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Wilsdruffer Tageblatt : 29.10.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192610295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19261029
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19261029
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-10
- Tag 1926-10-29
-
Monat
1926-10
-
Jahr
1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 29.10.1926
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- Hetzte Meldungen Vermischte Drahtnachrichten vom 28. Oktober Die deutsch-englischen Wirtschastsbcsprechungen. Berlin. Zu Nachrichten über eine neuerliche Begegnung deutscher und englischer Industrieller teilt der Reichsvcrbani der Deutschen Industrie mit, das; es sich hierbei um eine Ein ladung der englischen Parallelorgamsatton des Reichsverban des, der Federation os British Industries, handelt. Der Zeit punkt der Aussprache zwischen beiden Jndustrlevcrbändcn steh noch nicht fest. Generalleutnant Heye zum General der Infamem desrsert Berlin. Generalleutnant Heye, Chef der Heeresleitung Wird mit Wirkung vom 1. November 1926 und mit einen Rangdienstalter vom 1. Dezember 1921 zum General der In fanterie befördert. Die Parteiführer beim Reichskanzler. Berlin. Der Reichskanzler empfing die Führer der Re- gierungsparteien, um mit ihnen über die Frage der Er werbs losen Unterstützung Fühlung zu nehmen. Paralyphusemanrunaen in Gotha. Gotha. Nach dem Genuß von Schüssel- und Klauen- sülze sind hier eine Anzahl Einwohner unter Vergiftungser- schcinungen erkrankt. Die ärztliche Untersuchung hat das Vorhandensein von Paratyphusbazillen ergeben. Wie ver lautet, ist die von den durch die Erkrankung betroffenen Fami lien genossene Wurst bei vier verschiedenen Fleischermeisteru gekauft ivorden. Auch bei den Angehörigen dieser Fleischer- meister wurden Vergiftungserscheiiinngeü festgestellt. Die be hördliche Untersuchung ist eingelcitct. Der Radiovcrkehr mit dem Mars. London. Ein englischer Gelehrter, Dr. Robinson, erklärte er habe Radiosignale erhalten, die darauf hinwicsen, dasi der Mars versucht habe, mit der Erde in Verbindung zu treten Dr. Robinson beschloß, aus den Appell, der die Buchstaben „MMGBR" enthalten habe, zu antworten. Er begab sich zum Londoner Zentralpostamt und übergab dem Beamten eine Radiodepesche an den Mars mit dem Auftrag, sie gegen Mitternacht auszugeben. Der Beamte legte keinerlei Über raschung an den Tag und ließ sich die Gebühren auszahlen, die er nach dem Satz für Sendungen für Schiffe auf hoher See berechnete. Ob die Radiostation die Sendung ausgegeben hat, ist nicht bekanntgeworden, wird aber nicht bezweifelt Im Ungewissen ist man darüber, ob der Mars die Sendung er halten hat. Der deutsche Außenhandel. Wenn sich schon die Wissenschaft über eine Frage nicht klar und nicht einig ist, kann man sich nicht wundern, wenn die Laien völlig ratlos dastehen. — Hieran mutz man denken, wenn man die Kommentare las, mit denen unsere nationalökonomische Wissenschaft und unsere wirtschafts politische Publizistik die Ergebnisse unserer Außsnhandels- ,'tatistik begleitete. Im Statistischen Reichsamt werden all monatlich Zahlen veröffentlicht, aus denen zu ersehen ist, wieviel (d. h. für wieviel Millionen Marks Waren