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nefeld einvm Schlagaafall erlag. Der Hei-m-geg-a-wgen-e war Vorstand und Leiter der MsienMseltschaft Hotel Bellevue. In der ganzen Welt kennt man seit vielen Jahren dieses 'hochelegante vor nehme Hotel am Dheaterplatz. Der Verstorbene hat es zu dem ge macht, Mas es heute ist, zu einem mit allen Vorzügen der Neu zeit ausgestatteten Fremdenheim. Hier sind im Laufe der Jahr zehnte die Träger der berühmtesten Namen akgdstiegen und die Chronik dieses Hauses zu schreiben, wäre eine sehr dankbare Auf gabe. In der Vorkriegszeit hielten hier fast -alle nach Dresden ge kommenen Fürstlichkeiten Einkehr, nach Bismarck zählte M den Gästen, ferner alle Größen -aus Kunst und Wissenschaft, der Ari stokratie und der Finanz. Generaldirektor Nonnefeld -empfing sie -alle mit der angeborenen Liebenswürdigikeit -eines vorn-chmen- Hausherrn und -er hätte aus 'seinen Erinnerungen Kapital schla gen können. Aber nichts l-ag ihm ferner als sich damit zu brüsten. Nur in seinen Prwatzimmern bewhrte er manch kostbares Do kument und manch wertvolles Erinnerungsstück -an seine hohen Gäste. Der Heimgegangene, dem man nicht ansah, daß er die Siebzig -schon ein gutes Sluck überschritten hatte, war ein Mann von humanster Gesinnung, -der mit reichen Händen gab, wo Not herrschte, ohne davon Aufhebens zu machen. Die Teilnahme an der Beisetzung zeugte davon, wie hoch dieser treffliche Mann in den weitesten Kreisen geschätzt wurde. Wenige Tage daraus brachte man den vormaligen Staats- -und Kriegsminister General v. Carlowitz, den letzten Oberbefehlshaber der L. Armee, aus dem Garnisonfriedhof zur letzten Ruhe. Auf seinem F-amiliensitz Gersdorf bei Roßwein war er nach kurzer Krankheit zum ewigen Frieden einge-gangen. Die Trauerseier vollzog sich in ihrem Hauxttril in der Garnison-kirche. Dann formte sich -ein Man ger Trauerzug, wie er in gleicher Art Wen gesehen wurde. Aus einer Lafette wurde der Sarg nach dem Garnisonfriedhof über führt, wo als einziger Redner der vormalige sächsische Kronprinz Georg dem Heimgegangenen tiefempfundene Worte ins offene Grab nachrief. And ein Dritter folgte den beiden Vor-genannten ins Reich der Schatten: Carl Perron. -Jahrzehnte hindurch war er eine Zierde unserer einstigen Hofoper. Erinnerungen -an deren Glanzzeiten unter Schach werden bei Nennung seines Namens wach. Er war ein M-eistersänger in -idealster Ausdeutung dieses Wortes. Mit -einer wundervollen umfangreichen Bari-ton- stimme begabt, nahm -der einstige 'Schüler Stockhausens bald -einen raschen künstlerischen Aufstieg, der in wiederholter Mitwirkung an den Bayreuther Festspielen feinen Höhepunkt erreichte. Er war der geborene Wagnersänger -und gleichgroß wie sein gesangliches war sein -darstellerisches Vermögen. -Ein tragisches Schicksal hat sich an ihm -erfüllt. Eine furchtbare Krankheit, der Lungenkrebs, befiel ihn. Schwerkrank nahm vor 'kurzem der große Künstler und edle Mensch -die Glückwünsche z-um 70. Geburtstage entgegen, be reits ein GezeiHnet-er, und doch dem An-abwendbaren gefaßt ent-- gegettschauend. Anter den vielen Gaben, -mit denen man ihn er freuen wollte, befand sich -auch -eine kostbare Reisedecke. Er wußte wohl, daß er sie nie mehr brauchen würde. Unter großer Beteili gung hat man -am Mittwoch die irdische Hülle Carl Perrons der verzehrenden Flamme 'übergeben. Sein Name bleibt aber in der Geschichte der Dresdner Oper -und der deutschen Gesangskunst unverlöschbar. Run sei noch- eines Ve-reinsjubiläums -gedacht, das gar nicht begangen worden ist und doch eigentlich fast Jedermann