„der Strom". „Was ist denn das „der Strom?" fragte der Ingenieur neugierig. Der Ziegenpaulc antwortete nicht so gleich. In fernem verwitterten Antlitz ! tauchten ein Paar neue Fältchen auf. Dann ! sagte er: „Der Strom, das ist das, was ! hilft, wenn dic Arzneien und Salben nicht - helfen, Aber wenn Sie's nicht glauben wol len — ich hab's Reißen nicht — " Berthold Sturm drückte dem Alten ein Geldstück in dic Hand und . verließ, lustig i pfeifend, das Häuschen. Es war ihm plötzlich ganz wohl und lcichl zumute. Sein Lieblingsweg führte am Fließ entlang. Aber heute ging er dicOi Weg nicht. Nicht etwa um des Verbotes willen, das der Ziegenpaule ausgesprochen hatte. Nur seine eigenen Erwägungen, daß cs am Wasser feudln und kalt sem werde und sich ' da das Reißen wieder einstelten könne, be wogen ihn, den gepflasterten Weg cinzu- i schlagen, der über den Hainberg führte. Ach, war es da oben schön! Frijch ft, ich der Wind über die abgeholzte F/che. T'e Luft war von balsamsicher Reinheit und Kraft. Ringsum sproßte junges Laub a» den Siräuchern, dic die Pfade umsäumten, i deren Windungen kreuz und quer liefen und hinab zum Lale führten Berthold Sturm schritt langsam, teils die Schönheit hier oben genießend, teils in den geheimen Ban gen, daß die Schmerzen wiederkehren könn ten. Und dabei fielen ihm wieder die drei Guttaten ein dic ihm der Ziegenpaulc ver schrieben Halle. Guttaten Mi' den Händen. Unsinn! Wie sollte er das heute abend noch fertig bringen? Er würde, zu Hause angelange, ein Salhcilpülverchsn nehmen und sich zu Bett l würde Walte um seinen. Arm pack» Art war, heute begann er mit dem Fremden ein Gespräch „Hobt Ihr Holz gesammelt?" fragte er leuücug Das Männchen schaut« auf den hochgcschichtcten Wagen und machte ein weinerliches Gesicht. „Ich? O nein! Ich hab' nicht mal einen Lien in dem ich's brennen könwe. Das »!- a bmr dem Nachtwächter Säuerle. Für den muß!« ich's holen" Er rückte an feiner Kapp.-. , mir wird angst, wenn ich sehe, geladen hat. . Jüngste mehr." 23 „Och, dat is man 'n beten Fischmehl!" „So, so — Fischmehl. Riecht sehr schön. Und wozu braucht man das? 5 148 Mark 50 Pfennig brachte Retzlaff aus Hohen-Lehnitz miß Und ein Pfund Mettwurst. Aber selbst auf diesen Lecker bissen mußte Traugott verz chten, denn er hatte sich ein Gallensteimeiden zugelegt, und alles, was nur entfernt an Schwein erin nerte, verursachte ihm einen heftigen Kolik anfall. Er vermied deshalb auch so v'el wie mög lich, im Bureau mtt Retzlaff aus der Regi stratur zusammenzutrefsen, denn dieser un eigennützige Freund nnd Schweinekundigc hatte den ganzen Winter hindurch Schinken auf seinen FiUhstücksstullcn. Merkwürdig viel Schinken. früh fuhr Herr Koepke, nachdem cr sich noch bei Retzlaff aus der Registratur Rat über Ferkclkäufe geholt hatte, unter den Segens- Wünschen der ganzen Familie nach Klein- ' Bullendorf. Als er spät am Abend heimkehrte, kam ihm Frau Mathilde schon erwartungsvoll auf dem Flur entgegen. „Hast du das Schwein, Traugott?" Traugott lachte etwas bezwungen. „Schwein? — Na weißt du. vorläufig ist es man 'ne sehr schwache Andeutung da von, und bis cs sich ausgewachicn hat — ach herrje!" — Er kratzte sich bedenklich hin- tcrm Ohr. — „Das kann uns noch 'ne Stange Gold kosten! — Aber die Schweine magd hat ihm gleich 'ne blaue Schleife an den Schwanz gebunden und will's ganz b.'