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Sen ersten Rechenunterricht erhalten, in dem man bekanntlich häufig von Schlüssen spricht, den Schluß durch eine ganz andere Art von Geistesprozeß zu ersetzen. In der Regel bildet das Kind eine einfache Assoziationsreihe, wenn es den Schluß ausspricht. Es verbindet z. B. eine Vorstellung a mit b und b mit c und stellt sich anschaulich vor, daß ein gewisses Merk mal, in dem a mit b übereinstimmt und b mit c, auch in a und c wiederkehrt. Eine solche Assoziationsreihe ersetzt ihm einen Schluß wie a-b, b-c, folglich a-c. Ein eigentliches Be wußtsein von dem Gang des Schlusses hat das Kind nicht, und der Grund des Schlusses bleibt ihm in den meisten Fällen verborgen. Das kleine Spargenie. Humoreske von G. W. °Beye r. Fritz Scharrer, Buchhalter im Büro der Firma Klasen und Schmidt, getreuer Ehemann seiner Gattin Mathilde und glücklicher Vater eines lebhaften Stammhalters von zwei Jahren, stand mit seinem Kollegen Fröhlich am „Zoo" und wartete auf die Straßenbahn nach Spandau. „Ja, lieber Herr Scharrer", meinte Fröhlich, „das ist ja ein sehr lobenswerter Grundsatz, den Sie da haben; aber ich bin der Ansicht, daß Ihre Sparsamkeit doch etwas übertrieben ist. Der Mensch muß sich doch auch einmal etwas gönnen!" — „Sie haben gut reden, Herr Fröhlich! Seien Sie erst einmal verheiratet, dann werden Sie anders sprechen. Ich bin wirklich froh, daß meine Frau mir alle Sorgen um die Ausgaben abnimmt. Was ich dadurch am Rauchen und Trinken spare, das kommt unserem Jungen zu gut. Wenn meine Frau fünf Mark zu sammen hat, bringt sie das Geld zur Kasse. So haben wir schon fast fünfzig Mark für Karlchcn gespart." — „Na, viel Glück!" wünschte Herr Fröhlich. Da kam die Straßenbahn und entführte Herrn Scharrer nach Spandau. „Lieber Fritz," sagte Frau Scharrer nach dem Essen, „heute ist Freitag, da ist die Sparkasse bis sieben Uhr geöffnet. Du könntest mit Karlchen einen kleinen Spaziergang machen und wieder fünf Mark hinbringen." Herr Scharrer gehorchte und zog mit seinem kapitalkräftigen Stammhalter zur Spar kasse. Dort mußte er sich der Schlange vor dem Schalter an schließen; der junge Herr Scharrer Vertrieb sich inzwischen die Zeit sehr angenehm damit, daß er den großen Leuten zwischen den Beinen herumlief, sich die Nase an einem Papier korb aus Draht schrammte und einen Hund am Schwanz zog. Der knurrte ihn an, Karlchen fuhr zurück und brachte einen gewichtigen Herrn zum Fallen. Alle Wartenden sahen mit unverhohlenem Vergnügen den Aerger des Dicken und die Tränen des Jungen. Herr Scharrer überraschte sich zum ersten Mal in seinem Vaterdasein beim Wunsch, den heulen den Stammhalter zu verleugnen. Da war der große Herr schon aufgestandcn nnd hatte den kreischenden jungen Mann auf seine leicht gekrümmten Beine gestellt: „Bengel, nun sei doch endlich ruhig! Hier hast Du einen Taler; halt nur den Mund!" — Der von den Eltern ererbte Sparsinn kam in Karlchen Scharrer zum Ausbruch; er wischte sich mit der schmierigen Faust über Augen und Nase und stürzte freude strahlend auf den Vater zu: „Pappa, Pappa, Tala, Tala!" Jubelnd zeigte er ein blankes Markstück. Herr Scharrer schämte sich sehr, als alle Leute lachend nb.ch ihm hinsahen und der edelmütige Schenker am anderen Ende der Schlange ihn wütend anstierte. Er war froh, gleich danach an die Reihe zu kommen, zahlte die fünf Mark für Scharrer junior ein und floh aus dem Schalterraum. Kärl- chen hielt sein Markstück krampfhaft in der kleinen Faust. Zu Hause gab es ein großes Erzählen, ein zärtliches Be mitleiden durch die Mutter und eine noch größere Freude über das so augenfällig entwickelte Spargenie des hoffnungs vollen Stammhalters: „Siehst Du, lieber Mann, wie sich Karlchen über das Geld freut! Unser Junge wird es noch weit bringen in der Welt. Komm, Karlchen, wir wollen den ,Taler' in