Volltext Seite (XML)
I Wilsdruffer Tageblatt I I 2 Blatt Nr. 290 — Montag den 13 Dezember 1926. 8 Theaier-ran- in Rom. Vier Tänzerinnen verbrannt. Las vornehmste Varietetheater Roms, das Apollo- theater, ist nach beendeter Vorstellung ein Raub der Flammen geworden. Die Ursache des Brandes ist bisher noch nicht bekannt. Nach der Vorstellung sollte der Tanz beginnen, als der Vorhang der Varietebühne plötzlich in Flammen aufging. Das Feuer griff sofort auf die rosa Papiergirlanden über, die den Saal dekorierten, so daß das glücklicherweise nicht allzu zahlreiche Publikum in ernsteste Gefahr geriet. Alles drängte in wilder Eile den Ausgängen zu, wobei mehrere Personen verletzt wurden. In den Ankleideräumen der Artisten verbrannten vier Tänzerinnen, darunter eine Deutsche namens Lydia Maknik. Das Apollotheater ist vollständig ausgebrannt. Die Spinne. Roman von Sven Elve st ad Berechtigte Uebersetzung aus dem Norwegischen von Julia Koppel. Amerikun Copyright ,92, by Lu. Bur M. Lincke. Dresden 21. 27) (Nachdruck verboten.) Sie kamen in ein halbdunkles Zimmer, das von einem un angenehmen Geruch angefüllt war. Aus dem Tisch stand eine kleine Petroleumlampe und qualmte. Das Zimmer war recht groß und mit schweren behaglichen Möbeln ausgestaltet. Der Fußboden war von einem dicken Teppich bedeckt. Plötzlich sah er, daß der Detektiv zusammenzuckte und eine fahle Blässe in das sonst so kaltblütige Gesicht des Mannes stieg. Falkenberg folgte der Richtung seines Blickes. Dort stand ein großer Lehnstuhl, der ihnen den Rücken zu kehrte. Ueber dem dunklen Lederbezug des Stuhles schimmerte etwas Weißes. Einar Falkenberg sah gleich, was es war. Es war die Glatze eines Mannes. Falkenberg sah auch die linke Hand des Mannes, die schlaff herabhing; die Manschette siel über das Handgelenk. Asbjörn Krag lief aus den Mann im Lehnstuhl zu. Er winkte Falkenberg, und als dieser herangekommen war, ließ er den Schein seiner Blendlaterne aus das Gesicht des Mannes Falkenberg stieß einen Schrei aus. Bon dem Ohr des Mannes über den Hals und weiter über seinen Kragen und seinen schwarzen Anzug lief ein dicker Streifen geronnenen Blutes. Kapitel. Der Mann im Lehnstuhl war im Gesellschaftsanzug. Er war säst ganz kahlköpfig, hatte ein feines gepflegtes Gesicht mit einem dünnen, blonden Bart aus der Oberlippe. »Kennen Sie ibn?" ragte Falkenberg. "New"" antwortete der Detektiv. Ich habe Dieses Gesicht "ie.. gesehen; er kann nicht aus Kristiania sein. .. M°tzlich sahen sie beide, daß die rechte Hand des Toten, die halb ,n dem Lehnstuhl verborgen lag, einen Revolver um klammert hielt. AAbrn Krag verachte, den Revolver aus ^>ner Hand zu losen; schließlich glückte es ihm, wenn auch mit großer Muhe, so sest hielt der Mann den Revolver umklammert. Krag, rehte den Mechanismus zurück. „Füns Schutze sind noch drin," sagte er, „es ist also nur ein Schuß abgegeben worden." Worte zur Besinnung. Wohl geht der Jugend Sehnen Nach manchem schönen Traum, Mit Ungeduld und Tränen Stürmt sie den Sternenraum. Der Himmel hört ihr Flehen Und lächelt gnädig: nein, Und läßt vorübergeben - Den Wunsch zusamt der Pein. Uhland. Der vreußische Saatenffan- im Dezember. " allgemeinen besriedigend. Saatenstand in Preußen hat sich gegen den Vormonat -^-»licb gebessert mit Ausnahme des jungen Klees, der um n i «untre nachgegeben hat. Die Besserung beträgt beim Rog- a'en (jetzt 2,8) und bei Raps und Rübsen (jetzt 2,6) 0,1 Punkt bei Welzen 0,2, bei Gemenge 0,3 und bei Spelz 0,6 Punkte Der jetzige Saatenstand entspricht im großen und ganzen dem vom Dezember v. I., ist sogar bei Gemenge und Klee wesent lich günstiger. Das