wir im vorhergehenden Monat eingeführt und ausgeführt haben. Die Zeitungen pflegen dann an diese Zahlen Be trachtungen anzuknüpsen, ob und wieweit sie charakteristisch find für unsere wirtschaftliche Lage, für die Zunahme oder Abnahme des Volkswohlstandes, für unsere Zahlungs fähigkeit gegenüber unseren Reparationsgläubigern und für manches andere. Wenn dann gar ein viertel, ein halbes Jahr oder gar ein ganzes Jahr vergangen und durch statistische Zahlen belegt ist, so werden sozusagen regelrechte Bilanzen aufgemacht, aus denen dann geschlossen rZrd. ob es mit uns aufwärts oder abwärts geht. In diesen Tagen sind die Septemberzahlen für unseren Außenhandel veröffentlicht worden; damit liegt gleich- m-ua das Ergebnis für die ersten neun Monate des lau fenden .".De: dctiahres — allerdings für dreiviertel Jahrs -- rer. J-m-ae'oml hat Deutschland in dieser Zeit für fast 190 Millionen Mark mehr Waren ausgeführt als ein geführt. Da in oen letzten Monaten des Kalenderjahres erfahrungsgemäß die Nahrungsmitteleinfuhren (weil die eigene Ernte zur Verfügung steht) nur gering zu sein pflegen, ist zu erwarten, daß der „Aktivsaldo" von etwa 100 Millionen Mark bis Ende 1026 nicht mehr zu einem Paäivsaldo werden wird. Nehmen wir an — was wahr scheinlich ist —, daß wir für das ganze Jahr 1926 einen Aktivsaldo von 14 Milliarde haben werden, so-ergibt sich die auffallende Tatsache, das; sich unser Außenhandel gegenüber dem Vorjahre (224 Milliarden Passiv saldo) um volle 3 Milliarden Mar? gebessert hat. Diese Tatsache mutz deshalb so außerordentlich verwundern, weil wir in diesem Jahre eine durchschnittlich sehr viel größere Arbeits losigkeit gehabt haben als im vorigen Jahre, und weil also Vas Verhältnis der Schaffenden zu den bloß Verzehrenden in diesem Jahre viel ungünstiger gewesen sein muß als im vorigen Jähre. Auf der Suche nach den Gründen kommt man zu folgendem Ergebnis: Das Jahr 1926 war das Jahr der „Rationalisierung", d. h. der sparsameren Ge staltung der Produktion. Diese Rationalisierung erstreckte sich zum Teil auf sachliche Faktoren (Ersatz unrentabler Maschinen und Werkzeugs durch neue, Stillegung unmodern gewordener Betriebe, Verbesserung der inneren Organi sation der Werks usw.), zum Teil aber auch auf persönliche Faktoren wie Entlassung überflüssiger Arbeitskräfte und bessere Ausnutzung der Arbeitskraft der in den Betrieben Verbliebenen. Man darf annehmen, daß von der Ent lassung in erster Linie dis weniger Tüchtigen betroffen worden sind. Daraus würde man schließen können, daß der Rückaang der wirtschaftlichen Leistung geringer gewesen ist. als dem Zahlenverhältnis der Arbeitslosen zu den Be schäftigten entsprechen würde. Wenn manche dagegen ko weit geben, zu behaupten, daß durch die Ausmerzung der Ueberflüssigen die Gesamtleistung auch absolut gestiegen ist, so kann man dem nicht zustimmen. Wohl aber darf als Tatsache angesehen werden, daß durch die Rationalist 'rung der Wirtschaft die Preiswürdiakeit unserer Erzeugnisse zu genommen hat, und daß wir dadurch unsere Warenausfuhr geasnüber dem Voriahre heben konnten. Wenn es uns gelingen würde, auch dis zur Zeit Unbeschäftigten wieder in den Produktionsvrozeß sinrursihen. so würden wir den wobl nur vorübergehenden Ausfuhrüberschuß im Jahrs 1926 