die Sparbüchse stecken." Der junge Herr Scharrer hatte aber keine Lust dazu. „Na, dann behalt ihn, bis Du ins Bett kommst", entschied die Mutter. Nach dem Abendessen bekam Karlchen noch seine Flasche und sollte dann einschlafen. Herr Scharrer war ein für alle Mal mit der Aufgabe betraut, diese letzte Fütterung zu über wachen. Aber er hatte es sich angewöhnt, dabei eine Zeitung z- lesen, und achtete daher weniger auf das Glucksen seines Stammhalters. Kaum hatte er sich heute in einen Artikel vertieft, da schreckte er entsetzt hoch: aus Karlchens Bett klang ein Prusten, Räuspern, Schlucken und Röcheln; die Milch lief dem Jungen über das puterrote Gesicht in Nase und Ohren, und der Stolz der Familie Scharrer schnappte nach Luft. Die Mutter stürzte herein, i den Rücken; allmählich beruhigte Du nicht auf den Jungen achten-'" fauchte Frau Scharrer ihren Mann an. „Muß er sich denn verschlucken?" Doch plötzlich wurde sie bleich, fiel auf einen Stuhl und stöhnte: „Himmel! Karlchen hat das Markstück verschluckt! Du bist der Mörder Deines Kindes geworden!" — Der junge Herr Scharrer lag teilnahmslos in den Kissen und blinzelte seine ntsetzten Eltern nur durch die halbgeöffneten Lider an. „Er stirbt! Er erstickt!" Die Mutter riß den Jungen aus dem Bett, zerrte eine Decke um ihn, stürzte aus der Wohnungs- Lür. Vater Scharrer wankte hinterher. Die Leute auf der Straße blieben stehen und sahen dem Paar nach, das ohne Hut und Mantel in höchster Erregung vorbei stürmte. Es verschwand im Hause eines Arztes. Frau Scharrer läutete an der Wohnungstür Sturm; ärgerlich kam der Arzt selbst und öffnete. „Herr Doktor, Herr Doktor, der Junge erstickt!" Sie fegte am Arzt vorbei ins Sprechzimmer und legte Karlchen auf den Untersuchungsstuhl Der Arzt sah sich den Jungen an, horchte an seiner Brust, prüfte seinen Hals: „Da kann keine Rede von Ersticken sein; der Kleine hat sich nur verschluckt." — „O, nein, Herr Doktor", ächzte Frau Scharrer. „Er hat nicht sich verschluckt, sondern ein Markstück!" — „Na", meinte der Arzt, „eigentlich sieht er nicht aus, als hätte er eine Mark im Magen; aber wenn Sie es wünschen, kann ich ihn ja durchleuchten. Es ist nur eine etwas teure Geschichte!" — „Doch, doch, Herr Doktor, durchleuchten Sie ihn!" bat Frau Scharrer, und der schmerz gebeugte Vater nickte zustimmend. Kurz darauf erfolgte die Röntgenaufnahme; von einem Markstück war nichts zu sehen. „Aber er hat es doch ver schluckt", rief die Mutter, „die ganze Zeit über hat er das Markstück in der Hand gehabt; plötzlich war es verschwunden, nnd er bekam den Erstickungsanfall." — Der Arzt beruhigte sie: „Wir können ihm ja ein kleines Mittel geben." Er preßte )em jungen Herrn Scharrer eine Tablette zwischen die Zähne. ,Gehen Sie jetzt beruhigt nach Hause. Morgen früh komme ch bei Ihnen vor." Vollkommen erschöpft langte die Familie Scharrer in ihrer Wohnung wieder an. Karlchen sollte gleich ins Bett, die Mutter wollte ihm nur das in Milch getauchte Kissen neu cherziehen. Sie nahm den nassen Pfühl aus dem Bett — Karlchen hoch, klopfte ihm der kleine Kerl. ein ktemer Gegenstand siel auf den Boden, klapperte und rollt», unter den Kleiderschrank. Es war das Markstück! Als der Arzt am anderen Morgen kam, fand er drei Kranke: Frau Scharrer, deren Nerven versagten, Herrn Scharrer, oer vom Schrank her ein Loch im Schädel hatte, und Karlchen, dessen Magen von der Tablette umgekrempelt war. Erst nach drei Tagen erholte sich die Familie langsam von ihrem Schrecken. Doch das Schicksal holte noch einmal zu einem schweren Schlag gegen die geprüften Eltern aus: Die Arztrechnung traf ein. Sie lautete über sechsundfünfzig Mari und verschlang Karlchen Scharrers ganzes Vermögen ein schließlich des „verschluckten" Markstücks. Die Tränen des Grafen Itagaki. In den öffentlichen Anlagen einer japanischen Stadt steht ein