Volltext Seite (XML)
Das alte Blatt Ich hab' eine alte Muhme, Die ein Mes Büchlein hat. Es liegt in Kem Men Buche Ein altes dürres Blatt. So dürr sind wohl auch die Hände Die einst im Lenz ihr's gepflückt — Was mag wohl die Alte haben? Sie weint, so oft ste's erblickt! „ . Anastasius Grün (f am 12. September vor 50 Jahren). CröAnung ösr Kölner Meffe. Rede des N e i w s j u st i z m i n i st e r s D r. Bell. Bei der Eröffnungsfeier der Kölner Messe begrüßte Oberbürgermeister Dr. A d e n a u e r die Anwesenden und führte u. a. aus: Die Kölner Messe sei bedeutend kleiner, dafür aber auch besser und qualitätsfähiger geworden. Trotzdem bleibt gerade der Kölner Messe die schöne Auf gabe, den intensiven Warenaustausch mit den westlichen Industrieländern zu fördern. Generaldirektor Esch vom Kölner Messeamt skizzierte kurz die Einzelheiten dieser Aufgabe. Geheimrat Dr. Silverberg als Vertreter l der Industrie hielt eine längere Rede, in der er zunächst l betonte, die Industrie habe nach dem Kriege alles getan, l um wieder auf die Höhe zu kommen. Sie sei im Kriege ! technisch in jeder Art und Weise nicht mit dem Auslande mitgekommen, so daß es nötig war, im Ausland neue Bei-' ! spiele zu suchen. Eine nationale Aufgabe lei es, die über-, flüssigen Arbeitskräfte unterzubringen. Trotz aller Be- mühungen der Industrie bleibe immer wieder der Absatz ; eine der Hauptgrundlagen der Produktion. Der Redner ° dankte im Namen der Industrie für die Arbeit, welche die ? westliche Industrie vom Standpunkt der Messe aus ge- i leistet habe. Zum Schluß sprach noch der Vorsitzende des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Geheimrat ! Dr. Duisberg. Während des Prcssebankctts erschien Reichsjustiz- i Minister Dr. Bell im Saal und ergriff das Wort zu einer j Rede, in der er in temperamentvollen und oft von Beifall ; unterbrochenen Worten sich vor allem mit der außenpolitischen Lage beschäftigte- Alle, die heute für die Verständigung und lleaeuseitlge Befriedung eintreten, kämen mehr und mehr zu der Überzeugung, -aß ein Wiederaufbau Europas ohne die tätige Mitwirkung des Herzens Europas, Deutsch lands, nicht möglich sei. Aber eines dürfe dabei nicht aus reu Augen gelassen werden: der Geist von Genf sei un vereinbar mit dem Geist von Versailles. Um unserer schönen Augen willen tue weder einer unserer früheren Gegner noch auch kaum ein Neutraler etwas für uns, aber sie beide seien zu der Überzeugung gekommen, daß ein gesundes Wirtschaftsleben und eine Wiederherstellung der zertrümmerten Finanzen Europas ohne die tätige Mit wirkung Deutschlands unmöglich sei, und über das Wirt schaftliche hinaus zeigten sich auch schon wieder alte kultu relle und ideale Zusammenhänge. SiadtejubLlaen. Borken und Natingen. In Vielen Sonderzügen trafen Tausende von Teil nehmern in der altehrwürdigen Stadt Borken i. W. ein, um das Fest der 700-Jahr-Feier zu begehen. Die Feier Wurde eingeleitet mit einem Fackelzug durch die festlich geschmückten Straßen Borkens, die in den Abendstunden illuminiert waren. Nach dem Festgottesdienst in allen Kirchen Borkens erfolgte die Einweihung des Krieger denkmals im Stadtgarten. Hierbei gedachte Generalleut nant Freiherr von Ledebur der Gefallenen des Welt krieges. Am Nachmittag zeigte ein historischer Festzug zahlreiche Geschehnisse aus der Geschichte Borkens. —„Die Stadt Natingen beging das Jubiläum ihres „siMrtgen Bestehens. Auf dem Marktplatz fand die offizielle ^estfeier statt . Bürgermeister Scheiff begrüßte die erschienenen Vertreter der verschiedenen Behörden, von Industrie, Handel und Gewerbe usw. Sodann gav er einen überblick über die geschichtliche Entwicklung der Stadt Ratingen. Dann fand ein großer Festzug statt, in dem die geschichtlichen Ereignisse Ratingens in schönen Gruppen dargestellt wurden. l poMiAr KunäHsu - Deutsches Reick. Hindenburg Ehrenbürger von Dietramszell und Schönegg. Die vereinigten "Gemeinden Dietramszell und Schönegg ernannten den Reichspräsidenten