in einen dauernden U>berfthuß verwandeln können und damit die Vorbedingung erfüllen, daß unser Wohl- ftand wieder zunimmt. i Rus unfei'ei' fleimst j Wilsdruff, am 29. Oktober 1926. Merkblatt für den 30. Oktober. Sonnenaufgang Mondaufgang — Sonnenuntergang 4^ Monduntcrgäng 2°° N. 1870 Die Preußen stürmen Le Bourget vor Paris — 1918 Waffenstillstand zwischen der Türkei und der Entente — 192.1 Die Türkei wird Republik. * Das Sterben in der Natur. Wie ein schöner, längst entschwundener Traum liegen die warmen, strahlenden Sommertage hinter uns. Im Sturmschritt sogt der Spätherbst durchs Land. Seine Winde, seine Stürme, feine Regenschauer und seine grauen, schweren Nebel, seine meist sonnenlosen, feuchikalten Tage räumen rasch mit dem letzten be scheidenen Schmuck in der Natur -auf. Vereinsamt blüht da und dort noch inmitten welcher Gartenwildnis eine letzte, zarte Rose. Dahlien und Astern leisten stumme Gesellschaft, wartend, bis die Stunde ihrer Bestimmung gekommen ist. Hie und da leuchtet aus dünner und dünner werdendem Laubwerk noch ein vergessener Apfel Mil glühenden Wangen. Leerer und leerer wirds in den Ohstbaumkronen. Ein reiches Farbenspiel versucht überall mit dem unaufschiebbaren großen Sterben in der Natur ein wenig auszusöhnen. Am schönsten ist das Kleid, das Wald- -und Reb- lanbschafi angelegt haben. Da leuchtet es herrlich und wundersam auf, wenn schräge, bleiche Sonnenstrahlen Hügel und Wälder scheidend li-Masen. Da sprühen Farbenmischungen auf, die mancher in einem Gemälde von Menschenhand als unnatürlich bezeichnen würde. Die Felder sind leer und verlassen, höchstens daß sie noch hie und da verdorrte, schwärzliche Kartvffelkraut- bestänbe zieren. Knitschend fährt da und dort der scharfe Pflug durch das Graubraun des herbstlichen Ackerlandes And verwandelt es in wohltuendes, einhMiches Erdbraun. Früh fällt die Nacht ein. Klagend, stöhnend, pfeifend fährt der Herbftwmd durch -zer zauste Kronen. Wie lange noch, und Feld und Mur und Garten- alles wird entblößt und bereit fein, vvm Winter feinen wärmen den, schützenden weißen Schneemantel zu empfangen. Still ruht der See. Das sächsische Bürgertum hat sich die Zipfelmütze über vude Ohren gezogen. Die Wahlversammlungen im Lande zeichnen sich durch einen geradezu trostlosen Besuch aus. Drei Jahre lang ist es dem sächsischen Bürgertum gut ge gangen, da die Regierung Heldt für Ruhe und Ordnung im Lande sorgte und ein so wüstes moskowitisches Chaos nicht mehr möglich war, wie im Jahr 1923 unter der Herrschaft Z.igners. Sofort hat das Bürgertum alles vergessen und scheint sich vem naiven Glauben hinzugeben, daß jene Zeiten nicht wiederkchren -können. Wenn sich das sächsische Volk nicht endlich aufraff! und sich auf seine Pflichten gegen Volk und Vaterland und gegen die I eigene Familie besinnt, dann kann es am 31. Oktober ein böses Erwachen geben. 