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Beilage zu Nr. 84. Sonnabend, 20' Juli 1907. MMatt für MW preireStsel. Mit ll begehrt man's allerort, Mit fs lehrt es Gottes Wort. Für die richtige Lösung des Preisrätsels setzen wir eine Bücher-Prämie aus. Es wird unter denjenigen richtigen Lösungen gelost, die bis Mittwoch mittag in der „Redaktion des Wilsdruffer Wochenblattes" mit der Auf schrift: „Preisrätsel-Lösung" eingegangen sind. Um Un zuträglichkeiten bei der Auswahl der Gewinne zu vermeiden, muß die Lösung außer dem Namen und Wohnort auch die Altersangabe des Abonnenten enthalten. Betrachtung zum 8. Sonntage nach Trinitatir. Joh-, 15, 5. „Ohne mich könnet ihr nichts tun" das ist ein Wort des Herrn Jesu, welches der Wahrheit nicht zu entsprechen scheint; ohne ihn können wir gar viel tun, sagen Hunderte in unseren Tagen! Wir könne ohne ihn unsern Verstand ausbilden, lernen, erwerben, genießen, sterben! Wir brauchen ihn überhaupt nicht im Leben! wir kommen ohne ihn aus! er kann uns gar nichts nützen und helfen! und doch hat der Herr recht! Abgesehen davon, daß die mit Blindheit und Hochmut geschlagen sind, welche meinen, schon im äußeren Leben ihres Berufes und Erwerbes hätten sie sich allein alles Gedeihen und allen Erfolg zuzuschreiben ihrer Einsicht, ihrer Kraft, während doch diese nicht im geringsten zureichen und alle Anstrengungen des Leibes und des Verstandes vergeblich sind: so es in Gottes Rat anders beschlossen ist und er seinen Segen nicht dazu geben will; abgesehen davon, daß Menschen, welche sonst gleichwertig sind, darum sehr verschiedene Erfolge im Leben haben können und so es deutlich genug auf der Hand liegt, daß ein Andrer noch mit hineinzu reden hat, der sie nach seinem Willen führt und wenn eine Führungen und Schickungen oft rätselhaft sind, doch ührt, mögen's die Menschen leugnen oder nicht; abgesehen >avon also, daß es auch hier gilt, „ohne mich könnt ihr nichts tun", hat dies Wort des Herrn erst recht Gültigkeit auf geistlichem, religiösem Gebiete. Wir können nichts tun ohne ihn zu unserer Besserung, Heiligung, Frieden, Seligkeit! Wir mögen noch so guten Willen haben, noch so sehr kämpfen und ringen gegen das Böse, welches seine Burgen hineingebaut hat in unsere Herzen, welches seine Macht stützt auf unsre Sinnlichkeit und Leidenschaft und in ihnen seine besten Bundesgenossen findet, welches von Außen durch Menschendinge und Verhältnisse uns versucht, wir können nichts dagegen tun, wenn nicht der Herr mit seinem Geiste zur Herrschaft in uns kommt, wenn wir ihm nicht unser Inneres erschließen, wenn wir nicht die Mittel benutzen, durch welche er auf uns wirken will: das ist das Wort Gottes, das Gebet, die Sakramente; sie sind die Kanäle, durch welche seines Geistes Ströme in uns hineinfließen und je mächtiger sie in uns werden, desto gewaltiger auch die Bollwerke des Bösen in uns Niederreißen und unser Herz reinigen. Es kommt alles auf die innige Seelengemeinschaft mit dem Herrn Jesu an, je inniger sie sich gestaltet, desto mehr können wir in seiner Kraft tun, desto besser und heiliger können wir werden! Und doch auch bei dem Besten und Strebsamsten unter uns bleibt bis zuletzt noch viel zu tun übrig! wenn er's nicht für uns tut, sind wir bei allem heiligen Ernste und Eifer doch zuletzt ver loren! Die Schuld häuft sich trotzdem mit jedem Tage! Wir können sie uns mcht selbst von Herz und Leben wälzen; er aber hats getan und tuts für uns: am Kreuz hat er unsere Strafe auf sich genommen, so sind wir straffrei durch ihn und um seinetwillen vor Gott und können getrost einst hinübergehn vor sein Angesicht. Er hat's für uns getan und tuts für uns! Der Glaube an diese altbekannte Wahrheit des Evangeliums ist die einzige Quelle des Friedens und der Hoffnung für das viel versuchte, gequälte und schuldbeladene Menschenherz; ohne den Glauben an die sühnende Tat Christi