von Hinden burg in feierlicher Weise zum Ehrenbürger. Die Bürger meister sowie Mitglieder des Gemeinderates überbrachten dem Reichspräsidenten dis Ehrenbürgerrechtsurkunde, zu gleich mit einem Gemälde des Schlosses Dietramszell. Der Reichspräsident erklärte in herzlicher Weiss, wie sehr ihm der Aufenthalt in Dietramszell gefallen habe. Er habe den Wunsch, im nächsten Jahre wiederkommen zu können. Um die Große Koalition im Reich. Auf der Dresdener Tagung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie hatte der rheinische Großindustrielle Dr. Silverberg an die Sozialdemokratie die Aufforderung gerichtet, sich an den Regierungsgeschäften wieder akti» zu beteiligen. Während bisher die sozialdemokratisches Parteileitung eine klare Antwort auf diese Aufforderung' nicht gegeben hat, hat jetzt der Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes, Leipart, erklärt, daß die verantwortlichen Führer der Gewerkschaften in ihrer über großen Mehrheit für die praktische Mitarbeit in der Re gierung sind. Allerdings mutz, so erklärte Leipart, dis Entscheidung über die Große Koalition der Sozialdemo kratischen Partei überlassen beiden. Die Lasten des besetzten Gebiets. In einer Besprechung der Stadtverwaltung Koblenz mit dem Reichsminister für die besetzten Gebiete, Dr. Bell, wies Oberbürgermeister Dr. Russell darauf hin, daß Koblenz als diejenige Stadt bezeichnet werden müsse, die besonders stark unter den Besatzung s- lasten zu leiden habe. In Koblenz habe feit den Be sprechungen in Locarno die Zahl der Besatznngstruppen nicht abgenommen, sondern sei immer noch wesentlich ge steigert worden. Koblenz habe im Frieden Une Garni son von 5000 Mann gehabt und müsse jetzt 1O OOO Mann Besatzung beherbergen. Trier zählte im Frieden eine Garnisonstärke von 7500 Mann und habe heute 8300 Mann Besatzung. Die Garnison Mainz betrug im Frie den 10 000 Mann, während heute 16 000 Mann Be satzungssoldaten Mainz besetzt hielten. Aus diesen Zif fern ergebe sich, daß die prozentuale Belastung in Koblenz am stärksten sei, dazu komme noch, daß die Wohnungsan forderungen durch die interalliierten Ausschüsse vermehrt würden. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Reichsfinanzmininer Dr. Reinhold tritt im Anschluß an seinen Ausenthall in Darmstadl eine Urlaubs reise nach Spanien an. Die Arbeiten der Reichsverwal-- tungsreform werden durch die Reise des Ministers keine Ver zögerung erfahren. Karlsruhe. Der Vcrtretertag des Hilfsbundes für die Elsaß-Loth ringer im Reich nahm zur Entschädigungs- srage eine Entschlietzung an, in der die Reichsregierung aus gefordert wird, mit den Interessenvertretungen nunmehr in Enischädigungsverhandlungen einzutreten und die Pflicht des Deutschen Reiches den Geschädigten gegenüber zu erfüllen. München. Reichspräsident von Hindenburg empfing auf dem Holzkirchener Bahnhof in München in seinem Salonwagen eine Abordnung der 1901—1903 von ihm geführten 28. Brigade. Bei der Ein- und Abfahrt des Zuges wurde der Reichspräsident durch lebhafte Hochrufe geehrt. Paris. Wie „Chicago Tribune" aus Bukarest meldet, ist zwischen König Ferdinand und dem ehemaligen ru mänischen Kronprinzen Karol eine völlige Aus söhnung erfolgt. Dieser sei ausgesordert worden, nach Ru mänien zurückzukehren, und werde Anfang nächsten Monats in Bukarest erwartet. Quebec. Der Führer der Deutschen Demokratischen Partei, Koch, ist zu einer privaten Studienreise hier eingetrosfen. Ei will prüfen, welche Möglichkeiten sich in Kanada sür deutsche Auswanderer bieten. Das Verbrechen auf dem Laude. Die Tätigkeit der Kriminalpolizei. Wohl dem Städtchen, wohl dem Dorf, das nie die grauenvollen Verbrechen kennenlernt, wie sie im steinernen Meer der Großstadt täglich verübt werden. Leider sind auch die an Einwohnerzahl geringeren Orte nicht vor den Unholden bewahrt, die brutal Menschen berauben und niederschlagen, ihre Häuser anzündcn und Entsetzen um sich verbreiten. Ein Blick in die Zeitung genügt, um