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Wilsdruffer ÄgedlaN Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Montag, de« 26 März IS'8 Rr.73 — 87 Jayegang Teiegr.-Adr.: .Amtsblatt' Wilsdruff» Dresden Postscheck: Dresden 2646 für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anik!--„preis: dir S yes-alt-ne Raum,eile so Rpfg., dic« g-lp-Ucne Z-rr- der amtNchcn 4» «eich«, psenni,, di- 2-rIpallrn- A-KIam-z-ile i,n icxoichen Tct!- I Reich,mark. Nachweiimi»,gebühr LU R->ch«pl-nnige. Bdr. geschriebene Erscheinung,» —, -» « läge und Piatzvorschrifteu werden nach MöglichbeN Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berüchfichtsgl. Anjei^u. annodmedi-,-orm.10Uhr. — Ul ! ! Für di. Richligbeil brr durch Fernrus übermilleUen Anzeigen übernehmen wir hc,nc<KarLNIi«. lieber Ra bnllansprp ch erlischl, wenn der Belra, durch Klage «ingczogen werden mutz oder der Auflraggeber in KonUurr geräi. Lnzrigeu nehmen allc ivermiNlungdprüenentgegru. Da, .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werbtaaen nachmittags s Uhr. 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Namentlich dann nicht, wenn ein solcher Skandal — und Vorkommnisse dieser Art sind bekanntlich in Frankreich nicht gerade selten — politischen Einschlag hat, an ihm Parlamentarier, höhere Beamte usw. be teiligt sind. Dann wird sehr schnell die Dementierspritze herangeholt oder man schweigt die ganze Sache tot. Manchmal klappt diese Taktik doch nicht so ganz, über die Art, wie nach dem Kriege in Elsaß-Lothrtngen bei der Liquidation des deutschen Privat eigentums verfahren worden ist, mußte doch eine parlamentarische Untersuchung veranstaltet werden, weil die Sache allzusehr zum Himmel stank. Darüber kam denn auch ein Bericht zustande, der geradezu abenteuer liche Mitteilungen enthielt. PoincarS und seine Re gierungsetzten alles daran, das Erscheinen dieses Berichtes zu verhindern, aber das mißlang, der Bericht wurde ver öffentlicht. Die Untersuchungskoinmission hatte sich nur mit der Liquidation der lothringischen Eisenwerke be schäftigt. Das waren Riesenbetriebe allermodernster Art. Gewaltige Kapitalien waren in die Werke hinein gesteckt worden; so hatte die Firma Thyssen, der eines dieser Werke gehörte, allmählich etwa 1,4 Milliarden Mark dort angelegt. Das war für die französische Schwer industrie eingefundenesFressen,als nun Elsaß- Lothringsn an Frankreich fiel, dort der deutsche Privat besitz liquidiert, also zugunsten des Staates verkauft wurde. Die weitaus wertvollsten Objekte waren diese Eisestwerke und die K a l i b e r g w e r k e im Elsaß. Aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses geht her vor, daß gerade ver Staat es der französischen Industrie sehr leicht, auffallend leicht gemacht hat, das alles zu er werben, und zwar zu einem geradezu lächerlich ge ringen Preise. An der Spitze des Konsortiums stand Herr de Wendel, selbst lothringisch-saarländischer Großindustrieller, einst — deutscher Reichstagsabgeoro- neter. Er und die Seinen machten ein großartiges Geschäft, denn sie bezahlten — oder vielmehr sollen in 20 Jahren bezahlen — für die Riesenwerke mit ihren Milliardenwerten nur 180 Millionen Frank. Also ganze 30 Millionen Mark! Aber Herr Millerand, später Prä sident der Französischen Republik, war damals Ober kommissar für Elsaß-Lothringen und hatte bestimmt, daß das sequestrierte deutsche Privateigentum nicht öffentlich versteigert, sondern „freihändig" verkauft werden sollte. Als Zwischenverwalter hatte man Politiker, Advokaten, sogar Offiziere eingesetzt, die sich dabei sehrraschrecht „gesund" machten und sich beim „freihändigen" Ver kauf die Hände ergiebig füllen ließen. Was uns Deutsche daran aber besonders interessiert, ist nun die Aufrechnung, die