Denkmal des verstorbenen Grafen Itagaki, des Gründers der großen konservativen Partei der Seihukai. Den Anhängern dieser Richtung war es nun natürlich ichon längst ein Dorn im Auge, daß der Enkel des großen Mannes „schändlicherweise" ins feindliche Lager der Äinseito hinüber gewechselt war. Wenn in Japan die Rede wendung vom Umdrehen im Grabe heute gebräuchlich wäre, so hätten die braven Seiyukailente ihrem Führer zweifellos eine derartige rotierende Bewegung zugeschrieben; so mußten sie sich aber damit begnügen, ihre Verachtung dem Abtrünnigen gegenüber dadurch auszudrücken, daß sie dem japanischen Sprachgebrauch entsprechend erklärten, Graf Itagaki weine in seinem Grabe blutige Tränen über den abtrünnigen Enkel. Eines Tages aber eilte die Schreckensmeldung durch die ganze Stadt: „Der eiserne Graf in den Anlagen vergießt blutige Tränen!" Alles lief zum Denkmal, und da sahen dieSeiyukai- anhänger und die entsetzten Minseitoleute, daß tatsächlich aus den Augen des Standbildes blutige Tropfen zu Boden träufelten. Man schrie Wunder über Wunder, und mancher Minseitomann, der früher ein guter Jünger der Seihukai gewesen war, beschloß unter dem niederschmetternden Ein druck des Mysteriums seine politische Meinung einer gründ lichen Prüfung zu unterziehen, damit sein Großvater nicht auch in die Verlegenheit käme, nach seinem Tode blutige Tränen über ihn zu weinen. Die Polizei war aber weniger gläubig, untersuchte den eisernen alten Herrn und fand, daß zwei Löcher in die Augen gebohrt waren, aus denen das Blut lief, welches die seltsamen Spaßmacher durch ein drittes Loch in den Kopf gegossen hatten. Die findigen Wundertäter selbst hat man aber noch nicht entdecken können, und es kann nur ver mutet werden, daß sie zur Seiyukaipartei gehören. Davon, daß der junge Graf Itagaki reuig zu den Seiyukaileuten zurückgekehrt wäre, hat man auch nichts vernommen. « vennMtes - - Staatsbehörde und Rentenempfängerin. Zwischen einer staatlichen Kreiskasse im Westfalenland und einer Rentenempfängerin in Köln hat ein scharfer Meinungs austausch stattgefunden. Das heißt: scharf war eigentlich nur die Staatsbehörde, aber die Rentenempfängerin hatte diese „Schärfe" durch ihr offenbar sehr provokatorisches Verhalten selbst verschuldet. Las eraibt sich aus einem -kommen könne, „von wegen der Hitz, so der schmertz erwogt" Beim Weidwerk «uf größere Tiere bewaffneten sich die Ritter mit Speer, Armbrust, Iagdschwert, Jagdmesser und Jagdhorn. Dadurch, daß der Bauer die Jagd nicht mehr ausüben durfte, verringerte sich die Zahl der Jäger um ein beträchtliches. Das Wild hingegen vermehrte sich und richtete aus >den Fluren großen Schaden an. Es wurden damals z. B. Güter ver kauft, die durch das Wild wüste geworden waren und leinen Nutzen mehr brachten. Wehe dem Bauer, der sich an den Nagdtieren vergriff! Furchtbare Strafen trafen ihn. Wie ein Hohn klingt es, daß er das Wild gar Müßen sollte. Im Weistum zu Prüm (15. Jahrhundert) heißt es: „so dem Hoffman daß wild mit dem ge schliffen fuesz begegnet uff dem Feld, soll er das nit mehr schrecken, dan allein sein kapel davor Man unserm gnädigen Herrn zu ehren." Der enorme Wildschaden war eine der Ursachen des Bauernkrieges (1525). Von etwa 1500 'üb beanspruchten die Fürsten und Landesherren die gesamte hohe Jagd für sich. Willfärtige Juristen suchten diese Anmaßung aus dem römischen Rechte abzuleiten, verlogene Theologen sogar aus der Bibel 1 An dem Beispiele unserer Heimat läßt sich gut verfolgen, wie die Fürsten eine Jagd nach der anderen in ihre Hände brachten. Herzog Moritz handelte '1545 Nicoln von Schönberg auf Krummenhennersdorf die diesem gehörende hohe Jagd vor dem Tharandter Walde um 2000 Güldengroschen ab". 