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Sage. Es schlummert im Herzen des Rolkes tief Eine schöne, fast vergeß'ne Sage, Ganz leise hallt sie in den Tiefen nach Und klingt manchmal noch in unsre Tage. Sie tönt uns heimlich in alten Liedern, Z-eigt sich in sonnenverträumten Weisen; All diese Lieder und frohen Sänge Hell -bas wonnige Kinderland preisen. Hanns Möller. HeiratsW und ScheidungsW. Unerfreuliche statistische Feststellungen und Zahlen. Wie bekannt, hatten die Zahlen der Eheschließungen in allen Ländern vor dem Kriege die Neigung, sich etwas zu senken. Für die Jahre 1871 bis 1880 resp. 1901 bis 1910 weisen die Eheschließungen aus je 1000 Einwohner folgende Ziffern auf: inDeu 1 schland 1871 bis 1880 8,6 (1901 bis 1910 8,0), in Frankreich 8,0 (7,8), in England 8,1 (7,7), in der Schweiz 7,7 (7,5), in Schweden 6,8 (6,0) und nur im laudwirtschaftlichen Osten finden wir noch hohe, obwohl ebenfalls sich senkende Heiratszissern: in Serbien 11,4 und 9,8, in Rußland 9,3 and 8,4. Es ist auffallend, daß das lateinische Amerika noch weniger heiratet. Für die Jahre 1910 bis 1917 betrug die entsprechende Fahl der Eheschließungen pro Tausend der Bevölkerung für Lhile 5,6; für Uruguay 6,3; für Mexiko 3,4; für Venezuela so gar nur 2,8. Im letzten Lande wird also dreimal weniger ge heiratet als in Deutschland. Während des Krieges, als die Männer im Felde waren and sämtliche Lebens- und Wtrtschaftsverhältnisse aufs tiefste -rschüttcrt wurden, sank die Lust und Möglichkeit beträchtlich, neue Familien durch Eheschließungen zu begründen. Im Jahre 1914 wurden in Preußen noch 6,8 Ehen pro Tausend geschlossen; dagegen 1915 nur 4,2; 1916 4,2; 1917 4,7; 1918 5,5. Selbstverständlich wurden diese niedrigen Zahlen in den ersten Nachkriegsjahren zum großen Teil durch die ausgeschobenen und nun nachgeholten Eheschließungen reichlich wieder wett gemacht. Die Ziffern der Eheschließungen für Preußen zeigen folgenden Aufschwung: 1919 13,3; 1920 14,5; 1921 11,9; 1922 11,2 Heiraten pro Tausend. ., Dünüt lVür ein bis dnHin noch Nlchl dngeioeiener Höhe- r punkt der Heiratslust erreicht. Danu tritt aber sofort der Rück- > schlag ein. 1923 finden nur 9,4 Eheschließungen statt, 1924 so gar nur 7,2, o. h. weniger als in den Jahren 1901 bis 1913. Man muß also vermuten, daß die allmähliche Abnahme der Heiratslust sich auch nach wie vor dem Kriege auswirken wird. Eine geradezu entgegengesetztes Steigen ist den Ziffern der Ehescheidungen zu entnehmen. Bekanntlich ist in den letzten Jahrzehnten in der ganzen Welt ein sozialer Prozeß im Gange, welcher allmählich die strengen Fesseln der Ehe sprengt und insbesondere die Scheidung von Ehen beträchtlich er leichtert. Sogar die einst so unerhörte Möglichkeit, eine Ehe ohne sachliche Gründe nur aus Grund gegenseitiger Überein stimmung der Eheleute aufzulösen, besteht schon zurzeit nicht nur in vielen Gesetzgebungen des mohammedanischen und kon fuzianischen Ostens, sondern auch in manchen Staaten von Nordamerika und endlich auch in Europa in den Gesetzen von Belgien, Dänemark, Holland, Luxemburg, Rumänien, Estland und Lettland. In mehreren anderen Ländern können wir zum Mindesten eine Vermehrung der gesetzlich gellenden Ehe scheidungsgründe seststellen. Aber di- eigentliche Scheidungs lust richtet sich in verschiedenen Ländern nicht nach den ge setzlichen Bestimmungen, sondern nach anderen Be weggründen, von deren Erörterung wir hier jedoch ab- schen müssen. Die Scheidungslust weiß für sich immer passende Wege zu finden. So haben sogar die Länder mit erschwer ten Ehcscheidungsmöglichkeitcn (z. B- Frankreich) mancherlei Praktiken zur Umgehung der steifen Gesetzgebung erfunden. Im Jahre 1922 (wo sich die Zerrüttung der Kriegsjahre nicht mehr so geltend machte) weisen die