dann erfolgte. Der Erlös aus diesen Liquidations verkäufen sollte zunächst dazu dienen, nm diedeutschen Vorkriegs sch uldenanFrankreichzudeüen. Infolge des lächerlich geringen Ergebnisses dieser Ver käufe mußte Deutschland, um jene Schulden abzudecken, noch ganz gewaltig, Hunderte von Millionen Mark, zu zahlen. Und der „Oberverwalter des sequestrierten deut schen Eigentums", Herr Senator Alphauv, rühmte sich noch dessen, daß er auf diese Weise noch 600 Millionen aus Deutschland herausgeholt habe. Diese Niesenschie- bung umkleidet man also mit dem Nimbus einer patriotischen Tat! Geschehen wird natürlich — gar nichts. Soeben ist auch noch der Versuch, ähnlichen Vorkommnissen beim Ver kauf der ungeheuer ergiebigen elsässischen Kaliberg- werke nachzugehen, schleunigst abgewürgt worden. Beim Wiederaufbau in den zerstörten Gebieten Nord- und Ost frankreichs kamen ja derartige Skandale und Be trügereien geradezu in Massen vor; es wurde dann darüber im Parlament ein bißchen gereget. Aber nicht lange. Der Deutsche hatte ja zu bezahlen. Jetzt hat die deutsche Negierung die Kriegslastenkommission in Paris angewiesen, auf Grund jenes Berichtes doch ein mal vorstellig zu werden bei der französischen Regierung. Viel Erfolg wird vas ja kaum haben; denn an der Affäre sind allzu viele und allzu einflußreiche Personen beteiligt. Der Papst über Güdürol. Der Vatikan fühlt sich nicht frei.. Bei der Audienz einer Pressevertretung in Nom sagte der Papst über Südtirol, es schmerze ihn aufrichtig, daß deutsche und österreichische Katholiken ihm den Vor wurf machten, als ob er nicht für die Erteilung des Religionsunterrichtes in der Muttersprache eingetreten sei. Was er tun konnte, habe er getan, denn er denkt als Vater an alle seine Kinder und an die Bedrängten zu nächst. Aber sagen Sie, so fuhr er fort, Ihren Katho liken, daß Wir nicht frei sind, daß das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Italien genau dasselbe ist wie am 21. September 1870. Wir werden auch in Zukunft tun, Aas möglich ist, und auch beten. Aber Wir müssen be- mrchien, daß weitere Demütigungen Unsererseits die Situation eher verschlimmern als verbessern. Ser MWH der MMMMOmz in Genf Ein Appell des Grafen Bernstorff. Im Vorbereitungsausschuß sür die Abrüstungskonfe renz gab der deutsche Vertreter Graf Bernstorfs angesichts der Ablehnung der deutschen Anträge einen Überblick über die bisherigen Abrüstungsbestrebungen des Völker bundes. Man könne Wohl beobachten, daß der Ausschuß selbst den Zwang in sich fühle, vorwärtszukommen. Dieser Zwang, so betonte Graf Bernstorff, rühre aber nicht etwa von Deutschland her, sondern die im Versailler Vertrag niedergelegten Verpflichtungen seien es, von denen der vom Ausschuß empfundene Zwang ausgehe. Nicht Deutschland sei es, das die Völkerbund satzung und die Friedensverträge entworfen habe. Beide seien aber jetzt unterzeichnet und feierlich ratifiziert und sie müssten deshalb auch ausgeführt werden. Dies hätten auch die Organe des Völkerbundes wiederholt anerkannt. Leider sind alle diese Mahnungen, so führte Graf Bernstorff weiter aus, vergeblich geblieben, und das Ar beitstempo des Ausschusses zeigt einen beklagenswerten Mangel an Schwung. Wie lange die deutsche Regierung diese Unfruchtbarkeit der Ausschußarbeiten mit ansehen wird, steht dahin. Nichts anderes bleibt mir übrig, so schloß Graf Bernstorff, als angesichts des Schlusses der fünften wiederum ergeb nislose« Tagung Berufung an die Bundes versammlung im Herbst dieses Jahres einzulegen, jenes Organs des Völkerbundes, welches den Auftrag zur Vor bereitung der Abrüstung dem Ausschuß erteilt hat und dem dieser Ausschuß verantwortlich bleibt. Selbstver ständlich würde ich mich sehr freuen, wenn unser Ausschuß