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Wilsdruffer Tageblatt : 30.07.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192807309
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19280730
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19280730
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-07
- Tag 1928-07-30
-
Monat
1928-07
-
Jahr
1928
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 30.07.1928
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dungsproblem im Westen sowie auf die wichtigsten mit der Berwaltungsreform im Zusammenhang stehenden Fragen. Köln. Der französische Unterrichtsminister Herriot wird nicht nur auf seine eigene Initiative hin die „Pressa" besuchen, sondern im Auftrage des französischen Gcsamtministe- riums. Er wird am 1. August abreisen. Botschafter v. Hoesch wird ihn begleiten. Wien. Die Abschiebung BelaKuns ist geschehen. Bela Kun wurde zuni Westbahnhof gebracht, wo er, von zwei Kri minalbeamten begleitet, in ein Abteil zweiter Klasse des zur Abfahrt bereitstehenden Zuges stieg. Das Fahrtziel war un bekannt. Genf. Der ständige polnische Vertreter beim Völkerbund, Minister Sokal, hat dem stellvertretenden Generalsekretär des Völkerbundes, Avenol, eine scharfe Antwortnote zu der litauischen Beschwerde überreicht. Paris. Eine neue amerikanische Goldsendung im Werte von rund 8!4 Millionen Dollar ist für die Rechnung der Bank von Frankreich in Le Havre eingetroffen. London. Lord Birkenhead, der auf der Jacht des Herzogs von Sutherland nach Amsterdam zu den Olvmpischen «spielen abgefahren ist, wird sich nach den Spielen nach Deutsch land begeben. Rom. Der Unfall des Papstes hat keine weiteren Folgen gehabt. Der Papst empfing am Freitag die Vertreter der päpstlichen Mission, die zum internationalen Eucharistischen Kongreß eingetrosfen sind, und eine Gruppe italienischer und ausländischer Pilger. Belgrad. Dem Führer der Volkspartei, Korosetsch, ist es gelungen, die Regierung zu bilden, und zwar mit den Ver tretern der bisherigen Mehrheitsgruppen, das heißt der Radi kalen, der Demokraten, der Slowenischen Volkspartei und der Muselmanen. Die neuen Minister leisteten bereits den Eid. »„»»»«»»»„«»MI»»»»»»»«»»»»«»»»»»»»»»»««»»»«,,»»»« Neues aus aller Welt Ein Verfahren gegen Edmund Stinnes. Unabhängig von dem Verfahren gegen den verhafteten früheren An gestellten des Stinnes-Konzerns von Waldow läuft ein Verfahren gegen Edmund Stinnes. Die Staatsanwalt schaft Berlin hatte beim Untersuchungsrichter des Land gerichts Berlin die Voruntersuchung gegen Edmund Stinnes beantragt, welchen« Anträge vom Untersuchungs richter stattgegeben wurde. Edmund Stinnes wird zur Last gelegt, daß er sich in den Jahren 1924 und 1925 bei der A.-G. für Automobilbau, „Aga" genannt, Verstöße gegen die aktienrechtlichen Vorschriften des Handelsgesetz buches habe zuschulden kommet« lassen. Automobilunglück im Harz. Auf den« Bruchberg bei Zellerfeld im Harz ereignete sich ein folgenschweres Auto mobilunglück. Ein Kraftwagen raste gegen einen Straßen baum, überschlug sich und begrub die Insassen unter sich. Einer der Insassen war sofort tot, während ein anderer mit einem Schädelbruch in ein Krankenhaus übergeführt werden mußte. Die Frauen der beiden Verunglückten wurden leichter verletzt. Explosion von Benzinfässcrn. In Düsseldorf erfolgte auf dem Lagergrundstück der Vineta G. m. b. H., Nost- schutz-, Farben- und Walzfettfabrikation, eine Benzin- j explösion. Zwölf Benzinfässer, die gerade eingelagert worden waren, flogen in die Lust. Die Flammen erfaßten ! ein benachbartes dreistöckiges Gebäude und zerstörten den § größten Teil der Wohnungen. Eine Frau, die in der Badewanne saß, konnte sich nur mit Mühe vor den herein- i schießenden Flammen retten. Ein Angestellter der Firma ! wurde schwer verletzt, ebenso ein Hausbewohner, dem ein Schrank