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Jlakionale Tageszeitung für die Landwirtschaft, An» »VUrdMffer Tageblatt* erscheint täglich nach«. 5 Ahr fLr de» genv Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in D« Geschäftsstelle und den Ausgabestelle» 2MK. i» Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,30 Ma., bei Postdeftellung R Mk. pezügllch Abtrag- - « n err . gebühr. Einzelnummern »Vig. «eVosta-stalte» Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaeud Postboten und unsere An». ALgernnd Geichäflsstellen nehmen z» jeder Zeit Be- Betrage» entgegen. 3» Falle höherer Gemalt, ^^a oder sonstiger BetriedsstSrnnge» besteht kein Anspruch auf Lieferung Zeitung oder Kürzung d— Bezug »preise». — Aüchseudung «ingesandter SchriM»«»« erfolgt »ur, men» Porto oeiliegt. Nr. 277. — 85 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruffs Dresden Postscheck Dresden 2640 Sonnabend, den 27. November 1826 Erfindungen. Es scheint wirklich Leute unter uns zu geben, denen der technische Fortschritt dieses Jahrhunderts noch längst nicht rasch genug vonstatten geht. Die deutschen Erfinder überstürzen sich förmlich im glanzenden Ausbau schon ge machter, in der unermüdlichen Verfolgung neuer Ent deckungen; die erwähnten Leute aber glauben, ihnen noch um einige Nasenlängen vorauseilen zu müssen, als wäre es ein lustiges Kinderspiel, das hier von unseren Tech nikern betrieben wird, als könnte die Menschheit eines Morgens aufwachen und sich sozusagen über Nacht plötzlich vor ein gänzlich verändertes Bild gestellt sehen. Stahl müssen wir aus Eisen in einem ziemlich langwierigen, mühseligen und kostspieligen Verfahren Her stellen? Weg damit — machen wir es einfacher, rascher und billiger, daneben natürlich auch bester, viel bester. Nämlich auf chemischem Wege. Das wäre doch wenigstens einmal eine lohnende Sache. Flugs setzte sich also ein findiger Schreibling hin und tischte der deutschen Menschheit eine Erfindung auf: Man nehme einen Zent ner Eisen, behandle ihn so und so, mit der und der Flüssig keit und im Handumdrehen verläßt ein Stahlblock die Retorte des Tausendkünstlers, wie ihn der erstaunte Ver braucher in dieser Reinheit, dieser Gleichartigkeit seiner Zusammensetzung, kurz: in dieser Köstlichkeit noch nie ge sehen hat. Um die Sache glaubhafter erscheinen zu lassen, wurde die I. G. Farbenaktiengesellschaft, der man bald wie einst dem seligen Herrn von Schirp nachsagen wird, daß sie „alles macht", mit der Sache in Verbindung ge- bracht, und es fehlte nicht viel, so hätte man sich einbilden können, daß wir in Deutschland vom 1. Dezember d. Js. ab nur noch auf Stahlschienen, die nach diesem neuen Verfahren hergestellt sind, von Köln nach Königsberg, von München nach Hamburg fahren würden. Gewiß, das Bergius-Verfahren, die so- genannte Verflüssigung der Kohle, ist schon eine An- gelegenheit, die den Erfindergehirnen einen Mächtigey Ansporn geben kann zu fieberhaften Anstrengungen. Abe, von den ersten Anfängen dieser Versuche bis zu den jetzt im Gange befindlichen ersten Schritten zur praktischer Ausführung der gewonnenen Ergebnisse sind mehr als ein Dutzend Jahre verflossen, und wie lange es noch dauern wird, bis wir unseren heimischen Llbedars für besten Deckung bis jetzt 200 Millionen jährlich ins Ausland gewandert sind, im Inland werden Hersteller können, ist mit Sicherheit noch gar nicht abzusehen. Ein« Erfindung aber wie die Herstellung von Stahl au! chemischem statt auf mechanischem Wege würde, wenn s« ernsthaft in Frage käme, zunächst viele Hunderte vor -Millionen, die in unseren Stahlwerken und Hochöfen, ir was an industriellen und Geschäftsanlagen dazu- angelegt sind, vernichten, während man sich kauni St-ss- Ricsenkapital, das an ihre, Vieue zur Durchführung des neuen Verfahrens