in -Sach sen -a-ngeht. Der L a n -d e s v erei -n S ä ch s ischerH e i m a t - schütz hat am 14. d. M. in aller Stille seinen 20. Geburtstag begangen. Geheimer Baurat Dr. ing. h. -e. K a- r l S ch m i d t -ist der Gründer -des Vereins und der ganzen Heimatschutzbewegun-g. Kunst-, Bau- und Naturdenkmäler im Lande waren in Gefahr geraten , zugunsten irgendein er profanen N-eus chöpf-ung beseitigt zu werden. Da -legte sich der HeimaWutz ins Mittel und verhinderte dies. Aeber 40 000 Mitglieder -zählt der Verein fetzt in- Sachsen. Nach dem Tode Karl -Schmidts -übernahm Hofrat Professor Os kar Seyffert den Vorsitz, während die geschäftliche Leitung des Vereins vom Söhne des Gründers, Direktor Werner Schmidt, -mit Umsicht und Geschick -geführt wird. Daß der Heimatschutz keine überflüssige, sondern eine notwendige Sache ist, hat -er -auch in neuester Zeit wiederholt bewiesen. Da tauch ten Pläne von Seilbahnen -auf, -die unsere schönsten Landschafts szenerien verschandelt hätten, da wollte man gewisse Felspartien nächtlicherweise -elektrisch beleuchten und ähnliche Dinge unter- n-ehmen. Dagegen -legte der Heimatschutz ein -entschiedenes Veto ein und verhinderte solchen Unsinn- In alkemDeilen -unseres schö nen Sochsenlandes begegnen wir -den Spuren -und Erfolgen des segensreich wirkenden Vereins. Geologisch und botanisch interes sante Flurstücke -im -Gebirge und -im Niederland hat er in feinen Besitz gebracht, -ebenso -charakteristische -und historische Baulich keiten. And wie begehrt sind im ganzen Lande -die H e i mät sch u tz v o r t r ä g e, deren- in einem Winter über 600 siatfftin- den! Das ist ein -Stück Wvlks-mission im besten 'Sinne des Wor tes. Wenn -es -also -auch der Verein- geflissentlich unterlassen hat, VN / von 42. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Der Regen schlug leise auf das graue Schieferdach und rieselte von den Weinreben herab in den weißen Kies. „Lisa, schläfst du nicht?" fragte Frau Dr. Keiling und schaltete die Nachtlampe ein. Die junge Frau saß aufrecht in den Kissen und blickte versonnen ins Leere „Bist du nicht wohl, mein Kind?" Besorgt sah die Mutter in ihr Gesicht, grifs nach ihren Händen nnd strich darüber hin. Lisa war ihr ein Rätsel geworden. „Ich bin jo glücklich, Mutter!" Frau Kelling begriff ihre Schwiegertochter nicht mehr. Der -ann fort in Indien. Der Mann, den Asa vergöt tert hatte, und nun sagte diese, daß sie so glücklich sei. „Ich bete immer, daß es seine Augen hat und seinen Mund und sein Herz und alles, alles von ihm, gar nichts von mir. Es soll ganz sein wie er." Die alte Dame erschrak. „Lisa, hast du Fieber?" „Nein, Mutter!" Trotzdem fühlte sie ihr den Puls. Er ging ruhig und gleichmäßig. „Schlafe, Kind, du bist übermüdet!" Und draußen rieselte der Regen und schwankten die Reben gegen das Gestänge der Fenster. In Lisas Herz aber wurde die Furcht wach. Wei^n sie starb! Waren ihrer nicht schon viele gestorben in solchen Tagen? Was würde La aus ihrem Kind? Der Vater weit, ach, so weit, daß sie längst unter der Erde lag, bis er kam! ^Kind, was ist dir? Ich kann nicht mehr froh werden vor Sorge!" „Versprich mir, daß du es lieb hast, auch wenn ich tot Lin!" , „Von wem sprichst du, Lisa?" seinen 2-0. Geburtstag offiziell zu baWhen, so wollen wir-ihm-doch -von Herzen -eine noch recht lan-go und glückliche Zukunft wün schen, -denn seine Arbeit -verdient -die tatkräftige Unterstützung -und Förderung Alker, die ihre sächsische Heimat aufrichtig lieben. Zu ihnen -gehört Emil. Löwsnstsms Lerche gefunden. Das Geheimnis seines Todes nicht gelöst. Ganz