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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt M.-K Smita«. »M A. «»K UN Hans Helvings spittes Glu« Roma« von I. Schueider-Foerstl Urheberrechtsschutz durch Verlag von Oskar Meister in Werdau. 14 Nachdruck verboten „Mut", dachte Helbing, „nur Mut! Es würde auch das noch vorübergehn!" Behrens kam eben über den breiten, angenehm durchwärmten Korridor. Ms er Helbing aus dem Zimmer treten sah, ging ein Leuchten über sein Gesicht und er kam rasch auf ihn zu. „Herr Direktoor, ich gratuliere zur Genesung!" sagte er in herzlicher Freude. Helbing reichte ihm mit stuinmem Danke die Hand. „Ist der Herr Kommerzienrat zu sprechen?" „Gewiss Herr Direktor, er ist in seinem Arbeitszimmer. Soll ich ihn in den Salon bitten?" „Nein, nein," wehrte Helbing hastig. ' Vor der Türe zu Petersens Arbeitszimmer blieb er einen Moment aufatmend stehen. Nur vorwärts, ermunterte er sich! Es würde vorübergehen, wie alles andere auch. Dann ein Klopfen — ein festes Herein, als Helbing das Zimmer betrat, sprang der Kommerzienrat von seinem Stuhle aus. „Mein lieber Direktor! Was machen Sie mir für eine große Freude! — Ist es Ihnen doch nicht zu viel geworden, bis zu mir zu kommen?" Um Helbings Mund zuckte ein mattes Lächeln. „Es ist mein erster großer Ausflug, Herr Kommerzienrat. Ich bin ganz verzweifelt, daß es so gar nicht vorwärts gehen will!" Petersen drückte ihn liebevoll in seinen eigenen bequemen Klubsessel: „Geduld! Geduld, Herr Helbing! Karsten sagte mir, in vier Wochen laufen Sie wieder wie früher!" „Ein schlechter Trost!" klagte Helbing. „Nicht doch! Ein guter!" warf Petersen ein. „Sie er holen sich jetzt gründlich und bis zum Januar pflegen Sie gaiy der Ruhe." „Das wird nicht gut gehen, Herr Kommerzienrat. Herder L Billmann dringen auf meinen baldmöglichsten Eintritt!" Petersen sah ihn bestürzt an. „Haben Sie erst kurz Mit teilung erhalten? — Vorige Woche? — Ich bin seinerzeit mit der Firma in Unterhandlung getreten und habe auf Grund Ihres Unfalles derselben mitgeteilt, daß Sie die Stelle nicht antreten können, sie möchte also dieselbe ander-, weitig vergeben! Ich habe Billmann außerdem geschrieben, daß ich bereit bin, jede Entschädigungssumme zu zahlen, wenn der Vertrag anulliert wird. Ich werde mich sofort mit ihm in Verbindung setzen, um Sie endgültig frei zu bekommen!" Ein feines Rot färbte Helbings Gesicht und pflanzte sich an den Schläfen fort. „Herr Kommerzienrat", sprach .er in bestimmten Tone, „ich danke Ihnen für Ihr Wohlwollen, aber ich möchte Sie bitten, sich nicht weiter zu bemühen! Ich ersuche Sie höflichst um meine Entlassung!" Petersen sah ihn bittend an. „Herr Direktor, ich weiß, es ist Ihnen bitteres Unrecht zugefügt worden von meiner Tochter und nicht zum Wenigsten auch vor mir selbst. Ich wollte Ihnen Abbitte leisten, aber ihr Sturz vom Pferde kam dazwischen. Während Ihrer Krankheit war es nicht ratsam, mit Ihnen darüber zu reden, aber heute bitte ich, Sie in meinem und meiner Tochter Namen um Vergebung. Ich bin bereit, Ihnen jede Genugtuung zu leisten, die Sie verlangen!" Helbing war es ungemein peinlich, Petersen in dieser Weise sprechen zu hören. Bescheiden w^rf er ein: „Ich habe nichts zu verzeihen. Herr Kommerzienrat. Der Schuldige war ich. Ich hätte mit Ihnen Rücksprache nehmen sollen, dann wären Sie nicht gezwungen gewesen, mir den Vorwurf der Ehr- losigeit zu machen!" Im selben Augenblick trat Lona Petersen ein. Einen Augen blick stockte ihr Fuß, als sie den Direktor erblickte, dann schritt