erforder Ilch wäre, in unserer Lage beschafft werden soll. Du I. G. Farbenindustrie hat dem törichten Spuk, der hie, Von gar zu leichter Hand über sie verbreitet wurde, durch eine unzweideutige Erklärung ein rasches Ende bereitet Man sollte aber aus dieser Erfahrung die Lehre am nehmen, doch künftighin mit „Erfindungen" vondiesei Art, die unser Ansehen in der Welt gewiß nicht erhöher können, etwas vorsichtiger zu sein. i * Sehr - 'nscht wäre allerdings eine Erfindung, dsi es möglich Zu machen verstünde, das öffentlich« " «n Deutschland nicht nur von dem Schmutz unk Schund zu reinigen, der jetzt, wenigstens soweit di« ^ugend in Frage kommt, durch ein besonderes Gesetz bekämpft werden soll, sondern vor allem von dem auf- gehausten Zündstoff, der nachgerade bei jeder allge meinen Erörterung in Presse und Parlament die Geister ausemanderreißt. Kaum hat der Reichstag seine Arbeit wieder ausgenommen, so gehen abermals stärkste Er regungen von ,hm ins Land hinaus. Diesmal ist es der Reichswehrmilnster Dr. Geßler, der sich seiner Haut zu wehren hat, wobei besonders Vorgänge aus dem Jahre 1821 wieder anfgewärmt wurden, und das mit einer Leidenschaft, als wären sie gestern erst an uns vor, übergezogen. .. .... . .... Unter solchen Umstanden erfolgreiche Außen pol i t i k zu treiben, ist ein Kunststuck, das selbst ein Voll in ungleich besserer Lage als der unsrlgen nicht so schnell fertigbringen könnte. Selbst aus der letzten Reichstags, rede des Reichsaußenministers Dr. Stresemann schien diese Erkenntnis einigermaßen hervorzuleuchten Hat doch sogar der feurige Kampfgenosse für die Ver ständigung mit Frankreich, der frühere Reichskanzlei Dr. Wirth, diesmal die schärfste Oppositionsrede ge halten, gegen Frankreich natürlich, nicht gegen Dr. Stresemann, hinter der die Reden der außerhalb dei Regierung stehenden Rechtsparteien ziemlich weit zurua- blieben. Das wäre wenigstens ein erfreuliches Moment in dem dunklen Grau dieser Novembertage, bei allem Lärm und Kampfgeschrei, das sonst heute wie ehedem die Lande erfüllt: diese Verwischung aller trennenden Grenzen, unter den Parteien in den nationalen Lebens- Europas gemein?3me IntereMri Sieg der Wirtschaft. Eine Unterredung. In Berlin weilt zurzeit der französische Politiker und Führer der sogenannten „Neuen Rechten", Baron Robert F a b r e - L u c e, der zu politisch-wirtschaftlichen Verhand lungen nach Deutschland gckominen ist und u. a. auch vom Reichsaußenminister Dr. Stresemann empfangen wurde. Unser Mitarbeiter Dipl. rer. oec. H. R. Fritzsche hatte Gelegenheit, mit Herrn Fabre-Luce zu sprechen, und gibt in nachfolgendem die Anregungen wieder, die sich bei dieser Unterredung entwickelten. Die endliche Befriedung Europas betrachtet Herr Fabre- Luce als Ziel seiner Politik aus der Grundlage der Achtung nationaler Würde und Interessen. Auf deutscher Seite wird als besonderer Vertreter solcher Bestrebungen der Prinz An ton Rohan betrachtet. Bereits heute sind Politik und Wirtschaft zwei voneinander untrennbare Begriffe geworden. Ste wirken allerorts inein ander, teils für-, teils gegeneinander. Ist das letztere der Fall, so sehen wir eine gefährliche Krise sich bilden und allgemeine Hemmnisse, wenn nicht gar Verwirrung im gesamten inter nationalen Verkehr der zivilisierten Völker eintritt. Die Nach kriegszeit war charakterisiert durch Gegeneinanderwirken von Politik und Wirtschaft und hatte erst dann Zaghafte Schritte nach vorwärts aufzuweisen, als man sich in beiden Lagern dazu entschloß, die Interessen von Wirtschaft und Politik mit einander zu vereinigen. Dem politischen Vertrage von Ver sailles wurde der Wirtschaftsvertrag des Dawes-Ab- kommens entgegengesetzt. Schritt für Schritt hat die Politik den Forderungen der Wirtschaft nachgeben müssen. Und gerade zwischen