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Wilsdruffer Tageblatt : 27.07.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192607272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19260727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19260727
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-07
- Tag 1926-07-27
-
Monat
1926-07
-
Jahr
1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.07.1926
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' Zur Magdeburger Mordsachc. Wie von dem angeb lichen Doppelgänger des Fabrikdirektors Haas, dem Be- zirksdirektor Thieß, über den Verlauf der Gegenüberstel-! lung Haas-Thieß mitgeteilt wird, wurde hierbei festgestellt,! daß keine Ähnlichkeit zwischen beiden vorhanden sei. Bei! der Gegenüberstellung von Haas und Thieß mit den Zen-! gen erkannten diese Wohl Haas als die Person wieder, die nach ihrer Ansicht in Groß-Rottmersleben bei Schröder gewesen sei, nicht aber Thieß. Auch gaben sie an, daß der Besucher des Schröder sein Auto allein gefahren habe,! während Thieß mit seinem Chauffeur bei Schröder war.! Vier Personen bei einem Flugzeug,! ab stürz ums Leben gekommen. Südlich Juist! geriet ein Flugzeug in ein plötzlich entstehendes außer-! odcntlich starkes Gewitter, so das? sich der Führer zu einer! Notlandung im Wattenmeer entschlos?. Nach den bisher! vorliegenden Nachrichten sind hierbei vier Personen, unter diesen der Pilot, ums Leben gekommen. Ein weiterer Passagier wurde schwer verletzt. Marder in der Geflügelfarm. In Markranstädt ver nichteten Marder, die nachts in die Geflügelfarm der. Firma Dietrich eindrangen, fast den gesamten Bestand; von 600 Tieren. ! Totschlag in der Trunkenheit. In Lebehnke (Kreis Deutsch-Krone) geriet der Arbeiter Albert Durke in der! Trunkenheit mit seinem Schwager Paul Hinz in Streit-! Er verfolgte ihn bis zu seiner Wohnung und versetzte ihm; zwölf Axthiebe. Hinz wurde in hoffnungslosem Zustande! nach Schneidemühl ins Krankenhaus gebracht, wo er ver-! starb. Der Täter wurde verhaftet. Fünf Opfer des weißen Todes. Zwei Wiener, Robertz Kraft und Dr. Joseph Pilip, und zwei Deutsche, Hans! Fischer und Krecek, sind mit dem Führer Meyerhofer auf! dem Bratsckenkopf im Schneesturm erfroren. T Grauenvoller Leichensund. In Böhmen ist ein myste riöses Verbrechen entdeckt worden. Der Besitzer des Schlosses Perglas bei Daßnitz an der Eger, Graf Leopold Nostitz, fand in einem Wäldchen die Leiche einer jungen Frau. Die Tote war an einem Baum festgebunden und fast vollkommen verkohlt, so daß nur die Füße und der Kopf unversehrt geblieben waren. Neben der Leiche lag ein mit fünf Schüssen geladener Revolver. Tausendjahrfeier einer deutschen Stadt in der Tsche choslowakei. Mit großer Feierlichkeit wird vom 7. bis 15. August die alte deutsche Stadt Deutsch-Gabel im Teschengebiet das Fest ihres tauseüdjährigen Bestehens! begehen. Ein historischer Festzug soll die wechselvollen Geschicke der Stadt von der sagenumwobenen Zeit bis in die heutigen Tage veranschaulichen. - Englische Kriegsschiffpläne gestohlen. Londoner Blätter melden, daß die Pläne für den nach dem Washing-! toner Abkommen in Angriff genommenen neuen Kreuzer ; „Suffolk", die von Portsmouth abgesandt wurden, wahr-! scheinlich gestohlen worden sind. Es handelt sich nicht nur um Konstruktionspläne, sondern auch um Einzelheiten der; Bewaffnung und Einrichtung des Schiffes und um ge-! Heime Zeichnungen, die, wie man annimmt, nur den! führenden Offizieren und den Konstruktionsabteilungen der Admiralität bekannt sein können. ! , Baupläne für ein amerikanisches Luftschiff. „Associated Preß" meldet aus Paul Smith (Newyork): Präsident Coolidge erörterte mit dem Marinesekretär Wilbur den Bauplan für ein Luftschiff mit Heliumfüllung, das die dreifache Größe der „Shenandoah" haben soll. Die Kosten dafür werden auf über fünf Millionen Dollar