25jähriges Bestehen. Die Müller-Zwangs- Innungzu Wilsdruff feierte am Mittwoch im „Weißen Abler" zu Wilsdruff nach Abhaltung der satzungsgemäßen In nungsversammlung ihr 25jähriges Bestehen. Man hatte, ange sichts der ernsten Lage unseres niedergehenden Gewerbes, Wert darauf gelegt, diefen Tag zwar würdig, aber ohne unnötiges Auf sehen und Gepränge zu begehen, was auch gelungen fein dürfte. Von gZadenen ehemaligen lieben Mitgliedern war nur der letzte Pohrsdorfer Windmüller Gustav Viertel erschienen. Hieran er kannte man leider immer wieder, daß der Möller- wie über haupt der Handwerkerstand kollegiales Zusammcngehörigkeilsge- fühl nicht verstehen lernen will. Unser Senior, der ebenso schlichte wie treue Kollege Meltzer in Röhrsdorf wurde von dem satzunqs- gemäßen, gar manchem Kollegen ärgerlichen Innungszwang hin sichtlich Versammlungshesuch und Beitragszahlung traft ein? stimmigen Beschlusses für die Folgezeit entbunden. Telegraphische und schriftliche Wünsche waren eingegangen von der Gewerbe kammer Dresden, dem Deutschen Müllerbund in Leipzig und dem getreuen Eckart der deutschen Kleinmüller, des deutschen Hand werks und nicht zuletzt des deutschen Volkes überhaupt, Herrn Theodor Fritsch in Leipzig, welcher übrigens am 28. d. M. seinen 74. Geburtstag feierte, was doch vielleicht einige Leser interessieren dürfte. Ein Wunschlclegramm der Versammelten sollte ihn erfreuen. Eine freiwillige Sammlung für Theodor Fritschs Hammerjubiiäumsspende ergab den erfreulichen Betrag von 24,50 Mark. Der stellvertretende Obermeister Max Leh mann (Klipphausen) überreichte Obermeister Kirsten sowie Schriftführer Reger je eine prächtig wirkende Ehrenurkunde unter Glas und Rahmen in Anerkennung 25jähriger Treue, welche beide mit 'Dank und Rührung entgegennahmen. Hieraus hielt der Obermeister einen zeitgemäßen, die furchtbar ernst zu nehmende Zertahrenheit auf -allen Gebieten unseres Lebens be rührenden Vortrag und erstattete sodann den von ihm verfaßten Bericht über Entstehung und 25jährige Tätigen Innung. Letzterer soll kraft einstimmigen BZcbl-usses in Druck erscheinen und u. a. unseren Lehrlingen späterhin als Ansporn überreicht werden. Ein gemeinsames, von der Vergnügungskasse gewährtes gemeinsames Essen, gewürzt mit manch wohlgemeintem Wort und einem, vom Obermeister seiner Innung gewidmeten, dem Ernst der Zeit entsprechend gehaltenen Tasellied schloß die Feier ab, doch hielt gemütliche Unterhaltung die Besucher noch lange zu sammen. Ein großer Feuerschein war gestern abend in der zehnten Stunde von hier aus in der Richtung Klingenberg zu beobachten. Das Schadenfeuer war in der Scheune des Gutsbesitzers Gruhl in Obercunnersdorf zum Ausbruch gekommen. Di» gesamten ' Feuerwehren der ganzen Umgebung von Dipposdiswalde bis Rabenau und Freital waren zur Bekämpfung arsg reckt. Cs wft^ Brandstiftung vermutet. Seinen 70. Geburtstag feierte am 29. Oktober der Ehrengau- - Vertreter Robert Richter in Meißen. Beim ersten Gauturnfefte < im -lahrc 1881 in Plauen war er der erste Sieger. Von 1882 bis 1888 war er Kassenwart des Gaues. Ms GauverMer sMlk' er den Gau von 1888—1909 in brüderlichem Einvernehmen mit dem Gauturnwart Richard Richter zu stolzer Höhe. Möge dieser vorbildliche Führer noch recht viele Jahre sich geistiger und kör perlicher Rüstigkeit erfreuen und sein Rat auch weiterhin hier im Gaue Geltung behalten. Winter im Erzgebirge. Der Winter hat nunmehr seinen Einzug in das Erzgebirge gehalten. Bei drei Grad Kälte und zehn Zentimeter Schneehöhe ist an eine For.sset-ung jed.r land wirtschaftlichen Arbeit nicht Zu denken. Die Waldbäume brechen fast unter der Vast des Schnees und des Rauhreifes, so daß mit