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MMM ßk MlsW und Amgegenö Amtsblatt No. 92. , IS«. Jahrg Donnerstag, den 8. August 1907 für die Kgl. Amtshauptmannschaft Weihen, für das Kgl. Amtsgericht und den SLadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanueberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönderg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesfelsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck uuv Verlag von Zschunke 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Souuabeuds. Bezugspreis vterteljührltch I Mk. 30 Pfg„ durch die Post bezogen 1 Mk. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angmommm. Jnsertionspreis 15 Psg. pro viergesvalteue Korpuszeüe. Außerhalb des Amtsgmchtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 °/„ Aufschlag. Donnerstag, den 8. August d. I., nachmittags 6 Uhr öffentliche StndtgemeindeVntsfitzung. Die Tagesordnung hängt im Rathause aus. Wilsdruff, am7. August 1907. VÄVgSVM-tftSV» » Kahlenberger. Politische R«n-scha«. Wilsdruff, 7. August 1907. Deutsches Reich. Die Kaiserbegegnung in Swinemünde. Am Montag vormittag um 10 Uhr begab sich der Kaiser im VerkehrSboot Hulda nach dem Standart und fuhr von hier aus mit dem Kaiser Nikolaus an Bord der Deutschland, welche alsbald die Großadmiralsflagge im Vortopv und beide Kaiserstandarten in Großtopp setzte. Die Majestäten waren von den Herren des Gefolges der Armee und der Marine begleitet. Um 10^ Uhr lichtete die gesamte Flotte Anker, worauf ein Exerzieren der Flotte auf hoher See folgte. Das Wetter war sehr schön. Gegen 2 Uhr nachmittags kehrte die Flotte auf die Reede von Swinemünde zurück. An Bord der Deutsch land sand hierauf ein Frühstück bei dem Flottenchef Prinz Heinrich statt. Um 3^ Uhr verließen beide Majestäten die Deutschland. Der Kaiser geleitete Kaiser Nikolaus zum Standart. Auf sämtlichen Schiffen der Flotte brachten die Besatzungen ein dreifaches Hoch auf Kaiser Nikolaus aus; die Kapellen spielten die russische Hyme, und die Flotte feuerte Salut. Später unternahm Kaiser Wilhelm eine Segelfahrt auf der Iduna. Während sich bei der Beendigung der Manöver die Flotte in Marschstellung formierte, um wiederum nach Swinemünde zn dampfen, wurde von der „Deutschland" signalisiert: Der Zar und der Kaiser sprechen der Flotte ihre Anerkennung für ihre Leistungen aus. Der Zar hat, wie aus Gesprächen hervorgeht, während des Aufent- Halles vor Swinemünde den Leistungen der deutschen Flotte wiederholt warme, anerkennende Worte gezollt, vor allem dem Torpedobootsan griff. Der Zar soll den Ausspruch getan haben: Mit einer solchen Flotte könne man ganz Europa bezwingen! Der Sicherheitsdienst für den Zaren ist aber mals verstärkt worden. ES traf der Chef der russischen Geheimpolizei etu und begab sich auf den Regierungs dampfer „Swante", der ihn zur „Standart" brachte. Kein Boot darf sich dem Schiff nähern, auf dem sich der Zar befindet. Für die Absperrung deS Schiffes sind jedesmal sechs Dampfptuaffen der deutschen Hochseeflotte beordert. Der Regierungsdampfer „Swante", der an- geblich als Gepäckdampfer dient, ist in Wirklichkeit ein Polizeiboot. Auf jeder Fahrt, die der Dampfer macht, befinden stÄ Mei russisch sprechende deutsche Geheim polizisten an Bord. Regierungsmatznahmen gegen den Mädchenhandel. Die „Deutsche Liga gegendenMädchenhandel" hat durch ihren Präsidenten Major Wagner in einer Denkschrift bei dem Ministerium des Innern Schritte unternommen, um eine neue Maßregel gegen den Mädchenhandel in die Wege zu leiten und gleichzeitig die für Berlin geplante Kasernierung der Prostitution zu verhindern. Bekanntlich hat das Ministerium des Innern den Regierungsrat Lindenau beauftragt, die Sittltchkeits- verhältnisfe anderer Städte zu studieren und z. B. von Kopenhagen auch in Berlin neue Reformen einzuführen. Die „Inf- erfährt nun aus bester Quelle, daß die Regierung zurzeit mit Erwägungen beschäftigt ist, demnächst mit neuen Maßnahmen hervorzutreten, denen die genannte Denkschrift zugrunde liegen wird. Das ist auch in der Tat dringend nötig, denn daß die bisherigen Maßregeln in keiner Weise ausreichend