geschätzt. Fünf Todesopfer infolge Einsturzes einer Brücke.; Durch den Einsturz einer Brücke bei Whites Ville; (Westvirginia) wurden fünf Personen getötet und etwa 40 schwer verletzt. Auf der Brücke befanden sich an 300 Personen, die auf dem Wege zu einem Fest waren. Fünf! von den Verletzten dürften nicht mit dem Leben davon-! kommen. j Kälte und Schnee in Südafrika. Nach einer Meldung aus Johannesburg hatte Südafrika mit 12 Grad Kälte Ende voriger Woche den kältesten-Tag in seiner Geschichte.; Der Tafelberg ist mit Schnee bedeckt. Lunte Tageschronik. Breslau. Die Breslauer Kriminalpolizei verhaftete eine! zehnköpfige Räuber- und Erpresserbande, die seit einem halben! Jahr die Breslauer Innenstadt unsicher gemacht bat. - Köln. Die Stadt Köln plant für das Jahr 1928 in Ver bindung mit den führenden Presseverbänden eine große Inter nationale Presseausstellung. ; Madrid. In Malaga hat ein 83jährtger Mann seine 103jährige Frau unter Mitnahme ihrer beiderseitigen Er sparnisse verlassen. Die Polizei fahndet nach dem Ausreißer. Stockholm. Prinz Wilhelm von Schweden hat das An- «ebot, in Amerika Vorträge über seine Afrikareise zu halten, angenommen. Er wird zu diesem Zweck Anfang nächsten Jahres aus einige Monate nach Amerika fahren. Moskau. Der Flieger Moissejew ist von Teheran kom mend hier gelandet. Er hat die 3100 Kilometer lange Strecke in 20 Stunden mit dreimaliger Landung zurückgelegt und da mit einen neuen Weltrekord aufgestellt. Singapore. Zollbeamte haben in Amoy 5000 Tahils Opium im Werte von 40 000 Dollar beschlagnahmt, die sie im Maschinenraum des Dampfers „Anking" gesunden hatten. Vermischtes» Ein preußischer Prinz als Dirigent eines Kur orchesters. Bad Gastein in Österreich, das auch von Reichs deutschen viel besucht wird, hat seine Sensation: in der Zeit von Ende Juli bis September wird dort Prinz Joachim Albrecht von Preußen eine Reihe von Konzerten zu wohltätigen Zwecken dirigieren. Prinz Joachim Al brecht ist der musikalischste aller Prinzen des Hohenzollern- hauses und ist als Cellist und Komponist wiederholt schon vor die Öffentlichkeit getreten. Er wurde 1876 als Enkel sohn des Prinzen Albrecht, eines Bruders Kaiser Wil helms l., geboren; sein Vater war längere Zeit Regent des Herzogtums Braunschweig. In Bad Gastein will der Prinz vornehmlich eigene Kompositionen zu Gehör brin gen: rhapsodische Phantasien, symphonische Dichtungen und als Neuheit „Reminiszenzen an Wien". Was Schiller und Goethe verdienten. Geistige Ar beit wird zurzeit nicht besonders hoch bezahlt, es ist damit nicht viel zu verdienen. Marktgängige Ware sind nur die Werke bereits bekannter Dichter — neu auftauchende Ge nies müssen sich zunächst mit der Aussicht auf Nachruhm begnügen und im übrigen sich auf Hungerkunst einrichten. Da ist es denn interessant, zu hören, was so ungefähr die beiden größten Genies der deutschen Dichtung, Schiller und Goethe, verdient haben, als sie bereits im Scheitel punkt des Ruhmes standen. In der Literarischen Welt wird darüber eine Rechnung aufgemacht. Man ersieht daraus zuerst einmal, daß Goethe der weitaus größere Geschäftsmann war: er schlug sich mit Verlegern herum, feilschte mit ihnen, schätzte sich noch höher ein, als die Zeit genossen ihn einschätzen mochten, verstand es sehr gut, seinen Wert in Kurant auszudrücken, und geriet infolge dessen über kurz oder lang mit jedem Buchhändler in Kon flikt. Und nun ein paar Zahlen: Für die „Wahlverwandt schaften" erhielt Goethe 2500 Taler, für „Dichtung und Wahrheit" 12 000 Taler, für die 1816 erschienene zwanzig bändige Ausgabe seiner Werke 16 000 Taler. 