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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr. 210. Mittwoch, ven 8. September 1926 Zusammen kämpsen. Zusammen kämpfen muffen mir Binder im Deutschen Lande, Was Dir gilt, gilt genau so mir, Uns einen des Blutes Bande. Wir müssen uns scharen, Germania, Wacht noch am deutschen Rheine, Geht in die Kirchen und betet da, Daß endlich die Not uns eine. Frieda Nmr. Großherzog Friedrich von Baden. Zur 100. Wiederkehr des Geburtstages. Unter den früheren deutschen Fürsten, die sich wäh rend ihrer Regierungszeit besonderer Sympathien er freuten und auch von ihren politischen Gegnern geachtet wurden, ist der 1907 auf der Insel Mainau im Bodensee verstorbene Großherzog Friedrich von Baden, der vor hundert Jahren, am 9. September 1826, geboren wurde, an erster Stelle zu nennen. Friedrich war ursprünglich nicht für den Thron be stimmt gewesen, da er einen älteren Bruder hatte. Dieser, Prinz Ludwig, verfiel jedoch in eine Gemütskrankhcit I und wurde regierungsunfähig, so daß nach dem Tode i des Vaters der beiden Prinzen, des Großherzogs Leo- ' pold, Friedrich zuerst die Regentschaft und ein paar Jahre später die Regierung in Baden übernahm. Seine Ver mählung mit der einzigen Tochter des damaligen Prin zen Wilhelm von Preußen, des späteren Kaisers Wil helm I., knüpfte zwischen ihm und dem Hohenzollernhause auch politisch enge Bande. Er nahm zwar 1866 an Österreichs Seite am Kampfe gegen Preußen teil, tat dies aber nur unter einem Zwange und betrat sofort nach s dem Friedensschlutz die Bahn einer entschieden auf die ; Einheit Deutschlands gerichteten Politik. Während des Krieges 1870/71 ha*e Friedrich von Baden wesentlichen Anteil an der Errichtung des neuen Deutschen Reiches, und er war es, der am 18. Januar 1871 im Schlosse zu Versailles das erste Kaiserhoch ausbrachte. Als er im Jahre 1902 sein fünfzigjähriges Ncgierungsjubiläum leierte, konnte er sich der aufrichtigen Teilnahme fast des gesamten deutschen Volkes erfreuen. Die einzige Tochter ' »es Großh^Ws ist die wegen ihres schweren körperlichen in den letzten Monaten vielgenannte Königin Llt?or-a Schweden. f" poiWche klmawsu i Der Reichspräsident an die deutschen Juristen. Aus Anlaß der bevorstehenden 34. Versammlung des Deutschen Juristentages in Köln hat die Deutsche Juristen- jeltung eine Festgabe herausgegcben, an deren Spitze sich 'vlgendes Telegramm des Reichspräsidenten oon Hindenburg an den Deutschen Juristentag befindet. DieGerechtigkeitistdieSeeledesStaatesk -^bne Kerecktigkeit kein Staatsleben, ohne Gerechtigkeit >7in Brieden im Volke und unter den Völkern! Daß die ! N^-it der am Rheine tagenden Juristen durch Fortent- Micklung des Rechtes der Gerechtigkeit dienen möge, ist der Wunsch, mit dem ich Sie begrüße! von Hindenburg." Die Festgabe, die mit einem trefflichen Bild des Präsidenten des Deutschen Juristentages, Pro- ssor Wilhelm Kahl, M. d. R., geziert ist, enthält auch me herzliche Begrüßung durch den Reichsminister der Justiz Dr. Bell. Die Auseinandersetzung mit den Hohenzollern. Der Preußische Landtag wird sich, wie gemeldet wlrd, ^>us Grund der neuen Vorschläge des Hohenzollernhauses -Nd des inzwischen angebahnten schriftlichen Meinungs austausches voraussichtlich noch vor der allgemeinen ge setzlichen Regelung mit der Abfindung der Hohcn- Ullern beichastlgen. Man hält beiderseits eine endgültige Vereinbarung, me sich auf die von beiden Seiten zugestan- dcnen Konzepioncu stützt, für vorteilhafter, als