auf den Brustkorb fiel. Bier Schwerverletzte bei einer Schießerei. In Essen kam es zu einer größeren Schießerei zwischen Hitlerleuten und Kommunisten, wobei etwa 20 Schüsse gewechselt wur den. Vier Personen wurden durch Bauch-, Bein- und Armschüsse verletzt und mußten ins Krankenhaus über geführt werden. Passanten erlitten durch Steinwürfe Verletzungen. Einige der Täter sind bekannt. Anschlag auf einen Gerichtspräsidenten. Gegen den Gerichtspräsidenten in Belfort, Fricaudet, gab ein Grundbesitzer drei Revolverschüsse ab. Fricaudet wurde ziemlich schwer verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Der Täter, der während des Krieges Offizier war, soll vor einigen Monaten wegen Körperverletzung zu 100 Frank Geldstrafe verurteilt worden sein und aus Rache gehandelt haben. Zwei Deutsche iu der Rhone ertrunken. Ein Falt boot, in den« ein Mani« und eine Fra«« die Rhone hin unterfuhren, kenterte an der Brücke von St. Maurice (Wallis). Die beiden Insassen verschwanden in de«« Fluten. Die Pässe, die man in den Rucksäcke«« entdeckte. lauter« auf die Aamer« Dr. Joseph Rosenberger, geboren am 23. März 1901 in Essen a. d. Ruhr, und Berta Netb- eiser, geb. Kather, geboren am 22. März 1898 in Allen stein. Die Pässe sind vom französischen Konsulat in Stuttgart für Frankreich visiert. Eine Postverwaltung, die sich selbst bestiehlt. Nach Meldungen aus Moskau ergab eine von der Arbeiter- und Banerninspektion unerwartet vorgenommene Prüfung der Post in Jakutsk große, mehrere Jahre zurückliegende Unterschlagungen. Dem Staat sind Verluste von über zwei Millionen Rubeln zugefügt worden. Die Postver waltung unternahm selbst Überfälle auf die Kassen, um das Geld an sich zu nehmen. Bisher sind 14 Personen ver haftet worden. Mehr als tausend Quadratkilometer Getreideland durch Feuer verwüstet. In dem Getreidegebiet der Eureka- Flats, 50 Kilometer von Wallawalla im Staate Washing ton, zerstörte ein zwölfstündiges Feuer 13 Farm-Häuser und mehrere hundert Acker Weideland und Getreide aus dem Halm. Der Braud verwüstete eil« Gebiet von etwa 50 Kilometer Länge und 25 Kilometer Breite. Der Werl des vernichteten Weizens allein wird auf mehr als 1S0 000 Dollar geschätzt. Massenausbruch aus einer amerikanischen Irren anstalt. Mehrere hundert Irre benutzten einen Brand, der die staatliche Irrenanstalt in Nashville (Tennessee) heimsuchte, «in« zu entfliehen. Ein großes Polizeiaufgebot suchte bis ir« die Nacht hinein die Umgegend der Irren anstalt ab und konnte bis auf 100 Kranke alle wieder ein- fang. Unter den Flüchtigen befinden sich auch 30 irr sinnige Verbrecher; es ist zu befürchten, daß diese in de« wiedergewonnenen Freiheit großes Unheil anrichten. Verstärkte Polizeistreitkräfte sind auf der Suche nach den Flüchtigen. Heftiger Ausbruch des Vulkans Mahon. Freitag früh erfolgte ein neuer Ausbruch des Vulkans Mahon auf de,« Philippinen. Glühende Steine wurde«« bis zu einer Höhe von 100 Metern emporgeschlcu- dert. Heftige Erdstöße hatten kurz vorher das umliegende Land beunruhigt. Ungefähr 180 Meter unterhalb des alten Kraters hat sich eir« neuer Krater gebildet, aus dem sich Lavamassen in der Richtung des Bahnhofs Libong er gießen. Die Einwohner dieser Stadt haben die Flucht ergriffen. Der gegenwärtige Ausbruch des Vulkans wird als der schlimmste bezeichnet, den man seit 1900 erlebt hat. Bunte Tageschronik Wien. Der Bundespräsident Hal den aus dem Versiche- rungsbetrugsprozeß bekannten Ingenieur Marek, der sich selbst ein Bein abgehackt haben sollte, nach Verbüßung des größten Teils seiner Kerkerstrafe begnadigt. Wien. Nach einer aus Venedig hier eingetrosfenen Nach richt ist die einzige Tochter des bekannten Dichters Artur Schnitzler, die yiit dem italienischen Offizier Arnaldo Capelltni verheiratet ist, einem Reitunfall zum Opfer gefallen. Bromberg. Etwa drei Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt ist ein polnisches Militärflugzeug aus 2000 Meter Höhe abgestürzt. Der Führer war sofort tot. Kopenhagen. Wie aus Reykjavik auf Island gemeldet wird, ist urau bei Bohrungen auf eine neue warme Quelle gestoßen, die wärmer und ergiebiger ist als die bisher er schlossenen Quellen. Brüssel. Am Freitag morgen wurde Löwensteins Testament eröffnet. Die Familie bewahrt über den Testa mentsinhalt Stillschweigen. Löwensteins Schwager wurde zum Testamentsvollstrecker bestimint. Auf Aalfang. Skizze von L. Sevenich. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Nach einer Tageswanderung sehnte ich mich nach Ruhe und Kühle. Da fiel mir ein, das der alte Rühle an diesem Tage auf Aalfang ging. Sicherlich würde er mich mitnehmen. Ich verließ also die Stadt und fuhr hinunter ins Fischerdörfchen. Der Feld weg war nur mehr eine Staubmulde. Schweißbedeckte Pferde schleppten die hochbeladenen Erntewagen heimwärts oder rasselten im Trab mit den leeren Wagen ein letztes Mal aus's Feld Hinans. Links vom Dorf lag still und regungslos der blaue Wasserspiegel. Gleich Weißen Schmetterlingen saßen ein paar Segelboote darauf. Im Dorfe erfuhr ich, daß der alte Rühle noch auf dem Acker sei. Um sieben Uhr sollte ich mich an der Fischcrhütte einfinden. So hatte ich noch etwas Zeit, mich von dem Staub zu befreien. Kurz vor sieben Uhr stapfe ich durch hohes Schilf und Ried zur Hütte, wo auch die Fischerboote liegen. Ich bin allein und lasse mir von den quakenden Uferbewohnern etwas Vorsingen. Bald kommt der Alte mit fernem Junaen. Die Geräte werden ins Boot genommen, das Segel aufgezogen, und schon stößt der Junge das Boot von« Landungssteg ab Aber es weht kein Wind. Schlaff hängt das Leinen, und wir müssen rudern, während der Junge rnit der langen „Peke" nachhilft, das Boot vorwärts zu treiben. Das Wasser kiuckerr gegen den Kiel, träge klatscht das Segel, und die Sonm brennt mit unverminderter Krast. Am liebsten möchte ich schlafen. Etwa eine halbe Stunde dauert es, bis die Insel austaucht, die wir umfahren «nässen, nm in das „Jagdrevier" zu kommen, das da drüben liegt, wo die roten Ziegeldächer eines Dorfes herüberleuchten. Der Alte untersucht die Fang gerate, die „Puppen", noch einmal, ob die Schnüre auch glatt aufgewickelt sind. Die Puppen find Gebinde aus Schilf und erinneri« in ihrer Gestalt an die Strohpuppen, mit denen man früher Dachziegel verlegte. Um jede Puppe ist eine lange Schnur gewickelt, deren eines Ende an der Puppe be festigt ist, während das andere den Angelhaken trägt. Dieser bekommt als Köder einen der kleinen Weißfische, die wir in einem Korbe mitführen. Obwohl diese Köderfische erst morgens gefangen wurden, verbreite«« sie doch schon einen un erträglichen Geruch, dem ich durch meine angezündete Pfeife zu begegnen suche. Der Alte erklärt, der schlechte Geruch se« schuld daran, daß die Aale nicht anbeißen wollten. Bald ist unser Vorrat an Puppen ausgelegt. Still t«nd harmlos schwimmen sie aus dem Wasser. Von jeder Puppe hängt ein etwa dreißig Zentimeter langes Stück der Schnur mit dein Angelhaken ins Wasser hinunter. Beißt nun ein Aat an, so versucht er, mit dein Köder abzuschwimmen, wobei er die Schnur abwickelt, von der er sich nicht mehr frei machen kann. Zunächst ist unsere Arbeit getan, und wir nehmen Kurs auf das Dorf, das im Scheine der untergehenden Sonne da liegt. Mach kurzer Zeit steht der feuerrote Sonnenball am Horizont auf der Wasserfläche, nicht lange mehr, und er ist in der Flut versunken. Im gleichen Augenblicke wird es merklich kühler. Eine leichte Brise kommt auf. Fern knattert ein Motorboot vorüber. Noch eine ganze Weile quirlt seine schaumige Kiellinie vor uns auf. Ein paar hohe schwarze Boote mit schwerer Last schwimmen träge dem Dorfe zu. Dann sinkt allmählich die Dunkelheit herab. Ein Paddelboot versucht noch zur