in der Lage wäre, der nächsten Bundesversammlung den Entwurf eines Abrüstnngsabkommens nach erfolgter zweiter Lesung vorzulegen, einen Entwurf, der geeignet wäre, die Zweifel und Befürchtungen zu zerstreuen, die ich hier vor aller Öffentlichkeit darzulegen gezwungen war. Allerdings ist bei der Wendung, die unsere Arbeiten bis jetzt genommen haben, zu befürchten, daß sich auch diese Hoffnung nicht verwirklicht. Dann wird die Bundesversammlung als Hüterin des Ansehens und des Einflusses des Völkerbundes diejenige Stelle sein — und hierbei folge ich einer Anregung des amerika nischen Delegierten Gibson —, die veranlassen wird, daß unser Ausschuß endlich aufhört, in immer erneuten Tagungen eine bedauerliche Unfruchtbarkeit zu beweisen. Die Bundesversammlung wird auch dafür zuständig sein, einen Bericht über den tatsächlichen Stand jener zwischen den Regierungen laufende«» Besprechungen entgegenzunehmen, die aber keinerlei praktisches Ergebnis gezeitigt haben. In seiner Schlußrede erklärte der Vorsitzende, Loudon, die unbestreitbare Bedeutung der abgelaufe nen Tagung liege in der Tatsache, daß die russische Dele gation ihre Vorschläge in voller Freiheit entwickel» konnte. Litwiuow zog seinerseits die Bilanz dieser Tagung, indem er noch einmal die Auffassung des Berichterstatters Politis kritisch beleuchtete, wonach die sofortige rind vollständige Abrüstung mit dem Völkerbundpakt im Widerspruch stehe. Der chilenische Delegierte Valdes gab mit Bezug nahme auf die in dieser Woche gefallene Entscheidung Spaniens der Hoffnung Ausdruck, daß Spanien bei der nächsten Tagung im Ausschuß wieder »nitarbeiten werde. Litwinow erklärte, er glaube im Namen aller Ausschuß- Mitglieder dem Sekretariat und der Abrüstungsabteilung für die geleistete Arbeit danken zr» können, was Lord Cush endun zu ver mit allgemeiner Heiterkeit auf genommenen Schlußbemerkung veranlaßte, daß trotz tief gehender Gegensätze in dieser Frage zwischen ihm und Litwinow vollkommene Übereinstimmung herrsche. DiegegenDeutschlandundNußlandan- genommene Entschließung besagt, daß der Ausschuß nach Prüfung des russischen Projektes über sofortige, vollständige und allgemeine Abrüstung fast einstimmig der Meinung ist, daß dieses Projekt vom Aus schuß nicht als Grundlage seiner Arbeiten angenommen werden kann, die auf den« bereits eingeschlageneu Wege fortgesetzt werden sollen. Auf die ursprünglich vorgesehene Festsetzung eines äußersten Termins für die zweite Lesung wurde auf An trag des amerikanischen Delegierten Gibson, der von Italien und von der Tschechoslowakei unterstützt wurde, verzichtet, weil, wie Gibson begründete, der Vorsitzende bei Einberufung der nächsten Tagung die Sicherheit haben müsse, daß die schwebenden Verhandlungen unter den interessierten Mächten zur Überbrückung der Gegen sätze zu eiuem Ergebnis geführt haben, durch das die Aufstellung eines endgültige»» Abkommensentwurfes bei der nächsten Tagung gewährleistet werde. Neue britische Vorschläge zur Seeabrüstung. Lord Cushendun setzte sich in einer Note an die Mächte, die das Washingtoner Abkommen unterzeichnet haben, für eine Herabsetzung der Seerüstungen ein und verlangt u. a. als höchstzulässiges Kriegsschiff das 30 000- Tonneu-Kriegsschiff an Stelle des 35 OOO-Tonnen-Kriegs- schiffes. Jie Erlebnisse der mWeten MW» i« ROM Ingenieur Goldsteins Bericht. Prozeßverhandlung erste Aprilwoche. Der im Donezgebiet mit anderen Deutschen verhaftet gewesene und dann wieder entlassene Oberingenieur Goldstein ist bekanntlich nach Berlin zurückgekehrt und hat dort Bericht über seine Erlebnisse erstattet. Der Bericht ist nunmehr veröffentlicht worden, bringt aber immer noch keine volle Klarheit über die eigentlichen Ur sachen zu dem gewaltsamen Vorgehen der