Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt 2.Blatt Nr 281. — Donnerstag, 2. Dezember 1926 Wolken und Sterne Das Loben wird trüber und trüber! Sv seufzest und Nagest du gern. — Die Wolken, sie ziehen vorüber, Und ewig strahlet der Stern. Die Freude, o nenn' sie nicht Schimmer! Nur froh dem Geschick vertraut. Du hast nach den Watten nur -mmer Und nie nach den Sternen «eschautt Emü Ritterhaus. spolitische kunchchsu Z Deutsches Reich Beamkensorderungen und Länder. Der Reichsfinanzminister hatte den Spitzenorganisa, tionen der Beamten eine Weihnachtszulage i« Aussicht gestellt. Mit diesem Versprechen ist er jetzt aus den Widerstand der Länderregierungen gestoßen. Die Länder erklären, sie könnten die Zulage nicht geben, bevor nicht die Frage des Finanzausgleichs geregelt sei. Die Arbeitszeitfrage. Im Reichstage fanden Verhandlungen des Reichs, kanzlers und des Reichsarbeitsministers mit den Partei führern über die Arbeitszeitfrage statt. Es handelt sich darum, schon jetzt, noch vor der endgültigen Regelung im Arbeitsschutzgesetz, eine provisorische Lösung der Arbeits- leitfrage zu finden. Strittig ist hauptsächlich die Frage der sogenannten freiwilligen Mehrarbeit. Es soll "un ein Weg gefunden werden, wie auf der einen Seite der Mißbrauch der freiwilligen Mehrarbeit ausgeschlossen wird, auf der anderen Seite aber die Möglichkeit offen bleibt, in besonderen Bedürfnisfällen von einer Mehr arbeit der Angestellten und Arbeiter Gebrauch zu machen. Die „Lex Höfle" angenommen. Im Nechtsausschuß des Reichstages wurde die so genannte „Lex Höfle" beraten. Bei der Vorlage handelt ;s sich um die kleine Strafprozeß Novelle, die von der Deutschen Volkspartei, dem Zentrum, den Sozialdemo kraten, den Demokraten und der Wirtschaftlichen Vereini gung beantragt ist und die die Erfahrungen, die man durch den tragischen Tod des Ministers Höfle gemacht hat, in die Lat umsetzen will. So soll vor allem das Recht auf münd liche Verhandlung gegenüber Haftbefehlen sichergestellt und ser Zeugniszwang für Redakteure aufgehoben werden. Die Vorlage wurde nach lebhafter Debatte bei Stimment haltung der Dcutschnationalen vom Ausschuß ange nommen. Polen. Ausschließung deutscher Gemeindeschöffen in Ostober schlesien. Aus verschiedenen polnischen Landgemeinden Oberschlesiens wird berichtet, daß dort die Wahlen der Ge meindeschöffen stattgefunden haben. In vielen Fällen wurden aber die deutschen Listen mit der Begründung »usgeschaltet, daß sie aus formellen Gründen als ungültig »nzusehen seien. Infolgedessen wurden nur polnische Gemeindeschöffen gewählt. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Das Reichskabinett hat beschlossen, die drei Mit glieder des Verwaltungsrates der Reichsbahngesellfchaft, seren Amtszeit durch das Los beendet wurde, wieder in den Verwaltungsrat zu entsenden. Es handelt sich um Dr. Luther, son Siemens und von Batocki. Berlin. Im Auswärtigen Amt sind die Ratiftkationsur- !undcn des deutsch-lettländischen Handelsvertrages ausge- iauswt worden. Berlin. An Stelle des verstorbenen Generalobersten von veerlngen wurve der General der Artillerie a. D. von Hör n Mm Präsidenten des Kysshäuserbundes gewählt General von Horn steht im 61. Lebensjahre. Magdeburg. Der Stahlhelm veröffentlicht eine Er klärung für General von Walter, in der er sich die Ver unglimpfung des Generals verbittet. Weiler wird erklärt daß der Stahlhelm politisch mit der Reichswehr nichts zu MN baden will. ' " Memel. Im Mcmelländischen Landtag wurde ein von der Memellandtschen Volkspartei eingebrachter Miß« tr a u e n s a n 1 r a g gegen das neugebildete Direktorium Falk mit 21 Stimmen der Antragsteller, bei Stimmenthaltung der vier Sozialdemokraten und der beiden Litauer, ange nommen. " m Der Prozeß wegen der Germersheimer Vorfälle wird in der Zeit vom 17. bis 22. Dezember tu Landau stattsinden. Der