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Ok/rier/ von //anL^s/n. L»p^rv^ t»/ f«uc^tv»i5«r, tt«u« n. 6.8. 39 „So, meine Damen, jetzt lassen Sie mich einmal reden. Vier Jahre lebe ich hier unter Ihren Augen und habe mir nicht das geringste zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil, ich war Ihre „liebe Freundin" und nicht ich habe mich in Ihren Verein gedrängt, sondern Sie sind zu mir gekommen. Daß ein tadelloser Ehrenmann wie mein Gatte mich zu seinem Weibe erwählte, mußte Ihnen die Garantie sein, daß auch meine Jugend eine makellose war und Sie beleidigen nicht nur mich, sondern auch meine edle Pflegemutter, Frau Kreisphysikus Wüllner, wenn Ne daran zweifeln. Habe ich vielleicht Ihnen irgend welche falsche Angaben über mich gemacht? Nein! Ich habe es nie für nötig gefunden, Ihnen Dinge zu erzählen, die nur meinen Mann und mich angehen, wenn auch wohl der, sagen wir einmal Wissensdrang der Frau Höfer darunter gelitten hat. Aber nun haben Sie es erfahren und ich leugne es durchaus nicht. Ja, ich war als Kind Zirkus- reiterin und mein Großvater, der mich erzog, war ein Clown und meine Mutter war weder eine adelige Dame, noch mein Vater ein hoher Beamter. Aber ich schäme mich dessen durchaus nicht und bilde mir ein, genau dasselbe zu sein wie Sie. Im Gegenteil! So wenig Sie dafür gekonnt haben, daß Sie in reichen und vornehmen Häusern I Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt Nr 228. Mittwoch, den 29. September 1926 be- das Be das das Worte zur Besinnung Leidenschaften sind schäumende Pferde, Angespannt an den rollenden Wagen: Wenn sie entmeistert sich überschlagen, Zerren sie sich durch Staub und Erde. Aber lenkest du fest die Gugel, Wird ihre Kraft dir selbst zum Wügel, And je stärker sie reißen und schlagen, Am so herrlicher rollt der Wagen. Lms Armenrecht kann zu jeder Zeit wieder entzogen werden, wenn sich ergibt, daß eine der Voraussetzungen sür die Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vor handen ist. Wird also die arme Partei im Laufe des Pro zesses wieder zahlungsfähig, oder ergibt sich die völlige Aus sichtslosigkeit des Prozesses sür die arme Partei, so kann Das Armenrecht. Von Justizinspektor Nagelsdieck in Essen. „Tu' Geld in deinen Beutel", sagt mau wohl im Volks- Munde zu dem, der vor Gericht klagen will. Wenn auch die unterliegende Partei schließlich Vie Kosten zahlen muß, so fordern doch das Gericht und der Rechtsanwalt schon während des Prozesses Vorschüsse an Gebühren und Auslagen ein. Nicht jeder ist aber zur Kostenzahlung imstande. Damit jedoch auch solche Personen - sowohl Kläger als Beklagte — ihr Recht verfechten können, bestimmt das Gesetz, daß derjenige, der ailßerstande ist, ohne Beeinträchtigung des sür ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Pro zeßes zu bestreiten, Anspruch aus Bewilligung des Armen- rechts hat, wenn die Prozeßführuug nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzung ist also, daß die Partei arm ist, daß die Prozeßsührung notwendig ist und daß der Prozeß nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Wer das Armenrecht beantragen will, muß sich zunächst bei der Polizeiverwaltung ein sog. Armutszeugnis aus stellen lassen, worin bestätigt wird, daß er zur Bestreitung dei Prozeßkosten nicht in der Lage ist. Das Zeugnis ist mit einens Gesuch um Bewilligung des Armenrcchts dem zuständigen Gericht eiuzurcichen. Das Gesuch kann auch bei dem Gericht — auch bei einem nicht zuständigen Amtsgericht — zu Pro tokoll erklärt werden. Es mutz den Sachverhalt enthalten und den Anspruch begründen, oder, falls der Beklagte den Antrag stellt, erkennen lassen, weshalb er Klageabweisuug begehrt: auch sind die Beweismittels (Zeugen und dergl.) anzugebem Das Prozetzgericht entscheidet über den Antrag, jedoch vielfach erst, nachdem es den Gegner gehört hat. Der ergehende Be schluss wird der Partei zugestelll. Gegen eine ablehnende Ent scheidung steht der Partei