sind, zeigt die Tatsache, daß immerfort von neuen Mädchenverschleppungen berichtet wird. Der König von Siam. Chulalongkorn l., Herr des weißen Elefanten, König von Siam, Herrscher der Laos und Malaien, Bruder des Mondes, Halbbruder der Sonne, oberster Gebieter der Ebbe und Flut, Besitzer der 24 goldenen Regenschirme usw., der soeben in Berlin eingetroffen ist und wahrscheinlich noch im Laufe der nächsten Woche in Kassel mit dem Kaiser eine Zusammenkunft haben wird, ist eine der interessantesten Persönlichkeiten der östlichen Welt. Scharf ausgeprägt vereinigen sich in ihm die Eigentümlichkeitendes Orientalen, ein Stimmungsmensch, unberechenbar in seinen Einfällen und mit der naiven Freude am Exzentrischen; dabei ein Mann von lebhaftem Humor und einem scharfen, ziel sicheren Witz, dessen Treffsicherheit schon mancher Herr seiner Umgebung empfinden mußte- Mißtrauisch und arg wöhnisch, wie die meisten ostasiatischen Despoten, ist er im Umgang doch von einer außerordentlichen Liebenswürdig keit, erweckt mit seinem freundlichen Wesen überall Sym pathien und wo er einmal Bertranen gefaßt hat, ist er in seinen Neigungen beständig und treu wie wenige Männer des Ostens. . . Als Herrscher war er nicht von Anbeginn an der regsame, umsichtige und zielbewußte Regent, der er heute ist; er hat seine Weisheit erst durch bittere Erfahrungen erringen müssen. Das Jahr 1893, als die französischen Schiffe seine Hauptstadt mit dem Bombardement bedrohten, bezeichnet den schroffen Wende punkt in seinem Herrschertum. Bis dahin waren die Rcgierungsgeschäfte seine kleinste Sorge; während die Franzosen die gepanzerte Faust auf Chulalongkorns Küsten legten, genoß der König in stiller Beschaulichkeit die Freude des Lebens. Bitter war das Erwachen, aber mit ihm kam auch ein Umschwung, so entschlossen, so hart und un- vermittelt, daß seine Umgebung mit fortgerisfen wurde. Von jenen Tagen an war Chulalongkorn der starke Vor kämpfer westlicher Reformen, und in der Geschichte seines Landes wird das als sein Ruhmestitel fortleben. Heute ist der König mit allen Errungenschaften westlicher Zivili sation vertraut und auch sein Leben trägt den Stempel der Moderne. In seinem Palaste in Bangkok ist neben dem großen weißen Elefanten ein elegantes 40 Hk. Automobil installiert. In seinem Arbeitszimmer rasselt die Telephonglocke, und eia indischer Stenograph steno- graphiert die Weisungen, die ihm der Monarch in fließen dem Englisch in die Feder diktiert. Schon früh hatte Chulalongkorn mit dem Studium der englischen Sprache begonnen, und ein amüsanter Vorfall, den der Engländer Hamilton erzählt, bezeugt den Lerneifer des damals noch jugendlichen Monarchen. Um Mitternacht wird plötzlich der britische Konsul geweckt: er möge sofort zum König in den Palast kommen. Besorgt tausend Möglichkeiten, Revolution und diplomatische Zwischenfälle erwägend, stürzt der Beamte zum Palast. Ohne Zeremoniell führt man ihn eilends zum König. Er findet den Monarchen tm Nachtgewand, vor sich eine englische Grammatik i Chula longkorn wollte einen präzisen englischen Ausdruck für das Wort „Phi", das eine Menge von Deutungen zuläßt, Geist, Seele, Teufel, Gespenst. Der Diplomat war etwas ver blüfft und auch ein wenig in seiner Amtswürde gekränkt, aber er fand sich in das Unabänderliche und bemühte sich, dem König zu erklären, was er wissen wollte . . . Von jeher liebte es Chulalongkorn, durch Reisen seinen Gesichts kreis zu erweitern und die Eigentümlichkeiten fremder Länder aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Sein Palast zeigt in allem die intime Fühlung mit dem Westen; es ist ein in prächtigem Renaissancestil errichtetes Gebäude, und mehr als dreißig Räume sind völlig europäisch ein- gerichtet. Der große Salon ist in kostbarem spanischen Mahagonie eingerichtet, und nur tm Audienzsaal sieht man siamesische Ornamente, Osten und Westen verschmelzend Um den Palast zieht sich ein geweihtes Tau, das nach dem Landesglauben die bösen Geister von dem Heim des Herrschers fernhält, von dem inneren Palaste jener ge heiligten Stätte, die die Siamesen nicht aussprechen dürfen. Hier bitzen im Sonnenschein auch