1560 ließ Vater August den Marschällen Ernst Christel Nickel und Heinrich von Biberstein die hohe Jagd, „als Behrn, Hirsche, Wilt Schweine vndt Rehe entziehen vnnd denn gebrauch derselben verbieten" 1607 zwang Christian II. Niceln von Mergenthal auf Neukirchen und Hanns von Loß auf Steinbach, ihm ihre hohe Jagd gegen eine jährliche Entschädigung von 20 bzw. 40 Gulden zu Anlassen 1617 mußte Abraham Allnbeck auf Tanneberg trotz heftigen Widerstrebens die Reh- und Wildschweinjagd an Johann Georg I. Mreten D 1646 brachte Johann Georg auch die Jagd des Hans von Schönberg auf Wilsdruff in seine Hand Nach Beseitigung der grundherrlichen Jagdberech tigungen stand der Heranzüchtung großer Mengen ^Hochwildes nichts mehr im Wege. Mit peinlicher Sorgfalt wurde alles ferngehalten, was der Wildbahn irgendwie schaden konnte. 1560 machte Vater August Caspar von Schönberg aus Rothschönberg und Hans von Schönberg auf Wilsdruff Vorwürfe, weil sie für ihren unmündigen Neffen auf Krummenhennersdorf in Niederschöna eine Schäferei angelegt hatten. Das sei der Jagd schädlich und der ftebelftand müsse bald beseitigt werden ". 1566 äußert er sein „vngnediges misfallen" über die „nawerpauete mühle in der Kos- pauder leisten vnd Zfchon gelegen (Welte-Mühle) und über die an den Zschoner Grund angrenzenden Bauern, die durch ihr Roden die Wildbahn ,-vorhauen vnd vorengern" (Fortsetzung folgt.) r u. Wendt: Kultur und Jagd. Berlin 1907. s M. N. Rebhan. llssu Venator, sechzehn christliche Jägerpredigten. Wittenbcrgk 1621. » Schloßarchiv Rothschönbcrg. Cap. I, Sekt. X, Nr. 2. w H.-St..N. Dresden. Loc. 8070 fol. 80. Jagdsachen 1547—1567. " H -St.-A. Dresden. Loc. 88781. Amt Meißen 100. Acta die den vormaligen Besitzern der Güter Neukirchen und Steinbach abgehandeltcn Jagden betr. >2 Schloßarchiv Rothschönberg. Cap. l, Sekt. X, Nr. 19. " H.-St.-A. Dresden. Koll. Schmid. A. Dresden, fol. VII, Nr. 195a. " Albert Fraustadt: Geschichte des Geschlechts von Schönberg Meißnischen Stammes. Abt. 6. S. 189. ZeilrcdrM kür keimattorsckurrg unü fieimsipklege vock»deU!i«e rum-ämmck-r NrMe', socd „lee guellc»»ng»dr verdsien NummcrZuni i-rr»7. Zakkgang Zagügercbicbilicbe; am äer MEiMer Segenä. Von Alfred Ranft- Blankenstein. 1. Die Jagd als Lieblingsbeschäftigung des sreien Mamies. Die eisten Menschen find in unserer Heimat etwa um <5000 vor Christi auf getaucht. Sie trieben nur ganz wenig Ackerbau und Vichg-ucht. Sie lebten von der Jagd. Weite Steppen bedeckten damals das Land. Große Säugetiere tummelten sich auf den unendlichen Rasenflächen, Nashorn, Mammuth, Höhlenbär, Wildpferd, Ur, Wisent, Elch, Hirsch, Renntier. Mit den primitivsten Waffen suchte der Mensch — getrieben von Hunger und Käste — fie zu erlegen. Seine Hauptwaffe war das Steinbeil (Fundorte: Wildberg, Tanneberg, Naustadt, RiemsdorfSachsdorf, Tauben heim, Scharfenberg, Unkersdorf, Pesterwitz, Tharandt) 6 Es gehörte viel Mut dazu, mit diesem einfachen Werkzeuge den gewaltigen Tieren auf den Leib zu rücken. Dem gegenüber erscheint die heutige Jagd als Spielerei. Weniger anstrengend und ge fährlich war es, das Wild in Fanggruben zu 'locken. Am meisten scheint der Hirsch gejagt worden zu sein, wie die Hirschknochen in vielen Herdgruben beweisens. Allmählich änderte sich die Vegetation. Wälder wuchsen heran. Andere Menschen durchstreiften nomadisierend unser Gebiet. Die Wassen vervollkommneten sich. Man fertigte fie aus Bronze (1800—800 v. Ehr.; Fundstelle: Forftgarten Tharandt), später aus Eisen. Die größten Säuger stachen Ms, so das Nachom und das Mammuth. Zeitweilig mag unsere Heimat ganz menschenleer gewesen sein. Ein undurchdringlicher Wald bedeckte fie. An seinem Rande, im Elbtale und in der Lommatzscher Pflege siedelten sich um 600 nach Christi die Sorben-Wenden an. i F. H. Döring: Die vorgeschichtliche Besiedlung der Wilsdruffer Gegend. „Unsere Heimat" 1920. Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. 2 Prof. vr. W. Soergel: Die Jagd der Vorzeit, 1922. 72 6S