Deutschland» ndFrankreich, wo der politische Machtstandpuukt ein ausgeprägter war, hat di« Wirtschaft in ven letzten Jahren die größten Erfolge er zielten. Die Wirtschaften beider Staaten haben es verstanden, sich über die politischen Gegensätze hinweg miteinander zu verbin den, und der zeitweilig außerordentlich harte Kampf zwischen Politik und Wirtschaft ist am 30. September ds. Js. durch die Ratifizierung des deutsch-französischen Eisenpaktes, an dem auch die Industrien von Belgien und Luxemburg teil nehmen, als für die Wirtschaft siegreich entschieden worden. Da durch ist ein Wirtschaftsbündnis zwischen den alten politischen Gegnern Deutschland und Frankreich Tatsache geworden. Jahre heißen Ringens und mühevoller Arbeit, bei der ost leider Enttäuschungen nicht ausblieben, haben zu der Inter fragen, die jetzt, nach Genf und Locarno und Thoiry, in den Verhandlungen mit Frankreich gelöst werden sollen. Dr. Sy. Oas Schmutz- und Schundgesetz. Heftiger Meinungskampf. Das Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- uvd Schmutzschriften, um das in der letzten Zeit ein hef- liger Kampf entbrannt ist, wird jetzt in seinen Haupt- p.,.<kten der Öffentlichkeit bekannt. Danach sollen zum L-Hutze der Heranwachsenden Jugend Schund- und S-ymutzschriften in eine Liste aufgenommen werden. So- b Ud ihre Aufnahme in Listen öffentlich bekanntgemacht ist, sind ihrem Vertrieb wesentliche Schranken gezogen. Die Entscheidung darüber, ob eine Schrift auf die Lifte gesetzt werden soll, erfolgt durch die Prüfstellen der Länder. An- '.cagsberechtigt sind die Landeszentralbehörden und die Landesjugendämter Weiter wird in dem Gesetz die Zu sammensetzung der Prüfstellen bestimmt, in denen Ver treter des Buchhandels, der Literatur, der Jugendorgani- iationen, der Lehrerschaft und der Volksbildungsorgani- fationen sitzen sollen. Das Schicksal dieses Gesetzes, das jetzt im Reichstag zur Debatte steht, ist noch ungewiß. Jedenfalls hat Ls alle interessierten Gemüter stark erregt und in Resolu tionen ist für und wider das Gesetz eifrig Stellung ge nommen worden So hat im Herrenhaus eine Vertreter- Versammlung zahlreicher namhafter Kultur-, Volks- bildungs-, Wohlfahrts-, Eltern- und Jugcndverbände aller Parteien und Weltanschauungen eine Entschließung gefaßt, in der mit allem Nachdruck die schleunigste Erledi gung der Vorlage für unerläßlich erklärt wird. Von der Volksvertretung wird zur Erhaltung der seelischen Kräfte der deutschen Jugend in der Entschließung die Erfüllung der kulturellen und sozialen Pflichten gefordert, zu denen sich der Deutsche Staat in der Reichsversassung bekannt hat. Der Kampf gegen dieses Gesetz wird vor allem von einer Reihe Geistesarbeiter und ihren Organisationen geführt. Unter anderem hat die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste ein Gutachten zu dem Gesetz veröffentlicht, in dem ste schreibt, daß der dem Reichstag vorliegende Gesetzentwurf kein wirksames In strument zur Bekämpfung des Schmutzes und Schundes im Schrifttum darstellen würde und darüber hinaus un übersehbare Gefahrenmomente für die Geistesfreiheit in dsr Deutfcheu Republik in sich berge. Das Gesetz fei übsr- essengemeinschast zwischen der veutschen und der französischen Schwerindustrie, der deutschen Kohle und dem französischen Erz, geführt und damit die gewaltigste Industriemacht er richtet, der selbst ähnliche amerikanische Jndustriegebilde kaum Gleichwertiges entgegenzusetzen vermögen. Dazu kommt noch, daß bie Standortsverhältnisse in dem deutsch-französischen Eisenpatt in bezug aus die Fracht und die allgemeine Ver kehrslage überaus günstig sind. Alles in allem sind die wirt schaftlichen Aussichten sür das deutsch-französische Wirtschafts bündnis, denn das ist letztenfalls dieser Eisenpakt, recht ver sprechende. Der