kommt heute noch niemand zur Ruhe! Tore sind, welche sich selbst dieses höchsten Gutes berauben! was nützt alles Gerede von Menschenwürde und Menschengröße, die sich selber zu helfen vermöge, das hat auch Niemandem geholfen und innerlich geheilt! und das eigene Herz straft sie Lügen Christi Person und erlösend versöhnende Tat ist der Friede für jeden, der sich in Demut und Heilsbegier an ihn hält „ohne mich könnt ihr nichts tun"! Die Erkenntnis dieser Wahrheit, ist die höchste Weisheit, in ihr liegt das höchste seligste Heil! Aur Sachen. Wilsdruff, den 19. Juli 1907. Am Sonntag abend, kurz nach 12 Uhr, spielte sich im Automaten-Restaurant auf der Seestraße in Dresden ein Zwischenfall ab, der an Komik nichts zu wünschen übrig ließ. Um diese Zeit pflegt im genannten Lokale noch einmal der Verkehr zu großer Lebhaftigkeit aufzu flackern. Am Sonntag abend wurde die angeregte Unter haltung urplötzlich durch die laut schimpfende Stimme eines alten ehrwürdigen Herrn unterbrochen. Sämtliche verfügbaren Bedienungsmannschaften stürzten sofort nach der bedrohten Stelle. „Den Geschäftsführer her; ich will den Geschäftsführer sehen! Das ist ja Vorspiegelung falscher Tatsachen!" In höchster Ekstase schwirrte der Geschäftsführer herbei, nach der Ursache de? Krawalls forschend; kaum, daß es ihm gelang, sich durch den Menschen- knäuel, der den Erregten umgab, htndurchzuarbeiten. „Hier uff den Schild steht: „Appetit-Sylt!" und daderbet find es Läberwurschd-Semmeln. Ich wollde Appetit-Sylt un will meinen Jroschen wieder haben!" polterte der Alte. Es kommt nämlich im Automaten-Restaurant öfter vor, daß eine gewisse Sorte Brötchen ausgeht, und dann kann man mitunter Kaviarsemmeln im Behälter der Käse- bemmchen vorfinden und dergl. Der Alte hatte im guten Glauben an die Echtheit des Schildes statt der Sylt- eine Leberwurst-Semmel erwischt und wurde erst von seinen Freunden auf die Unterschiebung aufmerksam gemacht. „Wo haben Sie denn die Leberwurst-Semmel?" forschte der Geschäftsführer. — „Die hab' ich gegessen; als ich den letzten Happen hinter hatte, hab ich's bemerkt!" rief der alte mit Stentorstimme, seine 10 Pfg. wieder heischend. Als diesem Verlangen nicht entsprochen wurde, drohte er mit Klage und notierte sich verschiedene Namen, um die Betreffenden in dem zu erwartenden Prozesse als Zeugen zu verwenden. — Auf den Prozeß um einen Groschen wird alle Welt warten!! Gemeinsam in den Tod! In dem Elster-Saale- Kanal, und zwar zwischen der Gießer- und Friedrich August-Straße in Leipzig-Lindenau wurden am Mittwoch — 24 — „Wollen sie mit dem musikalischen Teil beginnen, mein Fräulein," sagte sie mit verbindlicher Artigkeit, „meine Gäste brennen vor Begierde, sie zu hören. Ernö Apany wird die Güte haben, sie zu demZJnstrument zu begleiten." EM„Mit dem größten Vergnügen," entgegnete dieser und bot Irma den Arm. Obwohl ihr Ernö Apranys Persönlichkeit äußerst unsympathisch war, wagte Irma keine Ablehnung der freundlich gebotenen Galanterie. Aus den Unterhaltungen der Dienerschaft war es ihr bekannt geworden, daß der junge, wegen berüchtigter Liebeshändel aus Budapest in eine kleine Garnison versetzte Husarenoffizier sich eifrigst um Frau von Töröks Gunst bewarb, außerdem jedoch noch den hübschen Dienstmädchen der ganzen Umgegend nachstellte, was ihm den Ruf eines gefürchteten Mädchenjägers eintrug. mit Widerwillen ging Irma an seiner Seite zu dem Instrument. War es ihr doch, als müßten ihr unter den heiß lodernden Blicken Apranys die Töne versagen. Tiefer Abscheu erfüllte ihre Seele. Ohne sich lange zu besinnen, griff sie nach einem der aufliegenden Notenblätter und begann ihr Spiel. Der Zufall hatte ihr eine Schumannsche Komposition in die Hände geführt. Dem Gedankenstrom ihres Lieblingskomponisten folgend, vergaß sie die glänzende Außenwelt und lebte nur den Tönen des großen Meisters. Stürmisches Beifallklatschen