Volltext Seite (XML)
MM H, KAW und Amgegen- Amtsblatt 66. Jahrg No. 9V Sonnabend, den 3. August 1907 Mr die Kgl. Anttshauptmannschäft Weitzen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie Mr das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grunv bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltig-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bet Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmtevewalve, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck und Verlag von Zschunle 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redallton und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, sür den Inseratenteil: Arthur Zschuule, beide in Wilsdruff. Inserate werden Montags, Mitwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 15 Psg. pw viergesvalteue Korpuszeile. Außerhalb des AmtsgeckhtsbeMs Wilsdruff 20 Pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/o Aufschlag. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Ml. 30 Pfg., durch die Post bezogen 1 Ml. 54 Pfg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. Das im Grundbuche für Wilsdruff Blatt 671 auf die Namen Paul Wilhelm Kelm u. Karl Fürchtegott Oswald Herrich eingetragene Gr md stück soll am September 190?, vormittags 40 Ahr an der Gerichtsstelle im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. Das Grundstück ist nach dem Flurbuche 6,1 Ar groß und auf 16000 Mk. geschlitzt. Es besteht aus einem erst im Rohbau und Putz fertig gestellten massiven Eckwohnhaus und liegt in Wilsdruff an der Hohen-Straße. Die Einsicht der Mitteilungen des Grundbuchamts, sowie der übrigen das Grund stück betreffenden Nachweisungen, insbesondere der Schätzungen, ist jedem gestattet. Rechte auf Befriedigung aus dem Grundstücke sind, soweit sie zur Zeit der Ein- tragung des am 15. Juni 1907 verlautbarten Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuche nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermtne vor der Auf« forderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt und bei der Verteilung des Versteigerungserlöses dem Ansprüche deS .« Gläubigers und den übrigen Rechten nachgesetzt werden würden- Wer ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht hat, muß vor der Erteilung des Zuschlages die Aufhebung oder die einstweilige Einstellung des Verfahrens herbei« führen, widrigenfalls für vas Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des ver steigerten Gegenstandes tritt. Wilsdruff, 24. Juli 1907. i? Königliches Amtsgericht. politische Rttirdscha«. Wilsdruff, 2. August 1907. Deutsches Reich. Der Groß Herzog und die Sittlichkeitsfanatiker. Vor dem neuen Kunstgewerbe. Institut in Weimar steht zum Entsetzen vieler eine nackte Nymphenfigur. Da dem Grobherzog nicht unbekannt geblieben ist, daß von gewisser Seite lebhaft für die Entfernung der Figur agitiert wird, hat er, einem Erfurter Blatt zufolge, bei einer Hoffestlichkeit einen Weimarer Herrn, der zum höheren Schulwesen Weimars in engster Beziehung steht, gefragt, ob er das Bildwerk gesehen habe und wie's ihm gefalle. Der Gefragte erklärte, die liebliche Plastik bedeute sür ihn einen ganz reizenden Schmuck des Platzes vor dem Institut. „Das meine ich auch", fügte der Groß herzog hinzu; „ich wollte eigentlich das Figürchen photo graphieren lassen und jedem Schüler ein Bild davon schenken, damit er sich an die Erscheinung der nackten Gestalt gewöhnen lerne." Frisch, sromm, froh, frech! Aus dem Liedecbuche der sogenannten freien, sozial- demokratischen Turn-Vereine, bei denen schulpflichtige Handwerkslehrlinge mitmachea, gibt die„Augsb. Abendztg." in einer Zuschrift aus Bayreuth folgende Probe zum besten: „Rekruten-Abschied." 