Scheidungen aus je 100 000 der Bevölkerung folgende sehr verschiedene Zahlen aus: in Deutschland 59,6; in Frankreich 70,4; in der Schweiz 54,4; in Belgien 49,3; in Japan 92,0; in den Vereinigten , Staaten 135.4: dagegen in Dänemark 39,4; in Holland 27,8; in Norwegen 23,2; in Finnland 14,8; in England 6,8. Die Zunahme der Ehescheidungen in Deutschland ist schon aus den Gesamtziffern klar ersichtlich. Während im Jahre 1913 nur 26 Scheidungen auf je 100 000 Einwohner entfielen, steigerte sich-diese Zahl im Jahre 1920 bis auf 59; 1921 bis auf 62,9 und 1922 bis 1923 machte sich nur eine unbeträchtliche Rückwärtsbewcgung bis zu 59,6 bzw. 55,0 bemerkbar. Aber besonders ausfallend ist das Wachsen der Schei- dungslust in der großstädtischen Bevölkerung. Wenn i» Frankreich 93 Prozent sämtlicher Ehescheidungen ans die Städte fallen und Paris allein ein Drittel sämtlicher Ehe scheidungen aufweist, während in der patriarchalischen Bre tagne nur neun Scheidungen binnen sieben Jahren vollzogen wurden, sind die Zisfern für die deut schen Städte fast ebenso bezeichnend. Tatsächlich entfielen durchschnittlich auf je 1000 neue Eheschließungen in dem selben Jahre folgende Zahlen der Ehescheidungen: 1900 Leipzig 48,3 Dresden 62,6 Hamburg 75,6 Berlin 49,6 Also hat sich in Berlin Zahl der Eheschließungen 1908 1909 1913 1924 67,2 77,0 81,5 95,0 92,3 113,0 86,4 92,9 110,1 240,5 während der letzten 25 Jahre die auf das Fünffache gesteigert! In Berlin wird jetzt durchschnittlich jährlich ein Viertel der ein gegangenen Ehen geschieden! Wenn wir zu dieser Ziffer die natürlich durch Tod aufgelösten Ehen zuzählen, so läßt sich fragen: wie lange — oder wie kurz — dauert denn durch schnittlich eine moderne Berliner Ehe? Die Statistik für ganz Preußen, w,o selbstverständlich das beständigere Element im Leben auf dem Lande das traurige Bild doch etwas mildert, weist ebenfalls wenig er freuliche Ergebnisse aus. Der Durchschnitt der jährlich ge schiedenen Ehen beträgt für Preußen 85,1 sür je 1000 neue Eheschließungen; es wird also jährlich ein Zwölfte! der Ehen wieder geschieden. Von der Gesamtzahl der 23 251 im Jahre 1924 in Preußen geschiedenen Ehen haben 7666 oder 33,35 (ein Drittel) nicht mehr als fünf Jahre gedauert; darunter waren 4998 von weniger als vierjähriger Dauer, 2821 haben weniger als drei Jahre gedauert, 1205 weniger als zwei Jahre und in 174 Fällen haben sich die Gatten nicht einmal ein Jahr lang vertragen können! Das Ergebnis aller angeführten statistischen Daten, die sich auch aus die Angaben des soeben erschienenen Preußischen Sta tistischen Jahrbuchs für 1926 stützen, sind an und für sich beredt genug. Eugen von Falkovsky. j Neue« >u« sller weil Ern Lcichenfund im Warenhaus. Ein grausiger Fund wurde in einem Berliner Warenhause gemacht. An einer abgelegenen Stelle lag ein Paket aus Karton und? Packpapier, das die Leiche eines neugeborenen Knaben, enthielt. ) Durch die Katze ums Leben gekommen. Im Ladern eines Schuhmachers in Duisburg-Meiderich, in dem der Schuhmacher nach einem Einbruch vorsichtshalber schlief, sprang die Katze nachts auf den Herd, auf dem noch Fleisch stand, und riß dabei den Schlauch vom Kocher, Ain Morgen fand man den Schuhmacher und die Katz« tot auf. Verhaftete Falschmünzer. In Singen am Hohen-, twiel wurden fünf Arbeiter festgenommen, die seit längere« Zeit aus Aluminium und Zinn falsche Ein- und Zweimarkstücke hergestellt und in den Verkehr ge bracht hatten. „Spaßeshalber" Selbstmord verübt. Im Allen-, fletner Forst fand man einen seit drei Wochen vermißtest 25jährigen Arbeiter erhängt aus. In seinem Notizbuch stand folgende Eintragung: „Ich scheide spaßeshalber aus dem Leben, da es mir keine Freude mehr macht." Raubüberfall. Nach einer Meldung aus Königgräj wurde ein Bediensteter