1825 zahlte ihm Cotta für die Werke 60 000 Taler, mit der Zusicherung, daß bei einer Auflage von 40 000 Exemplaren diese Summe verdoppelt werden solle. Von 1795 bis 1865 zahlte Cotta an Goethe und seine Erben zusammen 865 474 Mark. Die Theateraufführungen dagegen brachten nicht sehr viel ein, da man für Stücke, die schon im Druck er schienen waren, einfach keine Tantiemen zahlte. Berlin z. B. spielte den „Egmont", den „Tasso" und die „Iphi genie" ganz honorarsrei; für andere Stücke erhielt der Ge waltige von Weimar ein Butterbrot. Schiller ging es lange nicht so gut wie seinem Freunde Goethe, schon darum nicht, Werl den wichtigsten Teil seiner Produktion Theaterstücke bildeten. Für den „Wallenstein" bekam er von Cotta nur 2046 Gulden, für „Maria Stuart" 900 Gul den, für „Wilhelm Tell" 1620 Gulden. Im ganzen hat Cotta an das Haus Schiller (also die Erben mitaerechnetz 275 000 Mark ausgezahlt. Kongresse und Versammlungen. Reichstagung des Noten Kreuzes in Dortmund. Zu der In Dortmund stattfindenden Tagung des Reichsverbandes deutscher Sanitätskolonnen und verwandter Männervereini gungen vom Roten Kreuz hat sich eine große Anzahl von Ver tretern aus allen deutschen Gauen eingefunden. Der Reichs verbandsvorsitzende Dr. P e r t s - Stuttgart eröffnete die Ta gung. Den Jahresbericht erstattete der Vorsitzende. Er er wähnte, daß der Reichspräsident von Hindenburg das Ehren- vrüstdtum des deutschen Roten Kremes übernommen babe. In diesem Jahre finde in Amsterdam ein internationaler Unfallkongreß statt, zu dem der Reichsvcrband zwei Ver treter entsenden werde. Kolonnenarzt Dr. Keßler hielt einen Vortrag über die einheitliche Ausrüstung der Sanitätskolon nen und forderte, daß die erste Hilssausrüstung für das ganze Reich einheitlich sein müsse. Als nächster Tagungsort wurde einstimmig Magdeburg gewählt. Hinsichtlich der Arbeitsge meinschaft der Sanitätskolonnen mit der Feuerwehr teilte der Vorsitzende mit, daß versucht werde, in dieser Frage zu einer beide Teile befriedigenden Lösung zum Wohle der Allgemein heit zu kommen. Deutscher Krankenkassentag in Düffeldorf. Der Hauptverq band deutscher Krankenkassen E. V-, der 1600 Krankenkassen mit; über 10 Millionen versicherter Mitglieder zählt, hält in der! Rheinhalle der „Gesolei" seine diesjährige Mitgliederversamm-. lung als 30. Deutschen Krankenkaffentag ab. Zu der Er öffnungsversammlung waren mit mehreren tausend Vertretern aus dem Reiche Vertreter der Reichs- und Länderrcgierungen sowie Delegierte der Versicherungsanstalten erschienen. Den Geschäftsbericht erstattete der geschäftssührende Vorsitzende Lehmann- Berlin, der über das Verhältnis zwischen Kran kenkassen und Ärzteschaft, das noch nicht so gut sei, wie man wünschen müsse, und über die Bedeutung der Arbeitslosenver sicherung eingehend berichtete. Sodann folgten Vorträge von Oberregierungsrat U n g e r --Berlin über „Gesundheitsfür sorge durch Arbeitsgemeinschaften und Sozialversichcrungs- träger" und von Professor Dr. Klei n - Jena über „Naturheil verfahren im Dienste der Krankenversicherung", Spiel und Sport. !. Einweihung des Duisburger Stadions. Zu einer gewaltigen Werbung für den deutschen Sportgedanken gestaltete sich die offizielle Weihe des Duisburger Sta dions mit den neu fertiggestettten Schwimmsportanlagen im sogenannten Margaretensee. Unter den zahlreichen Ehrengästen bemerkte man Wohlfahrtsminister Hirtsiefer, den Vorsitzenden des deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, Staatssekretär Dr. Lewald, Dr. Diem, ferner Regierungspräsident Bergemann von Düffeldors und Herrn und Frau Dr. Krupp von Bohlen und Halbach. Oberbürgermeister Dr. Jarres hielt die Festrede. Radrennen in Erfurt. Die großen Eröffunngsrennen batten bei hervorragender Besetzung einen vollen Erfolg zu verzeichnen. Den großen Preis der Industrie über 40 Kilometer gewann der Berliner Saldow überlegen gegen Brunier-Frankreich, Krupkat-Berlin, Bauer-Berlin und van Ruysseveldt-Belgien. Auch das 60-Kilometer- Dauerrennen wurde von Saldow nxit großem Vorsprung vor Krupkat, van Ruysseveldt, Brünier und Bauer ge wonnen. dl. Die Nadweltmeistcrschaften in Italien. Die