1. Nun füllt die Gläser bis zum Rand — Und stoßet freudig an, — Noch eint uns ja das Bruder- band — Als freier Turnersmann; — Noch fesseln euch nicht Schlingen, — Wie sie die Knechtschaft zieht, — Noch dürft ihr fröhlich fingen — Der Freiheit stolzes Lied. 2. Ihr Turngenossen jung und frisch, — Bald weilet ihr uns fern, — Dann tragt ihr einen Fieder« wisch — Und wohnt in der Kasern'. — Dort drillen euch die Schranzen — Zu Krieg und Völkermord, — Dort müßt ihr willig tanzen — Nach dem Kommando wort. 3. Dort kriegt ihr einen bunten Rock — DaS ist des Könizs Dank — Und einen Säbel für den Stock — Und einen Helm gar blank. — Dort wird man euch auch sagen, — Es sei das Volk gemein, — Und ihr im bunten Kragen — Sollt seine Herren sein. 4. Wir aber sagen keck und frei: — DaS ist nur Lug und Trug, — Des Volkes Will' der höchste sei, — Das alle Herren schlug! — Wir tragen alle Lasten, — Wir halten rings die Welt, — Und unsres Schiffes Masten — Nicht Blitz noch Sturm zerschellt. 5. Vergeßt nicht ob dem Flitterkram, — Daß ihr des Volkes Kind, — Daß man euch eure Freiheit nahm, — Und daß wir Brüder sind. — Gedenkt der frohen Stunden, - Denkt an der Freiheit Glück, - Und ist das Joch geschwunden, — Kehrt bald zu uns zurück. 6. Auf daß ihr stets die Unsern bleibt, — Erheben wir das Glas, - Wie auch sein Spiel das Schicksal treibt, — Nie werdet lau und laß! — Wir stoßen hell zusammen: - Der Freiheit gilt das Hoch! - Sie soll das Herz entflamme« - Selbst unterm Kriegsdrill noch! „Was sagen die Schulaufsichtsbehörden dazu?" fragt das liberale Augsburger Blatt. Ach du lieber Gott! Das sind ja die Henen Kapläne, die ihren roten Wahl- verwandten doch nicht auf ihr bestes Hühnerauge treten werden. Und was nutzt eS, den Teufel bei seiner Groß mutter zu verklagen? Ist die Sozialdemokratie nicht schon aus dem berufenen Munde eines Dichters und Sehers, deS Zentrumsbarden Stadtpfarrer Anton Kohl Ingolstadt, bei den Münchner Castnesen als dir gottgewollte Schutztruppe der ganzen, schönen Zentrumsherrlichkeit in Bayern erklärt worden? Eine Genugtuung für den „gefesselten Redakteur". Man hat in Mühlhausen i. E. doch Angesehen, welch ungeheuren Mißgriff man mit der Fesselung des als Zeuge vernommenen sozialdemokratischen Redakteurs Wicky beging. In einem Schreiben an ihn bezeichnet der „Frkf. Ztg." zufolge der Landgerichtspräsident und der erste Staatsanwalt das Vorgehen des Untersuchungsrichters, der Redakteur Wicky gefesselt vorführen ließ, als einen bedauerlichen und unglaublichen Mißgriff, für den Wicky die gebührende Genugtuung ohne Zweieel zuteil werden dürfte. Und das mit Fug und Recht! Gegen St. BureanEratisrnus. Das bayrische Ministerium des Innern veröffent licht einen Erlaß, der Bestimmung über die Vereinfachung des dienstlichen Verkehrs, vor allem des Schreibwerks, zur genaueren Beachtung in Erinnerung bringt. Der neue Erlaß will vor allem auch den übertriebenen For- malismus bei Prüfung der Rechnung vermieden wissen. Er fordert die Behörden auf, Erfahrungen über weiters Möglichkeiten zur Vereinfachung des Geschäftganges im Verwaltungswesen zu sammeln und nach Ablauf eines Jahres darüber zu berichten. Bayern wird sich ein Ver dienst damit erwerben, wenn es den Anfang damit macht dem hl. Bureaukratismus seine Zöpfe abzuschneiden. Ob es aber gelingen wird? Solche Erbübel pflegen fast un, ausrottbar fest zu sitzen. Die Zwangsverwaltnng im Lehnsfürstentum Saga«. Ueber das Lehnsfürstentum sagan wuroe die Zwangs- Verwaltung verfügt, da die herzogliche Kaffe auf Ver anlassung deS französischen Gläubigers des Herzogs ge- pfändet worden ist. Zum Verwalter wurde Graf Hatz- feldt bestellt. Ein hübscher Hereinfall ist der klerikalen Prager Zeitung „Cech" passiert. Be kanntlich findet demnächst tn Prag ein internationaler Fretdenkerkongreß statt — nicht gerade zur Freude des „Cech". Einige Prager Spaßvögel machten sich nun die Antipathie des „Cech" gegen die „Freimaurer" zunutze und wetteten, ob der „Cech" eine Notiz, die sie ihm auf einer Postkarte zuschickten, veröffentlichen würde. Wenige Tage später las man im „Cech" folgendermaßen: „Der Freidenkerkongreß ist darum nach Prag verlegt worden, weil Prag mit Rom und Paris ein Dreieck bildet, dessen Spitze gegen Rom gerichtet ist." — Die Herren tn der Redaktion des „Cech" waren höchst wahrscheinlich vom Teufel Bitru mit Blindheit geschlagen worden. Ausland. In Nutzlanv wird Wetter geraubt. Dienstag nachmittag drangen, wie aus Petersburg gemeldet wird, acht mit Revolvern bewaffnete Personen in eine Privatlombardbank auf der Petersburger Seite ein. Nachdem sie die Eingangstür verschlossen hatten, stürzten die Räuber zur Kasse und raubten ungefähr 4000 