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gutnachbarliche Beziehungen zwilchen Polen und Litauen herzustellen. ps?en. Polen enteignet deutschen Grundbesitz. Der Ministerrai hat in seiner letzten Sitzung be schlossen, die Verordnung über die zwangsweise Enteig- rung deutschen Grundbesitzes in den ehemals preußischen Teilgebieten in Kraft treten zu lassen. Im Posener Bezirk sollen 2576 Hektar, im Graudenzer Bezirk 4809 Hektar und im Kattowitzer Bezirk 492 Hektar zwangsweise aufgeteilt werden. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Der Erzbischof von Posen-Gnesen und Primas oon Polen, Kardinal Hlond, ist in Berlin eingelroffen. Er wurde aus dem Bahnhof feierlich empfangen. Frankfurt a. d. O. Im Anschluß an eine Kundgebung der Vaterländischen Verbände für die Freilassung des Oberleutnants Schulz und seiner Kameraden kam es in der Stadt mehrfach zu Schlägereien. Paris. Der französische Botschafter beim Vatikan, Douleet, ist im Alter von 63 Jahren verstorben. London. Schatzsckretär Churchill mußte sich einer Operation unterziehen, die einen befriedigenden Verlaus nahm. London. Die Nankinger Regierung hat ihre offizielle Zu stimmung für die Wiedereröffnung der im Dezember gleich zeitig mit der Ausweisung des sowjetrussischen Generalkon suls in Schanghai geschlossenen Russischen Bank gegeben, da die chinesischen Sechändler der Finanzierung der Bank für -hren Rußlandexport benötigen. Neues aus aller well Der neue Amerikazeppelin. Das Gerippe des neuen Zeppelinkreuzers „L. Z. 127" ist bis auf die Bug kappe und die Heckspitze fertig zusammengesetzt. Die Gon deln sind schon angepaßt und Dr. Eckener erwartet die Fertigstellung des Luftschiffes im Laufe des Monats Mai. Nach Fertigstellung des Schiffes beginnen die Werkstätten fahrten, die im besonderen der Erprobung des neuen Triebgases, der Steuerung und der Neuanordnung dienen sollen. Die Probefahrten werden sich Wohl über einen größeren Teil Deutschlands erstrecken können und es wer den sich auch Seefahrten über Nord- und Ostsee, vielleicht auch südwärts zum Mittelmeer oder gar auf dem At lantischen Ozean anschließen. Ein ganzes Dorf sucht ein Kind. Das zweijährige Söhnchen des Landwirts Hiller aus Oberbielau, Kreis Görlitz, war seinem Vater unbemerkt ins Dorf nach gegangen, kam aber vom Wege ab und verirrte sich. In später Nachtstunde wurde das Dorf alarmiert, doch konnte das Kind trotz eifrigen Suchens nicht gefunden werden. Erst nach 30 Stunden wurde das Kind auf dem Wege nach Kieslingswalde erfroren aufgefunden. Verhaftung von Eisenbahnräubern. Der Polizei ist es gelungen, einer Diebesbande auf die Spur zu kommen^ deren Mitglieder in großem Umfange Schienen und Eisen bahnmaterial in Ostoberschlesien gestohlen und in Sosno- wice und in Bendzin verkauft haben. Bisher wurden sieben Personen verhaftet. Ein Teil des geraubten Gutes konnte der Bahn zurückerstattet werden. Unwetterverheerungen in Frankreich. Im Hafen von Dünkirchen wurde ein Dampfer von den Stahltrossen losgerissen und gegen mehrere Kutter geschleudert, die schwer beschädigt wurden und sanken. Ein Fischerboot mit mehreren Mann Besatzung wird inBoulogne ver mißt. Aus Bischweiler wird gemeldet, daß der Sturm eine 30 Meter lange Mauer zum Einsturz brachte. Eiu Arbeiter wurde dabei getötet, ein anderer schwer verletzt. Ein Kassierer der Jesuiten ermordet. Der Buchhalter und Kassierer der „Katholischen Auslandsmission der Je suiten" in Paris, der Spanier Felix de la Tajidada de Peredes, wurde mit gespaltenem Schädel in seiner Woh nung aufgefunden. Da der Kassierer bedeutende Mengen in Verwahrung hatte, dürfte er einem Naubüberfall zum Opfer gefallen sein. Als mutmaßlicher Täter kommt ein Individuum in Frage, das seit Monaten Unterstützung von dem Buchhalter erhielt, in der vergangenen Woche aber mehrmals abgewiesen wurde. Großfeuer in Lyon. Durch eine Feuersbrunst wurde ein 4000 Quadratmeter großes Lager elektrischer Kabel eines Lyoner Kabelwerkes vernichtet. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, ein übergreifen des Bran des auf die Nebengebäude zu verhüten. Der Schaden beträgt etwa 10 Millionen Frank. Dreizehn Tote bei einer Grubenexplosion. In White haven (Cumberland) ereignete sich ein schweres Berg werksunglück, dem dreizehn Menschenleben zum Opfer fielen. Bei Schließung der Grube vor zwei Monaten hatten zwei Mann den Tod gefunden. Nunmehr stiegen Bergwerksinspektoren, unter ihnen zwei staatliche Inspek toren, in die Grube, um sie wieder in Betrieb zu nehmen. Bei Öffnung der Grube brachen Gase hervor, die explodierten. Sämtliche Mitglieder der Jn- spektionskommission kamen um. Lunte Tageschronik Paris. Mehrere ausländische Dampfer haben durch Funk- spruch um Hilfe gebeten. Sie befinden sich infolge der seit 48 Stunden in der dortigen Gegend herrschenden Stürme in Seenot. Kopenhagen. In Odense ist ein Fall von Schlafkrankheit konstatiert worden. Der Patient ist bereits, ohne die Be sinnung wiedererlangt zu haben, im Krankenhaus gestorben. London. Während des letzten starken Sturmes erlitt aus dem Mersey zwischen Liverpool und Widnes das kleine Schcfs „Crinkl e" Schiffbruch. Die sechs Mann starke Besatzung kam dabei ums Leben. ? Lumen. Sport uns Spiel - Eaugruppe „Elbtal" der D. T. Handball. Das ^r;Ze Gesellschaftsspiel der beiden Mann schaften (T. und Sy. V. 1927 — Wilsdruff) hatte recht unter den schlechten Bodenverhältnissen zu leiten, so daß ein offenes Spiel nicht zustande kam. 6n der zweiten Halbzeit gelang es der Gäste- mannichaft, einen Treffer zu erzielen. Nach Schlußyiff mußte die W.-Mannschaft ihren Gästen einen 1 :O Sieg überlassen. Handball in Dresden. Im Handball gewannen die beiden Spitzenmannschaften der ^.-Staffel, Turngemeinde Pirna und Turngemeinde Dresden, ihre beiden letzten Spiele, so daß in dieser Staffel die Meisterschaftsanwärter seststehen. In der Staffel L gab es eine große Überraschung, indem sich N. u. A. von Klotzsche schlagen ließ. Infolgedessen machen sich Ausscheidungskämpfe notwendig, um den Zweiten dieser Staffel herauszubringen Großröhrsdorf und Guts Muts kommen dafür in Frage. Im Fußball gab es eine ähnliche Überraschung: Die Deutsche Jugendkrast blieib gegen GMs Muts siegreich und setzte sich mit zwei Punkten Vorsprung an die Spitze der Staffel In der Staffel S steht Blasewitz ungeschlagen endgültig an de, Svibe. Arne Borg in Leipzig. Dem SV. Stern-Leipzig war es gelungen, den erfolg reichsten Schwimmer der Welt, den Schweden Arne Borg, zum erstenmal nach Leipzig zu verpflichten. Da jedoch der SV. Stern dem Schweden nichts Gleichwertiges im Einzelkampf gegenüberzustellen hat, ließ er eine aus fünf Schwimmern zu sammengesetzte Staffel 5 mal 100 Meter antreten, die Arne Borg jedesmal hinter sich ließ. Er gewann das Rennen in 6 :25,4 mit 3 Meter Vorsprung. Die Zwischenzeiten für Arne Borg sind: 100 Meter: 1:6; 200 Meter: 2:25,8; 300 Meter: 3:47; 400 Meter: 5:07,6. Neben Borg sah man noch den skandinavischen Brustschwimmer Wisnell über 100 Meter über die Bahn gehen. Er gewann sein Rennen mit 1 Meter Vorsprung in 1:20,2 vor Herber-Stern-Leipzig. Schließlich hatte man noch Gelegenheit, den