zu zeigen, daß sich ein großer Teil der Verbrechen auf dem Lande abspielt. - - Auf dem platten Lande, in der Umgebung Berlins, trieb der Unhold Böttcher sein furchtbares Wesen, überfiel einsam des Weges daherkommende Frauen, be raubte sie und schlug sie tot. Noch schreibt dieser Massen mörder in seiner Zelle seine grauenvollen Taten nieder. Und während er schreibt, begehen seine Spießgesellen weiter Verbrechen. Wir leben in einem verrohten Zeit alter. Auch in den kleinsten Dörfern und Städten begehen fragwürdige Gestalten ihre Missetaten. Wenn es auch nicht immer Mord und Totschlag ist, Raub, Einbruch/ Diebstahl stehen aus dem Lande ebenso auf der Tages-- ordnung wie in der Großstadt. Jetzt, wo der Landwirt die Früchte der Felder; größtenteils abgeerntet hat, wird oft genug in Scheunen, und Speicher eingebrochen. Oft lassen die Herren Ein brecher auch Hühner, Gänse, Schass oder Ziegen mitgehen, schlachten sogar des Landmanns beste Milchkuh ab. Der Lebensmittelraub spiel! in den Dörfern die größte Rolle. Zum Leidwesen der Landwirte bleiben viele solcher Fälle unaufgeklärt. Wohl verfolgt der Polizeihund die Spur der Täter bis zum Bahnhof, doch damit ist es gewöhnlich auch aus. Die weiteren Nachforschungen werden zu schwierig und führen am Ende doch zu keiner Entdeckung der Täter. Schon allein diese Tatsache dürfte genügen, zu be weisen, daß die Kriminalpolizei für das Land unent behrlich ist. Viele Verbrechen solcher Art bedürfen noch der Aufklärung. Die Unentbehrlichkeit der Kriminalpolizei wird erst dann erkannt, wenn das Unheil geschehen ist. Dann geht man zur Polizei und jammert. Der sonst so unbe liebte Kriminalbeamte wird auf einmal geschätzt und geehrt. Diese und jene machen „heimlich" bemerkens werte Mitteilungen mit der Bitte, ihre Namen nicht zu nennen, da sie nichts mit dem Gericht zu tun haben wollen. Solche Angaben beweisen zwar den Drang, das Ver brechen gesühnt zu sehen, sind jedoch von der Kriminal polizei mit großer Vorsicht aufznnehmen; denn das sensationsarme Platte Land ist in solchen Fällen außer sich, Gerüchte schwirren umher, die vom Angeber als voll- ' endete Tatsache hingestellt werden und nicht nur Unklar- ! heit in die Afsäre bringen, sondern oft vom rechten Wege z ablenken. Es ist nicht schwer, daß sich ein Zeuge durch falsche Anschuldigungen in ein Meineidsverfahren ver wickelt. Darum ist die Bewertung der gemachten An gaben für den Kriminalbeamten äußerst schwer, da die Aussagen nicht selten in krassem Widerspruch zueinander stehen. Es ist dringend notwendig, in den Angaben dem Kriminalbeamten gegenüber vor allem „w a h r" zu sein. Es ist seit alters her üblich, kleine Ereignisse in den glühendsten Farben auszumalen, wobei die Phantasie eins große Rolle spielt. Aus einer Mücke macht man gern einen Elefanten. Jedenfalls wird die Aufklärung von Verbrechen da durch erschwert und bringt unter Umständen den Zeugen selbst hinter die schwedischen Gardinen. Die Kriminal polizei kann nur durch der Wahrheit entsprechende An gaben unterstützt werden. Wenn sich jeder diese Regel zu Herzen nimmt, wird die Bekämpfung und Verhinderung Von Verbrechen leichter. P. M. l Neu»» aus sller Well j Familiendrama in Berlin. Im Osten Berlins wurde der 33jährige Bankbeamte Helmut Voigt von seiner Gat tin erschossen. Nach der Tat war die Frau aus dem Hause gelaufen und hatte sich vom Dachboden eines Hauses, in dem Bekannte von ihr wohnen, auf den Hof hinabgestürzt, wo sie tot liegenblieb. Das Ehepaar, das zwei Kindei hinterläßt, lebte in einem heftigen und andauernden Zer würfnis, das das Motiv des Mordes und Selbstmordes war. von vs/r //KULter/r rwle «. li. 5. 