einer Schneebruchskalamität zu rechnen ist, wenn vor einem Tauwetter noch Neuschnee fallen sollte. Der Arbeitsmarkt in Sachsen. Das Landcsamt -für Arbeits vermittlung veröffentlicht über die Lage aus dm sächsisch^ Ar beitsmarkte sür die Zeit vom 17. bis 23. Oktcder 1926 folgen den Bericht: Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen betrug am Anfang der Berichtswoche 158 099 (117 172 männliche, 37 927 weibliche) und die der Zuschlagsempfänger 125 891, so daß seit dem 1. Oktober d. 8. eine weitere Abnahme von 6304 (4230 männliche und 2074 weibliche) Hauptunlerstützungsempfänger und 20. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Am anderen Morgen hatte Werner es der Mutter gesagt, daß er sich mit Ulla verlobt. Sie saßen gemütlich am Kasseetifch, den die Frau Rat am Sonntag immer sehr festlich und reichlich herrichtete — als Entschädigung für die kurzen, knappen Frühstücks minuten, die sich der Sohn an den Wochentagen nur gön nen konnte, und jo recht von Herzen froh genoß die alte Dame das Zusammensein mit ihm in der Behaglichkeit der Conntagmorgcnstuude, die durch Werners Erössnuug jo empfindlich gestört wurde. Nicht umjonst hatte er sich davor gefürchtet; er war von vornherein auf einen heftigen Widerstand der Mutter gegen seine Wahl gefaßt gewefen — aber daß sie jo ablehnend und gar nicht zu überzeugen war, hatte er doch nicht gedacht. Und zum ersten Male wohl ging er in Unfrieden von der Mutter fort! Sie fragte nicht, wohin er wolle, gönnte ihm kein gutes Wort, was er doch schmerzlich empfand, weil er sich zu sehr mit ihr eins gefühlt und sie ihm bisher das Teuerste auf der Welt gewesen. Er hatte sich in vielem nach ihr gerichtet aber in der Wahl seiner Lebensgefährtin ließ er sich nicht von ihr beeinflussen! Das Mittagessen verlief jehr schweigsam; keiner hatte Lust, etwas zu essen, kaum daß man die Speisen berührte! Die alte Dame fragte nicht nach Ulla. Es krankte ihn doch. Kühl und knapp bemerkte ei am Schluß der Mahlzeit — „ich habe die Absicht, Mutter, dir heute nachmittag meine Braut vorzustellen — du hast ja nichts vor 'wird es dir passen ?" Wie unter einem Peitschenhieb zuckte die alte Dame bei dem Worte „Braut" zusammen, das ihr grell und miß tönend in die Ohren klang. „Du weißt, Werner, daß Elisabeth Schwarz jeden Sonn tag Lachmittag mein lieber East ist — doch steht es ganz in deinem Ermessen." Er preßte die Lippen fest aufeinander, und eine icharse Falte stand steil zwischen seinen Augenbraunen. Die Rätin setzte die Kompotteller zusammen; Werner hatte ihr köst liches Apfelmus verschmäht — die Schüssel war ganz gefüllt geblieben; auch von den kleinen Kuchen, die er fönst jo gern dazu aß, hatte er nicht einen genommen! Es tat ihr doch leid, weil sie jeden Tag ihre Freude hatte, zu sehen, wie es ihm schmeckte! mit anderen Worten, Mutter, Ulla ist dir zu dieser Zeit nicht willkommen!" sagte Werner nach kurzer, drücken der Pause, „dann wollen wir selbstverständlich nicht stören! Fräulein Schwarz bleibt ja wohl auch noch immer am Abend —" „Wenn ich sie dazu auffordere, ja! Und ich sehe nicht ein, warum ich es diesmal nicht tun soll!" entgegnete die Frau Rat, sich mit Trotz wappnend. „Ich verstehe, Mutter, ich will euch nicht lästig fallen — durchaus nicht! Dennoch