Svwjet- bchörden. Nach Moskauer Berichten soll der Prozeß gegen die noch in Haft befindlichen Deutschen in der ersten Aprilwoche in Maska» stattfinden. Die russische Presse greift zwar noch vereinzelt die Deutschen an und kritisiert de«« Standpunkt Deutschlands in der entschiedenen Verteidigung der betroffenen Reichs angehörigen, hüllt sich aber im übrigen in Schweigen und geht nicht näher auf das ein, was eigentlich vor gekommen ist oder vorgekommen sein soll. Was Goldstein erzählt. In der Nacht zum 6. März ist Oberingenieur Goldstein plötzlich verhaftet worden. Nach einer eingehenden Haus suchung wurde er in die nächste Kreisstadt Stalin übergeführt. Hier wurde er 24 Stunden im Gefängnis gehalten, dann nach Charkow und von dort nach Rostow am Don gebracht. Im Rostower Gefängnis hat er die ganze Zeit bis zu seiner Frei lassung am 17. März zugebracht. Aus seiner Berichterstattung geht hervor, daß die Gefängniszeit außerordentlich schwer stir ihn war, weil die Gefängnisverhältnisse derart waren, daß Herr Goldstein die Leiden dieser Zeit noch nicht überwunden hat. Er wurde mit einer großen Anzahl anderer Gefangene, in kleinen Zellen gehalten. So war seine Zelle vier Meter lang und 1,70 Meter breit. Darin waren gleichzeitig noch sechs andere Gefangene untergebracht. Unter dem Ungeziefer wie unter der schlechten Behandlung litt Goldstein gleichermaßen Über Len.Grund seiner Verhaftung wurde Goldstein dauern!: m vouer unnarycn gelaßen. Erst am 14. März sand das erst« Verhör statt. Dabei stellte es sich heraus, daß ein Montagcbcricht, den einer seiner Monteure ihm nachgeschickt hatte, der Sowjet geheimpolizei in die Hände gefallen und Voit dieser in so ent stellender Form übersetzt worden sei, daß sich tatsächlich alleff mögliche daraus konstruieren ließ Der Vergleich mit den« Original hat dann aber offenbar auch die Sowsets von der Haltlosigkeit der Anklagen überzeugen müssen, und so wurde«! Goldstein und Wagner am 17. März sreigelassen. Bis dahi«! ist es Herrn Goldstein aber auch nicht möglich gewesen, fick mit der deutschen Vertretung in Verbindung zu setzen. Di« Russen haben die Venragsvorschristen allerdings insoserr formal eingehalten als sie der deutschen Botschaft am Abeni vor der Verhaftung eine Ankündigung zugehen ließen, di« freilich keine genauen Angaben enthielt. Der Zutritt zu der Gefangenen ist bisher noch nicht erlaubt »vordem Rach de« Vertragsbestimmungen haben die Russen das Recht, den BesuH hrnauszuschieben. Auch die Bestellung eines deutschen Anwalt« ist noch nicht genehmigt worden. Immerhin besteht die Mög lichkeit, daß die Erlaubnis hierzu noch nach Abschluß de« Untersuchung gegeben wird. Lleber das Schicksal der übrigen Verhafteten ist auch heute noch nichts Genaues bekannt. Sie befinden sick ebenfalls in Rostow am Don. Es ist versprochen worde» die Untersuchung in kürzester Zeit zu Ende zu führen uni der deutschen Botschaft dann zu berichten. Auch Herr Gold stein kann über den genauen Grund der Verhaftungen noH keine Aussagen machen. Die ursprüngliche Annahme, das die Verhaftungen aus die Reibereien zurückzuführen wären- die sich bei der Ablieferung von Maschinen zwischen de>w schen und russischen Ingenieuren ergeben hatten, wird M Wohl nicht aufrcchtcrhalten lassen, weil auch die russischer, Ingenieure mitverhaftet worden sind. Interessant iß übrigens, daß der Verfasser des beschlagnahmten Montage berichts überhaupt nicht verhaftet worden »st. Heer Goldstein berichtet dann weiter noch, daß die Behandlung nach Aust kläruna der falschen Übersetzung sehr viel besser, jo außer< ordentlich freundlich geworden ist. Er wurde dann auch sofort in eine bessere Zelle übergesührt. Seine Enthaftung unt seine Abreise nach Deutschland sind im einzelnen belannt