des Postamts Predmeritz, der einest Postsack zu dem abgehenden Zuge zu bringen hatte, un weit der Station von einem unbekannten Manne über fallen, durch einen Schlag betäubt und des Postsackes, ist dem sich Geldsendungen in Hohe von 120 000 Kronen be fanden, beraubt. Der Täter entkam. Bubikopfsteuer in der Schweiz. Aus Basel wird ge meldet: Die Hauptstadt des Kantons Uri hat eine Bubi- kopfsteuer eingesührt. Es wurde verfügt, daß jede Frau, die eine Vubikopffrisur trägt, bei der Erhebung de: Kirchensteuer 50 Centimes mehr zahlen muß. Ein dreister Gaunertrick. Zwei falsche Kriminal, beamte verhafteten einen Diamantenhändler vor de: Pariser Börse, fuhren ihn im Automobil aus des Stadt, raubten ihn aus und warfen ihn dann zum Autv hinaus. Die Beute des genau vorbereiteten Gauner« streichs war indessen nur klein, denn der Händler Haitz kurz zuvor für etwa eine Million Edelsteine verkauft. Z Die Brandruinen in Mürren (Schweiz). In dem bekannten Schweizer Touristenorl Mürren brach 'kürzlich ein -Feuer aus, das sich infolge des gerade wehenden Föhns in kurzer Zeit über den ganzen Ornt ausdehnte und sogar die umliegenden Wälder ergriff, bis am nächsten Tage ein ein setzender Regen den Brand, dem die Feuerwehren der umliegen den Orte machtlos gegenüberstanden, zum Erlöschen brachte. Der angerichtete Schaden beläuft sich, wie es heißt, auf mehrere Milli onen, insbesondere ist auch das gesamte Silberzeug des Hotels geschmolzen. Das im Vordergrund auf unserem Bild sichtbare Gebäude ist die Brandruine des Hotels „Edelweiß", im Hinter gründe sieht man die Jungfrau. Schluß. Werner jah vor sich hin und es dauerte eine Weile, ehe er antwortete. „Die Absicht hatte ich anfangs, vielleicht nach China oder Japan, io weit fort wie möglich — dann aber sagte ich mir: nein, das ist doch nicht das Richtige! So kommst-du auch, nicht zur Ruhe. Du hast eine Schuld, wenn auch nicht gewollt, auf dich geladen — suche den rich tigen Weg, sie zu sühnen! In den letzten Wochen nahm nun ein Plan feste Gestalt in mir an: ich werde nach Berlin gehen" — er lächelte ein wenig — „nicht nach Berlin W., sondern nach dem Berlin der kleinen Leute! Für die will ich meine ärztliche Kunst für umsonst oder nur gegen ge ringe Entschädigung ausüben! Ich bin ja sehr vermögend," fuhr er fort, „und brauche nicht zu rechnen. Vor allem will ich den Kindern helfen in den feuchten Kellerwohnungen und den dumpfen Höfen, den alten, kranken Leuten, die sich müde gearbeitet haben! Ihnen will ich nicht bloß Arzt, nein, auch Freund und hel fender Berater sein. In einer Weltstadt ist ja so viel Not und Elend, so viel Schmutz —! Wer durch so viel Leid gegangen ist, wie ich, der hat keine Wünsche mehr für sich, der hat nur das Bestreben, anderen Gutes zu tun, um in sich selbst zur Ruhe zu kommen —" „Werner, weißt du auch, was dü tun willst?" ries Karlo erschrocken. „VeMih, aber deiner ganzen Veranlagung nach kann ich mir unmöglich denken, daß du da durchhalten kannst! Du bist doch nicht nur praktischer Arzt, bist doch auch Forscher, Gelehrter! Auf diese dir so wichtige Tätig keit müßtest du verzichten. Denn wenn du müde und ab gerackert heimkommst, kannst du dich nicht mehr hinsetzen und geistig schaffen! Was sagst du, Elisabeth?" „Gibt es wohl etwas Schöneres, als den Armen und Enterbten ein wenig Sonne zu spenden? Es ist die Pflicht eines jeden Gebildeten und Bessergestellten! Mit einem herzlichen Wort, einer Gefälligkeit, einem kleinen Dienst kann man ja so viele Freude machen — kann verhärtete, verbitterte Gemüter und Herzen erweichen und sie dmn Guten zuführen! Ich verstehe Herrn Doktor so gut. Es ist etwas so Schönes und Erhabenes um das. was ervor- hat, daß ihm niemand dreinreden soll! — Die soziale Frage wäre gar nicht so kompliziert, wenn jeder