möchte ich dich bitlen^auch meiner Braut die Rücksicht zu erweisen, die du jeder Fremden ent gegenbringst!" bemerkte er in bestimmtem, kalt höflichem Tone, aus dem sie wohl feinen berechtigten Groll hörte. Die alte Dame errötete: sie fühlte sich beschämt. Sie unterdrückte die aufsteigenden Tränen — „ach, Werner, es wird mir so schwer, weil ach, ich kann mich an den Gedanken nicht gewöhnen! Jst's denn nur wahr? — Wirk lich, unwiderruflich wahr?" In banger Frage sah sie ihn an. „Mutier, ich bin dreiunddreißig Jahre und habe bisher immer gewußt, was ich getan habe! Sollte ich nun in der wichtigsten Angelegenheit meines Lebens mir selbst untreu geworden jein?" „Ja, mein Sohn!" jagte sie ohne Zögern, ihn groß bei ihren Worten ansehend. Unwille malte sich deutlich auf seinem Gesicht; sie merkte, wie er an sich hielt, um nicht heftig zu werden. „Ach, mein Sohn, Liebe, oder vielmehr verblendete Leidenschaft, macht die Menschen blind — — selbst die tüchtigsten Aerzte —" fügte sie mit einem schwachen Ver- juche zu jcherzen hinzu. Ihr ganzes Wesen war eine drängende Bitte, die er wohl verstand, aber nicht erfüllen konnte. ^Murrer, es «ymerzt mich sehr, daß du meiner Braut nicht mit der mütterlichen Liebe entgegenkommst, auf die sie Anspruch hat —" „Sie hat meine Pläne durchkreuzt!" murmelte die alte Dame. „Nicht sie, Mutter! Mich trifft der Vorwurf, wenn du einen Vorwurf konstruieren willst! Ulla hat nichts von deinen Plänen gewußt! Ich begreife ja, wie dir das alles schwer wird, Muller, aber du willst doch nicht, daß unjer gutes Verhältnis getrübt wird dadurch, daß du dich gegen das elternlose Mädchen io ablehnend verhältst! Mich schmerzt es, und Ulla tust du unrecht! — Willst vu mir mein Glück trüben oder gönnst du es mir nicht?" Bittend streckte er ihr die Hand entgegen. „Alles, mein Sohn, gönne ich dir — denn mein Gedanke gilt ja nur deinem Glück — das aber sehe ich nicht in dieser Verbindung —" sie sah eine ungeduldige Bewegung — „ich will dir ja keine Vorschriften machen, aber du kannst mir wenigstens erlauben, meine Gegengründe zu äußern auch wenn es — leider — vergeblich ist! Bringe mir Fräulein Morandis, wann du willst — —" „Da ich heute nicht störend in deine Bestimmungen ein greisen möchte, werde ich mir erlauben. Ulla sür morgen abend zu bitten. Heute abend werde ich dann mit ihr ins Theater gehen. Nein, nein, Mutter, lasse es bei dieser Bestimmung —" wehrte er ihren schwachen Versuch des Widerspruches ab. Sein kühler, förmlicher Ton. in dem eine große Empfind lichkeit lag, schmerzte sie. Doch sie fühlte sich außerstande, schon heute abend Ulla bei sich zu jehcn, auch wenn es Werners Wunsch war, den Sonntag mit der Braut nicht aus fremdem Boden verbringen zu müssen. Alles in ihr sträubte sich, ihm auch noch darin entgegenzukommen —! Sie mußte sich erst an den Gedanken, daß Ulla Morandis die Erwählte des Sohnes war, gewöhnen! Und vor allem mußte sie Elisabeth schonend vorbereiten. Wie aber ihr diesen schweren Schlag beibringen? Selbst die jchonungs- vollste Art würde immer noch hart und grausam sein! Das Herz krampste sich ihr zusammen, gedachte sie des lieben Mädchens! Tief seufzte sie auf. Wie schwer würde es werden! (Fortsetzung solgt.)
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