französische Außenminister Briand, ein Mann, der keineswegs blind dafür ist, daß der Gebieter unseres Zeit alters die Wirtschaft ist, begrüßte die deutschen Delegierten per sönlich vor der Versammlung inGenk mit den Worten: „Wir haben oft genug unseren Heldenmut auf den Schlachtfelder» bewiesen, so daß wir heute keine Probe mehr davon zu geben brauchen." Es folgte das Gespräch von Thoiry und damit wurde eine neue Grundlage zu schaffen verflicht, nunmehr ge meinsam wirken zu können. Am 4. Mai des nächsten Jahres wird der Völkerbund seine Mitglieder und die Vertreter der außenstehenden großen Nationen zu einer internationalen Weltwirtschasts- konserenz laden. Diese Konferenz soll sich mit der gegen wärtigen Wirtschaftslage befassen, mit der Handelsfreiheit, dem Zolltarife und den Handelsverträgen, der Industrie und der Landwirtschaft. Es soll die wichtigste Ausgabe der Konferenz sein, auf wirtschaftlichem Gebiet praktische Erfolge der bisher geschlossenen internationalen Abkommen herbeizuführen und den internationalen wirtschaftlichen Verkehr nach den Zer störungen des Weltkrieges und nach der noch von der Kriegs-' Psychose erfüllten Politik der Nachkriegszeit wieder in ein System zu bringen. Die Wirtschaft hat aus der ganzen Linie gesiegt, selbst alte politische Rivalen wie Deutschland und Frankreich haben sich unter das Zepter der Wirtschaft beugen müssen. Die Ent wicklung in Europa, welche zu einer großen Interessengemein schaft der einzelnen Staaten führt, wird sich nicht aufhalten lassen. Jede Widersetzung gegen einen friedlichen Ausgleich, in welchem die Ehre jeder einzelnen Nation respektiert wird, schädigt nur sämtliche beteiligten Staaten und verhindert die Wiederbegründung ihrer wirtschaftlichen Macht. Wenn auch die Vereinigten Staaten von Europa im politischen Sinne vorläufig noch eine Utopie bleiben, so werden sie als wirt schaftlicher Bcgriss sehr bald eine Tatsache sein. flüssig, va Vie vefleyenve Gesetzgebung vei ncynger An wendung vollkommen ausreiche, um den wirklichen Schund und Schmutz zu treffen. Der König von Rumänien bereits gestorben? Große Unruhe in Bukarest. Lig-ner Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Belgrad, 27. November. Aus Bukarest wird gemeldet, daß Minister Angelcscu nach Cherbourg abgereist ist, um Königin Mari« von Rumänien bei ihrer Ankunst auf französischem Boden zu veranlassen, nicht nach Paris zu reisen, um dort mit dem Ex- kronprinzen Carol zufommenzutresfen, sondern sich auf dem kür zesten Wege nach Bukarest zu begeben. Der letzte Bericht vom Krankenlager des Königs lautet: Hoffnungslos. Katastrophe jeden Moment zu erwarten. MM glaubt nach diesem Bericht in Buka rest allen Ernstes, daß der König bereits gestorben fei und die Todesnachricht nur Ms dem Grunde verheimlicht werde, weil man einen Putsch der Anhänger Carols befürchte. Diese haben gestern abend in einer stürmischen Versammlung verlangt, daß die Prinzessin Eleana zur Thronfolgerin ernannt wenden soll. Amerika und Europa. Ein Vortrag des Botschafters Schurman. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Schurman, der soeben aus Amerika zurückgekehrt ist, erklärte auf dem anläßlich des von der amerikanischen Kolonie in Berlin veranstalteten Essens, daß die von Europa den Ver einigten Staaten geschuldeten Kriegsschuldenbeträge in Wirklichkeit von den Amerikanern bezahlt würden, die Reisen'nach Europa unternehmen. Diese Reisen den. führte er weiter aus, lassen jährlich eine Mil liarde Dollar in Europa. Außerdem ist Amerika bereit, sich bei der Bezahlung der Kriegsschulden mit einem Betrage zu begnügen, der nur 60 d:r ursprüng lich geschuldeten Summe beträgt. Tas bedeutet, daß Amerika von den 11)4 Milliarden Dollar, die es Europa geliehen hat, nur 7 Milliarden zurüüverlanat. Wenn