wenn es Nötig wäre, rn verfolg eines Neichsgesetzes, ohne Rücksicht aus die Sonderbesprechungen, die ganze Frage erneut zu behandeln. Man hofft für die jetzt vorliegenden Vor schläge eine Mehrheit im Landtag zu finden, die gewillt sein würde, für die schnelle Durchführung der Abfindungs- regelung einzutreten. Alldeutsche Tagung in Bayreuth. Der Vorstand und der Verbandstag des Alldeutschen Verbandes haben in diesen Tagen in Bayreuth Sitzun gen abgehalten. Der Verbandsvorsitzendc, Justizrat Claß, sprach in seinem Bericht zur politischen Lage über die Parole „Schaffung einer großen Rechten", die in höchstem Maße bedenklich sei, solange Dr. Stresemann an der Spitze der Deutschen Volkspartei stehe. Die Redner beider Tagungen wandten sich scharf gegen die Erfül lungspolitik, insbesondere gegen den Eintritt in den Völkerbund, gegen die Verfolgung nationaler Verbände und Führer durch die marxistischen Machthaber sowie gegen die wachsende kommunistische Gefahr. Der Ver bandstag nahm eine in diesem Sinne gehaltene Ent schließung an. Aus In- und Ausland. Berlin. Der Reichspräsident und der Reichskanzler Dr. Marr haben dem Reichsverkehrsminister Dr. Krohne zum 50. Geburtslage ihre und der Retchsregierung Glück wünsche telegraphisch ausgesprochen. Paris. Wie die Agentur Jndo Pacislgue aus Tokio mel det, wird der deutsche Botschafter Sols am 11. Sep< tember nach Berlin reisen, um mit der deutschen Regie rung über das deutsch-japanische Handelsabkommen zu be raten. London. Reuter meldet aus Mexiko: Der Episkopat hat den Wortlaut eines Gesuches veröffentlicht, das er dem mexikanischen Kongreß zu unterbreiten beabsichtigt und worin Mitglieder -er deutschen Völler bund- -elegation. Dr. Ludwig Kaas Dr. Rudolf Breitscheid (Zentrum). (Sozialdemokrat), Dr. Gertrud Bäumer Frhr. v. Nheinbaben (Dtsch. Dem. Partei). (Deutsche Volksp.). um Aufyevung gewisser Bestimmungen der Verfassung ersucht wird. Das Gesuch legt dar, die katholische Kirche verlange keine besondere Vergünstigung, sondern wünsche lediglich Frei heit für alle Religionen. London. Der Johannesburger Korrespondent der „Times" meldet, daß die Regierung der Südafrikanischen Union eine Kommission ernennen wird, die die Forderungen der deutschen Staatsangehörigen nach Entschädi gung für ihre Kricgsverluste behandeln soll. London. Die beiden englischen Kanonenboote „Cock- Chafer" und „Widgon" sowie der englische Dampfer „Kiawo", der angesichts der neuen Unruhen in China in ein Kriegs-- schiss umgewandelt wurde, sind bei Wanhsion auf dem Jangtsij von Truppen Wupeifus beschossen worden. - Neue» au» «Her welk r ...^ Großes Bach-Fest in Berlin. Seit 25 Jahren ver- anstaltet die „Neue Bach-Gesellschaft" (Sitz Leipzig) große Bach-Feste in den Hauptstädten Deutschlands. Das dies jährige 14. Bach-Fest, zu dem schon seit Monaten die deutsche Musikwelt sich rüstet, findet vom 30. September bis 3. Oktober in Berlin statt zur Erinnerung an das erste Bach-Fest in Berlin 1901. In 20 Veranstaltungen will man Johann Sebastian Bach feiern. Hervorgehoben seien außer den Aufführungen der Kantaten Bachs die sieben Festgottesdienste mit Vachscher Musik (u. a. im Dom und in der Kaiscr-Wilhelm-Gcdächtniskirche) zu Berlin. Mit dem Fest verbunden ist eine Mitgliedersitzung der großen „Neuen Bach-Gesellschaft". Typhus in Pommern. In Gollnow ist eine Typhusepidemie ausgekommen. Bisher sind 16 Personen in das Kreiskrankenhaus eingeliefert worden. Es sind alle Schutzmaßnahmen ergriffen und man glaubt, ein