Zuwelenrauber Spruch, der wegen schweren Raubes, Nötigung und erschwerten unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren einem Monat Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt wurde. Wegen Sachhehlerei erhielten Charlotte Spruch fünf Mo nate, Else Ninghausen drei Monate Gefängnis. / In der Urteilsbegründung hob das Gericht hervor, daß der Angeklagte sein Verbrechen mit einem geradezu übernormalen Denkvermögen ausgeführt hat. Er hat Geistesgaben bewiesen von einer außergewöhnlichen Energie für die Durchführung seines Verbrechens. Sein Vorleben zeigt, daß er die Tat nicht nur aus Sensations lust verübt hat. Es handelt sich um ein ganz gemeines Verbrechen, deshalb wurden ihm mildernde Umstände ver sagt. Mit Rücksicht auf die ärztlichen Gutachten ist das Gericht bei den Einzelstrafen nicht über die gesetzliche Mindeststrase hinausgcgangen. Spruch blieb bei der Urteilsverkündung zuerst voll kommen gleichgültig. Nur als Landgerichtsdirektor Crohne betonte, daß es allein dem Verdienst der Kriminalpolizei zuzuschreiben sei, daß der Raub restlos wieder herbei geschafft worden ist, geriet er in Erregung und Wut. Aus dem Genchtssaal. Das Urteil im Hamburger Falschmünzerprozeß. Irl» Hamburger Falschmünzerprozeß wurde folgendes Urteil ge-s fällt: Es wird erkannt wegen Münzverbrechens bzw. Beihilfe, dazu gegen Schwarz auf sechs Jahre Zuchthaus, zehn Jahre. Ehrverlust und aus Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, gegen Ernst aus fünf Jahre Zuchthaus, zehn Jahre Ehrverlust und Zu lässigkeit der Polizeiaufsicht, gegen Seier aus eine Gesamt strafe von vier Jahren Zuchthaus und auf eine Zusatzstrafc von einem Jahr Zuchthaus, gegen Kadtmaun aus drei Jahre Kucktbaus. fünf Jaüre Ehrverlust und Zulässigkeit der Pottzet- aussicht, gegen Schtvemer und Mingramm auf je zweteinyarv Jahre Gefängnis, gegen Herman Bardowicks aus zwei Jahre Gefängnis und gegen Dudda aus ein Jahr Gefängnis. Adolf Bardowicks und seine Ehefrau werden wegen Beweismangels freigesprochen. Gegen Schwöbel wird das Verfahren ab- getrennt. § 140 000 Mark Steucrstrafe gegen einen Kohlcnschieber. Das Finanzamt in Duisburg hat die erste Strafe gegeü Kohlenschieber erlassen. Einer dieser Strafbefehle lautet auf 14V OVO Mark, ein anderer aus'47 OVO Mark. § Unterschlagungen eines Parteisekretärs. Der deutsch- nationale Parteisekretär in Hanau, Wilhelm Freischlagl wurde zu 200 Mark Geld st rase verurteilt, weil er Gelder aus der Parieikasse entwendet hatte. Bei der Verhandlung führte er zu seiner Entlastung an, daß er oft monatelang aus sein Gehalt habe warten müssen. 's Verurteilung wegen Schnapsbrennerei aus Obst. Vons Großen Schössengericht in Glatz wurden der Kaufmann Paffeck und ein Geschäftsführer von der Firma Kublick L Paff seck wegen Schnapsbrennerei aus Obst zu je 20 000 Mark Geldz strase und zu ein bzw. Nrei Monaten Gefängnis verurteilst Neue» ,u» sller well k —...— ..- Furchtbare Rache wegen einer Verurteilung. In Jassow in Pommern drang der Maschinenmeister Krause, der wegen Beleidigung seiner Schwägerin zu einer Geld strafe verurteilt worden war, in das Haus der Schwägerin and seiner Schwiegermutter ein, verletzte beide Frauen durch Revolverschüsse schwer und verübte dann Selbstmord. Ein kleiner Irrtum. In einer kinderreichen Familie aus der Templiner Gegend ist das Elfte angekommen. Es wurde vorschriftsmäßig angemeldet, und zwar als Junge mit dem Namen Paul Georg. Eine Woche verging: dann veranlaßte die Mutter ihren Ehemann, nochmals auf das Standesamt zu gehen und anzumelden, daß das Jüngste ein Mädchen sei. Wie die Joachimsthaler Zeitung be. richtet, tat sie dies mit den Worten: „Ick hebb't wascht, dann Hebb ick erst sehn, dat'n Mäken weer." Zugunglück. Nach einer Meldung aus Bauerwitz .Oberschlesien) ist auf den Personenzug 58 Baucrwitz— Ratibor eine Einzellokomotive