unerwartet kommt die Nachricht, daß die Leiche des Brüsseler Bankiers und Großspekulanten Löwen stein, der vor einigen Wochen auf einem Flug von London nach Belgien aus seinem Flugzeug spurlos ver schwunde« war, im Kanal gesunden und nach Calais gebracht worden sei. Es wird über die Auffindung der Leiche, die eine neue Sensation in der in mehr als einer Hinsicht dunklen Ge schichte darzustellen scheint, folgendes berichtet: Das Schiff „Heilige Therese vom Jesuskind" befand sich am Donners tag nachmittag acht bis zehn Meilen nordwestlich vom Kap Gris Nez, als der Schiffseigner Jean Bcaugrand die Leiche eines Mannes aus dem Wasser schwimmen sah. Mit untergetauchtem Gesicht näherte sich die Leiche. Der Schiffs eigner nahm sie an Bord und wickelte sie in ein Segel ein Hierauf uahm er Kurs auf Calais, wo die Leiche sofort nach dem Schauhans gebracht wurde. Der Oberkörper des Toten war nackt, der Unterleib war offen, die Füße waren gebrochen. Die Leiche war nur mit einem Unterbeinkj,eid, seidenen Socken nnd Schuhen mit der Marke einer eng lischen Firma bekleidet. Am rechten Handgelenk trug fff ein Uhrarmband, in dessen goldener Klammer ein graviert war: „Capitaine Löwenstein, 35 Rue de lo Science, Bruxelles". Die Ringe waren verschwunden. Au einem künstlichen Gebiß mit Goldzähnen, das von der Fa milie Löwenstein alsbald nach dem Verschwinden des Bankiers beschrieben worden war, konnte die Leiche er kannt werden. Der Bürgermeister von Calais stellte di< Todesurkunde aus. Frau Löwenstein ist in Calais ein getroffen, um die Leiche ihres Mannes nach Brüssel zr überführen. Es erhebt sich nun von neuem die Frage: Wie fand Löwenstein den Tod? Da die Leiche zahlreiche Verletzungen aufweist, die nich alle von Fischen und anderen Seetieren Herzurührer scheinen, und da sie nur mangelhaft bekleidet war, be schäftigt sich dis Brüsseler Polizei mit der Frage, ob de kühne Finanzmann, der auf die Börsen Europas eine: großen Einfluß hatte, nicht das Opfer eines V e r brechens geworden sein könnte. Unfall oder Selbst mord — diese beiden Möglichkeiten sind bekanntlich schoi früher erwogen worden, und nun kommt noch die Mög lichkeit eines Mordes hinzu. Da die Leiche im Wasser star in Verwesung übergegangen ist, dürfte es nicht ganz lsich sein, die wahre Todesursache festzustellen, und die „Rätss uiu Löwenstein" werden vielleicht für immer ungelöf bleiben, wenn nicht eines Tages der Zufall eine Lösum bringen sollte. Der Ozermoplan. In der Abbildung wird der „Ozeanoplan" in seinem heutigen Modell dargestellt, eine Erfindung, die soeben im Luftschiffhafeu zu Potsdam vvrgesührt wurde. Falls sie sich, bewähren sollte, dürfte sie auf schiffbaulichem Gebiet groß^Nm- wälzungen bringen. An der Besichtigung nahmen Vertreter der Reichsmimsterieu der Wehrmacht, der Wirtschaft und des Ver kehrs, der amerikanische Botschafter in Berlin, Schurman, sowie sonstige hervorragende Persönlichkeiten teil. Der Ozeauopla» ist von dem französischen Techniker de Gasenko erfunden er ist ein Zwischending zwischen Wasserfluazcua und Motor- boot und soll angeblich den Atlantik überqueren können Es liegt ihm das Prinzip zugrunde, die Widerstände die ein Schiffskörper zu übcrwinven hat, nämlich den Widerstand des Wassers, der Luft und der Trägheit des eigenen Körpers, auf ein Mindestmaß herabzumindern. Das Fahrzeug besteht aus einem Bootskörper, über vem zwei Flügel, etwa wie kleine Flugzeugtragflächen angebracht sind. Der Bootskörper hängt gewissermaßen in den Gelenken zweier seitlicher Beinstühen die ihrerseits in Schwimmkörper enden. In der uhigeu Lage