Vieh war im allgemeinen bereits im Oktober auf- gestallt worden; im Berichtsmonat ist es zum Teil noch häufig ausgetrieben, da die Weidcverhällnisse im allgemeinen günstig sind und die Landwirte wegen der knappen Futterernie au Stallsütterung sparen müssen. Pariser Nachtleben am Tage. ^Nebel, Licht st örun gen und Panik. m Paris hat sich ein eigenartiger meteorologischer Vorgang zugetragen. Kurz nach Sonnenaufgang senkte dÄ Strak-n^di. schwarz-brauner Nebel wieder, der Finswrnis hinein in nächtliche stn^ in den starken Vekehrs- bulle di- groteskes Bild. Die Auto- dnrw'-il-» r I ""i. siroßer Geschwindigkeit die Straßen suhren rm Schritt und die Passanten über querten nur mit größter Vorsicht die Straßen. Die Verwirrung erreichte ihren Höhepunkt, als die Elektrizitätswerke, die dem sprunghaft ansteigenden Tages bedarf nicht gewachsen waren, versagten. In den Waren häusern und Banken brach eine Panik aus, die sich erst legte, als man zahlreiche Kerzen ansteckte. Es war so finster, daß zwei Polen, die die Orientierung verloren hatten, in die Seine fielen. Der eine ertrank. Ein Motor- cadfahrer stürzte in eine Baugrube und wurde schwer ver- der Börse kam es zu erregten Szenen, da die Sesucher tue Kurse nicht ablesen konnten. Die Feuerwehr nutzte die Zahlen mit Scheinwerfern beleuchten Außer- »em behalf man sich mit Raketen, die man in allen möa- stchen Farben auf dem Börsenvorplatz steigen ließ Die ÄMie im MMW« LaMMe in MeMmtz. 4. BerhaMungstag. Am vierten Verhandlungstag (Sonnabend) wird zunächst Ler sachverständige Gerichtsme'dHinalrat Dr. Oppe gehört. Er er klärte in langen Ausführungen, daß man nichts Nachweisen könne, ob Donner, als er die Schüsse erhalten hatte, noch irgend welche Bewegungen gemacht habe; bewußte Bewegungen seien ausgeschlossen, unbewußte jedoch möglich, so daß der Körper dann an die Stelle zu liegen kam, an der er am Morgen nach ver Tat aufgefunden wurde. Der Sachverständ'ge stellte auch an Hand eines Zahnes fest, daß der eine Schuß durch den Mund gegangen ist. Während der Ausführungen des Sachverständigen am Schä del des Toten hat die Angeklagte Donner den Blick ganz offen sichtlich weggewendet, während der Angeklagte Krönert auf seinem Stuhle zusammengekauert dasitzt, den Kopf auf die Hand gestützt, den Blick stark zu Boden gerichtet. Dem anklagenden Blicke aus den leeren Augenhöhlen kann er sichtlich nicht stand halten. Hieraus äußert sich Geh. Medizinalrat Kuntsch-Kraufe über die Frage, ob es der Angeklagten Donner möglich gewesen wäre, sich aus der väterlichen Apothöke stärkste (Gifte auzueignen. Der Sachverständige erklärt ausdrücklich, daß über den Verschluß der Gifte in den Apotheken strengste Vorschriften bestehen, die auch überall durchgeführt werden, sogar über das sogenannte Morphium. Es könnte der Angeklagten Donner, da sie zeitweise in der väterlichen Apotheke m't tätig war, vielleicht möglich ge wesen sein, auf illegalem Wege in diesen Giftschrank zu kom men. Cs folgt die Vernehmung der Zeugin Klara Marie Salbach, ehemaliges Mitglied der Staatstheater. Die Angeklagte Don ner hat in ihrer Mädchenzeit Lei der Zeugin Schauspielunter richt genommen. Die Zeugin gibt an, daß die Angeklagte damals zu den schönsten Hoffnungen berechtigt habe. Nach Jahren habe die Donner dann geäußert, daß sie zum Film gehen wolle und habe auf Befragen erklärt, daß ihr Mann schon noch zustimmen werde. Die Zeugin hat zu dieser Zeit nichts Auffälliges an dem Wesen der Angeklagten bemerken ikönnen. Verteidiger Dr. Pittrich: Sind vielleicht zu jener Zeit Dramen geprobt oder durchgespielt worden, in denen Mei Männer die Waffen