sie ohne Zögern auf ihn zu und bat mit mühsam beherrschter Stimme: ,Herr Helbing, wenn Sie können, ver- zeihen Sie mir!" Er sah, wie blaß und schmal ihre Wangen waren, sah di» tiefen Ringe um die einst so lachenden, leuchtenden Blau augen und ein verräterisches, schmerzliches Zucken um 'den kleinen Mund. Ihr die Hand reichend, erhob er sich rasch, aber schon im nächsten Augenblick griff er an die Stirne und sank taumelnd wieder in den Stuhl zurück. Angsterfüllt hielt Lona ihm das gefüllte Weinglas entgegen, das auf dem Schreibtisch ihres Vaters stand. Er leerte es dankend. Dann erhob er sich langsam von seinem Stuhl, sich vorsichtig an die Seitenlehne stützend, und sagte lächelnd: „So ein halber Mensch, wie ich, hat eigentlich gar keine Eristenz- berechtigung mehr. Karsten hätte mich nicht so zusammen flicken sollen. Es wäre besser gewesen!" „Nein, lieber Direktor, tausendmal nein. Der Mut und die Kraft und die Freude am Leben kommen wieder ganz von selbst!" tröstete Petersen. „Haben Sie nur Geduld! Von einem Reisen kann natürlich jetzt noch keine Rede sein", schaltet« er bei. ,Zch werde .nur zu Karsten übersiedeln. Er möchte mich noch ein paar Tage bei sich haben, und ich stehe so tief in seiner Schuld, daß ich ihm den Wunsch nicht gern abschlagen möchte. Auch Ihnen, Herr Kommerzienrat bin ich ein so großer Schuldner geworden, für alles Liebe, das mir bei Ihnen geworden ist. Ich habe das Gastrecht in Ihrem Hause überlange in Anspruch genommen!" „Wollte Gott, lieber Helbing, Sie blieben!" sagte der Kommerzienrat. „Aber ich hoffe, Sie werden nochmal her über kommen zu uns, ehe Sie reisen!" Helbing bejahte und drückte ihm fest die Hand. Dann wandte er sich an Lona. Seine Lippen senkten sich für eine Sekunde auf Ihre Rechte. „Seien Sie vielmals bedankt, gnädiges Fräulein, daß Sie mich so lange in Ihrem Heim geduldet haben. Alles Glück für die Zukunft!" Im nächsten Augenblick hatte er das Zimmer verlassen, Lona wankte. Schützend legte der Vater den Arm um sie. „Komm, Kind! Ich weiß wie es in dir aussieht! Aber du wirst dis Kraft finden, es zu ertragen, wenn du dir immer wieder sagst: „Er lebt!" Er könnte ebensogut sechs Fuß unter der Erde liegen, wie Ellermann. Dann hätte er weder meine noch deine Bitte um Vergeben mehr gehört!" Ueber ihr Gesicht liefen die Tränen, unaufhaltsam jagte eine die andere. „Du hast Recht, Vater! Ich habe kein Recht zu klagen! Er lebt! Mehr wollte ich nicht von Gott erbitten! Ich bin wenigstens nicht zum Mörder an ihm geworden!" Zwei Wochen blieb Helbing noch im Doktorhaus. Lene umsorgte ihn wie eine Mutter. Am Tage vor feiner Ab reise kam er nochmal nach der Dilla, sich zu verabschieden. Am andern Vormittag brachte ihn Karsten zur Bahn. Und das Leben lief seinen Gang weiter. - Der Winter kam! Weihnachten war in der Villa noch ^nie so ruhig gefeiert worden, wie in diesem Jahre. Behrens hatte eine mächtige Weißtanne geschmückt, aber ihre Lichter entzünde ten in Lonas Augen keinen Widerschein. Der Kommerzien- rat hatte seinem Kinde in Ueberfülle beschert. Lona hatte beide Arme um seinen Hals geschlungen und sah ihn mit großen, müden Augen an. „Ich danke dir, Vater! Ich bin es gar nicht wert!" Mit leisem Weinen preßte sie ihr Gesicht gegen seine Schulter. „Kind, haß du schon wieder vergessen, daß er lebt?" mahnte Petersen. „Nein, nein! Ich will mich zufrieden geben, wenn es nur nicht so entsetzlich schwer wäre!" Am zweiten Weihnachtsfeiertag kam Karften und bliev zum Abendtisch. „Wenn ich wieder einmal geboren werde", laA; er grzt,