Düne Hinüberzukommer«, sonst ist es still und leer auf dem Wasser. Eine halbe Stunde später ver- rbschiede ich mich au« Landungssteg von den beiden, nachdem mir der Alte noch empföhle«« hat, am nächsten Morgen ja rechtzeitig zu kommen und vor allen Dingen einen guten „Schluck" mitzubringcn. Den hole ich mir also in« Dorfe, und wenn der Kellner auch noch so müde gähnt, ich bleibe )och bis gegen 1 Uhr sitzen und lasse mir die Nachtfalter nnd Lichtmotten um den Kopf flattern. Gegen halb zwei schlendere ich durch das schlafende Dors zur Hütte zurück, in der ein paar Fischer Karten spielen. Einige arbeiten an den Fanggeräten, andere schlafen. Eine halbblinde Petroleumlampe verbreitet eine kümmerliche Hells. Ich esse etwas, sehe eine Weile den Kartenspielern zu und lasse mir etwas aus der Geschichte des Dorfes erzählen. Das ist immer und überall in de«« Fischerdörfern dasselbe. Stürme auf dem Wasser und Brände im Ort, ewiger Kamps mit den Elementen nm das bißchen Habe. Ueber dem Zuhöreu schlafe ich ein und wache erst auf, als mich der Alte an der Schulter rüttelt. „Es geht los!" Verschlafen, fröstelnd und steif stehe ich wieder auf dem Landungssteg, wo die Boote klar gemacht werden. Es ist Wind genug, so daß wir nicht zu rudern brauchen. Das Segel steht Prall im Wind, und der alte Rühle am Steuer hält hart Kurs auf die Insel, deren Umrisse gespenstisch aus dem Wasser ragen. Ein paarmal tastet ein Scheinwerfer das Wasser ab, wohl ein Sportboot, das eine Nachtfahrt gemacht hat. Bald sind wir wieder in unserem Arbeitsgebiet. Still treibt das Boot Weiter, während Puppe um Puppe eingeholt wird, oft mit einen« zappelnden Aal am Haken. Es sind ganz schöne Fifche darunter, in der Mehrzahl aber sind es kleine „Bundaale". Eben huschen die ersten Sonnenstrahlen über's Wasser, da haben wir alles im Boot. Bevor wir die Heimreise antreten, nimmt jeder noch einen ordentlichen Schluck aus der Flasche. Unterwegs werde«« die Aale gesäubert. Das geht den Leuten flink von der Hand, während ich die glatten, schlüpf rigen Geselle«« kaum halten kam«. Da Winker« auch schon leuchtend Weiße Sommerkleider von der Terrasse des Strand- Hotels. Wohl eil« Paar Frühaufsteher unter den Badegästen. Bald Halter« wir am Landungssteg, schassen die Körbe rnit der Beute an's Land, holen das Segel ein und verstauen es in der Hütte. Dann verabschiede ich mich von den beiden. Aber ich gehe noch nicht ins Dorf. Erst will ich dort unten, wo der Kiefernwald ans Wasser heranreicht, meinen äußeren Menschen etwas säubern. Wenn ich mir dann den Frühwind genug um die Nase habe wehen lassen, werde rch einige Stunden schlafen. vor, 1. S7. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Du wirst krank werden, Heinz, ich sorge mich!" Das klang wie in früheren Zeiten. Es schien über haupt, als trage sie während ihres Hierseins nicht mehr diese gräßliche, unheimliche Angst, er könne ihr genommen werden, mit sich. Der Vater war nicht da. Ihr Geist hatte also keinerlei Nahrung nach dieser Seite hin. Wenn er gespeist hatte, gingen sie zusammen bis gegen sechs Uhr spazieren. Er führte sie an den Kai, in die Anlagen, sogar in die belebtesten Straßen. , Sie zeigte für vieles Interesse, so besonders für Gemälde, Blume«« und Bücher. Wenn aber das Gedränge zu groß wurde, zog sie seinen Arm fester in den ihren. Er merkte, daß sie sich fürchtete. Die Abende brachten das gemütlichste und traulichste Beisammensein der beiden. Die Schwester zog sich nach dem Abendessen aus ihr Zimmer zurück. Dann waren die beiden Gatten allein. Er saß für gewöhnlich in dem tiefen, bequemen Klubsessel neben der großen Stehlampe und zog sie aus seine Knie. „Nun erzählt mir mein kleines Mädchen alles, was es heute getan hat!" scherzte ex. Sie wußte genau, wohin sie mit der Schwester ge gangen und was ihr besonders gefallen hatte. Aber der Schluß hieß