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Wilsdruffer Tageblatt : 19.06.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192806199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19280619
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19280619
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-06
- Tag 1928-06-19
-
Monat
1928-06
-
Jahr
1928
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 19.06.1928
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Neue vorgeschichtliche Funde in Aucatan. Die alten unterirdischen Tempel aus der Halbinsel Aucatan scheinen eine unerschöpfliche Fundgrube für die Archäologen zu sein. Eine unter Führung von Earl Morris stehende Expedition des Carnegie-Instituts, die seit vier Jahren in dieser Gegend arbeitet, meldete unlängst neue Funde von besonderer Bedeutung. Das wertvollste Stück ist ein Krug aus Kalkstein. Er enthielt eine mosaikartig eingelegte Scheibe aus Türkis in Hochpolitur. Auf dieser lagen einige Bogelknochen, eine Kngel aus Beilstein und die einzelnen Teile eines Halsbandes. Die Einzelheiten lassen nach vr. Morris Ansicht keinen Zweisel daran bestehen, daß es sich um Opfergaden für eine Gottheit der Mayas handelt. * Das Stünzelsest. Die Volksfeste sterben aus — ihre derbe Gemütlichkeit kommt in unserem Zeitalter der Technik nicht mehr auf. Um so erfreulicher ist es, wenn sich hier und dort noch eins der althergebrachten Volksfeste erhalten hat, wie das seit nahezu hundert Jahren alljährlich Mitte Juni veranstaltete Stünzelfest im Wittgensteiner Land. Veranstalter ist der Landwirtschaftliche Kreisverein und der eigentliche Zweck ist eine Viehausstellung mit Prämiie rung der besten Exemplare. Das Drum und Dran ist ein fröhliches Durcheinander von alt und jung, hoch und niedrig. Die Schulen im „Wittgensteiner Ländel" sind an diesem großen Tag geschlossen, weil Lehrer und Kinder natürlich auch dabei sein müssen. Um 8 Uhr morgens geht der Rummel los und es ist ziemlich spät am Abend, wenn sich die letzten „schwankenden Gestalten" vom Stünzelberg abwärts bewegen. Wohl 30 große Zelte geben den Witt gensteinern Gelegenheit, sich mit einem kräftigen Männer trunk zu stärken. Alter Tradition gemäß begibt sich der Vorstand des Kreisvereins, in seiner Gesellschaft auch der Fürst von Wittgenstein, sogleich nach der Prämiierung von Zelt zu Zelt und von Stand zu Stand, um alles von A bis Z mitzumachen: in jedem Zelt wird ein Glas Bier genehmigt, in jeder Schnapsbude zwei Korn; eine an strengende Sache, wie sich jeder denken kann! Und Geld wird man dabei auch los, besonders, wenn man nicht an den Schieß- und Würfelbuden vorbeikann. Aber Hauptsache bleibt: es ist auch diesmal schön gewesen auf dem Stünzel! G. Die Justiz soll die Verbrcchcrdrüse töten. Zu den vielen Drüsen, die wir schon haben, ist jetzt noch die „Ver brecherdrüse" hinzugekommen — mindestens aber ist sie neu entdeckt worden. Der Newyorker Arzt und Röntgenologe Dr. Hersey hielt - vor Ärzten und Naturforschern einen Vortrag, in dem er kund und zu wissen tat, daß Schwer verbrecher nach einem von ihm entdeckten Verfahren kuriert und wieder zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft gemacht werden könnten. Man erreicht das durch Behand lung einer gewissen Drüse, in der die verbrecherischen In stinkte des Menschen ihren Sitz haben, mit X-Strahlen. Die Verbrecher