tauschen, so daß jeder mit einer fremden Waffe kämpft? Die Zeugin kann sich nicht entsinnen. Der Vorsitzende wendet ein, daß es sich ja bei dem vorliegenden Falle um einen heimlichen Waffentausch handele. Angeklagte Donner: Ich hatte den Revolvertausch vor genommen nicht in der Vermutung, daß mein Mann damit er schossen werden sollte, sondern mehr in dem Gefühl, daß bei einem Duell die Waffen getauscht werden. Ich habe nichts geglaubt, daß etwas schweres damit geschieht. Verteidiger Dr. Pittrich: Halten Sie die Angeklagte eines Giftmordes für fähig? Zeugin: Ich habe das nicht für möglich gehalten. Sachverständiger: Haben Sie bemerkt, daß die Begabung der Angeklagten einen krankhaften Einschlag hatte? Zeugin: Damals machte sie keinen krankhaften Eindruck. Der Zeuge Friedrich Wilhelm Sander aus Kötzschenbroda war mit Donner zusammen im Felde und befand sich auch nach dem Kriege öfters in seiner Gesellschaft, so noch etwa drei b's vier Tage vor dessen Tode. Dort sah er hinter dem Schreibtisch eine Armeepistole mit Futteral hängen. Donner hatte die Waffe aus dem Felde mit heimgebracht. Diese und ein In- fanteriegewehr waren der Kinder wegen ungeladen. Kriminal kommissar Keilitz vom Kriminalposten Kötzschenbroda wird über Gerüchte, die zum Tode Donners etwa aufgetaucht seien, ver nommen. Der Zeuge bekundet, daß er davon nie etwas gehört habe. Erst zu Anfang dieses Jahres sprach ihn einmal der im Hause Donners wohnende Pilz an und bat um eine mehr stündige Unterredung, um ihm etwas wichtiges mitzuteilen. Diese Aussprache fand dann auch statt. Pilz schilderte ihm seine und seiner Frau vielseitigen Wahrnehmungen. Zunächst war der Zeuge mißtrauisch, zog dann in Schmiedeberg Erkundungen über den Leumund Krönerts ein, die ungünstig waren, dann machte er der Kriminalabteilung Meldung, auf die die Er örterungen sofort einsetzten. „Der hat aber auch genügt," schob Falkenberg ein, indem er auf den slutbespritzten Kops zeigte. „Sie meinen, daß er sich selbst erschossen hat?" sragte Krag schnell. Falkenberg sah zu Krag auf. „Ist hier ein Zweifel möglich?" fragte er. Asbjörn Krag beugte sich über den Kopf des Toten und unter suchte die Wunde aufs sorgfältigste. Während der Untersuchung sprach er halblaut mit sich selbst: „Die Schußwunde ist von Pulverschleim umgeben, wie alle Schußwunden bei Selbstmördern. Die Kugel ist gleich hinter dem rechten Ohr eingedrungen. Wenn ich mich nicht irre, rührt die Wunde von der Kugel eines Browning-Revolvers her, und es ist just ein Browning-Revolver, den der Tote in der Hand hielt, Die Kugel ist vom Ohr zur linken Schläfe gegangen, wo eine bläuliche Erhöhung ihren Sitz anzeigt. Also," schloß Krag, indem er Falkenberg ernst zunickte, „haben wir es hier mit Mord und nicht mit Selbstmord zu tun." Falkenberg fuhr hastig zusammen und starrte den Detektiv verblüfft an. „Es ist eine stehende Regel", fuhr Asbjörn Krag fort, „daß bei Selbstmördern, die durch Erschießen enden, die Kugel zum Hinterkopf geht. Hier aber geht sie vom Ohr zum Vorderkopf, also ist es ein Mord." „Wie lange meinen Sie, daß es her ist?" sragte Falkenberg. „Anscheinend hat der Schuß nicht gleich tödlich gewirkt, da der Blutverlust so groß ist. Ich nehme an, daß der Mann seit ungefähr 18 Stunden tot ist. Er ist gestern nacht, gegen Morgen, erschossen worden. Er hat in diesem Stuhl gesessen, als der Mörder sich von hinten an ihn heranschlich und ihn erschoß." „Aber wie erklären Sie sich das Blut auf der Tischdecke im ersten Zimmer?" sragte Falkenberg. „Noch weiß ich es mir nicht zu erklären," antwortete Asbjörn Krag, „aber über kurz oder lang werden wir