mit größter Spannung erwarteten Nadweltmeisterfchaften 1926 in Mailand brachten dem deutschen Radsport schwere Ent täuschungen. Unsere Amateure konnten den erhofften Weltmeistertitel nicht erringen. Schon im ersten Vollauf blieb Engel-Köln, unsere größte Hoffnung, von Theaker- England knapp geschlagen. Im zweiten Vorlauf endete Steffens-Köln an dritter Stelle hinter Habberfield-England und Richli-Schweiz. Oszmella-Köln konnte dagegen seinen Vorlauf überlegen gegen Boiocchi-Jtalien gewinnen und Oskar Rütt fertigte E. Hansen-Dänemark sicher ab. Im Endkampf gewann Martinetti gegen den Franzofen Gal- vaing den Weltmeistertitel, wahrend im Kampf um den dritten Platz Mazarrac über Boiocchi siegreich blieb. Die Fliegerweltmeisterschaft für Berufsfahrer ging rbno, deutsche Beteiligung vor sich. Der vierfache Weltmeisters Moeskoeps-Holland landete einen Überraschungssieg gegen! Moretti-Italien. Dritter wurde Michard-Frankreich. Aus dem GenchLssaaS. Der Hungerkünstler Nelson und seine Helfershelfer ver urteilt. Vor dem Leipziger Schöffengericht hatten sich der Hungerkünstler Harry Nelson alias Reinhold Jlmer auZ Berlin, der Kaufmann Gustav Schützendübel aus Ber lin und der Wächter Bernhard Müller aus Leipzig wegen Betruges zu veranworten. Nelson war im März d. I. im Leipziger Kristallpallast als Hungerkünstler ausgetreten und wollte 45 Tage hungern. Am 32. Tage hatte ein Kriminal- beamter entdeckt, daß der Hungerkünstler längere Zeit Hühner brühe sowie Biomalz zu sich genommen hatte. Das Gericht verurteilte die Angeklagten wegen Betruges, und zwar Jlme; zu zwei Monaten zwei Wochen Gefängnis Schützendübel zu vier Monaten Gefängnis und 40 Mark Geldstrafe und Müller zu einer Woche Gefängnis. KembgeMge«. Roman von E. St e r r a. (Nachdruck verboten.) Wie ein sehnsüchtiges Herz flackerte und flammte es und .wehrte sich mit einem letzten Sträuben gegen den heißen Atem. „Oh!" Ein banges Aufatmen entfuhr Erikas Brust. Die hetzte Kerze verlöschte zischend, und nur der matte Schein, der aus dem Nebenzimmer hereindrang, erhellte den Raum. Wie ein Besitzergreifender zog Wilm die sich Sträubende an sich. „Es hift dir nichts," flüsterte seine zärtliche Stimme dicht an ihrem Ohr. „Solange ein Atemzug in mir ist, lasse ich dich nicht. Sieh mich an.„ 2lber sie kannte nur zu gut die Grenzen ihrer Kraft und rührte sich nicht. „Erika — Liebste — laß uns die Minuten nützen. Wer weiß, wie weit dis Grenzen unseres Lebens gesteckt sind!" Zwischen hinein in die vor Leidenschaft bebende Stimme klang ein Ton von Angst. Ein erschreckter Blick flog zu ihm in die Höhe, verirrte sich in dem Glanz seiner Augen und war gefangen. Er neigte seine Lippen gegen ihren Mund — aber noch einmal nahm sie alle Kraft zusammen und drängte ihn von sich. . , „Rein, nein, nein! Ich will und darf nicht!" Sie entwandt sich seinem haltenden Arm und floh in die Ecke des Zimmers. Dort stand sie, gegen das Bücher spind gepreßt und starrte mit großen, ängstlichen Augen zu ihm hinüber. - Er blieb sitzen, aber seine Augen folgten ihr und hiel- ten sie fest. , O , - "ft „Erika — liebst du mich?" An Stelle einer Antwort tönte Wilmas Stimme herein, die sich in monotoner Meise ein Stenogramm in die Feder diktierte. Er sprang auf — blieb aber zwei Schritte entfernt vor ihr stehen und sagte in leidenschaftlicher Erregung: „Kind, Kind, ich will ja nichts von dir, als nur das eine: Ich liebe dich! Nur diese Worte will ich haben. Ich muß sie Hahm als Ziel für meinen Weg, als Stab, als Kraftquelle, als Atem zum leben . . Er stockte und faßte sich mit einer jähen Bewegung an die Brust. Sein Gesicht war qualvoll verzerrt, die Augen schreckhaft aufgerissen. In demselben Augenblick stand Erika bei ihm. Sie er griff seine beiden Hände und starrte entsetzt auf sein krampf haftes Atemholen. Sie drängte sich an ihn und flüsterte: „Alles — alles, was du