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Anton, ver gesehen yane, an weicher «reue der Mechanis mus war, untersuchte mit scharfen Augen. Hier war es doch gewesen, dicht am Reifen. Er betastete ihn. Und da öffnete sich das Faß. Anton hat« auf den einen Reifnagel gedrückt. Genial gemacht!" sagte Hanno. »Das Faß ist durch eine Wand in zwei Teile getrennt." Er blickte in das geöffnete Faß. Dunkle Tieie gähnte ihm entgegen. Als er mit seiner elektrischen Lampe hineinleuchtete, sah er, daß eine schmale Treppe in die Tiefe führte. »Jetzt wollen wir dem Geheimnis zu Leibe gehen." Er regung zitterte in seiger Stimme, soviel Mühe er sich auch gab. »Ihr zwei bleibt oben. Ich gehe zunächst mit Ian. Wir wissen nicht, wie es unten aussieht. Nach uns sollt ihr das Geheimnis kennenlernen." Er stieg in das Faß. Ian folgte ihm. Er zählte. Es waren achtundzwanzig Stufen. Als Hanno und Ian unten angelangt waren, standen sie vor einer prachtvollen Tür. Sie war von oben bis unten mit den wundervollsten Ornamenten geschmückt. Hannos Augen suchten vergeblich nach einer Klinke. »Wieder ein Geheimmechanismus!" sagte er zu Jan, und beide betasteten die Tür. Aber mit einem Male öffnete sich die Tür von selbst. Und die beiden Männer fuhren entsetzt zurück. Was war das? Was sag dort mitten in dem kleinen Saale auf einem Stuhl? Der Tod in eigener Gestalt. Hanno war der erste, der das Grauen in seiner Seele be zwang. Er trat in das hohe, saalartige Zimmer. Es war tatsächlich die unterirdische Bibliothek des Er bauers von Korff. Und der Erbauer saß in seiner Bibliothek. Hier war er gestorben, und nur noch seine Gebeine waren ! übriggeblieben. Das Fleisch des toten Körpers war in fast zwei Jahrhunderten verfault, verwest. Die beiden Männer traten langsam an den Tisch heran, an dem das Skelett des Baron von Korff lehnte. Halbzerfallen war das Skelett. Einzelne Knochenteile lagen am Boden. Auf dem Tische aber lag ein pergamen tenes Papier, darauf stand: „Wer mich sindet, dem soll alles gehören." Di« beiden Männer hatten sich wieder gefaßt. Stumm und ehrfürchtig sahen sie sich im Raume um. Und Staunen ergriff sie. In kostbaren Glasvitrinen lagen die unschätzbaren Inku nabeln, die der Erbauer von Korff zusammengetragen hatte. Der Zahn der Zeit hatte ihnen noch nichts anhaben können, denn Daron Korff hatte sie unter Glas verwahrt. Ein Laut des größten Staunens entfuhr Hanno. Eine zweiundvierzigzeilige Bibel Gutenbergs fand er. Nach flüchtiger Zählung stellte er etwa einhundertzwanzia Inkunabeln fest, von denen sicher jede einen Riesenwert dar stellte. Plötzlich rief ihn Jan nach der anderen Seite. „Die Juwelen!" Er hatte einen Schrank aus Ebenholz geöffnet und zog einen der schmalen Kästen heraus. Entgeistert sahen sich die beiden an. Das ging tausend fach über die Hoffnungen, die sie sich gemacht hatten. Der Kasten, den Ian gerade herausgezogen hatte, enthielt nichts als Saphire in den verschiedensten Färbungen, vom hellsten Blau bis zum dunkelsten Meeresgrün leuchteten und sprühten ihnen die Steine entgegen, . . , Ian wollte die weiteren Kästen aufziehen. Aber Hanno fiel ihm in den Arm. »Nicht jetzt! Komm, Ian. Dazu haben wir noch viel Zeit. Wir wollen die Gesellen rufen. Sie mögen einen Blick auf die Herrlichkeiten werfen . . . und dann wollen wir schlafen. Die Nacht geht zur Neige, und morgen ist auch noch ein Tag." »Der Tag ... der Entscheidung." Hanno nickte stumm. »Willst du nicht nach dem unterirdischen Gang suchen." »Nein, heute nicht. Ich werde morgen, sobald der Comte sich auf sein Zimmer begeben hat, hier im Raume sitzen und auf den Comte warten. Er wird morgen kommen ... ich weiß es gewiß. Ich fühle es. Aime6 sagt es mir." „Laß mich dann bei dir sein," bat Ian. Hanno schüttelte den Kopf. „Nein, Ian. Die Abrech nung . . . kann nur von Mensch zu Mensch erfolgen. Nur zwei