das Rechtsmittel der Beschwerde bei dem nächsthöheren Gericht zu. Durch die Bewilligung des Armenrcchts erlangt die Par tei die e i n st w c i l i g e Befreiung von der Entrichtung der GerichtStostcn und der Stempelsteuern, der Zeugen- undSnchvcr- ständigengebiistren, Schrcibgebührcn und sonstigen baren Aus lagen. Auch kann ihr zur vorläufigen unentgeltlichen Bewir kung von Zustellungen und Vollstreckungshandlungen ein Ge richtsvollzieher beigeordnet werden, desgl. zur vorläufigen un entgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt! falls eine solche Beiordnung geboten ist. In Prozessen vor dem Landgericht und den höheren Instanzen wird daher stets ein Anwalt beigeordnet, da dort Anwaltszwang besteht. Amts gerichtliche Prozesse können ohne den Beistand eines Anwalts geführt werden. In solchen wird daher dem Anträge auf Bei ordnung eines Rechtsanwalts nur dann stattgegeben werden, wenn der Prozetz besondere Schwierigkeiten in der Durch führung bietet oder die Partei außerhalb des Gerichtsbezirkcs rhrcn Wohnsitz hat. In dem letzten Falle kann auch ein nicht-; richterlicher Justizbcamtcr beigcordnm werden. Die Rechtsanwälte und Vertreter erstatten nötigenfalls ihre Gebühren und Auslagen aus der Siaaiskasse erstattet. Die Bewilligung des Armenrcchts an den Kläger hat sür den Beklagten den Vorteil, daß auch er einstweilen von der Zah lung der Gerichtskostcn befrei- ist. Diese einstweilige Befrei ung bedeutet aber nur eine Stundung der Prozeßkostcn, d. h., die arme Partei ist ans Beschluß des Gerichts zur Nachzah lung der von ihr geschuldeten Beträge verpflichtet, wenn sie Wieder zahlungsfähig ist. Praktisch kommt jedoch eine solche Einziehung selten vor. Gericht das Armenrecht wieder entziehen. Gegen den schlutz, durch welchen eine Nachzahlung augcordueb oder Armenrecht wieder entzogen wird, ist die Beschwerde an nächsthöhere Gericht zulässig. wwin,^ wird für jede Instanz besonders strettunn auch einschl. der Zwangsvoll, eines erneuten bedarf es bei dem Anträge vorherigen Instant dos^u nicht, wenn bereits in der Rechtsmittel vom Gegner ei^ das Instanz das Armenrecht bewilttai olnn- . d" höheren wird, ob die Prozeßsührung mülwill'g odc? aussichtSws'E Herrenlose MWonenwertr in Juwelen. Der „König der Fassadenkletterer" und seine Taten. Die Große Berliner Polizeiausstellung hat über Nachi eine neue Attraktion erhalten: es handelt sich um eine wunderschöne Sammlung von Juwelen, deren Eigen tümer gesucht werden. Der Wert der Juwelen geht in die Millionen. Abgenommen wurden sie einem Ende Oktober vorigen Jahres in München auf frischer Tat ertapptes „Gentlemaneinbrechcr", der in Frack, Zylinder und Lack schuhen einem Münchener Kommerzienrat „auf die Bude gestiegen" war. Die Taten dieses.Wohnungseinbrechers, den man mit größerem Recht als irgendeinen anderen 8er in der letzten Zeit verhafteten waghalsigen Einbrecher den „König der Fassadenkletterer" nennen kann, grenzen ans Hochroman- tische. Es ist ein 25 Jahre alter Bäckergeselle namens Fritz Wald, der aus Jeßnitz im Kreise Dessau stammt und der in zahlreichen deutschen Großstädten, namentlich aber in Berlin, Dresden und Hamburg, „gearbeitet" hat — nicht als Bäcker, sondern als grandioser Verbrecher. Kein Haus war ihm zu hoch, kein Fahrstuhlschacht zu gefährlich — überall kletterte er wie eine Katze hinauf und hinunter, um sich in die Wohnungen einznschleichen, und überall er zielte er la-Erfolge. Mit welcher Verwegenheit er das machte und mit welcher Dreistigkeit er, wenn er einmal gestellt wurde, seinen Opfern gegcnübertrat, das läßt sich kaum schildern, weil es beinahe unwahrscheinlich klingt. In Hamburg ließ er sich einmal mit der Frau eines Groß kausmanns, dessen Wohnung er einen nächtlichen Besuch abgestattet hatte, in eine beinahe gemütliche Unterhaltung über die mitznnehmenden Gegenstände ein. Er befleißigte sich dabei der größten Höflichkeit, gab der Dame das Ehrenwort, daß ihr persönlich nichts geschehen werde, und verzichtete schließlich, als die Dame ihn bat, ihren Herz kranken Mann nicht aus dem Schlafe zu wecken, auf die Fortsetzung seiner gründlichen Durchsuchung der Wohn räume. Das interessanteste, wie gesagt, ist, daß sich bisher zu den vielen geraubten Juwelen noch kein Mensch bekannt hat — ja, viele der von Wald heimgesuchten Herrschaften scheinen die Einbrüche gar nicht erst zur Anzeige gebracht zu haben, ein Beweis dafür, daß sie die Juwelen gut ent behren können. FeuerWehr einst und jetzt. 