sind nämlich, nach Dr. Herseys Ansicht, nur bedauernswerte Kranke, die gar nichts dafür können, daß sie Morde begehen, Häuser in Brand stecken, Porte monnaies ans den Taschen der anderen stehlen usw. Einzig und allein die verflixte Drüse ist schuld! Die Justiz sollte also, so meint Dr. Hersey, nicht die Verbrecher, sondern die Drüse töten. Sobald dies geschehen sei, sei nicht mehr zu fürchten, daß der operierte Delinquent noch neue Verbrechen begehe. Die Drüse, um die es sich han delt, liegt im Hals und wiegt 10 bis 20 Gramm. In den ersten Lebensjahren hat sie jeder Mensch; so ungefähr vom 16. Lebensjahre an aber verschwindet sie bei den meisten von uns. Wer abnorm ist und sie länger behält, ist der „geborene Verbrecher" und muß auf den Operationstisch. Am Ende wird vielleicht der Staatsanwalt das Operieren lernen müssen! Fütterung der Blondinen. Das mußte schon noch kommen, weil sonst die Diätvorschriften für die verschie densten Menschengattungen nicht vollständig wären. Ein englischer Professor also hat die Entdeckung gemacht, daß blonde Damen anders ernährt werden müssen als brünette. Die Sache ist nämlich die, daß Menschen mit goldblondem Haar, blauen Augen, weißem Teint und stark roten Lippen ihre Lebenslust verlieren und elend zu grunde gehen, wenn sie nicht schwere Kost kriegen. Zu der schweren Kost rechnet der Professor Krebse, Rindfleisch, Erbsen, Bohnen, Nüsse und Käse. Die Brünetten dagegen können Obst, Salat, Gemüse und Eier essen. Nun wird man sich natürlich fragen, wie der englische Professor zu dieser Weisheit in Sachen Blondinen gekommen ist. Hier wird die Geschichte um noch einen Grad interessanter. Der Professor hat nämlich festgestellt, daß der blonde Typus aus der Rordpolgegend stammt und daß man dort sich gut und schwer nähren mutz, wenn man mitkommen will in dieser aufreibenden Welt. Zum Beweise für die Rich tigkeit dieser Theorie führt er — man sollte das nicht für möglich halten — die Eisbären und die weißen Eskimo hunde, also sehr blonde Tiere, an. Würden diese Bären und diese Hunde nicht schwere Kost genießen, so wäre mit ihnen nichts anzufangen. Der englische Professor scheint ein sehr ulkiger Herr zu sein, und die blonden Frauen, die auf Schlankheit hinarbeiten und nun plötzlich mit Erbsen und Bohnen gefüttert werden sollen, werden ihm die Augen anskratzen, wenn sie ihn zu sehen kriegen. Kongresse und Versammlungen Eröffnung des Deutschen Tabalforschungsinstituts. In Anwesenheit des badischen Staatspräsidenten Dr. Remmele sand sie Eröffnung des auf dem Versuchsgut der Badischen Landwirtschaftskammer in Forchheim gelegenen, neu errichteten Tabakforschungsinstituts für das Deutsche Reich statt. Der Vorsitzende des Kuratoriums des Tabaksorschungsinstituts, Staatssekretär Dr. Hoffmann vom Reichsministerium für Er nährung und Landwirtschaft, verwies in seiner Begrüßungs ansprache auf die Wichtigkeit des Tabakbaues in Deutschland und besonders in Baden, das von alters her den größten Tabakbau ausweist. Die Hauptaufgabe des Instituts werde es sein, die Züchtung, die Sortenwahl, die Düngung und die Bodenbearbeitung zu studieren, desgleichen die Forschung über die Tabakvergärung. Internationale katholische Woche. Die weiten Hallen des Kölner Domes füllten sich mit den dichten Scharen der katho lischen Gesellenvereine nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Holland, aus