- fonders kräftig füttern — da wird's ja Hof fentlich bald Fett ansetzen!" — Indes dieser schöne Glaube sollte sich als trügerisch erweisen „Mauste" — so hatten die Koepkeschen Kinder den neuesten Fami lienzuwachs getauft — sctzie kein Fell an. Im Gegen eil — cs wu d mm r kiimme - lichrr, fiel sicht! ch zusammen, und als Herr Koepke sich in seiner Not an Retzlaff aus der Registratur wandte, zuckte dieser vielsagend die Achseln. „Ja, lieber Kollege in nwnck>.m Wirt schäften' sterben gerade dic Pensionsschw? ne auffallend häufig! Ich würde Ihnen schlcu nigst zu einer Umquartierung raten!" Aber das war leichter gesagt als getan. Niemand in Klein-Bullendorf wollte mit fremden Ferkeln etwas zu tun haben, und erst nach stundenlangem Umherirrcn glückte cs Traugott, fe n Schmerzenskind bei „Mut ter Niedersch aus'm Vorwerk" anzubringen. Zloar war der Pensionspreis hoch—sehr hoch — und er sollte gleich auf ein Viertel jahr im voraus bezahlt werden — und der Knecht Anton mußte auch ein anständiges Trinkgeld bekommen — aber wenigstens hatte Mausi doch w eder eine Pflegemutter, die sich seiner mit aller Liebe anzunehmen versprach. Beim Abschied Pusfte sie ihn noch freundschaftlich in die Seile. „Und nu räch to veel bekieken kommen — dat schreckt dat Fett ab!" So brachte Traugott es denn fertig, vo'le sechs Wochen zu warten, ehe er Mausi wieder einen Besuch abstattetc. Das Herz schlug ihm förmlich vor ängstliche-.- Spannung, als er in den Nicderschcn Hof trat. Aber siche da — in e nc mächt g n Pfütze wälz e sich zwar unsäglich schmutzig, aber doch rund und nett und mollig — sein Mausi! Traugott wa - sel-g. Er fühlte das unab weisbare Bedürfnis, seine Freud« an iign^ jemand auszulassen und da Malle, Nieder ch nirgends zu erblicken war, so suchte cr Anton auf, der sich am Brunnen mit einem großen Tröge beschäftigte. Zuerst bedachte er ihn mit einem inhal's reichen Händedruck, und dann sprach er ihm wortreich sein Entzücken aus über Mausis prächtige Entwicklung, Aber — alle Welt noch mal! — er unter brach sich und fuhr, nist dem Taschentuch an die Nase — was roch denn hier so fürchterlich? Der Duft schien aus dem , Tröge zu kommen, in dem Anton gerade emsig herumrührte. Traugott schlug ihm auf die Schulter. „Sagen Sic mal, lieber Freund — was ist denn das eigentlich sür'n angenehmer Brei?" Anton grinste. Im Schweineloben stand Mausi grämlich vor dem vollen Futtertrog. Das Schwänz chen hing trüb znr Seite, und als Traugot! s ihr zärtlich die Hinterbacken klopfte, grunzte sie unfreundlich und schnappte nach seiner Hand. „Sie kennt mich nicht mehr! Sie hat hohes Fieber!" jaminerte Traugott. „Was meinen Sie, Retzlaff, ist es was Ernst liches?" Netzlafs blinkte ihm geheimnisvoll ! zu. „Ja, ich weiß noch nicht recht — es wäre möglich — immerhin, wenn man bedenkt — aber darüber können wir ja auch im Garten sprechen!" Er schob ihn mit auffallender Schnellig- i keil aus dem Stalle heraus, und kaum waren i sic hintcr ein paar Himbeerbüschen in Deckung, als er vor Traugott stehen blieb und ihn nur schmerzlichen Blicken musterte. „Armer Freund! Armer, bedauernswerter Freund! Haben Sie die blauen Flecke auf Mausis si'ase gesehen?" „Flecke?" stammelte Traugott. „Rein, ich glaube nicht — es ist — ist das was Schlimmes?" Retzlaff nickte traurig. . „Das Schlimmste, lieber Kollege. Mei- - stens sind diese Flecken nämlich ein Zeichen von Trichinose! Das heißt, ich kann mich natürlich auch irren — Sicheres ergibt erst die Untersuchung — und ein paar Sttickc würde man Ihnen ja wohl lassen" — — „Ein paar Stücke! Und die — die haben mich dann — gegen 500 Mark gekostet! Was soll ich bloß tun, Netzlafs — was soll ich?" Retzlaff sah sich vorsichtig um und hielt die Hand vor den Mund. „Wenn ich Ihnen raten solft Köpke — verkaufen Sie das