immer: „Ich habe mich furchtbar nach dir gesehnt!" Manchmal erinnerte sie ihn sogar an früher Gewe senes. An Lisa. An Patzburg, die Abtei. Nur von Frauenstein sprach sie nie. Als er versuchsweise '-as Gespräch au; ihren Vater brachte, kam wieder Ucjer angstvoll erschrockene Blick in ihre Augen, und sie fing an zu zittern. „Nicht, Heinz! Bleib hier! Hier bist du ganz sicher vor ihm!" Um ihr auch während der Regentage Zerstreuung zu verschaffen, hatte er für sie einen Flügel gemietet. Wenn sie vor demselben satz und ihre Finger über die Tasten glitten, hätte niemand geahnt, datz die Spielende eine Geistesgestörte sei. Pünktlich um zehn Uhr brachte Heinz sie zu Bett. Er trug sie nach dem weitzmöblierten, luftigen Schlafzimmer, das zu ebener Erde lag. Wenn ihr Haupt in den Kissen ruhte, setzte er sich zu ihr auf den Bettrand. Seine Hände fest umschlossen haltend, schlief sie meist schon nach zehn Minuten ein. So war es auch heute gewesen. Eine silberhelle Nackt lag über der -Erde. Auf der Alster glitten einige Segel vorbei. Der Mond zitterte in kleinen Wellen und Weilchen auf der dunklen, fast reg losen Wasserfläche. Hartmann trat an das offene Fenster und legte die Schläfe gegen die kühle Scheibe. Nichts mehr denken! Nicht mehr an das, was der nächste Tag brächte und die Nacht, und wieder der Tag und wieder die Nacht, nicht mehr an Vergangenes, nicht mehr an Zukünftiges. Die Vergangenheit muhte tot sein, und die Zukunft gähnte schaurig, wie das Grab eines Verwesenden. Wie wohl die Stille tat und die Ruhe und der Ge danke, datz einmal alles ein Ende haben mutzte. Alles! Er brannte vor Begierde, vor den Schöpfer hinzutreten und ihn zu fragen: Warum hast du mich verfolgt? Und welches war seine Schuld? Und welches die ihre? Er fand keine. Von der Straße her kamen Männerstimmen, Mädchen lachen klang dazwischen. Es gab also noch Menschen, die lachen konnten, die nächtens, wenn sie sich zur Ruhe legten, den kommenden Tag segneten, der hinter dem Meere laut los sich wieder emporschwang. Ein Schutz knallte in das Schweige«« der Nacht. Er mutzte weit weg gefallen sein. Ruth hatte ihn trotzdem gehört. Mit weitgeöffneten Augen schrak sie aus den Kissen. »Heinz!" Er sprang zu ihr und drückte sie sanft zurück. „Du sollst schlafen, mein Liebes! Er hat nicht mir ge golten!" Sie atmete erleichtert auf und schloß gehorsam die Augen. Ein Nachtfalter taumelte ins Zimmer und flatteru tanzend um die mattfarbene Ampel. Vom Deck dränge«« die Sirenen der Schiffe herüber. Ein langtönendes, mark erschütterndes Heulen. So wie diese Sirene schrie seine Seele unter all der Qual, die ihm zu tragen auferlegt war. Es gab Men schen, denen die Wucht des Unglücks, wenn es sie traf, das Herz brach. Er mutzte das eines Riesen haben, datz es noch immer die Kraft fand, zu hämmern. Und es mutzte schla gen, solange sein armes Weib lebte. Mutzte! Ruth sprach leise im Traum, Er trat an ihr Bett und strich ihr die Fülle schwarzen Haares, auf der ihr Gesicht wie eine weiße Blume schwamm, zurück. Ihm war, als sähe er eine Hand nach dem geliebten Weibe ausge streckt! Eine Faust ballte sich zusammen und zerdrückte sie mühelos. Wilder Schauer rann durch seinen Körper. Eine unheimliche Angst wuchs in ihm auf. Er sank in die Knie und hob stöhnend die Hände zu dem, von dem er glaubte, datz alle Not des Lebens kam. „Lieber Gott, lasse mir das einzige, das du mir ge- gegeben hast, mein Weib!" Trotzdem die Nachrichten von Hartmann pünktlich auf Schloß Frauenstein eintrafen, fand Hans von Hechingen keine Ruhe. Er wollte selbst einmal Nachschau halten, w«e es den beiden armen Menschen erginge Er sehnte sich nickst nach Ruth allein: es verlangte ihn auch, den Mann w«e- derzusehen, der so selbstlos sein Leben an das seines armen Kindes gekettet hatte. (Fortsetzung folgt.)
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