aufgefahren. Ein Personen- und ein Milchwagen entgleisten. Die Hintere Wand eines Personenwagens wurde eingedrückt. Vier Reisende er litten leichtere Verletzungen. Mißhandlung Deutscher in Oberschlesien. Aus Laura- yutte wird gemeldet: Die Sicherheitsverhültnisse haben sich seit den Wahlen erheblich verschlechtert. In den letzten Tagen sind der Hütteninspektor Jacobsen und der Berg inspektor Stephan von Banditen überfallen und schwer mißhandelt worden. In der höheren deutschen Minder heitsschule wurden sämtliche Fensterscheiben eingcschlagen. Die Bevölkerung von Laurahütte ist über diese Tat über aus entrüstet. Entgleisung eines Gütcrzuges. In Bayern entgleisten auf dem Bahnhof Reichertshofen die Lokomotive und 28 Wagen des Eilgüterzuges München—Berlin. Ein« Person wurde getötet; ein Zugführer und ein Schaffner wurden leicht verletzt. Überfall einer S t a t i o n s k a ff e durch maskierte Räuber. In Landshut drangen während der Auszahlung der Pensionen im Bahnhof zwei elegant gekleidete Männer mit Masken in das hauptsächlich von Frauen dicht besetzte Zimmer, hielten die Anwesenden mit Revolvern in Schach, streuten dem Kassenbeamten Pfeffer in die Augen und raubten die Kasse mit etwa 309 Mark. Bei der sofort aufgcnommenen Verfolgung konnten beide Verbrecher festgcnommen werden. Krrchcnraub. Kirchenräuber brachen in die Wall fahrtskirche des berühmten Klosters Andechs am Ammerse« ein und raubten ein Meisterwerk Weilheimer Gold- schmiedekunst des Goldschmiedes Kitzinger (1726). Du Monstranz, ganz aus Gold und Silber, ist von einer Reihe echter Edelsteine und Perlen umgeben. Außerdem wurden drei silberne Kränze und ein mit Diamanten besetzte: Hostienhalter gestohlen. Die Verbrecher hgben auch das von den Wallfahrern verehrte Gnadenbild am unteren Hochaltar seines ganzen Schmuckes beraubt. Vom Marien bild wurde das Zepter mit der Hand der Heiligenfigur abgeschlagen. Die Spinne. Roman von Sven Elvestad. , Berechtigte Uebersetzung aus dem Norwegischen von Iulia Koppel. Amerikan. Copyright MI by Lil. Bur M. Lincke. Dresden 21. (Nachdruck oerboien.) Der Konsul sah auf seine Uhr. „Es ist jetzt halb neun," sagte er. „Gut. Von halb zwölf Uhr stehe ich zu Ihrer Verfügung." „Sind Sie Mitglied des Negattaklubs?" „Ja!" / „Besuchen Sic häusig das Klublokal?" Ich verbringe dort hin und wieder eine Abendstunde." „Sie dürfen heute abend nicht sortbleiben," sagte Krag. „Heute abend?" murmelte der Konsul. „Wird sich das nicht merkwürdig ausnehmen, so kurz nach dem Tode meines Bruders?" „Es ist notwendig." „Gut, dann werde ich kommen. Soll ich mich vielleicht dort um halb zwölf einsinden?" Ja, wir treffen uns dort." Der' Konful stutzte unwillkürlich. „Sind Sie Mitglied des Regattaklubs?" . , «... Asbjörn Krag lächelte — ein Lächeln, bei dem der Konful feine unüberlegte Bemerkung schort bereute. „Ich wußte nicht ... ich dachte "Schon gut, schon gut/, unterbrach Asbiom Krag chn. „Sie kommen also um einhalbzwölf punkmch. „Was soll ich dort eigentlich- „Nichts besonderes. Vor allem dursen Sie sich nicht an merken lasten, daß Sie in einer besonderen Bopcht kommen. Spielen Sie?" „Manchmal." ...... a „Es wäre wünschenswert, wenn Sie sich mit etwas be schäftigen, mit Kartenspiel zum Beispiel. Plaudern Sie mU Iyrcn Freunden. Trinken Sie ein Glas Wein. Ueberhaupt benehmen Sie sich wie gewöhnlich." „Ich werde tun, wie Sie wünschen", sagte Falkenberg, „ob gleich ich Ihre Absicht nicht verstehe. Indesten, ich muß jetzt gehen. ^>r sehen uns also im Regattaklub." „Vielleicht. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß Sie mich nicht kennen dürfen, falls ich da fein sollte." „Verstehe," sagte der Konsul und wollte sich zurückziehen. Krag hielt ihn zurück. „Noch eins", sagte er. „Ich möchte nicht indiskret sein, aber wäre es möglich, zu erschien, was Sie von jetzt bis halb zwölf vorzunehmen gedenken?" Der Konsul besann sich einen Augenblick. „Das möchte ich ungern sagen. Es ist eine ganz private Sache." „Und hat nichs mit dem vorliegenden Fall zu tun?" „Ganz und gar nichts." „Dann habe ich nichts mehr hinzuzufügen." sagte Krag. Er trat an den Schreibtisch und drückte auf einen Knopf; draußen hörte man das Tlockensignal. „Was tun Sie da?" fragte der Konful, während er in der Tür stand. „Ich drücke auf einen Knopf," antwortete Krag lächelnd. „Warum? Wollen Sie jemand herbeirufen?" „Nein, es handelt sich um eine ganz private Sache", ant wortete Krag mit einem spöttischem Lächeln. „Ah, so, entschuldigen Sie. Auf Wiedersehen!" Falkenberg grüßte und ging. Als er auf die Treppe gekommen war, zog er einen kleinen zierlichen Brief aus der Tasche, den er vorige Nacht erhalten hatte, las ihn noch einmal und küßte ihn, während ein glück liches Lächeln über fein Gesicht glitt. Aber er faßte sich schnell, und als er auf die Straße hinauskam, war er wieder der ge wohnte kühle Geschäftsmann. Kaum hatte der Konsul Absjörn Krags Arbeitszimmer ver lassen, als der Detektiv aufs Fenster zueilte. Durch eine geschickte Aufstellung von Spiegeln konnte er alles sehen, was unten auf der Straße vorging, ohne daß er sich felbst aus dem Fenster zu lehnen brauchte. Er sah den Konsul aus der Haustür kommen und schnell die Straße entlang gehen. „Nun", murmelte der Detektiv, „wo steckt der Bursche?" Schließlich nickte er zufrieden. „Dort kommt er", sagte er zu sich selbst, „die Sache klappt," Er hatte eine Gestalt entdeckt, die dem Konsul jolgte. Ls war Jens, der Diener des Detektivs. „Er ist wirklich schon sehr tüchtig", dachte Asbjörn Krag, „er solgt ihm Schritt für Schrill, so gleichgültig, wie ein laug jähriger Spion. Ich brauche es wahrlich nicht zu bereuen, diesen jungen Mann aus dem Gefängnis losgeeist zu haben. Jetzt werde ich also erfahren, was der Konsul vor hat, man kann nie wissen, ob es uns nicht von Nutzen sein wird." Asbjörn Krag erhob sich hastig von der Fensterbank und ging in sein Ankleidezimmer. Indessen begab sich Falkenberg zur nächsten Straßenbahn haltestelle. Hier wartete er, bis eine Bahn kam, die das Schild „Oslo" trug. Er bestieg die vordere Plattform. Gleichzeitig sprang der Spion des Detektivs auf die Hintere. Erst gegen 11 Uhr begannen die Räume des Negattaklubs sich zu füllen. Die Vorstellungen im Theater waren zu Ende, und mehrere Herren kamen von dort. In dem großen Speifesaal wurde ge geßen, und hinterher versammelten sich die Herren in plaudernden Gruppen in den Rauchzimmern. Man sprach von den Begebenheiten des Tages. „Eine fatale Geschichte mit Karl", sagte Archibald Bissen zu Generalkonsul Tönneby, „und merkwürdig, daß es sich gerade nach dem Fest des Bruders ereignete." „Ein tadelloses Diner", brummte der Generalkonsul, „Falken berg hat sich diesmal wirklich selbst übertroffen, Aber er soll auch glänzende Geschäfte mit diesem Her-n Stiege! gemacht haben. Man spricht von einem Verdienst von 30000 Mark." „Einige sagen vierzig", schob der Architekt ein. Jetzt aber kehrte der GeneralkoPu. zu -em Ausgangspunkt ihrer Unterhaltung zurück. „Ach ja, ach ja, dieser Kar', dieser Kai'." murmelte er. „Das macht die Liebe", flüsterte der Architekt. „So? War Liebs mit :m Spiel?" „Ganz ohne Frage, alter Junge, er hatte sich wahnsinnig in Valentine, die schöne Witwe verliebt." „Und sie wollte ihn nicht haben?" „Sie hielt ihn wohl sür einen zu großen Windhund. Aber sie gestattete ihm immerhin, einige Taufend für sie auszugeben. Ls waren sicher nicht ganz wenige." Einige andere Herren traten hinzu. „Ob sie geldgierig ist?" schob der eine ein. „Das kann niemand wißen," antwortete der Architekt schnell. „Sic will sich amüsieren, sie lieb; es, mit Menschen zu verkehren, die nicht auf Geld fehen. Und welche Dame von Welt tut das nicht?" (Fort'etzung solgt.)