lohnte ihren Vortrag und rief sie in die Wirklichkeit zurück. Die begeisterten Gäste umringten sie mit Beifallsbezeugungen. Auch Karoly Gervay, der erst spät gekommen war und an einem Pfeiler lehnend dem Vortrag gelauscht, dankte ihr mit glückstrahlendem Lächeln. Frau von Török sah, wie er alle Rücksicht, alle Bedenken vergessend, Irmas Hand an die Lippen zog. Etelkas Haß kannte keine' Grenzen mehr. „Luft, Luft, ich er- sticke," murmelte sie. „Aprany, wollen sie mich für einen Augenblick in ein Neben zimmer geleiten?" fragte sie mit vor Erregung heiserer Stimme den neben ihr stehenden Magnaten. „Wie gern!" Mit leisem Spottlächeln bot er ihr den Arm; „Karoly Gervay scheint^ seine Pflichten zu vergessen, der Anblick ihrer schönen Hausgenossin hat ihn ganz bezaubert." Ein finsterer Blick streifte ihn. „Ersparen sie sich den Spott, Aprany, auch ich habe Augen, zu sehen; Karoly Gervay ist nicht der einzige, der jenen Fallstricken erliegt. Etelka Török ist zu stolz, um mit einer Gouvernante in die Schranken zu treten." „So schaffen sie sich die lästige Rivalin vom Halse, ich biete ihnen meine Hand dazu, Etelka. Lassen sie mir freie Bahn und der Erfolg wird sicher sein." — 21 — Irma bog sich nieder, um einige der Tiere aufzunehmen, allein Geza leistete heftig Widerstand und schlug unbarmherzig auf die winselnden Jungen ein. Diana, die Hündin, die an eine Kette gefesselt, der Mißhandlung ihrer Jungen zusah, heulte in allen Ton arten und war vergeblich bemüht, ihre Freiheit zu erlangen. Es war ein widriger Auftritt und Irmas Gefühl bäumte sich gegen die rohe Gewalttätigkeit auf. Mit zorngeröteten Wangen suchte sie dem Jungen die Gerte zu entreißen, da traf sie ein heftiger Schlag ins Gesicht und ließ sie zurücktaumeln. „Geza, zügelloser Knabe, was unterstehst du dich?" Karoly Gervay, der unbemerkt Zeuge des Auftritts geworden, schüttelte ihn einigemal derb und ließ die Gerte auf ihn medersausen. „So, jetzt geh zur Mama und beklage dich, ich werde gleich nachkommen." Heulend eilte der Junge davon, doch vorerst gelang es ihm nicht, seine Anschuldigungen vorzubringen, da Frau von Török in die nahegelegene kleine Garnisonstadt gefahren. Karoly hatte rasch ein weißes Tuch in frisches Wasser getaucht und bot es Irma mit teilnahmsvollem Blick. Er wagte es fast nicht, dem jungen Mädchen in das Antlitz zu sehen. „Armes Fräulein, sie sind unter harte lieblose Menschen geraten," sagte er weich; „hier wird ihr Bleiben voraussichtlich nicht von langer Dauer sein." Irma enthüllte das Angesicht, ein blutigroter Streifen, der bis zum Halse lief, enstellte die zarte Wange. Ein trauriges Lächeln flog um ihre farblosen Lippen. „Am liebsten ginge ich in dieser Stunde noch. Allein ich habe eine geliebte Mutter, die mir alle Opfer gebracht und nun auf mich angewiesen ist. Um ihretwillen ertrug ich bis jetzt die schmachvolle Behandlung, die mir in diesem Hause zuteil wurde. Mein Vertrauen auf Menschenwert hat einen großen Stoß erlitten, dennoch halte ich es für meine Pflicht, weiterzukämpfen. Ich will den Staub von meinen Füßen schütteln und getrost weiterziehen. Es gibt ja doch noch gute Menschen allerwärts." Karoly ergriff ihre weißen schlanken Hände. „Gern würde ich ihnen in meinem Hause Schutz bieten, allein ich bin unvermählt und stehe zu Frau von Török in bindendem Verhältnis. Ich habe geglaubt, meine Liebe würde das Trotzige, Unbeugsame in Etelkas Natur bezwingen. Mein Glaube war ein Irrtum. Frau von Török kennt keinen anderen Willen, als den ihren; ihre Laune ist das Gesetz, dem alles sich beugen muß — nur ein Karoly Gervay nicht. Ich bin zu sehr mein eigener Herr, um der willenlose, feige Sklave eines so unbeständigen Weibes zu werden. Unsere Denkart und Lebensanschauungen sind zu verschieden, um je eine harmonische Einigung erzielen zu können." „Was werden sie beginnen, Herr Gervay?" fragte Irma angstvoll.