weiteres Umsichgreifen verhindern zu können. Seine Frau und sich selbst erschossen. In Liegnitz erschoß der Reichsbahnrat Geiger aus Stettin auf offener Straße seine Frau und verübte dann Selbstmord. Die Frau war die Tochter eines Liegnitzer Kaufmanns und wollte, da sie mit Geiger unglücklich lebte, sich scheiden lassen. Geiger war ihr nachgereist und hatte vergeblich versucht, sie zur Rückkehr zu bewegen. Neue Todesfälle durch spinale Kinderlähmung. Die spinale Kinderlähmung verlief in Nordhausen in zwei neuen Fällen tödlich. Ein 12 jähriges Mädchen und ein vierjähriger Knabe erlagen der Krankheit Die Gesamt zahl der Erkrankten beträgt gegenwärtig 4 und im Kreise Hohnstein 21. Wasservergistung in Erlangen. Die Stadt Erlangen yar die sofortige Schließung ihrer Flußbäder in der Regnitz und der Schwabach angeordnet, da einige Ver giftungserscheinungen bei Badegästen, die Wasser geschluckt hatten, sestgestellt wurden. Einer der Erkrankten, ein Arzt aus München, der zu Besuch in seiner Vaterstadt weilte, ist in der Universitätsklinik gestorben. Nach den Feststellungen des städtischen Gesundheitsamtes handelt es sich bei den Erkrankungen um eine Abart des Gelben Fiebers, die sogenannte Weilsche Krankheit. Auftreten einer unbekannten Krankheit. In Duis. bürg erkrankten plötzlich vier Kinder einer in Duisburg- Beeck wohnenden Familie unter Vergistungserscheinun- gen. Ein 13 jähriges Mädchen verstarb bereits. Von den ins Krankenhaus gebrachten Kindern verstarb ein elf jähriger Knabe kurz nach der Einlieferung. Weder Ur sache noch Art der Krankheit konnten bisher einwandfrei sestgestellt werden. Drei Personen beim Baden im Rhein ertrunken. Drei Todesopfer an einem Tage forderte das Baden im offenen Rhein bei dem Dorfe Köttcrwickershamm im Landkreise Dinslaken. Von drei Schwimmern erlitt einer einen Herzschlag, die beiden anderen wurden vom Strudel mitgerissen und ertranken. Bisher konnte erst eine Leiche geborgen werden. Eine vierte Person, die ebenfalls schon dem Ertrinken nahe war, konnte mit knapper Not gerettet werden. Österreichische Sammlung für die Zeppelin-ESener- Spcnde. Um den Bau eines Zeppelinluftschiffes zu sichern, werden in den nächsten Wochen in allen öster reichischen Bundesländern Sammlungen des für den Bau eines Verkehrslutfschiffes gebildeten Fonds eingeleitet werden. Für diesen Fonds werden in einzelnen Ländern Vorträge gehalten werden, in denen die kulturelle, soziale und nationale Bedeutung dieser Frage gewürdigt wer den soll. Ein Fall von Beulenpest in Liverpool. Wie bekannt wird, ist in Liverpool ein Fall von Beulenpest vorgekom men. Der davon Befallene, ein Knabe von zehn Jahren, /-amr/lenroman von von Z/anLksin. Er nickte mit dem Kopf und sie sprachen nicht weiter davon. Aber wie er allein in seiner Kammer war, er tappte er sich darüber, daß seine Gedanken immer wieder bei jenem Mädchen weilten. Er hätte etwas darum gegeben, wenn er sie hätte sprechen können. Aergerlich griff er nach einem Buche. Die Mutter hatte recht und er sah Gespenster. Am nächsten Tage wäre er am liebsten wieder in den Zirkus gegangen, aber er schalt sich selbst. Immer sah er die großen schwarzen Augen vor sich! Absichtlm) suchte er an den folgenden Abenden Kommilitonen auf. Er wollte garnicht erst die Musik hören, um nicht in Ver suchung zu kommen. Was sollte er sie noch einmal sehen und die Rervenqual erneuern. Aber jedesmal, wenn er heimkehrend den Menschen begegnete, die aus dem Zirkus kamen, atmete er auf, denn er