der Schweiz, aus Luxemburg und aus Frankreich. Kardinalerzbischof Dr. Schulte zelebrierte ein feierliches Hochamt. Hierauf marschierten die katholischen Gesellenvereine in geschlossenem endlosen Zuge mit ihren Bannern und Fahnen in die große Messehalle zu einer macht vollen Kundgebung, mit der die Internationale katholische Woche offiziell begann. Nach einem Vorspruch und dem ge meinsam gesungenen Kolpinglied sprach Reichstagsabgeordneter Universitätsprofessor Dr. Schreiber. Die Kundgebung der Männer von Hammer und Meißel, Säge und Hobel reihe sich nicht nur gut ein in den völkerverbindenden Rhythmus der Nationen, sondern sie beweise laut und ossen den christlichen Gemeinschaftswillen und das Gemeiuschastsbewt'Htsein. Well und Wissen Sensationspreise für Musikaiien. Wieder einmal wird eine große deutsche Sammlung aufgelöst, die Musikbibliothek des bekannten Wissenschaftlers Dr. Werner Wolfsheim, die kost barste Privatsammlung dieser Art. Bei der Berliner Ver steigerung des ersten Teils, der mit 1541 Nummern annähernd eine Viertelmillion Mark brachte, wurden phantastische Preise für einzelne Stücke erzielt. Bedauerlicherweise ging eine Reihe der wertvollsten Drucke ins Ausland. Andererseits erwarb die Preußische Staatsbibliothek die Lautentabulatur von Hans Gerte für 5550 Mark, die Leipziger Stadtbibliothek die von Luys Milan für 4700 Mark Leipzig konnte sich ferner für seine Universitätsbibliothek zahlreiche vollständige Gesamtaus gaben großer Meister, wie Heinrich Schütz, Mozart, Schubert und die einziaariiae Sammlung der Klavierwerke des 16. bis 18. Jahrhunderts „Uo tresor ckss lckamstss" sichern. Der Wiener Sammler von Hoboken erwarb unter großen Geldopfern die hervorragendsten Drucke Joh. Seb. Bachs, zum Teil von ihm und seinen Söhnen selbst gestochen. Ein unterirdischer Palast. Der deutsche Archäologe Prof. Hertz feld, der m Diensten der persischen Regierung steht, hat bei seinen Ausgrabungen in der Nähe von Meshdimorghar zwischen Persepolis und Schiras vor einigen Lagen einen unterirdischen Palast von gewaltiger Größe entdeckt. Bisher wurde der obere Teil eines steinernen Standbildes Cyrus des Großen bloßgelegt, das römische Schriftzeichen trägt. Die Aus grabungen werdcm fortgesetzt. 5 Lurnen, Sport unü Spiel) Spieivereungung Fürth in Dresden siegreich. Im Mittelpunkt des Interesses stand in Dresden die Be gegnung zwischen dem Ostsachsenmeister Sportklub und dec Spielvereinigung Fürth. Wie vor Wochen dem 1. F. E Nürnberg, so mußte auch in diesem Treffen der Sportklub deni Gegner den Sieg überlassen. Die Pokalspiele brachten insofern eine Überraschung, als die Freiberger Sportfremrdc einen glatten Sieg über den Sportverein 06 erringen konnten. Das zweite Treffen brachte Fußballrtng den erwarteten Steg über den S. C. Loschwitz. Zwei Handballspiele wurden in Dresden aus- getragen. Das Männerspiel Berlin—Dresden gewannen die Berliner 8:6, auch Berlins Damen schlugen die Ver treterinnen Dresdens mit 5:3. Rnnd um die Dresdener Heide. Der zweite Lauf zur Unions-Straßenmeisterschaft bildete das Rennen Rund um die Dresdener Heide über 154,6 Kilo- ' meter, auf einem Rundwege bei Dresden ausgefahren. In der ä-Klasse stellten sich 28 Fahrer dem Starter, von denen 17 geschlossen das Ziel erreichten. Im Endspurt trug der Berliner Sicronski einen sicheren Sieg davon. Das von 63 Fahrern