75 Jahre Berliner B e r u f s f e u e r w e h r. Das 75jährige Bestehen der Verufsfeuerwehr wurde am 28. September in der Neichshauptstadt mit größeren Feierlichkeiten begangen. Ein Festakt in der Stadthalle leitete den Gedenktag ein, bei d^m musikalische Darbietun gen die offiziellen Reden einrahmten. Nachmittags be wegte sich ein historischer Festzug durch die Straßen. Neben den früheren Geräten und Hilfsmitteln der Wehr 1851 1926 iah man auch"die alten Uniformen in ihrem Gegensatz zu «er modernen Ausrüstung, wie sie die beistehende Ab bildung veranschaulicht. j poUtisibr kunülcbsu l Deutsches Reich. Ncichsbeihilfe für die Ostgebiete. Um den dringlichsten Notständen in den östlichen Grenzgebieten Preußens möglichst schnell abzuhelfen, hat die Rcichsregierung beschlossen, dem Reichsrat und Reichs tag einen Nachtrag zum Haushalt des Reichsministeriums des Innern vorzulegen, in dem 32 Millionen Reichsmarkfür bestimmte kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben in den Ostgebieten angefordert werden. Der Verwendungsplan ist im Einvernehmen mit der preußi schen Staatsregierung ausgestellt worden. Die Mittel sotten noch in diesem Rechnungsjahr zur Verwendung kommen. Um die Große Koalition in Preußen. Zwischen dem volksparteilichcn Abg. Dr. Leidig und dem Zentrumsabgeordneten Dr. Heß hat eine Besprechung über die Lage in Preußen und die Möglichkeiten einer etwaigen Umbildung der Negierung stattgefunden. Über die Schwierigkeiten, die der Lösung im Sinne der Großen Koalition entgegenstehen, bestand einmütige Auf fassung. Bei dieser Unterredung handelte es sich nur um eine private Aussprache: irgendein Schritt von feiten der Fraktionen liegf nicht vor. Die Fraktionen treten erst am j 6. Oktober zusammen und können dann selbst Stellung j nehmen. j NotstandSarbciten in Preußen. Das preußische Staatsministcrium hat nach Mit ; Leitung des Amtlichen Preußischen Pressedienstes in eins: j Ministerbesprechung die Inangriffnahme großer Notz - standsarbeiten behandelt. Auf Grund von programmattz i sehen Darlegungen der Minister für Handel und Gewerbe - und für Landwirtschaft, Domänen und Forsten wurder - insbesondere die schwebenden Wasserstratzenfragen, die Möglichkeiten rationeller Bodenverbesierungen, Kultivie rungen und Flußregulierungen zur Verhütung von Hoch wasserschäden durchberaten. Die beteiligten Ressorts — Handelsministerium, Landwirtschaftsministerium uni i Wohlfahrtsministerium — werden in gemeinsamer Arber mit dem Finanzminister in Kürze detaillierte preußisch, Vorschläge aus den genannten Arbeitsgebieten zusammen stellen, die der Neichsregierung zur Berücksichtigung bei der Ausführung ihres Arbeitsbeschaffungsprogramms vorgelegt werden sollen. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Reichsminister Dr. Stresemann hat sich zu: Teilnahme an dem Parteitag der Deutschen Volkspariei in Köln, der eine interne Veranstaltung der Partei in Rüdesheini , vorangeht, nach dem Rheinland begeben und wird von doo nächsten Montag zurückerwartet. Berlin. Der Reichsvcrkehrsminister hat die Geltungs dauer des Nottarifs für die Reichswasser st raßer vom W. Oktober 1925 bis zum 31. Dezember 1926 einschließlich verlängert. Bertin. Die Pressestelle der hiesigen Königlichen Gesandt schaft teilt mit, daß es sich bei dem letzthin bei dem Könic von Rumänien erfolgten chirurgischen Eingriff um ein, leichte Hämorrhoiden Operation gehandelt habe Del König ist jetzt