Rubel. Bei der Verfolgung der Räuber wurden zwischen diesen und Polizeibeamten Schüsse gewechselt. Ein Räuber wurde getötet, ein anderer verwundet und gefangen. Von der Polizeibeamten wurde einer getötet und zwei verwundet. Selbstverrat eines Bombeuwerfers. Aus Konstantinopel wird der „Schles. Ztg." ge meldet: Der Urheber des Bombenwurfes in der Großen Perastraße, durch den am Karfreitag d. I. mehrere Personen getötet nnd verwundet worden sind, ist jetzt auf seltsame Weise entdeckt worden. Unter den Ver wundeten befand sich auch der als Spion des Hofes berüchtigte Steuerbeamte Anton Kötscheoglu, ein Armenier, den man schon damals beschuldigte, das Attentat vor seinem eigenen Hause veranstaltet zu haben, um sich nach Lockspietzelart für sein „bedrohtes Leben" beim Sultan um so höher in Gunst zu bringen. Tatsächlich wurde der Mann, der in dem Augenblicke, als er eine benach barte Konditorei verließ, von einem Bombensplitter am Beine getroffen worden war, auf Befehl des Sultans so fort in das Hamidieh-Krankenhaus gebracht und mit einem Schmerzensgelde von 5000 Frank entschädigt. Die Untersuchung nach dem Täter blieb erfolglos, bis in den letzten Tagen ein Zufall auf die Spur führte. KötscheogluS Bctnwunde hatte sich trotz viermonattger Pflege im Hospital zuletzt so verschlimmert, daß die Aerzte eine schwere Operation für unvermeidlich erklärten. Da der Patient sich entschieden weigerte, wurde er eines Tages im Schlafe chloroformiert und die Operation voll zogen. Wie staunten aber die Aerzte, als der Kranke, noch im narkotischen Schlummer befangen, plötzlich in heftige Vorwürfe gegen seinen Bedienten ausbrach, den er vor sich zu haben wähnte: „Habe ich Dir nicht befohlen, Dir Zeit zu lassen, Du Dummkopf, und zu warten, bis ich weit genug weg sein würde?" Diese wörtlich wieder- gegebenen Aeußerungen, die im Zusammenhangs mit anderen, noch belastenderen Ausrufen einem Geständnis der Urheberschaft des Bombenwurfes gleichkamen, wurden von den Aerzten sofort protokolliert und dem Sultan ge meldet. Noch an dem selben Tage kam der kaiser liche Befehl, Kötscheoglu trotz seines Zustandes sofort in das Militärhospital innerhalb der Mauern des AildiS überzuführen, wo der Sultan selbst in sehen und ver hören wolle. Weiteres hat man seither nicht gehört, und bei der völligen Abgeschlossenheit der freiwillige» oder unfreiwilligen Insassen des Mdiskiosk ist auch fraglich, ob jemals wieder ein Lebenszeichen von diesem entlarvten »gsvt provocatsur an die Oeffentlichkett kommt. Der Letter der armenischen Erpresserbande verhaftet. In New-Aork ist Levont Martoogessian, das Haupt der armenischen Priesterschaft in Amerika, verhaftet worden. Er wird beschuldigt, an der Spitze der inter nationalen Mörder- und Erpreffergesellschaft zu stehen, deren zahlreiche Schandtaten in New-Bork in jüngster Zeit so großen Schrecken verbreiteten. Die Anklage gegen Martoogessian lautet auf Erpressung; es sind mit ihm aber noch sechs Helfershelfer verhaftet worden, gegen die demnächst wahrscheinlich die Anklage wegen Mordes er hoben wird. — Die armenischen Geheimgesellschaften, deren einzelne Banden bekanntlich über die ganze Erde verbreitet sind, arbeiten überall, auch in ihrer Heimat, mit den gleichen schauerlichen Mitteln. In dem türkischen Vtlajet Wan, dem alten Schauplatz der Greueltaten von Armenieren, wird jetzt nach einer Meldung aus Kon stantinopel die Lage infolge des Anwachsens der revo lutionären Bewegung unter den Armeniern immer beun ruhigender. Der Gehilfe des Vali von Wan, ein Armenier, hat telegraphisch um seine Enthebung gebeten, da er sich infolge von Todesandrohungen armenischer Revolutionäre nicht mehr sicher fühlt. Der Gehilfe des Katmakams von Ghevasch, Armenak Effendi, gleichfalls ein Armenier, wurde auf offener Straße von einem Revolutionär ge tötet, als er sich vom Konak in seine Wohnung begab. Der Mörder wurde verhaftet. Der König von Annam in feinen Palast interniert. Die „Agence Havas" meldet: Gemäß dem kürzlich gefaßten Beschlusse der französischen Regierung hat der Resident von Annam die Festsetzung des Königs Thanh Thai in seinem Palais und gleichzeitig die Einsetzung des Regentschaftsrates verfügt, der aus dem