bestrittene Rennen der 8-Klasse sah fünf Bres lauer in Front. Leichtathletik. Bei den sächsischen Landesmeisterschaften stellte Fräulein Junkers-Kassel über 100 Nieter mit 12,1 Sek. eine neue Welthöchstleistung auf Ferner wurden vier Rekorde der D. T. verbessert. Neben der Leistung von Fräulein Junkers schuf Fräulein Notte-Düsseldorf mit 1,54,5 Meter eine neue Hochsprungleistung. Im Kugelschocken verbesserte Kraft (Buch holz) den Rekord aus 23,95 Meter und im Speerwerfen Stoschek- Breslau den Rekord auf 60,18 Meter. Fünf neue Kreisbest leistungen sind neben anderen guten Leistungen hervorzuheben. Schwimmen. Der Wasserballmeister der Deutschen Turnerschaft, Turner schaft 77-Dresden, wurde im Endspiel um die sächsische Wasser ballmeisterschaft von Eintracht-Leipzig überraschend mit 3:1 geschlagen. Im 100-Meter-Freistilschwimmen erreichte der Leipziger Heinrich beim Jubiläumsschwimmen des S. C. Neptun-Leipzig die gute Zeit von 1 :03 Minuten. Bei der gleichen Veranstaltung schlug Stern-Leipzig im Wasserball- oorrnndenspiel Erfurt 1905 mit 5:2 (3:1) Toren. Tennis. Das 27. Internationale Tennisturnier des A. S. V. Dresden brachte bisher nur eine Entscheidung: Herrendoppel: Worm/C. Stapenhorst—v. Haugk/Richter 6:4, 3:6, 6:1. Die anderen Spiele konnten noch nicht beendet werden. * Olympiavorprüsungen. Die zweitägige Große Grü nauer Ruder regatta, deren traditionelle Bedeutung durch ihre Aus schreibung als Olympiavorprüfung noch erhöht wurde, brachte Wichtige und bemerkenswerte Entscheidungen. Von den Er gebnissen der Olympiavorprüfungsrennen sind zu nenne» der sichere Sieg des Berliner R. C. Hellas im Vierer o. St. über W. S. V. Düsseldorf, der gleichfalls überlegene Sieg des Hellas-Paares im Viktoria-Zweier o. St., der allerknappeste Erfolg Pötzelens (Berliner R. C.) um '/-> Sekunde über Voigt (Hellas) im Großen Einer, der nicht ganz erwartete, wenn auch knappe Sieg des B. R. C. S t u: m v o g e l i m Kaiser vierer über den Hellas und das erwartete Ergebnis im Doppelzweier o. St., den die Renngemeinschaft Hellas— B. N. E. vor dem Berliner N. (5,. lT i n - v n « <» Albert Bartels. Von Albert Zimmermann, Hamburg-Bergedorf. Albert Bartels? Wer ist Albert Bartels? Wenige kennen ihn und doch sollte ihn jeder deutsche Mann kennen. Denn Aehnliches, wie es General von Lettow-Vorbeck in Ost- ofrika vollbracht hat, leistete Albert Bartels, nur auf sich ge stellt, von Ende 1915 bis zum Kriegsende in Marokko. Ihm ist es zu danken, daß der Freiheitskampf der marokkanischen Stämme während des Weltkrieges nicht zum Stillstand kam, er war es, der den französischen General Lyautey in Asrika festhielt und ihn zwang, Zehntausende französischer Truppen — weiße und sarbige — in Marokko zu beschäftigen. E r hielt das Freiheitsbanner noch aufrecht, als in Europa jene unglückseligen Waffenstillstandsbedingungen unterzeichnet Worden waren, die den Anfang unseres Unglücks bildeten. Warum weiß man so wenig über Bartels? Nun, wäh rend des Krieges war er vollständig vom Vaterlande abge schnitten. Nur wenige und ungenaue Nachrichten gelangten von Marokko nach Deutschland. Zudem: wer kannte den Mann? — Wohl erschien einige Jahre später Bartels Buch „Aus eigene Faust" *), in dem er seine Erlebnisse in Marokko schildert. Aber in wie viele, richtiger: in wie wenige Hände ist das Buch gelangt? Es wäre eine Undankbarkeit des