Europameister der Springer, den jungen Zcitzcr Riebschläger, ferner Ku Hl-Magde burg und Europameister Luber - Berlin bei ihren prächtigen Leistungen zu bewundern. Fußball in Dresden. Die Verbandsspiele im Gau Ostsachsen im V. M. B. V. haben ihren Höhepunkt erreicht: der Meister ist ermittelt. Zum dritten Male in ununterbrochener Folge hat der Sportklub den Titel an sich gerissen, eine Leistung, wie sie nach dem Kriege noch keine andere Dresdener Mannschaft auszuweiseu hat. Als im August die Vcrbandsspiele begannen, rechnete man bereits mit dem erneuten Siege der Rotjacken, räumte aber auch Guts Muts einige Aussichten ein. Abseits standen mit Fußballring und Brandenburg weitere zwei Mannschaften, zu denen sich spater auch noch Spielvereinigung gesellte, die alle glaubten, den Rotjacken einen Strich durch die Rechnung machen zu können. Der Verlaus der Spiele hat aber gezeigt, daß die Els des Sportklubs noch immer Dresdens beste Mannschaft ist und den Meistertitel trotz noch zwei anstehenden Spielen sicher in der Tasche hat. Guts Muts machte Schrittmacherdienste, daß der Meister acht Tage eher aus der Taufe gehoben werden konnte, denn ein Sieg der Lilien hätte den Sportklub erst acht Tage später den Titel erreichen lassen. Dübbers in Zittau. Der Weltergewichtsmeister für Europa, der Kölnc, Dübbers, hatte mit seinem Klubkameraden Kievernagel du weite Reiss nach der Oberlausitz nicht gescheut. Nachdem neun, zum Teil sehr interessante Kämpfe vorausaeaanaen waren merkte man sehr deutlich den Unterschied des "bozstäMeri Könnens eines Meisters von dem Format Dübbers gegs««bei den anderen Paarungen. Und dabei war klar ersichtliche daß er seinen schwereren Gegner schonte. So wurde sein Austrete« zu einem großen Genuß, der den aktiven Boxern Viet An regung gegeben haben wird und den Liebhabern des Box sports eine Probe davon gab, was Boxkunst rm tiefsten Sinn« des Wortes bedeutet. Feist hielt sich in Anbettacht der schwierigen Aufgabe tapfer auf den Beinen, ohne je dem Meiste, im geringsten gefährlich werden zu können. FußbaLlspielergebniffe. 1. FC. Nürnberg geschlagen. Die Verbandsfußballspiele im Reich brachten in Mitteldeutschland erwartete Ergebnisse. In Süddeutschland gab es eine überraschende 1:2- Niederlage des 1. FC. Nürnberg durch SC. Freiburg. Auch die Spielvereinigung Fürth verlor einen Punkt gegen Kickers-Stuttgart (1:1). München 1860 wurde vom BfB. Stuttgart mit 4 :2 geschlagen. In Westdeutschland sicherte sich VfR. Köln in der Rheinbezirksmeisterschaft den zweiten Platz durch einen 2:1- Sieg über Neuendorf. Im Hessen-Hannover- Bezirk konnte auch das dritte Entscheidungsspiel zwischen Kurhessen-Kassel und Kassel 03 keinen Sieg bringen. Nach zweimaliger Verlängerung war das Ergebnis 2 :2. Das Spiel mußte wegen Dunkelheit abgebrochen und ein neues Treffen — zum vierten Male — zum 26. Februar angefetzt werden. Der Deutsche Hochschulfußballmeister Berlin ver lor mit 1:5 gegen eine Bochumer Stadtmannschaft. Im Balten verband konnte Titania-Stettm mit 3 :0 Viktoria-Stolp abfertigen. Mit 9 :0 blieb inNsrd - deutfchland der Hamburger SV. über Eimsbüttels er folgreich, mit 14:2 siegte Ottensen über Holsatta-Kiel. Viktoria-St. Georg trennten sich 1:1 unentschieden. Im Berliner Fußball konnte der Berkner Meister Hertha BSC. im Freundschaftsspiel einen 2:0- (0 :0-) Sieg gegen den Rheinbezirksmeisterschaftsfavorften Sülz 07 erringen. . kunalunk-progrsmm Rundfunk Leipzig (Welle 365,8), Dresden (Welle 294). Mittwoch. 