wieder vollkommen hergesteüt. l Neue» sur sller wett - Wieder ein Eisenbahnfrcvel. Aus Veutben wird berichtet: Im Gleis Borsigwerk-Bodrek wurden dieserTage ein Holzkeil, der mit einem alten Schienennagel im Stoß befestigt war, sowie mehrere Steine auf den Schienen vorgefunden. Das Hindernis konnte noch bemerkt wer den, bevor der D-Zug die Strecke passierte. Zwei Stun den später wurde kurz vor dem Bahnhof Bobrek auf einen die Strecke beobachtenden Bahnschutzbeamten ein Schuß abgegeben. Racheakt eines Soldaten. In D e m m i n in Pom mern lauerte der Reiter Marks vom 6. Reiterregiment dem Unterwachtmeister Fiehn vor seiner Wohnung auf und feuerte fünk Revolverschüsse auf ibn ab. von denen vier geboren sind, so wenig kann ich dafür, daß meine Eltern Zirkuskünstler waren. Aber der Unterschied bestand nicht darin, daß ich vielleicht, wie Sie denken, in Leichtsinn und Liederlichkeit groß geworden bin, sondern daß ich schwer gearbeitet habe, in einem Alter, in dem Sie alle in der Spielstube umhersprangen, oder glauben Sie, es ist leicht, als Kind zu reiten und Pferde zu bändigen, wenn die Hände noch fast zu klein sind, um die Zügel zu halten? Wäre ich die Tochter eines Rittergutsbesitzers und hätte das zu meinem Vergnügen getan, schiene es Ihnen viel leicht bewundernswert. Ja, ich habe schwer gearbeitet und unter Lebensgefahr mir mein Brot verdienen müssen und ich wußte es nicht anders. Aber trotzdem habe ich mir nichts vorzuwerfen und wenn meine Eltern und mein Großvater auch einfache Artisten waren, von deren wahrem Leben Sie alle keine Ahnung haben, so haben sie mich trotzdem behütet und mich daneben noch in die Schule geschickt. Dann kam das Unglück und ich lernte durch die Güte der Frau Wüllner die Freuden eines stillen, bürgerlichen Lebens zum ersten Male kennen. Damals war ich fünf zehn Jahre alt, heute bin ich zweiundzwanzig. Und ich habe in den ganzen Jahren gearbeitet und gelernt. Ich habe mir die Achtung der Menschen erworben, die mich kannten, meiner Pflegemutter, meines jetzigen Gatten, des Geheimrats Sodenberg! Und nun beliebt es dem neugieren Klatschbedürsnis der Frau Negierungsbaumeister Höfer, jawohl, so habe ich ge sagt, die mich vorher ihre liebste Freundin nannte, Dingen nachzuspüren, die sie gar nichts angehen und die mit meiner jetzigen Person nicht das geringste zu tun haben, und mit einem Male rücken Sie von mir ab wie von einer Aussätzigen? Nein, meine Damen, ich bin es heute nicht, die Ur sache hat, sich zu schämen. Ich kann stolz darauf sein, daß ich trotz meiner Jugend das geworden bin, was ich heute bin: Eine anständig Frau und Mutter, und ich will Ihnen wünschen, daß Si alle Ursache haben, so mit sich selbst zufrieden zu sein, w; ich es in der Tat bin, und damit wünsche ich Ihnen allc einen guten Abend!" Sie sah noch einmal scharf umher und verließ aufrc- wie eine Königin das Zimmer. Einen Augenblick bi alles totenstill. — „So eine impertinente Person!" Wie nach einer Dusche sich schüttelnd, richtete sich d Frau Sanitätsrätin auf. „Kla^chbase hat sie mich genannt!" Laut jammerte es die Regierungsbaumeisterin. „Da sicht man die Plebejerin. Wer von wirklich gute Herkunft ist, bekommt solche Worte nicht über die Lippen.' Die Rentiere sagte es voller Hoheit und hatte voll kommen vergessen, daß sie selbst in einem Schlächterladei groß geworden war, ehe sie den reichen und ebenso skrupe! losen Grundstücksmakler geheiratet hatte, der dann s> liebenswürdig war, zu sterben, ehe er mit dem Staats anwalt in ernsteren Konflikt kam und ihr das'große Ve mögen zu hinterlassen, das sie vor müßigen Nachfrage nach ihrer Kinderstube schützte. Aber da sprang die dicke Weingutsbesitzerin, Fra: Schulte, auf und schlug mit ihrer derben Hand auf de Tisch: „Recht hat sie und wir alle haben gemein gehandel Jawohl, das haben wir. Und sie ist 'ne brave und tüchtic Frau. Ich mache nicht mit. Ich erkläre meinen Austri aus dem Verein. Guten Abend." (Fortsetzung folgt.!