deutschen Volkes, wenn «s die Taten Bartels, die der Griffel der Geschichte dereinst festhalten wird, vergessen würde. Deshalb möge sein Wirken hier kurz skizziert werden. Als junger Hamburger Kaufmann ging Albert Bartels im Jahre 1903 nach Marokko. In den elf Jahren, die er bis zum Kriegsausbruch dort tätig war, lernte er Land und Leute kennen, lernte Arabisch und Berberisch und gewann Beziehungen zu einflußreichen Stammeshäuptlingen. Er gründete in Rabat (West-Marokko) eine eigene Firma und hatte bie freundschaftlichsten Beziehungen zu Franzosen und Engländern. Diese Freundschaft verwandelte sich aber in Todfeind schaft, als der Weltkrieg ausbrach. Bartels wurde von den Franzosen verhaftet. Aslan versuchte, Material gegen ihn zu- mmmen zu bekommen, um ihn mit einem Anschein von Recht erschießen zu können. Als der beabsichtigte Justizmord nicht gelang, verfrachtete man ihn mit anderen Deutschen nach der Stadt Oran. Dort wurden die Deutschen unter den Augen der französischen Besatzung und mit deren Hilfe über fallen, entsetzlich mißhandelt, gesteinigt, getreten und beraubt. ') „Auf eigene Faust". Meine Erlebnisse vor und währenk des Weltkrieges in Marokko von Albert Bartels. Mit 68 Bildere und 4 Karten. (Koehler L Amelang, Leipzig.) Preis geb. 8 Mark L»e ueverceoenoen ramen in das Gefangenenlager Sebdou, ! wo ihnen dann das Leben zur Hölle gemacht wurde. In § dieser Hölle kamen Bartels Rache- und Aufstandspläne zur Ausführung. In abenteuerlicher, neuntägiger, genauer neunnäch- iger, Flucht entwich er mit zwei anderen Deutschen im Oktober 1915 in das spanische Gebiet. Seine beiden Be steller blieben in Spanien, während Bartels sich in das Ge riet der freien Stämme begab. Seinen Sprachkenntnissen, einer Vertrautheit mit den Sitten und Gewohnheiten der Bergvölker und vor allen Dingen seiner Unerschrockenheit rrar es zu danken, daß er nicht sosort getötet wurde, denn )ie Abneigung gegen die Europäer und der Fanatismus den Christen gegenüber sind riesengroß. Und der Dolch sitzt sehr ose im Gürtel. Es gelang Bartels, unter den Arabern Fuß zu fassen, sich freunde zu erwerben und Verständnis für einen allgemeinen Krieg gegen Frankreich zu entfachen. Fast unüberwindlich varen die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten. Die Marokkaner sind kein einheitliches Volk, sondern sie zerfallen in Stämme, die durch einen oft Jahrhunderte alten Haß ge trennt wurden. Noch schlimmer ist häufig das Mißtrauen und die Eifersucht der Stammesführer. Manche Stämme Daren auch, meist durch Bestechung der maßgebenden Män ner, für Frankreich gewonnen worden. Der gefährliche Machthaber, der Scherif Abdel Malek, spielte eine Doppelrolle. Er strebte nach dem Sultansposten in einem unabhängigen Marokko. Aus dem Wege zu diesem Ziel war ihm jedes Mittel recht. Je nachdem zeigte er sich als Freund, als Feind oder als Verräter. Jedensalls war er ein Faktor, den man nicht verwenden durfte, da er eher franzosen- als deutschfreundlich war. Die schlecht unterrichtete deutsche Regierung war aber durch Abkommen mit der Türkei gezwungen, Bartels strengste Order zu geben, diesen unsicheren Kantonisten zu halten. Da durch wurde verhindert, daß aus einem Teilkrieg ein allgemeiner Krieg Marokkos gegen Frankreich ent flammte. Immerhin gelang es Bartels, sich schrittweise immer mehr Einfluß zu erkämpfen, so daß er bald der