15 Er horte Envern ging ruhig weiter, aber es schien, als ist er ganz nüchtern geworden In dieser Nacht schlief Rita nicht. Sie war am anderen Morgen vollständig krank, ^mmer wieder hatte sie nach der Antwort gerungen auf die Frage: was war ihre Pflicht? Durste sie sich dem Rufe des Großvaters weigern? Und was würde er selbst tun? Mußte sie sich selbst und ihr Glück ihm opfern? Rechtsanwalt Wild hagen hatte ihr sagen lassen, daß Wellhorn am nächsten Morgen antworten wolle. . Und wie lange dauerte es, bi- der Morgen kam. Auch dann schlichen die Minuten Sre fühlte, daß sie sich zusammennehmen müsse, s-ec urfte doch nicht der guten Tante auch diesen Tag noch verderben, aber wie sollte sie ruhig sein, mit der Ungewißheit und Angst im Herzen?! Von dem Unterricht war sie dis pensiert, da sie sich ja für den Gr ßvater freigemachl hatte. Aber Stunde um Stunde verstrich, ohne daß sie etwas erfuhr, und ihre Unruhe stieg. Nun war es ja bald Mittag, und da sollte sie mit ihm fahren! Endlich kam ein Bote mit einigen Zeilen des Anwalts: „Sehr geehrtes Fräulein! Die für heute morgen verheißene Antwort des Herrn Wellhorn ist ausgeblieben. Wie ich dann später in das Hotel sandte, erfuhr ich, daß Herr Wellhorn gestern mit dem Nachtzuge, ohne eine Adresse zu hinterlassen, abgereist ist. Ich kann demnach vorläufig in der Angelegenheit nichts weiter tun." Wieder war Rita in lähmender Ungewißheit. Kam er wieder? Vielleicht, nachdem er sich bei dem Ober- vormundschaftsgericht Rat geholt, oder war er im Zorn sür inimer gegangen? Vor beidem bangte sie, aber Frau Wüllner sagte: Nun ist es also doch gut geworden, und er wird schon einsehen daß es das Richtige ist. Mach' wieder ein frohes Gesicht. Die Hauptsache ist, jetzt behalte ich dich bei mir." . Rita besuchte wieder ihren Kursus und äußerlich war alles wie immer, aber in ihrem Herzen blieb die Unruhe. Sie ertappte sich darüber, daß sie sogar bei ihrem Unter richt unaufmerksam war. Es schien ihr oft, als habe alles gar keinen Zweck, denn jeden Augenblick konnte ja der Großvater kommen und sie holen. Aber täglich rückte der Bbfahrtstermin des Dampfers näher, mit dem, wie Wellhorn gesagt, der Zirkus reisen sollte. Frau Wüllner schüttelte den Kopf. „Du wirst alle Tage blasser, Kind. Nimm dich zu sammen und komm' endlich zur Ruhe." Aber sie konnte nichts gegen ihre streitenden Gefühle. Eines Tages brachte ihr der Postbote einen Brief. Das war die Entscheidung. Mit wankenden Knien eilte sie heim und schlich in ihre Kammer. Sie hatte sofort die sorgsame, fast an eine Kinderhand erinnernde Schrift erkannt. „Mein liebes Kind! Wenn Du diesen Brief erhältst, hat mein Schiff Ham burg schon verlassen. Ich will Dich nicht zwingen, mit mir zu kommen. Ich kann Dich zwar nicht ganz ver stehen, aber jetzt doch etwas mehr. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß Du es nicht bereuen mögest, daß Du die glänzende Zukunft, die ich Dir schaffen wollte, aus geschlagen hast. Ich bin nicht mehr zu Dir gekommen, weil ich mist wegen meiner Worte Deine- Pflegemutter gegenüber schäme. Denke nicht, daß ich Dir blfe bin. Ich denke Deiner in Liebe und hoffe das gleiche von Dir. Ob wir uns noch einmal Wiedersehen, weiß ich ni ht, denn ich bin ein alter Mann. Sei dankbar zu Frau Wüllner, ich weiß, sie hat Dich sehr lieb. Ich werde Dir schreiben, wenn ich eine Adresse weiß, wo mich Briefe treffen. Lebe wohl und der Himmel segne Dich. Dein Großvater." Wieder weinte sie, aber es waren Tränen der Weh mut und der Erlösung. Dann ging sie zu Frau Wüllner und brachte dieser den Brief. 3. Kapitel. Zwei Jahre waren vergangen, und wieder rüstete sich das kleine Haus an der Weender Chaussee, einen Gast zu empfangen. Aber diesmal hatte Rita, die nun schon seit langer Zeit als assistierende Krankenpflegerin in der Privatsprechstunde des Geheimrats Sodenberg tätig war, die Türe des Häuschens mit einer frischen Girlande ge schmückt, und oben in dem kleinen Giebelstübchen, das der Student Ekkehard immer bewohnt hatte, wenn er zu den Ferien nach Hause kam, standen blühende Rosen, um den neugebackenen jungen Herrn Doktor Ekkehard Wüllner bei seiner Ankunft willkommen zu heißen. Rita stand eben vor seinem Schreibtisch und legte die letzte Hand an die festliche Ausschmückung. (Fortsetzung folgt.)