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Wilsdruffer Tageblatt MM SWiens ms dem «erduld Bedeutung der Versammlung geradezu lächerlichen Enge des Raumes können immer nur ganz wenige Kar - t e n ausgegeben werden, und um eine davon zu erhalten, muß man sich lange Zeit vorher an einen Delegierten, an ein Mitglied der Bureaus oder an einen einflußreichen Journalisten gewendet haben. Aber wer dann doch so glücklich war, eine Karte zu ergattern, der ist meist sehr enttäuscht. Er hat von einer hohen Tribüne in einen dicht mit langen Reihen schmaler Schulbänke besetzten Saal hinabgeblickt, wo allerhand würdige Leute sehr verschiedenen Aussehens einem eng lisch oder französisch sprechenden Redner oder Übersetzer zuhören. Da die Übersetzung die Verhandlungen sehr verschleppt, versteht der Fremde nur in seltenen Fällen den Zusammenhang der Vorgänge. Gesprochen darf auf den Tribünen nicht werden, so daß er sich von niemand er klären lassen kann, wer die Mitglieder der da unten ver sammelten Delegationen von etwa 50 Völkern aller Erd teile und Breitengrade sind. Darum hat man als Un eingeweihter von so einem Besuch im Genfer Weltparla- rnent meist noch weniger als von einer Sitzung des Deut schen Reichstages oder irgendeines anderen Abgeord netenhauses. Wer aber unter kundiger Führung und guter Pro tektion in den Völkerbund hineinkommtz der hält sich nicht lange im Srtzungssaale auf, sondern begibt sich zum „Plauderstündchen der Nationen". Das fin det während der Sitzungen in dem Raume statt, der hier die Wandelhalle anderer Parlamente ersetzen muß, einem ganz engen, unscheinbaren Saal, wo früher die Gäste des ! Hotels welches zusammen mit der anstoßenden Kirche das vorläufige Asyl des Völkerbundes bildet, ihren Morgen kaffee getrunken haben. Hier findet man auf wenige Quadratmeter zusammengedrängt — die „gute Stube" manches Bürgerhauses ist geräumiger als diese „Ersatz wandelhalle", wo niemand „wandeln" kann — mehr Weltberühmtheiten, als je an einer anderen Stelle der Erdkugel zusammenkommen. Dort steht z. B., die eine Hand wie gewöhnlich in der Hosentasche und das Mo nokel vor das fpitzblickende Auge geklemmt, Englands Außenmnnster Sir Austen Chamberlain im Ge- spräch nnt einem schlanken Niesen, dessen prächtigen Cha- .erkopf zeder aus den illustrierten Zeitungen kennt: es ist Frithjof Nansen, einst kühner Nordpolfahrer, heute das wachsame Gewissen der Rechte der neutralen Staaten im Völkerbund. Dort steht Briand in einer Gruppe mit dem löwenmähnigen Paul-Boncour dE französischen „Sünnes", dem Großindustriellen r- o ucheur . Briand, die unvermeidliche Zigarette in den Fmgern drehend, läßt es gutmütig-wehrlos über sich er gehen, daß ein halbes Dutzend Zeichner sich auf ihn stür zen und ihn karikieren. Daneben hat sich eine Grupp« von Herren im Straßenanzug zusammengefunden, die niemand kennt, denen man aber ansieht, daß es Deutsche sind. Wie man bald erfährt, sind es Dan ziger Senatoren und Delegierte der Parteien des Saarlandes, die gemeinsame Not hier zum Aus tausch ihrer Erfahrungen veranlaßt. Wer mag der dicke Herr sein, der durch ein paar Negerlippen und die große Zahl seiner Orden ausfällt? Das ist ein altbekannter Hindenburgs Antwort an die Deutschnaiionalcn. BcrNn Reichspräsident von Hindenburg hat auf das Hnldignngstelcgramm des Dcutschnatioualen Parteitages mit folgendem Telegramm geantwortet: „Dietramszell, 10. Scp- fE^er. ^en zum Deutschnaüonalen Parteitag im befreiten Köln versammelten Männern und Frauen danke ich für die" Ich erwidere sie herzlichst mit dem d"? Ihre Beratungen erfolgreich sein'und zum Zu- lammenschluß aller Deutschen zur wahren Volksgemeinschaft mu vettragen mögen, gez. von Hindenburg, Reichspräsident." für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfcnnig. Rechweisungsgedühr 20 Goldpfennig. Vor geschriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wllsdruff Nr. ss berücksichtigt. Anzeigen. annahmebisvorm.10Uhr ——- . — " Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrog durch Klage eiugezogen werden muß oder der Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Die nichtständigen Ralssche. Stresemann bei Chamberlain. Die Verhandlungen über die Wahl der nichtständi gen Ratsmitglieder werden hinter den Kulissen mit un vermindertem Eiser fortgesetzt. Im Vordergründe stehen zur Stunde die Kandidaturen folgender Staaten: Polen, Belgien, China, drei südamerikanische Staaten-- Uruguay, Kolumbien, San Salvator —, Rumänien, Holland und Portugal, über die Kandidaturen kann natür lich eine Entscheidung vor Annahme des Reformprojektes des Rates nicht fallen. Daher ist es möglich, daß noch verschiedene Abänderungen erfolgen. So wird von eng lischer Seite der Standpunkt vertreten, daß es im Inter esse der Kontinuität der Arbeiten des Völkerbundrates wünschenswert sei, drei der alten nichtständigen Rats mitglieder noch ein weiteres Jahr Mitglieder des neuen Völkerbundrares sein zu lassen. Für eine derartige Über gangszeit käme die Tschechoslowakei, Schweden und als südamerikanischer Staat Uruguay in Frage. In pol nischen Delegationskreisen besteht der.Wunsch, Polen vor läufig nur auf ein Jahr zum nichtständigen Ratsmitglied wählen zu lassen und gleichzeitig auf die Wiederwählbar keitserklärung zu dringen, io daß Polen damit für vier Jahre in den Rat einziehen würde und die Aussicht hätte, noch weitere dre- Jahre, also im ganzen sieben Jahre, im Rat zu verbleiben Reichsminister des Äußern Dr. Stresemann stattete Sonnabend abend dem englischen Hauptdelegierten Sir Austen Chamberlain einen Besuch ab. Spanien kündigt in Genf. Madrid im Schmollwinkel. Der spanische Konsul in Gens erschien auf dem Gene ralsekretariat des Völkerbundes, um eine Note seiner Re gierung zu überreichen, in der Spanien seine Mitglied schaft im Völkerbund kündigt. Nach den Satzungen des Völkerbundes bleibt Spanien noch zwei Jahre lang Mit glied des Bundes, wird aber selbstverständlich während dieser Zeit nicht an den Arbeiten des Bundes teilnehmcn, falls nicht vorher eine neue Annäherung an den Bund erfolgt. Mit diesem Schritt hat Spanien die Konsequenzen seiner Haltung gezogen, die es in der letzten Zeit dem Völkerbund gegenüber an den Tag gelegt hat. Es zieht sich in den Schmollwinkel zurück, da ihm sein Wunsch, einen ständigen Sitz im Völkerbundrat, in dem vornehm lich die Großmächte vertreten sind, zu erhalten, nicht er füllt worden ist! Allerdings war für Spanien die Zu teilung eines nichtständigen Ratssitzes in Aussicht genom men, auf den Spanien freilich aus Prestigegründen verzichtete. In Völkerbundkreisen hat der Schritts Spaniens großes Bedauern hervorgerufen, zumal man noch immer hoffte, daß die Regierung von Madrid ihre Austrittsdrohungen nicht wahr machen und sich wie andere Völkerbundmitglieder den Beschlüssen des Völkerbund rates fügen würde. Telegrammwechsel zwischen Marx und Slresemann Reichsaußenminister Dr. Stresemann hat namens der deutschen Delegation in Genf an den Reichskanzler folgendes Telegramm gerichtet: „An dem Tage, an dem der Eintritt in den Völkerbund vollzogen ist, gedenken wir in aufrichtiger Dankbarkeit Ihrer führenden Mit wirkung in der Politik, die zu diesem Ziele führte, und übermitteln Ihnen in diesem Sinne die herzlichsten Grüße. Namens der deutschen Delegation gez. Stresemann." t Reichskanzler Dr. Marx sprach in dem Antworttele gramm „dem erfolgreichen Führer der gegenwärtigen deutschen Außenpolitik" seine Glückwünsche aus. In dem Telegramm heißt es sodann weiter: „An diesem Wende punkt der Geschicke der Völker flehen wir zu dem gött lichen Lenker aller Dinge, daß er die vom deutscher! Volke in seiner überwältigend.en Mehrheit an den Ein- tritt in den Völkerbund geknüpften Hoffnungen und Wünsche zum Segen unseres Vaterlandes baldigst in Er füllung gehen lassen möchte." Auch an den früheren Reichskanzler Dr. Luther sandte Reichskanzler Dr. Marz ein Telegramm, in dem er „der verdienstvollen Arbeit seines Amtsvorgängers" gedachte, die „die Grundlage zu dem für Deutschland so bedeutsamen politischen Ereignis geschaffen hat". Nr 214. — 85. Jahrgang relegr.