unbestrittene erste Führer im Kamps gegen die französische Herrschaft wurde. Die Franzosen waren ihm sowohl an Truppenzahl als besonders hinsichtlich der Bewassnung hundertsach über legen. Bartels und seine Araber hatten ewig unter Munitions inangel zu leiden. Handgranaten, Maschinengewehre usw. mußten sie den Franzosen erst abnehmen. Von vornherein waren sie gezwungen, mit den primitivsten Mitteln Ersatz patronen Herzustetten. Bartels vermied für's erste größere Schlachten. Für solche hätte die Zahl feiner Kämpfer nicht ausgereicht. Seine Araber eigneten sich zudem viel Vesser für den Kleinkrieg, der dem Feind bald hier, bald dort Abbruch tat. Gelegentlich ver suchten die Franzosen, sich durch große Gewaltstöße Luft zu machen. Aber meist blieben auch diese, trotz des vielen Blutes, das sie kosteten, erfolglos. Und erlitt Bartels auch hier oder dort einmal eine Schlappe, so wußte er sie bald wieder auszu wetzen. Sein Ziel, die Franzosen ins Meer zu jagen, blieb zwar unerfüllt. Durch seine unermüdlichen Beunruhigungen erlaubte er ihnen aber nicht, ihre Truppen in Afrika zu ver ringern, geschweige denn weitere Marokkaner nach Frankreich zu schicken. War es ihm schwer geworden, die Zuneigung so mancher Stammeshäuptlinge zu erwerben, so sind die vielen Beweise der Treue und der Freundschaft bis zum Tode um so er- schütteruder. Bartels war unbesiegt, nnd Frankreich stand auch in Marokko vor dem Zusammenbruch, als am 20. November 1918 der Befehl der deutschen Regierung einlief: „Sofort abrücken, laut Wafsenstillstandsverhandlungen." Damit war der weiteren Tätigkeit unseres Helden ein Riegel vorgeschoben. Er trat auf spanisches Gebiet über. Freilich erhielt er auch noch auf spanischem Boden zahlreiche Beweise der franzö sischen Todfeindschaft: Frankreich verlangte seine Auslieserung. Aber diese — die zweifellos den Tod Bartels bedeutet hätte — wurde glücklicherweise verhindert, wenn auch ein franzosen freundlicher Ministerpräsident — Romanones heißt der Ehrenmann — es fertig brächte, trotz des vorliegenden schrift lichen Versprechens 61 nach Spanien übergetretene Mit kämpfer Bartels der französischen Rachgier preiszugeben. Es muß aber anerkannt werden, daß die spanische Presse diesen Schurkenstreich noch schärfer verurteilte als deutsche Zeitungen es taten. Heute lebt Albert Bartels wieder als Kaufmann in Ham burg. Den Burnus und den Turban hat er abgelegt. Seine Erinnerungen sind ihm geblieben. Seine Liebe und seine Hoffnung gelten immer noch einem freien Marokko, wie sie auch einem freien Deutschland gelten. Er schließt sein Buch mit einer schlichten Erzählung: „Einst schoß ich einen Adler flügellahm. Jede Hoffnung auf seine Wiedergenesung schien für immer dahin. Aber ich nahm ihn und Pflegte ihn. Und obgleich die Araber auf ihn wiesen und sagten „Der deutsche Adler fliegt nicht mehr", ging ich unverdrossen an seine Heilung und hielt die Hoffnung fest, daß er die Kraft zum Aufflug schon wieder finden werde. Und als wir eines Morgens unserer Gewohnheit gemäß zu ihm gingen, da geschah cs, daß er Plötzlich seine Schwingen regte und mit weitaus spannendem Flügelschlag vor unseren Augen sich in die Lüfte hob. Alles sah ihm voller Ver wunderung nach und einer der Araber, die um uns standen, ries mit lauter Stimme: „Seht, der deutsche Adler fliegt wieder."
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