auch das erfahren. Hier in diesem Zimmer ist gestern nacht offenbar eine größere Gesellschaft versammelt gewesen. Plötzlich ist sie durch irgendeine Begebenheit überrascht worden und hinausgestürzt. Davon zeugen die umgeworfenen Stühle und der verlassene Speisetisch. Falkenberg war von allem, was er in diesem Zimmer gehört und gesehen hatte, vollständig verstört. Er wußte nicht mehr ein noch aus, setzte sich auf einen Stuhl und begrub sein Gesicht in den Händen. „Und Ada, Ada?" murmelte er. „Ich habe Ihnen ja gesagt," bemerkte der Detektiv, „baß ich Ihnen Ada wieder verschaffen werde; wenn ich sie im Laufe des Tages nicht finde, habe ich ein letztes Mittel." „Und was sollen wir mit der Leiche machen?" sragte Fal kenberg. Nach der Mittagspause wurde zunächst der Kriminalbe amte Hirsch, der die erste Vernehmung von Krönert und Frau Donner vorgenommen hatte, gehört. Der Zeuge berichtete, wie die ersten Niederschriften zustande gekommen sind. Der Vor sitzende brachte die Niederschriften abschnittsweise zum Vortrag. Vom Vorsitzenden, vom Staatsanwalt und von der Ver teidigung wurden im Anschluß hieran noch etwa zehn Vorhalte an den Zeugen Hirsch gemacht, der selbige in sicherer und be stimmter Form beantwortete und woraus weiter zu entnehmen war, daß Krönert und auch später Frau Donner ihre Geständ nisse und Aussagen so getan haben. Dann trug der Vorsitzende das Geständnis der Frau Don ner vor; es lautete: Mm Tage vor der Tat besuchte mich Krönert in meiner Wohnung und frug, wann mein Mann Patrouille hatte, was ich ihm mitteilte. Krönert sagte, er werde am nächsten Tage wiederkommen. Er erschien auch gegen 10 Uhr abends und stieg zum Fenster ein. Mein Mann schlief schon oben in seinem Zimmer. Wir hockten wie Mei Kinder zusammen. ^Krönert war sich noch nicht schlüssig, die Tat zu begehen. Ich sagte ihm, er solle es nicht machen, weil ich Angst hätte. Die Waffe meines Mannes habe ich Krönert gegeben. Ich war sehr aufgeregt. Krönert gegeben, weil wir annahmen, daß dadurch ein Unglücks- dann eingefchlafen, hörte später ein Geräusch, ob es ein Schuß gewesen ist, kann ich nicht behaupten. Kurze Zeit später kam dann Krönert wieder zu mir ins Schlafzimmer. Ob wir über die Tat gesprochen, weiß ich heute nicht mehr. Ich fühle mich insofern schuldig, als ich diese Tat verschwiegen habe. Durch Kinderpflege war ich damals überanstrengt. Ich habe die Waffe Krönert gegeben, ,wel wir annahmen, daß dadurch ein Unglücks fall vorgetäuscht werden könnte. Krönert sagte mir, als er die Tat ausgeführt hatte, daß er die Pistole neben die Leiche ge- leg habe." Bezüglich der Vorbereitung dieser Tat, insbesondere, ob selbige auch mit Ueberlegung geschehen war, und inwieweit Frau Donner daran beteiligt ist, kommt an anderer Stelle die folgende Aeußerung Krönerts. Sie lautet: „Die Einzelheiten, wie sie vor sich gehen sollten, sowie den Zeitpunkt habe er ihr nicht gesagt. Er habe ihr nur -klargemacht, daß er ihren Mann des nachts auflauern und zur Rede stellen wolle. Er sollte zum Duell aufgefvrdert werden. Frau Don ner habe sich nicht dafür und auch nicht dagegen ausgesprochen, sondern sie habe sich nur nach ihm gerichtet. Bei Ausführung der Tat habe sie nur die Zeit des Patrouillenganges bezeichnet und den Revolver getauscht." Während der Verlesung dieser Niederschriften, die dann später bei Vernehmung der Stenotypistin Helm auszugsweise erneut vorgetragen wurden, machten Vorsitzender und Staats anwalt sowie vornehmlich die Rechtsanwälte Dr. Pittrich und Dr. Fleischhauer, desgleichen aber auch beide Angeklagte viele Vorhalte. Zeugin Helm bekundete, wie auch schon zuvor