-Wr.: „Amtsblatt 3m -lauderwinkel der Mionen. (Von unserem besonderen Mitarbeiter.) Gens, im September. Satzungsgemäß sollen sich die Völkerbundversamm lungen in voller Öffentlichkeit vollziehen. Aber in Wirk- Uchkeit läßt sich das aus Raumgründen nicht durchführen. Roiz??" vielen Fremden, die zur Zeit der Bundes- und ""ch Genf kommen, ziehen die meisten wehr ms "Asi? sich dem Verhandlungsgebäude auf nähert Bereich der polizeilichen Absperrung ge- baben- Denn bei der im Verhältnis zu der Wilsdruff-Dresde« Postscheck Dresden LS40 Montag, 13. September 1S2S Höflichkeit bei Behörden. Der Gegensatz zwischen dem einzelnen Staatsbürgei und der Behörde ist so uralt wie die Menschheit. Trotz dem der Staat schließlich weiter nichts ist als die Ge meinschaft aller Staatsbürger, so hat sich doch schließlich der Staat als ein besonderes Wesen herausgebildet, das kraft der Universalität seiner Zusammensetzung zum Besten der Allgemeinheit Eingriffe in die freie Selbstbe stimmung des einzelnen vornehmen muß, die dieser meist übel empfindet. Daher erscheint vielfach zwischen diesen beiden Faktoren eine gewisse Spannung, die noch dadurch vermehrt wird, wenn der Ausüber der Staatshoheit, der Beamte, dem einzelnen Bürger gegenüber eine überhebz liche Haltung einnimmt. Man spricht deshalb auch von einem Obrigkeitsstaal im Gegensätze zu dem Staat, in dem auch der Beamte sich als Bürger fühlen und demnach seinen Mitmenschen, dem er als Beamter gegenübertreten muß, nicht als Untergebenen behandeln soll. Leider ist dieser bisher fast überall nur ein Ideal geblieben. Auch aus den so sehr gepriesenen alten bürgerlichen Staaten kommen dieselben Beschwerden über den Vefehlshaber- ton der Beankten wie bei uns. Die Berliner Polizeibeamtcn sind jetzt durch ernen Erlaß erneut an die Beobachtung angemessener Höflich keitsformen, besonders im schriftlichen Verkehr mit dem Publikum, erinnert worden. Da diese Vorschriften schon immer bestanden, so müssen doch wohl viele Beschwerden aus dem Publikum vorgelegen haben, die eine solche Wiederauffrischung nötig machten. Worin diese Beschwer den bestanden, kann man aus dem Erlaß erfahren, del unter anderem darauf aufmerksam macht, daß wohlge- meinte Vorschläge aus dem Publikum über Verbesserung der polizeilichen Einrichtungen und Maßnahmen nicht mil Überlegenheit abzuweisen sind, selbst wenn solche Vor schläge als überflüssig oder zwecklos erscheinen sollten. Weiter wird empfohlen, abgelehnte Beschwerden immei mit einem Ausdruck des Bedauerns zu versehen. Was hier für die Polizei gilt, ist vielfach auch füi andere Behörden zutreffend. Deshalb würde es nichts schaden, wenn derartige Ermahnungen auch von andere»! Stellen ausgingen. >znr allgemeinen oursn es ück ia bei den Beschwerden nur um Ausnahmen Ham dcln Aber diese werden um so unangenehmer empfun den. Es wäre allerdings verfehlt, wenn^nun eine über triebene Höflichkeit einreißen sollte, da auch dies« manchmal unbequem ist. Was aber verlangt werden kann, ist, daß man sich wenigstens im schriftlichen Verkehr einer Ausdrucksform bedient, die zwar knapp und kurz ist, aber doch immer die gebotene Höflichkeit erkennen läßt. Vor bildlich können in dieser Beziehung unsere kaufmännische« Unternehmungen sein, bei denen man stets eine sachliche, bestimmte Form wählt. Viele verstehen unter Höflichkeit die Anwendung von allerlei schönen Redensarten unr Floskeln. Das mag für den gesellschaftlichen Verkehl