willst." Er aber stand unbeweglich. Den Blick nach innen gerich tet mit einem Aufhorchen, als höre er eine Stimme, die ihn von weithin mit finsterem Drohen anrief. Seine farblosen Lippen zitterten. Dann machte er sich sanft aber entschieden frei. Wie ein treuer Bruder geleitete er sie, Hand in Hand zum Lehnstuhl. Er sah auf sie nieder, dann durch das Zimmer, bis seine Blicke auf dem silbernen Schmuck des Baumes haften blieben. Endlich sagte er mit ganz veränderter Stimme: „Verzeih mir den Ueberfall, Erika. Ich weiß nicht ob ich noch das Recht habe, dich zu halten — dich zu binden -- an einen kranken Mann." . „Wilm!" - — Er winkte ab. „Ich komme mir vor wie ein Blinder, der plötzlich sehend geworden ist. Die ganze letzte Zeit habe ich nichts gesehen als dich — dich — und immer nur wieder — dich! Meine Liebe zu dir war so stark, daß sie eben mein alles war. — So achtete ich nicht des Feindes, der sich an mich heranschlich, bis ich seinen tückischen Griff spürte — Er schwieg und sah ein wenig hilflos auf den Lichtstrei fen, der aus den: Nebenzimmer in die Dunkelheit fiel, und in dem seine hohe, schlanke Gestalt stand, wie in Licht gehüllt. „Wenn ich mich einmal schwach und elend fühlte, so dachte ich nur, wie süß es sein müßte, von dir umsorgt zu sein . . . -.^Mit einpial ist es anders. Ich will gesund wer den! DeM-nur ein gesunder Mensch hat ein Recht auf das Glück, das ich ersehne. Sobald als irgend möglich will ich den Rat des Arztes befolgen und nach dem Süden gehen. Und jeder Tag, jede Stunde da unten soll es mir sagen, daß i chgesund werden will — für dich! Nur eins," seine Stimme wurde leiser, als er sich durch das Dunkel zu ihr herunter beugte — „nur eins möchte ich wissen: Wüst du warten?" Sie streckte ihm wortlos die Hände entgegen, denn diü zitternden Lippen vermochten das Ja nicht zu formen. Aber er kannte die Sprache dieser großen, dunklen Augen, die in Tränen glänzten. Er neigte sich über sie, um die kostbaren Tropfen mit seinen Lippen zu fangen. „So — o —fertig!" tönte da Wilmas befriedigte Stim me aus dem Nebenzimmer: Hundert Silben in der Minute! Das ist für einen vierwöchigen Unterricht schon eine ganz nette Leistung! Nun noch ein Gläschen Punsch zum Schlaft versüßen! Ein herzhaftes Gähnen ersetzte den Schluß der Worte. Wilm trat zu ihr ins Zimmer. Seine Augen blinzel ten gegen das Licht und seine Stimme klang seltsam ernst und schwer in ihr zwangloses Sichgehenlassen. „Darf ich glauben ,daß ich meiner kleinen Schwester wirklich einen Gefallen tue, wenn ich das mir letzhin ange botene Geld annehme, um mir im Süden meine Gesundheit zurückzuerobern?" Wilma stand einen Augenblick erschreckt, dann jubelte sie auf und flog dem Bruder um den Hals. Aber als sie dem ernsten, stillen Blick seines Auges begegnete, da irrte ihr Blick ab, glitt an den Wänden entlang und ihr: „Wenn es dich nur gesund machte!" klang wie ein Hilfeschrei. . ' 9. Kapital. Es war, als ob mit Wilms hübschem, jungem, fröhlichem Gesicht die Sonne verschwunden sei. Frau Wiebke hielt es dieserhalb für notwendig, ihrem alten, bewährten Tröster noch eifriger zuzusprechen und noch häufiger als sonst jedem, der ihr über den Weg lief, die Versicherung mitzugeben, „daß so ein Baron, wie unser Baron, nicht zum zweiten Mal existiere." Die alte Frau Zillmann putzte sich ganz umsonst die Brille, wen ein schneller Schritt über den Hof eilte, und Wilma stürzte sich, um die erbarmungslose Einsamkeit nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen, mit einem wahren Fanatismus auf die Arbeit. Sie rechnete, schrieb und steno- graphierte, daß sie ganz und gar angefüllt erschien mit Zah len, Silben und Buchstaben, die sie bis in den Traum ver folgten, die ihr keine Ruhe ließen und doch — wunderbarer- weise — auch wieder Ruhe verschafften. (Fortsetzung kolat.1
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