die Glasscheiben des Unterseehauses, eine entzückende aus Kristallglas konstruierte Sommervilla, die in den heißen Sommermonaten inS Wasser versenkt werden kann. Oft besucht der König diese seltsame verschwiegene „Sommerfrische", mit wenigen seiner Lteblingsfranen besteigt er das schwimmende Heim, über dem dann bald die Wogen zusammenschlagen. Jetzt freilich liegt es still auf der Wasserfläche. . . Der König selbst ist von zierlicher, kleiner und graziöser Ge- stalt, und die elegante Erscheinung mit dem lichtoliv farbenen Teint, den schwarzen Haaren und den kleinen, schmalen, edelgeformten Händen und Füßen übt einen seltsam anziehenden Zauber. Auf seine Kleidung ver wendet er große Sorgfalt, und niemals wird mau ihn anders sehen, als in Anzügen von tadellosem Sitz und geschmackvoll abgetönten Farbenabstimmungen. In Bang kok zieht er die militärische Tracht europäischen Musters den malerischen Gewändern seines Landes vor; dort kann man ihn in einer einfachen, schmucklosen Uniform sehen, die scharf kontrastiert mit den überladenen Prunk gewändern mit der Entfaltung von Glanz und Pracht, die die indischen Potentaten, seine Nachbarn, zu entfalten pflegen. Und die schmucke, bescheidene Kleidsamkeit seiner Tracht wird erhöht durch die natürliche Grazie seiner Gestalt, durch edle Anmut seiner Bewegungen. Nur im Privatleben legt er bisweilen die Landestracht an, die für beide Geschlechter die gleiche ist. . . Wie die meisten asiatischen Herrscher hat auch Chulalongkorn viele Frauen. Es ist ein alter Brauch der siamesischen Aristokratie, ihre schönste Tochter dem König zu weihen. Werden sie an genommen, so verschwinden die reizenden Geschöpfe auf immer im inneren Palast u. nie mehr verlassen sie dessen Bannkreis. Nur der König, sonst kein anderes männliches Wesen darf diese geheiligte Stätte betreten. An Stelle von Eunuchen umgeben weibliche Dienerinnen die Er wählten des Herrschers. Mehr als hundert Söhne nennen Chulalongkorn ihren Vater. Die Frauen sind streng nach Rangklaffen gegliedert, neben der ersten Königin, der Mutter deS Kronprinzen gibt es 41 zweite Königinnen und ein ganzes Heer von Konkubinen. Die Königin ist eine reizende Erscheinung, klein, schlank, in dem ovalen Gesichtchen ein Paar dunkelleuchtender Augen. Ihr reg samer Geist hat sie schnell zur Vorkämpferin westlicher Sitten gemacht und wie der König in Regierung und Hofsttten, so hat auch sie unter ihren Hofdamen freiere Sitten eingeführt und sie findet es selbstverständlich, daß bei ihren Ausfahrten eine Anzahl ihrer Hofdamen sie begleiten — auf Fahrrädern. . . Ausland. Cyrill, der Rehabilitiert- ... Aus Petersburg wird berichtet: Großfürst Cyrill, der Gatte der geschiedenen Großherzogin von Hessen, ist von Tegernsee, wo er seinen Sommeraufenthalt genommen hatte, nach Petersburg gefahren. Nach seiner Heirat ist dies das erste Mal, daß Cyrill sich wieder in seine Heimat begeben hat, aus der er durch den Groll seines kaiserlichen Herrn und Vetters verbannt war. Inzwischen ist es aber dem Großfürsten Wladimir, dem Vater des Cyrill, der bei seinem Neffen, dem Zaren in hohem Ansehen steht, gelungen, den Kaiser gegen Cyrill milder zu stimmen. Es verlautet, daß der Kaiser sich auch schon mit der Ehe seines Vetters auSgesöhnt habe, nnd die Einsetzung des Großfürsten in seine früheren Ehren und Aemter bevor stehe. Ja, sogar seine Gemahlin soll wieder am Zaren hofe in Gnaden ausgenommen sein. Unter diesen Um ständen beabsichtigt der Großfürst seinen Wohnsitz wieder nach Petersburg zu verlegen, da er sich fern von seiner Heimat nie wohlgefühlt habe. Auch seine Gemahlin kehrt nach lange Abwesenheit zurück. Rasch- Justiz. Aus Belfast kommt die Meldung, daß zwölf Aus ständige im Zusammenhang mit den Sonnabend statt gehabten Unruhen zu Strafen von einem bis sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurden. Verhaftung eines Anarchisten in Italien. In Lugano wurde der italienische Anarchist Bono- metti, Redakteur der „Protesta Umana", verhaftet, weil er in Proklamationen zur Ermordung des Königs Viktor Emanuel aufgefordert hatte, um den Tod Brescis, des Mörders des Königs Umberto, zu rächen.