Passen, aber nicht dort, wo es auf Etappe Mitteilung an- man dein Empfänger nicht unnütze Zeitein- HoslickNett^" ist nämlich auch ein Gebot der Es ist nicht anzrinehmen, daß solche Erlasse wie der angeführte, nun alle Beschwerden verstV.m^ Si geben aber immerhin doch den davon in erster Linie Be- troffenen die Möglichkeit zum Nachdenken darüber, welche Stellung sie im Staate einnehmen. Sie müssen dann ein sehen, daß der Standpunkt irrig ist, wonach das Publi kum nur ihretwegen da ist, sondern daß es umgekehrt der Fall ist und sie ihr Amt nur zu dem Zwecke ausüben, um die Staatsmaschine in Gang zu halten. Das bedeutet^ daß die Sicherheit von Gut und Leben des einzelnen Staatsbürgers nicht gefährdet wird und er ruhig seinen kann. Ist erst diese Einsicht einmal wenn auch ^nicht''"aan; dann werden die Beschwerden, "Lnwch m 'N, wenn er einmal energisch gegen Ubeltöi-^ muß, immer auf die tatkräftige Unterstützung des^Publü kums rechnen können an der es bei der Verkennung der gegenseitigen Standpunkte häufig »och sehn. ° * Das ganze Höflichkeitsprinzip kommt daher letzten Endes darauf hinaus, daß sich überall im Volke der Staatsgedanke durchrmgt, der verlangt, daß der einzelne im gegebenen Falle seine eigene Person dem Aanzen unterordnet. Das gilt für den Burger wie für °en Beamten. Ist das erreicht, dann ist das erstrebens, werte Verhältnis da, wo alle Teile an dem großen Ziele ses Wohles des Vaterlandes arbeiten. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschost, L Hk* kN»- des atu* Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in Da» .Wilsdruffer Tageblatt- erscheint «»glich nachm. 5 llhr Mr bei Postbestelluna »qqSst-stkll- und d-u Auss°deft-ll-n 2 Md. im Mona., zuft-u-us g-bühr. Tinz-lnummnn ? zuzüglich Abtr-g. für Wilsdruff «- UMgegeNd P°ftb°!knundun!n-riur- UPfg. Alle Postanstalten nehmen zu jeder Zeit Be- ttSger und Geschäftsstellen Gewalt. Krieg oder sonstiger Betrieb^törungen besteht kein Anspruch auf Lieferung «acks-ndu», -ino-sandtn Schriftstück- -q°Igt nur, w-n» Porlo b-ilie,t. Da, Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharaudt, Finanzamts Nossen. Amnestieabkommen im besetzten Gebiet. Vereinbarungen mit der Rheinlandskommission. Von dem Reichskommissar für die besetzten rheinischen Ge biete, Freiherrn Langwerth von Siinmern, und der Rhein landkommission ist tn Koblenz ein Abkommen über Besrie- dungsmatznahmen im besetzten rheinischen Gebiet unter zeichnet worden. Die deutsche Regierung sagt zu, daß sie die Anwendung von Vergeltungsmaßregcln gegen solche Personen, die im Dienst dxr Besatzungen gestanden oder Beziehungen zu ihnen nnterhalten haben, mit allen Mitteln verhindern werde. Da bei sind ausgenommen Handlungen, die den Tatbestand des Hochverrates, des Landesverrates oder der Spionage erfüllen. Maßnahmen mit rückwirkender Kraft, wie zum Beispiel die Einforderung von Zahlungen für die Vergangenheit, sollen unterbleiben; jedoch werden vereinnahmte Forderungen nicht erstattet. Die in der Rheinlandkommission vertretenen Regierun gen ihrerseits werden binnen zwei Wochen nach dem Inkraft treten der Abmachungen den deutschen Behörden die deut schen Reichsangehörigen übergeben, die in den Gefängnissen des besetzten Gebietes in Haft sind und von den Militärge richten wegen Taten verfolgt oder verurteilt werden, die sie im Ruhrgebiet, in den Brückenköpfen Duisburg, Ruhrort und Düsseldorf oder in der Kölner Zone begangen haben. Aus genommen sind nur solche Personen, die ein Verbrechen gegen das menschliche Leben mit Todescrfolg begangen haben. Die in der Rhetnlandkommission vertretenen Regierungen ge währen ferner vollständige Straffreiheit für alle Straftateni die in dem besetzte»» Gebiet seit den» Beginn der Besetzung- bis zum 1. Februar 1926 begangen sind, mit Ausnahme der Straftaten des allgemeinen Rechls oder der Spionage. —