seinen Nntmen- scheu ein wenig Liebe zeigen und nicht in harter Selbstsucht nur an sich selbst denken würde. Durch ein gutes Wort des Arztes wurde mancher Irrende wieder auf den rechten Weg gebracht " tiefe Bewegung fchwang in -vusabeths Stimme und ihre Wangen waren heiß. (Nachdruck verboten.) - Mutter Wort: „Elisabeth wird immer sur dich da sein sie ist beständig und treu" ihn aus seinen Wanderungen begleitet und in seinem Unterbewußtsein eine seltsam jchone Hoffnung wachgehalten - nun er Eli- ;abeth„wiederge)ehen, kam ihm zum Bewußtsein, daß es vermessen gewesen wäre, die Augen jetzt noch zu ihr zu erheben, wenn auch sein tiefstes Fühlen zu ihr drängle. Sein Weg mußte einsam bleiben! „Nun zu meiner Bitte, Karlo. Ich möchte mein Haus hier, meine ganze Einrichtung verkaufen — vielleicht, daß du mit einem Mobelhändler svrichst - — ich selbst möchte damit nichts zu tun haben - . -„^eme Braut hat ja verschiedene Wünsche geäußert, Werner - wenn du Mmal verkaufen willst, ist es doch gleich " Karlo sagte es beinahe verlegen, „Nein, nicht gleich, Karlo, sondern nur lieb, sehr lieb! Ls ist doch manches Stück, an dem man hängt, und das man nur ungern in fremden, gleichgültigen Händen weiß! Sucht aus was ihr haben wollt — es «oll mich nur freuen, Karlo - denn ich kann mit geringen Ausnahmen nichts davon gebrauchen. Ich habe einen Strich unter mein bis heriges Leben gemacht, und was ich nun vorhabe " Beinahe angstvoll sah ihn Elisabeth an; doch da er weiter nichts sagte, wagte sie auch nicht zu fragen. Aber Karlo tai die Fragen . , „ „Darf man nichts von deinen Plänen erfahren, Werner Beabsichtigst du etwa, Deutschland zu verlassen? Es scheint so. als ob du alle Brücken hinter dir abbrechen wolltest! „Ich wußte, daß Sie mich verstehen, Elisabeth," sagte Werner Eckardt leise. „Werner, ein Mann wie du darf sich nicht in dieser Weise aufgeben!" rief Karlo. „Ein solcher Mann gehört der Wissenschaft, er gehört in eine Klinik, eine Universität!" „Gelehrte gibt es genug, Karlo! Ich will ein Freund der Armen sein — deren gibt es nicht so viel! Mein Plan steht fest; rede mir nicht darein! Ich werde mir, sobald ich eingerichtet bin, eine Assistentin suchen, und " „Mensch, Werner, erlaube mir die Bemerkung — ich hätte dich wahrlich nicht für solchen Idealisten und Phan tasten gehalten! Du hast dich m eine Sache hineinge grübelt, die ganz unsinnig ist. Deine ganze Zukunft bringst du einem Wahn zum Opfer. Daß ich es nochmals berühre: von einer Schuld am Tode deiner Frau kann gar keine Rede sein. Jeder bedauert diesen unglücklichen Zufall — nur du allein findest eine Schuld " Ein Gedanke keimte in Elisabeth auf — wenn er tat, was ungewöhnlich war, warum sollte sie es nicht auch tun? Warum sollte sie nicht auch einmal abweichen können vom herkömmlichen Pfade? Sie wußte es: für sich wünschte sie nichts — ihre Liebe hatte nichts Begehrendes — nur war in ihr das tiefe Bedürfnis, ihm nahe zu sein, ihm zu helfen — darum fragte sie: „Sie suchen eine Assistentin?" Da sagte sie mit schnellem Entschluß, heißes Rot auf den Wangen: „Wenn Sie mich brauchen könnten, Herr Doktor? Ich bin Ihnen ja schon öfter Assistentin gewesen! Sie wissen doch, daß ich nicht unerfahren an Krankenbetten und in der Kranken- und Armenfürsorge bin. Karlo will bald heiraten, dann bin ich in Wilhelmshall überflüssig — .in eine junge Ehe gehört kein drittes, und ich müßte mich dann sowieso nach einem mir zusagenden Wirkungskreise um sehen. Meine Ansprüche sind bescheiden — und ich denke es mir schön, Sie in einem solchen Liebeswerke zu unter stützen " „Elisabeth!" riefen beide Herren wie aus einem Munde. „Nein, du bleibst bei mir!" fügte Karlo hinzu. „Karlo hat recht, Elisabeth!" sagte Werner. Aber der Freudefunken in seinem Auge war jäh erloschen.