befindet sich der eigentliche Bootskörper nur zum geringste» Teil im Wasser. Der Tiefgang ist dann nicht größer al« 20 bis 30 Zentimeter. Der Antrieb des Ozeanopläus erfolgt durch motorisch angetrtebene Propeller. China vsrlangi Gleichheit. Nach türkischem Muster. Wie die Berliner chinesische Gesandtschaft mitteilt, wird die neue nationalistische Regierung in China alle ungleichen Verträge mit anderen Ländern für nichtig er klären und den Abschluß neuer Verträge verlangen, die auf der „Grundlage der Gleichheit und gegenseitiger Achtung der territorialen Souveränität aufgebaut' sind Die Einigung Chinas sei jetzt Tatsache; Leben und Eigen tum der Ausländer zu schützen, betrachte dis neue Regie rung als ihre selbstverständliche Pflicht und infolgedessen erkläre sie jetzt alte ungleichen Verträge, die China ein seitig belasten oder den Ausländer bevorzugen, für nuS und nichtig, gleichgültig, ob sie abgelaufen sind oder nicht. Zwischenvorschriften werden sofort erlassen werden, um die Verhältnisse bis zum Abschluß neuer Verträge zv regeln. Damit ist China denselben Weg gegangen, den die lviedererstarkte Türkei schon 1921 Angeschlagen hat. Wahr scheinlich werden sich auch China gegenüber einige der oe- teiligten Mächte, namentlich England nnd Japan, nur mit einem Protest begnügen, der aber ebensowenig Folgen haben wird, wie das der Türkei gegenüber ge schehen ist. Im übrigen kommt durch diese Erklärung del neuen chinesischen Regierung mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck, daß auch dieses Land sich von ver euro päischen bzw. japanischen und amerikanischen Vormund schaft loszureißen beginnt. Lhamveriains Antwort zur KEogg-Me. Unterzeichnung des Pakts in Paris. Die zustimmende Erklärung der englischen Regierung zu dem Kriegsverzichtsvorschlag Kelloggs ist jetzt erfolgt aber mit-den Einschränkungen, über die schon wiederholt Lerichtet worden ist. Zunächst wünscht England, daß au sämtliche Mitglieder des Völkerbundes die Einladung er gehen soll, dem Kriegsverzichtpaki beizutreten. Chamber lain wiederholt aber ausdrücklich, daß er den Beitritt Englands eben nur unter der Voraussetzung erfolgen lasse die Handlungsfreiheit seines Landes bei der Vertretung lebenswichtiger Interessen nicht beeinträchtigt zu sehen Der vorgeschlagene Vertrag behindere in keiner Weise das Recht der Selbstverteidigung und jeder Staat fei allein berechtigt, Zu entscheiden, wann die Umstände eine Zuflucht zum Kriege mit dem Zweck der Selbstverteidigung nötig machen. Bisher haben mehr als ein Dutzend Nationen ihre Zustimmung zum Kellogg-Pakt ausgesprochen und man erwartet in den nächsten Tagen in Washington noch Weitere Erklärungen dieser Art. Daher glaubt der Staats sekretär Kellogg, noch vor Mitte August nach Paris ab reisen zu können, um dort mit den Vertretern der be teiligten Nationen den Pakt auszuarbeiten und zu unter zeichnen. Außer den bisher ausgesorderten Ländern soll übrigens der Beitritt auch anderen Staaten offen stehen und man glaubt, daß sich auch Rußland dazu bereit finden wird. Ser „Eiserne Gustav" in Schwulitäten. Die Reklame zieht nicht mehr. Zur allgemeinen Verwunderung der Bevölkerung traf dieser Tage die buntbewimpelte Kutsche des „Eisernen Gustav" ohne diesen in Andernach ein. Die Droschke wurde von einem jungen Fuhrmann geführt, der nach kurzer Rast seine Fahrt nach Remagen fortsetzte. Zwei Stunden später kam in einem Auto Gustav Hart mann selbst an, nicht wenia verwundert, dak fein Rok „Von - von meinem Kind!" Frau Kelling schlingt beide Arme um das junge Weib, das Leben von ihres Sohnes