15. Febr. 12: Konznt. « 16.30: Aus dem Schatz, kästlein für die Jugend. Die Himmelfahrt des kleinen Peter. Rach einem Märchen oon Gertrud Busch aus „Wunderiame Dinze". Für den Rundfunk bearbeitet von Grete Haupt. » 18: Deutsche Weile. « 19: Dr. Sieber: Sammeltätigkeit und Sinn der Sagen- Mischung. » 19.30: Dr. Zimmermann: Bom Wesen der Zeitung. S 20.15: Operettenabend. Mitw.: Margarethe Rötzner und Haus Forstner iSeiang), Leipz. Funkorch. Dir.: Weber. Sullivan: Fant, und Lied aus Mikado. — Millöcker: Aus Bettelstudent. — Fall: Zwei Lieder aus Die Kaiserin. — Millöcker: Duet! aus Feldprediger. — Zeller: Duett aus Vogelhändler. — Lehar: Lva-Walzer. Aus Zarewitsch. — Eranichstädten: Zwei Lieder aus Der Ortow. — Kalman: Duett aus Gräfin Mariza. — Kraust: Duett aus Lme Frau von Format. — Kalman: Melodien aus Faschmgsfee. O 22: Presse, Sport. » 22.15: Funkbrettl. Mittwoch, 15. Februar. Berlin Welle 484 und ab 20.30 Welle 1250. 15.30: Regine Deutsch: Parlamentarische Frauenarbeit (Staatsbürgerliche Rechte ai. Pflichten der Frau). * 16.00: Dr. Annie H. Friedländer: Ehenot und Ehehufc. 4- 16.30—18.00: Jugendbühne (Sendespiele). „Robert Guiskard". Ein Frag ment von Heinrich von Kleist. — Anschl.: Werbenachrichten. 4c 18.30: Konteradmiral a. D. Böthke: Die Rettung Schiffbrüchiger an den deutschen Küsten. 4- 18.55: Dr. Kurt Baschwitz: Alter und neuer Aberglaube. 4- 19.20: Dr. James Simon: Goethe in der Musik (Wirkung der Goetheschen Lyrik auf die Tonkunst. Kompositionen der Goechezeit). 4- 19.50: Weltanschauungen der Gegenwart. Max Sievers: Die freigeistige Weltanschau ung. * 20.30: Rheinisch-westfälische Volksmusik. Trompeten- u. Posaunenchor des Kammervirtuosen an der Staatsoper Lud wig Plaß. 4- 22.30—0.30: Tanzmusik. Deutsche Welle 1250. 12.00—12.30: Einheitskurzschrist sür Schüler. 4- 12.30 bis 12.40: Mitteilungen des Reichsstädtebundes. 4- 12.45—13.00: Mitteilungen des Verbandes der Prenß. Landgemeinde«. 4c 14.30—15.00: Kinderstunde: Kindertheater „Ein Fastnachts spiel". 4c 15.00—15.30: Wertarbeit in der Schule. 4c 15.35 bis 15.40: Wetter- und Börsenbericht. 4- 16.00—16.30: Gesamt unterricht als Grundlage des Unterrichtswesens. 4- 16LO bis 17.00: Einführung in das Verstehen von Musik: Volkslied analysen. 4c 17.00—18.00: Nachmittagskonzert aus Hamburg. 4c 18.00-18.30: Techn. Lehrgang f. Facharbeiter u. Werkmeister: Werkzeuge und Werkzeugmaschinen. 4« 18.30—18.55: Französisch sür Anfänger. 4c 18.55—19.20: Die Exportkreditversicheruug 1927. 4« 19.20—19.45: Vom Antlitz d. Erde. 4- 20.00: Operetten abend. 4- 22.00: Pressenachrichten. 4- 22.30—0.30: Tanzmusik. OIL IMIMiMIIIIIIIIIilllllllllllllMIilllllllillllllllllllllllllllllllllllilllilllillllllttlilillllllilillllilliiil Lopiriedl ds Hsarliv feucktwsnxer, Notte «. 6. S. 65 Ich trete heute früh aus der Tür, um nach dem Wetter zu schauen, denn ich mußte ja wieder erst eine Stunde durch den Wald bis zur Bahn, und die Wege sind ja noch grundlos von gestern. Da kommt ein leichter Wagen daher. Ich kannte ihn Wohl, es war ein Fuhrwerk von dem großen Gute, das in der Nähe liegt, und ich hatte es ost gesehen. Heute saß der junge Gutsherr selbst darin, . neben ihm ein großer, stattlicher Mann mit einem Voll- » bart, den ich nie gesehen. Er war Wohl mit der Bahn gekommen. Aber wie ich ihn anschaute, ging es durch meinen Körper wie ein elektrischer Schlag. Wie bekannt erschien mir dieses Gesicht! Und auch über des Mannes Antlitz ging es wie ein Schreck. Er starrte mich an, dann stand er . sogar auf und drehte sich um. Ich weiß nicht, warum, aber ich floh in das Haus und > schlug die Tür hinter mir zu. Ich wußte nicht, was ich dachte. Mein Herz pochte in Zweifeln und Zagen und Scham. So saß ich in meinem Stübchen und starrte vor mich ' nieder. Ich war schon gerüstet zum Fortgehen, und die kleine Reisetasche hing über meiner Schulter. . Aber ich saß wie gelähmt, und es war mir, als müsse plötzlich ein Wunder geschehen — und das Wunder geschah! Herrgott im Himmel, das Wunder geschah. Da wird die Tür unten geöffnet. Hastige, wuchtige Schritte dröhnen auf den Dielen. Eine laute, tiefe Stimme fragt nach mir, nach Ernestine Harden. Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Ich stehe mit fliegendem Atem mitten im Zimmer. Soll ich die Tür verriegeln, soll ich öffnen? Da kommt er auch schon die Treppe herauf, daß die Stufen ächzen, die Tür wird aufgerissen, ohne zu klopfen. Da steht er mir gegenüber und auch seine Brust atmet stürmisch, sein Gesicht ist erregt und seine Stimme zittert: „Ernestine, bist du es wirklich?" „Georg, du — du? Bruder Georg?" Ich rufe es, aber schon verlassen mich meine Kräfte, die Sinne schwinden, aber schon ist er bei mir, und ich sinke in seine Arme. Welch ein Erwachen! Ich liege auf dem Bett und er sitzt neben mir. Seine Hand benetzt meine Stirn mit Wasser. Ich sehe ihn mit irren Augen an, aber es ist kein Traum. Da höre ich wieder die Stimme, die ich seit fünfzehn Jahren nicht vernahm. „Kinding, mein armes Kinding, hab' ich dich endlich gefunden? Mein armes Schwesterchen!" Er hatte mich gesucht! Er hatte mich nicht vergessen! Er war nicht zu stolz, mich hier im Elend zu erkennen! Ich schlang die Arme um seinen Hals und weinte. Er aber bettete meinen Kopf an seiner treuen Brust und ließ mich weinen. Nur ganz leise streichelte er meine Wange und sprach mir zu. Er hatte mich sofort erkannt und im Dorfkrug nach mir gefragt. Der Name Ernestine Harden gab ihm Gewißheit. Ganz langsam ließ das krampfhafte Schluchzen nach und ich wurde ruhig. Aber ich lag ganz still. Es war ja so schön, so wunderschön, so zu ruhen. Ich fühlte mich so geborgen und fürchtete mich fast, zu sprechen. Ich besorgte, daß er mich dann von seiner Brust lösen würde, und es tat so Wohl, so zu ruhen. Ich hätte so bleiben mögen immer und immerdar. Endlich aber richtete er mich ans. „Du Arme, was hast du wohl alles gelitten. Run werde ich ruhig. Jetzt ist es gut. Jetzt bist du ja bei mir. Jetzt nehme ich dich mit nach Hause!" Nach Hause! Gibt es ein schöneres Wort sür den weg- müden Wanderer? Ich — ich sollte nach Hause! Dann aber kam es wieder über mich wie eine furchtbare Angst, und der Helle Schimmer verglomm in meinen Augen. „Weißt du denn, Georg, was ich gewesen bin? Hier vor den Bauern habe ich Theater gespielt, da drüben in der Scheune, bis der Direktor bei Nacht und Nebel davon gegangen ist. Aber ich habe es satt. Ich habe die Frau, bei der ich wohne, gebeten, mir eine Stelle als Magd zu verschaffen, aber sie hat nicht gewollt. Ich war ihr zu schlecht." Er aber lachte leise und gütig. „Du törichtes Kind, trotz deiner sechsunddreißig Jahre! Nicht zu schlecht warst du der Frau, aber du kamst ihr aus einer" anderen Welt, die sie nicht verstand. Nun aber laß jetzt das Erzählen und rege dich nicht auf. Du kommst natürlich sofort mit mir, denn ich möchte nicht eine Stunde mehr dich deinen Nerven überlassen. Ich bin hier, um bei dem Baron Gernsdorf holsteinisches Vieh zu kaufen. Da muß ich dich nun allerdings bitten, mich zu beglei > aber mit dem Mittagszuge fahren wir heim." „Laß mich hier warten, bis du zurückkomm" „Nein, Kind, du darfst nicht allein sei''" Er ging an die Tür. „He, gute Fran!" (Fortsetzunsi folgt )