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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. Nr. 104 Mittwoch, den 5. Mai 1926 Heimat. Aus der Heimat kommt ein Leuchten, Kommt ein Klingen zart und fein, tlnd ich lausche still mit feuchten Auoen in den Glanz hinein! Meiner Seele Tore weiten Sich dem Klingen und dem Schein — Meiner Jugend Träume gleiten In ihr Heiligtum hinein . . . Marie M. Schenk. SlaalshUfe. Von unserem volkswirtschaftlichen Mitarbeiter. Vielleicht werden unsere Enkel die Jahre nach dem großen Weltkriege als diejenige nZ«it bezeichnen, in der fast jeder Berufsstand und jeder einzelne für sich „Staats hilfe" forderte und sich bitter beklagte, wenn sie ihm nicht in dem geforderten Ausmaße zuteil wurde. Zu diesen ge hörten z. B. die geschädigten Deutschen in den vom Kriege betroffenen und z. T. endgültig verlorengegangenen Ge bietsteilen, ferner die Auslands- und die Kolonialdeut- ichen. Zu denen, die sich dann Hilfe heischend an den Staat wandten, kamen später die durch die Inflation Geschädig ten und viele andere, denen die rentable Ausnutzung ihrer Produktionsanlagen durch dis Folgen des Krieges und mehr noch des Friedensvertrages unmöglich gemacht worden war, hinzu. Es soll nun nicht bestritten werden, daß in vielen Fällen ohne eine wenigstens vorübergehende Staatshilfe, die sich der flotten, Werte schaffenden Produktion entgegen stellenden Schwierigkeiten nicht schnell und vielleicht sogar gar nicht überwunden werden könnten. Es ist aber manchen, die nach Staatshilfe rufen, das Verständnis dafür verloren gegangen, daß die Selbsthilfe die beste Art ist, Hin- dernlsse aus dem Wege zu räumen. Argwöhnisch blickt einer "uf den anderen, ob ihm selbst auch nicht der Bruchteil eines Prozentes weniger Hilfe zuteil werde als anderen. Man darf annehmen, daß die Reichsregierung sich der sehr enaen Grenzen bewußt ist, die in dem verarmten Deutsch land der öffentlichen Finanzhilfe gezogen sind Präsiden, k, s die Reichsreqrerung noch in jüngsterZmt in drei galten ?-r wirtschaftliche Zwecke materielle Hilfe gewährt. Der l". ste Fall war die Gewährung eines billigen Kredites «ir Kleinwohnungsbau (200 Millionen Mark). Der Zweck dimer Kreditgewährung ist der, den seit Jahren darnieder- UEnden Wohnungsbau zu beleben und der ,n sozialer ge- undheitlicher und sittlicher Beziehung^ schädlichen Woh nungsnot abzuhelfen. Der z-werte F-all ut dre Ausscrll- büraschaft die Reich und Länder in Hohe von 180 Millio nen Mark für Lieferungen nach Rußland übernommen haben Der dritte Fall endlich ist die Bereitstellung eines Fonds von 10 Millionen Mark für Ausfuhrkredit versicherung. Die beiden letzten Fülle dienen der Wieder- orobernna ausländischer Absatzmärkte. Allen drei Akten der Slaatshilfe ist das gemeinsani, daß sie die Ueberleitung „i dem bilden sollen, was allein dauernden Nutzen zu bieten vermag, zur Selbsthilfe! i politische kunchchM - Die Wirtschaftslage der Reichspoft. Die Deutsche Neichspost veröffentlicht ihren Monats bericht nach dem Stande von Ende-April 1926. Hiernach bat im Mürz gegenüber dem Vormonat eine Verkehrs- Zögerung stattgefunden, die auf eins leichte Belebung der allgemeinen Wirtschaftslage schließen läßt. Es haben m Prozenten zugenommen: der Briefverkehr um ungefähr 6 der Paketverkehr um 28,3, der Postanweisungs- und Pahlkartenverkehr um 13,9. Auch der Telegrammverkehr Zeigt eine Zunahme, und zwar von 2,3 Millionen im Fe bruar auf 2,9 Millionen im März. Die Zahl derSprech st e ll e n betrug im März 2 549 991, d. h. 7000 mehr als im Vormonat. Die Zahl der Rundfunkteilnehmer betrug anl 1. April 1205 310. Ingeborg. 