haben da mitzusprechen." »Was willst du tun?" fragte Jan eindringlich. „Das weiß ich noch nicht, Jan. Nur eins ist gewiß, daß ich kein Erbarmen mit ihm haben kann. Und wenn ich's wollte ^jch könnte es nicht." »Uebergib ihn den GeriMen." »Das würde ich tun, wenn ich genau wüßte, daß ich es mkt dem Grafen Bonaparte zu tun habe." Dann verließen sie den Raum, die langgesuchte unter irdische Bibliothek des Baron von Korff. Die beiden Gesellen blieben auch nicht lange in ihm. Grenzenloses Staunen erfüllte sie und auch Freude darüber, daß nun auch ihre Zukunft gesichert war. Es war nachts kurz nach drei Uhr, als sich die Männer in ihre Schlafgemächer begaben. 14. Der Morgen kam. Hanno hatte nur drei Stunden geschlafen, aber er war um sechs Uhr wieder auf den Beinen und ordnete alles in ge- wisfenhafter Weise an. Ian arbeitete mit den beiden Wirtstöchtern und zwei Ge sellen angestrengt in der Küche. Es klappte alles, die Maschine lief. Es wurde acht Uhr, und noch schliefen alle Gäste. Umso erstaunter war Hanno, als plötzlich die Herzogin vor ihm stand. Bleich und übernächtig sah sie aus, und ihre Blauaugen waren müde und wie verweint. „Frau Herzogin . . .!" stammelte Hanno bestürzt. Stolz sah sie ihn an und entgegnete kalt: „Ich möchte mit Ihnen etwas besprechen, Herr Tessing." Sie nahm am Tische Platz, Hanno gegenüber, und sah ihn hart an. ' „Ich habe Ihnen einmal versprochen, törichterweise, daß ich es Ihnen sagen wolle, wenn ich dem Comte mein Ja wort gebe." „Ja!" sagte er stumpf. Ein Bangen erfüllte seine Seele. „Ich erfülle dieses Versprechen, Herr Tessing. Heule gebe ich dem Comte mein Jawort." Sein Antlitz ward zu Stein, als er diese kalten, harten Worte hörte. Sie sah es und wartete auf ein Wort von ihm. Aber er schwieg. Endlich brach er das Schweigen: „Lieben . - . Sie den Comte?" fragte er leise. „Das ... ist eine Sache, die . - . nur mich angeht, Herr Tessing," verwies sie ihn. „Verzeihung, Frau Herzogin!" Er hatte sich wieder ge faßt. „Ich . . . frage nicht aus Neugier. Es geht um mehr für mich, als Sie glauben. Ich bitte Sie ... geben Sie mir Antwort!" „Ob ich ihn , - . siebe, ich weiß es selber nicht. Vielleicht weiß ich überhaupt nicht . . . was lieben heißt, Herr Hanno Tessing. Sie glauben es ja selbst nicht!" „Nein!" stieß er heftig hervor und faßte ihre Hand, die sie versuchte, ihm zu entziehen. Aber er ließ sie nicht. „Warten Sie noch einen Tag! Ich bitte Sie darum! Noch einen Tag!" . -> „Was soll das?" ' - „Nur bis morgen! Nur um den heutigen Tag bitte ich Sie. Wahrlich, ich weih, warum ich Sie bitte." Seine leidenschaftlichen Worte ergriffen sie. „Warum noch einen Tag? Ich will nicht." Ihr Stolz begehrte auf, aber es fehlte ihr doch die Kraft der eigenen Ueberzeugung. „Fragen Sie nicht nach dem Warum! Haben Sie noch einen Tag Vertrauen zu mir. Hanno Tessing will nur Ihr Bestes." „Ich will . . .," sagte sie langsam, „noch einen Tag war ten, wenn Sie mir sagen . - » warum Sie diese Nacht bei Esther Ristori waren." Hanno hörte es und atmete schwer. Die Herzogin , » » wußte es. „Warum, Herr Hanno Tessing? Ich hatte Sie anders eingeschätzt. Lieben Sie Esther Ristori?" „Nein!" Das Wort schlug an ihr Herz. „Warum waren Sie dann bei Esther?" Ihre Wangen hatten sich gerötet und in ihren Augen flammte es wieder hell. „Esther . i . liebt mich Es muß qualvoll sein» zu lieben und nicht wiedergeliebt zu werden. Und sie wollte mich zum Abschied noch einmal sehen." , . „Esther will fort?" fragte die Herzogin rasch Hanno nickte. „Ja! Sie bat mich, und ich wollte nicht kommen ... da warf sie mir Feigheit vor. Glauben Sie, Frau Herzogin, mir ist der Gang nicht leicht geworden, aber ich mußte ihn gehen ... ein Gefühl in der Brust zwang mich dazu." Da war ihr mit einem Male, als siel eine ungeheure Last von ihr. Freude erwachte in ihrer Seele, und sie wußte nicht warum.