sah aus ihren heiteren Mienen, daß alles gut vorübergegangen war, und er konnte es nicht verhehlen, daß jedesmal in den Niinuten sein Herz pochte, in denen er wußte, daß der tollkühne Ritt stattfand. So kam der letzte Tag und alle seine Freunde hatten beschlossen, noch einmal hinzugchen. Er hätte keinen Vorwand gehabt, sich auszuschließen und war auch selbst voll Verlangen, das kühne Mädchen noch einmal zu sehen. Wieder sprengte sie wie eine Siegerin in die Manege und wieder begann der wilde Ritt. Genau wie das erste Mal! Jetzt stürmten sie die Rampe empor — jetzt rannten sie oben um das Haus, nun ging es Vergunter — ein einziger, furchtbarer Aufschrei gellte durch den Zirkus — das Handpserd, auf dem Rita stand, strauchelte — in hohem Bogen flog der leichte Körper durch die Luft. Ekkehard wußte nicht, was er tat, er überlegte nicht und dachte nicht. Er war aufgesprungen und stand mit einem Satz in dem freien Gange, er breitete die Arme dem stürzenden Mädchen entgegen und es gelang ihm, sie wenigstens teilweise aufzufangen. Selbst mit zu Boden gerissen, milderte er ihren Fall. Wie er schnell wieder auf den Füßen stand, sah er sie bewußtlos und aus einer Wunde stark blutend am Boden liegen. Im Zirkus drohte eine Panik auszubrechen. Die Hengste, die Gott sei Dank bei dem furchtbaren Sturz sich überkugelnd in die Manege gefallen waren, lagen dort in einem wirren Chaos und hatten sich mit Riemen und Zügeln verschlungen. Sie schlugen wild mit den Füßen um sich und die Stallmeister waren bemüht, die Riemen zu durchschneiden und den Knäuel zu lösen. Der Direktor und die Besonnenen aus dem Publikum suchten die Menge zu beruhigen und zum Verlassen des Zirkus aufzufordern. Zwei Männer hatten die ohnmächtige Nita hinaus getragen und Ekkehard war ihnen unwillkürlich gefolgt, als gehöre er zu ihr. Da hörte er eine bekannte Stimme. „Lassen Sie mich mal sehen, Wüllner, kommen Sie mal her und Helsen Sie." IIII !I I l—— IM« n Es war sein besonderer Lehrer, der berühmte Chirurg Geheimrat Sodenberg, der, ebenfalls im Zirkus gewesen, sich nun anschickte, die Verwundete zu untersuchen. Ehr furchtsvoll machte das Zirkusvolk ihm Platz und er kniete bei ihr nieder. Es dauerte lange, bis er aufstand. „Wüllner, das Kind kann von Glück sagen, daß Sie dazwischenkamen. Es wäre unrettbar an dem Pfeiler zerschellt. Aber Sie haben ja Bärenkräfte. Ein Wunder, daß Sie selbst so davongekommen sind. Sie hat den Fuß gebrochen und eine böse Schnittwunde. Wahrscheinlich hat sie irgendeine Lampe zerschlagen. Wir müssen schnell die Ader verbinden. Aber wo? Bis der Krankenwagen kommt, dauert mir zu lange. „Lassen Sie sie in unser Haus bringen. Meine Mutter hat sicher nichts dagegen." „Also vorwärts!" Der Geheimrat war kein Freund von langen Worten und kannte die Frau seines alten Freundes Wüllner. Er selbst ging voran und die kleine Frau war sofort bereit. Bald darauf lag sie in dem Bett der Frau Kreis- phhsikus und der Geheimrat verband sie, nachdem ein Rad fahrer alles Nötige herbeigeholt. „Soll ich sie noch heute nacht in die Klinik überführen, liebe Frau Kreisphysikus?" „Lassen Sie das arme Kind nur hier. Ich weiß ja mit so etwas umzugehen. Ich war ja so manches Mal meines Mannes Assistentin." „Ist mir auch lieber. Wir wollen mal sehen, wie es wird, aber eine Schwester sende ich Ihnen noch." Der Geheimrat ging und sagte Ekkehard, was er zu tun habe. Er wußte, wenn der auch erst studierte, so war er geschickter als mancher Aeltere. (Fortsetzung folgt.)