3 L <- Roman von Fr. Lehne. . Urheberschutz surch Liullgarter Roman-Zentrale gv, E Ackermann Stuttgart. -- Ach was! Tue mir die einzige Liebe und sei nicht so pedantisch! Wir waren doch die einzigen nicht, die eine so kühne Idee halten! Haft Du nicht bemerkt, wie drüben an der Ecke Apotheker Niebels Töchter ganze Buketts herunter- - Kem Mensch findet was dabei." frei'acbanö^ Mühe, Ingeborgs Bedenken, doch zu ganze Ileberre^^ beschwichtigen, und sie bot chre sichle; zu bekehren "us, tzreundin zu ihren An- „Du, aus der F^brt nach ^udwigshöhe wird es nichts. Papa'hat keine L'ulN er n ill seine Pferde schonen. Da wird Friedel vergeblich Än-.gehauenach uns halten! — Na, komm nur rein, wir haben auf L uh^-wonel, Du Muster aller Pünktlichkeit! Der llassee ist frisch aufgegossen und die Schlagsahne prachtvoll. . Die beiden jungen Mädchen traten in das sehr behag. sich ausgestattete Eßzimmer. . Ingeborg begrüßte Frau Dr. Boren, eine rundliche, gemütlich anstehende Dame, die soeben den Kaneemch einer leisten kritisckien Musterung unterzog. Er sah sehr einla dend aus. Auf dem weißen Tamasttuch lag ein^seiden- gestickter Läufer mit geklöppelten Einsätzen und Lp>tzen, ünd in einer hohen geschliffenen Vase schwankten köstliche Dänischer Iournattsteubesuch i« Berlin. Der Reichsverband der Deutschen Presse gab den in der Reichshauptftadt weilenden Journalisten ein Essen, an dem u. a. Reichsinnenminister Dr. Külz und der dänische Gesandte in Berlin, Zahle, teilnahmen. In den Reden des Verbandsvorsitzenden Bäcker, des Ministers Külz, des Gesandten Zahle und des dänischen Delegationsführers Christiansen kam dLr Wunsch nach weiterer An näherung und Verständigung zwischen den beiden Völkern zum Ausdruck. Aus Zn- und Ausland. Berlin. Am 7. Mai tritt der Vorstand des Preu ßischen L a n d k r e is t a g e s in Düsseldorf zusammen, um über wichtige Fragen der kreiskommunalen Organisationen, über Wegesteuern und Straßenbau sowie Finanz- und Steuer angelegenheiten, insbesondere auch über die Frage der öffent liche» Banken zu beraten. Berlin. Die beiden kommunistischen ReichstagsaVgeord- neten Korsch und Schwarz sind ans der Kommunistischen Partei infolge „konterrevolutionärer Auffassungen" ausge schlossen worden. Newyork. Der frühere Botschafter der Vereinigten Staaten in der Türkei, Oskar Straus, ist «ach längerer Krankheit gestorben. l Neues aus aller Welt s Selbstverwaltung in einer preußischen Strafanstalt. Der 2. Mai war für die Gefangenen der Strafanstali Berlin-Plötzensee ein Festtag. An diesem Tage wurde eine beschräukte Selbstverwaltung der Gefangenen nach dem Vorbild der amerikanischen Musterstrafanstalt Elmira ein geführt. Plötzensee ist die erste preußische Strafanstalt, welche diesen Gedanken verwirklicht. Geständnis nach fünf Jahren. In diesen Tagen haben bei der Hirschberger Staatsanwaltschaft zwei junge Männer namens Vollbrecht und Ilgner das Geständnis gemacht, am 11. Februar 1921 die 73 Jahre alte Frau Emilie Ludwig in Friedeberg am Queis getötet und ihr Anwesen in Brand gesteckt zu haben. An der Tat war außerdem noch ein gewisser Deckwerth beteiligt, der wegen einer anderen Strafsache bereits im Zuchthaus sitzt. Zahlreiche Touristknunsälle in den Alpen. In den Alpen haben sich zahlreiche Touristenunfälle ereignet, da von fünf mit tödlichem Ausgang. Auf dem Rötelstein in Steiermark stürzten zwei Touristen namens Tandel und Nobis ab. Ani der Nab sind zwei Damen aus Wien durcü Oie lieben Mieplen: L)Z siö^ Zocn ssies suf! Unseve siveunoscsiaff genüok ihm wo!