Blut in sich trägt. „Wann, Lisa?" „Im April!" Lisas Wangen glühten in tiefem Rot. Bis tief in die Nacht sitzen sie so und sprechen von „sei nem Kind"! Und Frau Kelling räumt in Gedanken schon Truhen und Schränke und zieht Hemden und Jäckchen über zarte, winzig kleine Glieder. Für alles weiß sie einen Rat, und nichts ist ihr unbekannt. „Du mußt es ihm sofort schreiben!" bat sie. „Wie wird er sich freuen! Ueberglücklich wird er sein!" „Nein, Mutter! Er barf's nicht wißen. Er würde sich sorgen, wenn ich zu Hause meiner schweren Stunde ent gegensetze. Er braucht Ruhe. Er soll sich ganz seinen Ar beiten widmen können." Und seine Mutter mußte ihr recht geben. In Lichtenthal feierte man Esthers Verlobung mit dem Oberleutnant von Hengstenberg Die große, pompös ein gerichtete Villa glich einem Ameisenhaufen und faßte die Menge d-r Gäste kaum Hartmann stand in der Uniform seines ehemaligen Re giments neben dem glückstrahlenden Bräutigam, als Ruth und Eberhard, die zu den Geladenen gehörten, in den Saal traten Hengstenberg eilte aus sie zu. Er war schon ganz Sohn des Haufes. Wenige Minuten später ging Ruth an Hart mann vorüber. Sie hatte ihn nicht erkannt. Im Waffen rock hatte sie ihn noch nie gesehen. Ein weicher Zug ging über sein Gesicht. Er bemerkte,-wie ihre Blicke durch den Raum glitten. Sie suchte ihn. Er faßte sie, obwohl sie ihm den Rücken wandte, fest ins Auge. Ihre Seele mußte die Nähe der seinen fühlen. Sie wandte sich um. Auge in Auge standen sie. Eine dunkle Glut lief ihr blasses Gesicht bis an die Schläse hin aus. Sie suchte nach einem Halt. Da war er schon bei ihr und beugte sich über ihre zuckenden Finger. Seit Wochen hatten sie sich nicht mehr gesehen, nichts mehr voneinander gehört. Ruth vergaß die Umgebung, versenkte sich ganz in den Anblick des geliebten Mannes. Esthers Augen blitzten triumphierend auf! Also doch! Sie hatte danach gedürstet, zu erfahren, um welcher willen sie von Hartmann verschmäht worden war. Nun hatte sie Gewißheit. Hartmann hatte Ruth als Tischdame. Er durfte seinem Weibe zum ersten Male offen vor aller Welt den Arm bieten. Wie ein Gnadengeschenk des Himmels erschien es ihm, er ahnte nicht, daß Esther Davidsohn noch im letzten Augenblick diese Anordnung getroffen hatte. Rächen wollte sie sich! Rache kann Sirenenaugen haben, aber ihr Triff ist um so würgender. So oft Hartmann einen Blick in die Augen Ruths machte, fühlte er die Esthers auf sich ruhen. Er erschrak bis ins Innerste. Die Tochter Davidsohns wußte um seine Liebe! Hengstenberg war strahlenden Humors. Er war aus gesöhnt mit dem Schicksal, obwohl er sich seiner Braut wegen mit Prälat Eempert fast entzweit hatte. „Du wirst mir immer das bleiben, was du mir gewesen bist," hatte dieser zu ihm gesagt. „Mein Haus steht dir zu jeder Stunde offen. Ich will nicht hoffen, daß du an dieser Frau Ent täuschungen erlebst, aber wenn, dann komm! Vielleicht ist sie besser, als ich fürchte! Ich will aber nichts von ihr wissen und nichts mit ihr zu tun haben!" Und dabei blieb es. „Zieht das junge Paar hierher nach Lichtenthal?" fragte Ruth ihren Mann. Sie konnten und durften nur ganz Gleichgültiges mit einander sprechen. Rechts und links und ihnen gegenüber saßen Menschen, die jedes Wort auffangen konnten. „Lichtenthal ist verkauft!" sagte Hartmann. Sie stellte das Elas, das sie soeben erhoben hatte, ohne zu trinken, wieder zurück. Alles Licht in ihren blauen Augen erlosch Sie durfte nicht fragen: Wo soll ich dlw dann suchen? Nur ihr Blick bat nnd flehte: „Sage mir, was aus mir wird, wenn du von mir gehst!" (Fortsetzung folgt.)