der Zeuge Hirsch, sie habe wortgetreu niedergeschrieben, was ihr Krönert diktiert hatte." Der Angeklagte Krönert erklärte zu seinen Geständnissen, richtig wäre nur, was er jetzt nach ruhiger Ueberlegung gesagt habe, woraus der Vorsitzende bemerkte, er wolle wohl sagen „nach ruhiger -Zurechtlegung". Nach zeitraubenden weiteren Erörterungen, Fragestellun gen usw. erklärte Regierungsrat Dr. Walther, daß eine Vor schrift nicht besteht, daß die aufgenommenen Protokolle zu unter zeichnen sind. Nach den Erfahrungen anläßlich von Prozessen der letzten Zeit lassen wir aber die erstatteten Aussagen unterzeich nen. Zum Schluß wurden noch ein Glasermeister gehört, der später ein verdächtiges Loch in einer Türscheibe im Hause Dvy- ner gesehen hat und eine große Anzahl Feststellungen zur Auf klärung von Widersprüchen getroffen. Zuletzt wurden Generaloberarzt Dr. Bennecke noch als Sach verständiger gehört, um über den Geisteszustand der Donner zu berichten. Er führte aus, daß reichlich Gelegenheit vorhanden war, eingehende Untersuchungen und Nachprüfungen anzustellen. Dr. Bennecke beschäftigte sich zunächst mit der Person des Ge- „Wir lassen sie ruhig dort sitzen", antwortete Asbjörn Krag mit einer kaltblütigen Gleichgültigkeit, die den andern schaudern machte. Der Detektiv schraubte die qualmende Petroleumlampe herunter, ging daraus ans Fenster und schob die dicken Vorhänge beiseite. Graues Morgenlichi strömte in das Zimmer. Bei dem schwachen Tagesschein erschien Falkenberg die Szene noch unheim licher. Er konnte es nicht länger ertragen, das wachsbleiche Gesicht des Toten zu sehen. Asbjörn Krag dagegen schien ganz unangefochten. Er begann seelenruhig die Taschen des Toten zu untersuchen. In der Westentasche fand er eine goldene Uhr. Er öffnete die Kapsel. „I. R.!" ries er. Falkenberg blickte auf. I. R. — diese Buchstaben lagen irgendwo in seiner Er innerung. Aber er entsann sich nicht recht. „Was ist damit?" fragte er. „In der Uhr des Toten befindet sich ein Monogramm", sagte Asbjörn Krag, „sehen Sie, hier stehen zierlich verschlungen die zwei Buchstaben I. R. Dieselben, die unter dem Brief standen. Dieser Mann hat also zur Bande der Spinne gehört." „Der, der uns helfen wollte?" fragte Falkenberg. „Ja", antwortete Krag. „Ich muß an das denken, was er schrieb", suhr er leicht erschaudernd sort, „wie schrecklich es dem ergeht, der die Spinne verrät! Vielleicht ist dies eine Rache, viel leicht eine Strafe, vielleicht etwas anderes. Möglicherweise hat sie erfahren, daß er uns geschrieben hat. Vielleicht aber hat er auch Ada zur Hilfe eilen wollen. Der Revolver in feiner Hand und das Aussehen des Zimmers deuten darauf hin, daß hier ein Kampf stattgefunden hat. Nun, wir werden sehen." Er suchte weiter in den Taschen des Toten. In der andern Westentasche sand er eine unbenutzte Rückfahrkarte erster Klasse von Kristiania nach Gotenburg. Ferner fand er einen goldenen Schreib stift, aber ohne Monogramm, und ein elegantes, mit Rubinen besetztes Zigarettenetui, mit drei, vier Zigaretten. Asbjörn Krag nahm eine Zigarette heraus, merkte sich die Marke und legte sie wieder an ihren Platz. In der Hosentasche fand er ein Schlüsselbund mit größeren und kleineren Schlüsseln, dazwischen den Schlüssel zu einem Geldschrank — sonst nichts. Krag knöpfte die Weste aus und untersuchte die Wäsche. Sie trug dasselbe Monogramm wie die goldene Uhr: I. R. Aber er fand nicht ein einziges Dokument, das Aufschlüsse über die Leiche ge geben hätte. Das schien Krag indessen nicht im geringsten in Erstaunen zu setzen. „Die Mörder haben alle Spuren entfernt", sagte er zu sich selbst.