ü mciü?!" eropurz aogeruyair und erlitten schwere Knochenbrüche. Im Gebiet des Reitzensteins wurde der Leobener Hoch schüler Wilhelm Knebel als Leiche gefunden. Der Absturz erfolgte bei einer Klettertour, die er als Alleingehender unternommen hatte. Auf dem Pfaffenstein in der Nähe von Eisenerz ist der Student Egon Meyer beim Blumen pflücken abgestürzt. Beim Achensee verunglückte der Beamte des Innsbrucker Elektrizitätswerkes Hugo Peschke gleichfalls beim Sammeln von Blumen tödlich. Aufdeckung einer geheimnisvollen Nadiostation. Del spanische Diktator Primo de Rivera war wiederholt durch eine geheimnisvolle Radiostatiou beunruhigt worden, die über ganz Spanien hin Propaganda gegen ihn machte. Die Station ist geht an Bord eines spanischen Kriegs schiffes entdeckt worden. Drei junge Marineoffiziere, die die Station betrieben hatten, wurden verhaftet. Das Musterland des Omnibusvcrkehrs. Schwede« ist ein Musterland des Omnibusverlehrs. Es gibt dori 1300 konzessionierte Omnibuslinien, die auf Wegstrecken von insgesamt 35 000 Kilometern Verkehren, während di; der schwedischen Eisenbahnen nur 16 000 Kilometer be- tragen. Der Omnibusverkehr ist so gut entwickelt, das man, falls man die Nerven dazu hat, durch ganz Schweder im Omnibus reisen kann. ' F ü n f z e h tt P c r s o n e n bei der Einschif fung ertrunken. Im Hafen von Warna ereignet« sich ein schweres Unglück. Bei der Einschiffung auf de« Dampfer „Sofia" wurde ein Boot mit 35 Personen ar Bord bei dem starken Wellengang abgetrieben. Es len terte. 15 Personen, meist angesehene Bürger der Stad; Warna, ertranken im Meer. Die übrigen 20 konnten ge rettet werden. „ Negervcrfolgungen in Amerika. In Carteret (New- Jersey, U. S. A.) kam cs anläßlich der Ermordung eines weißen Boxers zu tumultuarischcn Szenen. Eine erbitterte Menschenmenge zündete die in dem Orte befindliche Neger- kirche an und brannte sie bis auf die Grundmauern nieder. Dann wurden sämtliche Negereinwohner aus der Stad! vertrieben. Ein japanischer Dampser in Kanton zurückgehalten Nach einer Meldung der Agentur Jndo-Pacifique au« Peking hielt der Streikansschuß von Kanton den japaui schen Dampser „Taikwa Maru" mit der Begründung zu rück, er führe englische Waren an Bord. Der Kapitän unk die Schiffsoffiziere seien gefangeugcsetzt worden. Der größte Teil des im Bahnhof Hamm gestohlene« Geldes wieder hcrbeigeschafft. Es ist nunmehr gelungen den größten Teil der aus dem Geldschrank des Kassen- raumes des Hauptbahnhofes in Hamm geraubten 166 000 Mark aufzufinden. 116 000 Mark hatte der verhaftete Bauunternehmer Malachowit in einem Keller in Herford vergraben, während der ebenfalls verhaftete Eisenbahn Oberinspektor Keßler 50 000 Mark zur Deckung früher > gangener Unterschlagungen verwandt hat. , Die „Karge" noch in Leningrad. Wie aus Leningrad gemeldet wird, mußte die SBreise des Amundsen-Luft-, schiffes „Norge" nach Vadsoe (Lappland) wegen heftiger Schneestürme aufgeschoben werden. , Bombenaiientat in Mazedonien. In Strumitza in Mazedonien warfen Komitatschi eine Bombe in den dichtbesetzten Saal des Hotels Kesarezic, dessen Eigen tümer, Ilia Kesarezic, Führer der in Südserüien aufge stellten komitatschifeindlichen Formationen ist. Die Bombe explodierte inmitten des großen Saales und verletzte 20 Personen zum Teil schwer. Zwei der Verletzten sind ihren Verletzungen bereits erlegen. Bunte Tageschronik . Arnswalde. In einem Wald in der Nähe von Arnswald« in der Neumark sand man die Leiche eines 40jährige» Maunes, der durch einen Messerstich ins Herz getötet wor- den war. Amsterdam. Soeben ist das 22 000 Tonnen große Trockeudock, das die Schifsswcrfi Wilion von der Reiher- stiegwcrsi in Hamburg gekauft Hai, m guicm Zustande in Rotterdam ei «getroffen. Der Transpon gestalieie