Schwein an Herrn Kunze! Mehr wir 150 Mark wird er Ihnen ja nicht bieten, aber dann haben Sie dock auf alle Fälle etwas gerelttt! Selbstverslandl-ch ke n Wort zu ihm über den wahren Grund — es ist ja auch nur eine Mutmaßung von mir sagen Sie ihm, Ihre Nerven hielten die ewige Angst nicht aus oder so was Aehn- liches." Traugott wand sich wie ein Hecht an der Angel. Verkaufen sollte er seine Mausi — auf alle Genüsse verzichten, die sie ihm in Aussicht gestellt hatte, und noch bare 350 Mark dabei einbüßen! Oh, es war hart, sehr hart! — Aber wenn die Flecken wirk lich — — — „Ja, Netzlafs — es ist wohl das beste!" sagte er schließlich matt. „Und wenn Sic mir noch einen letzten Freundschaftsdienst leisten wollen, dann machen Sie die Sach.' mit Kunze ab. Ich möchte gleich nach Hause fahren — mir ist sehr schlecht. Anton grinste stärker. „Och, da süttern wir man 'n beten dat Schwin mit!" „Das Schwein? Mein Schivein? Aber ums Himmels willen — schmeckt es denn n-cht danach?" Anion grinste geradezu teuflisch wenig- stens kam es Traugott so vor. „Och, dat schmeckt denn bloe 'n beten Wal tranig." Tranig!! Der Schinken, der Speck, das Eisbein — tranig! Das war ja gar nicht auszudenken! Eine Schändlichkeit war das — eine Niedertracht! — Ganz gebrochen tam er am nächsten Mor gen ins Bureau und erzählte Retzlaff aus der Registratur, was sich Gräßliches ereignet hatte. Und ob er denn vielleicht jemand wüßte. Ja, Retzlaff wußte jemand. Er hieß Kunze und wohnte in Hohen-Lehnitz, Kreis Lebus. Es war auch kein gewöhnlicher Bauer, sondern ein Gutsbesitzer, und Mausi würde das Fischmehl am End' noch aus schwitzen, wenn es sofort von Mutter Nie dersch wegkam. Allerdings, der Pensions- vorschuß würde flöten gehen! — Der Transport Mausis von Klein-Bul lendorf nach Hohen-Lehnitz war eins der dunkelsten Kapitel in Herrn Köpkes Äebcn. Und die Tatsache, daß Mausis neuer Pftege- vater wirklich „etwas Besseres' war, hatte auch ihre Schattenseiten. Denn Herr Kunze strebte nach Bildung, liebte die Geselligkeit und war entzückt, auf dem Umwege über das Pensionsschwein so intime Beziehungen zu Berlin knüpsen zu können. Allsoni ägl ch um 3 Uhr erschien er bei Köpkes um über Mausi berichten — Retzlaff aus der Registra tur fand sich a!s beratender Sachverständiger ebenfalls ein, und da man im Hause nicht gut etwas anzubieten hatte, so mußte Vater Köpke sich zähneknirschend entschließen, die Gäste auf seine Kosten in einen oder mehr re Ausschänkt zu schleppen. Aber schließlich — Mausi wurde ja v n Woche zu Woche älter — üttcr und fetter — endlich mußte doch der Tag kommen, an dem sie das Zeitliche segnete und ihre glück lichen Erben mit Speck, Schinken, Wurst und Eisbein! Und dann — dann — Aber was sind Hoffnungen, was si'id Ent würfe! Eines Sonntags kam Herr Kunze auf fallend frühzeitig; fein dickes Vollmondge sicht war betrüblich in die Länge gezogen. Die Familie Köpke wurde bei seinem Anblick kreidebleich, und Traugott ging mit schlot ternden Knien auf den Gast zu „Mausi — ums Kimmels willen, was ist mi- Mausi?" Kunze zuckte betrübt die Achseln. „Ich weiß cs auch n cht — seit vor'chten Montag is sic schon nich recht mun er." — „Ja, aber haben Sie denn nicht den Tierarzt geholt?" „Jewiß doch — zweimal sojar" — dabei zog Herr Kunze eine umfangreiche Rechnung aus der Tasche — „aber dec hat bloß'n Ge sicht jeschnitten und jesagt: „Abwarten!" Traugott sicherte sörmlich vor Angst und Unruhe. Er wartete nur noch, bis sich Retzlaff aus dec Ncg'stratuc ebenfalls einge- funden hatte, und dann fuhr man zu dritt nach Hohen-Lehnitz.