sich infolge scharfen Nordostwindes äußerst schwierig. Rom. Au allen Sonn- und Feiertagen dieses Jahres wird von den Benutzern der Straßenbahnen ein Zuschlag von zehn Centcsimi erhoben, die der Tuberkulosebekämpfung zu gute kommen sollen. Aus dem GerichSssaal. Der Prozeß gegen die Mitglieder des Deutschen DokkS- lumdes. Dec Prozeß gegen die vcrhasicicn Mitglieder des Deutschen Volkstumdes beginnt in Kattowitz nicht am 10. Mai, sondern am 18. Mai. Am ersten Tage wird ledialicl! La France-Rosen. Und die ausgewählte Kuchenschiissel war so verlockend, daß Hedi sagte: „Mama, ivenn wir nun nicht bald trinken, nehnie ich mir Vas Mokkatörichen schon im voraus —" und sie war im Begriff, ihr Vorhaben auS- zu führen. „Hedi, sei doch nicht gar zu kindisch", verwies ih« Mutter sie, „geh und sage den Herren nochmals Beschew, daß wir aus sie warten." Das junge Mädchen gehorchte und kam in Begleitung ihres Bakers und des Gastes aus dem nebenanliegenden Zimmer zurück. M't Mühe nur unterdrückte Ingeborg einen Ausruf des Erstaunens, und sie fühlte sich erröten, als sst den schlanken Off-zier an der Seite des Hausherrn erblickte. Das war doch kein anderer als der, dem sie gestern die Rose zugeworien hatte! Verstohlen stieß Hedi sie in die Seite und lachte: „Gelt, das ist eine ffeherraschung " „Warum hast Du mir das nicht gesagt, Hedi?" „Du hast mich ja nicht nach unserer Eiug"-irtierung gefragt, warst ja io gleichgültig ich war selbst baff!" Gemütlich klopfte Dr. Boden dem schönen Mädchen die heißen Wangen — „na, Inge, guten Tag! gib mir Dein Palfchchen! Schön, daß Du da bist, Kmd! — Vorerst möchte ich Dich nun mit unserem Gast bekannt machen. — Herr Baron Steineck — Fräulein Ellguth —" stellte er vor. Etwas befangen verneigte sich Ingeborg, während die Augen des jungen Offiziers in kaum verhehlter Bewun derung out ihr ruhten. Gestern schon war sie ihm ausgefallen; aber heute erst sah er richtig, wie schön das Mädchen warl Ihm fiel vor allem die stolze Haltung ihrer hohen, wundervollen Gestalt auf. Die Züge ihres schmalen, rassiaen Gesichtes waren sehr rein geschnitten und w.t klassisch zu nennen. Unter hochgewölbten Brauen leuch teten die großen Augen in einem seltenen Dunkelblau, die einen wirkungsvollen Gegensatz zu dem üppigen schwarz braunen Haar bildeten, das sie schlicht gescheitelt trug. Ueberhaupt war sie, im Vergleich mit Hedi.fast puritanisch einfach augezogen. Tas weiße Waschkleid wa"r allerdings sehr sorgfältig gebügelt. Tie Bluse ließ deu schönen schlan- ken Hals frei und war mit einem Spitzeunchu verziert, das mit einer antiken Nadel geschlossen war. Im Stillen vergleichend, stog sein Blick zwischen den beiden Mädchen hin. Trotz, des Raffinements in ihrem Anzuge, einem luftigen, schick gearbeit.ten, zartfa^bigeu Organdpkleide, trotz der modernen, kleidsamen Frisur konnte die blonde Hedi dein Veraleiche nicht skandhaltcn, sie erschien Steineck wie eine hübsche, aber unbedeutende Puppe der Freundin gegenüber, dir durch ihre herhe, edle Schönheit trotz der unscheinbaren Kleidung unbedingt auf- follen musste. Man nahm Platz am Kaffselisch; Hedi bediente und war besonders aufmerksam dem Gast gegenüber. Ein leb- hcst ; Gespräch entwickelte sich, an tum Inge sich ebenfalls beteiligte, nachdem sie ihre anfängliche Befangenheit ver loren hatte. Sie war ja so froh, einige Stunden mal etwas anderes zu h-.beu, als das einige Ew-"-0"' Hmse! „Na, wie gebts denn bei Euch?" fragte Toktor Boden. „Tanks, immer so weiter." „Ist Tein Vater noch verreist, Inge?" „Ja, er kommt aber in wenigen Tagen zurück. Es s.i in Wiesbaden jo heiß, schrieb er, und das bekommt ihm nicht " "