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Wilsdruffer Tageblatt : 12.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192604120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19260412
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19260412
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-12
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 12.04.1926
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schon setzt fest, datz"das Reich durch die Steuerhinterziehun gen um etwa eine Million Mark geschädigt worden ist. In die Angelegenheit sind ungefähr dreißig Kaufleute verwickelt. Fünf Wiener Touristen in Tirol vermisst. Eine aus fünf Personen bestehende Touristengesellschaft, unter ihnen zwei Damen, die zu einer Skitour nach Tirol aufgebrochen waren und am Ostermontag nach Wien zurückkehren woll ten, werden seit dem 2. April vermißt. Nachforschungen sind eingcleitet worden. Durch elektrischen Strom getötet. Wie das „Echo de Paris" aus Reims meldet, ereignete sich in einer chemischen Fabrik ein Unglücksfall dadurch, daß beim Transport einer Maschine die elektrische Hochspannungs leitung berührt wurde. Drei Arbeiter wurden ge tötet und 11 verletzt. Immer noch Kriegsminen. Am Eingang des eng lischen Hafens Folkestone in England wurde eine völlig intakte Seemine aus dem Weltkrieg gefunden. Vor einigen Tagen war ein Fischdampfer im Hafen von Grims by auf eine Mine gelaufen und in die Luft geflogen. Amundsens Nordpolluftschiff gestar tet. Das von Amundsen gekaufte italienische Nobile- Luftschifs, das jetzt auf den Namen „Norge" getauft ist, hat seinen Bauplatz Ciampino bei Pisa verlassen. Bei der überfliegung von Nom läuteten sämtliche Glocken. Das Schiff soll nach London kommen, von dort dann nach Petersburg fahren und von Petersburg endlich nach Spitzbergen, wo dann später der Start zum eigentlichen Nordpolflug erfolgen soll. Steine statt Butter. Seit längerer Zeit liefen immer wieder Beschwerden ausländischer Firmen in Riga ein, daß sich unter den lettischen Exportbuttersendungen Fässer befanden, die statt mit Butter mit Steinen, Sand oder Sägespänen gefüllt waren. Nun ist es der Rigaischen Kriminalpolizei dank einem Zufall gelungen, festzustcllen, daß sich hier eine ganze Bande systematisch damit beschäf tigte, Butterfässer während der Fuhrtransporte gegen Fässer mit Steinen und Spänen auszutauschen. Mehrere Glieder der Diebesbande konnten bisher festgsnommen werden. Selbstmord eines Millionärssohnes. Der 25 jährige Sohn des bekannten Millionärs Hilton, des Präsidenten der Bank of Manhattan, stürzte sich in Newyork aus dem 20. Stockwerk auf die Straße, nachdem er sich elf Stiche mit einer Schere beigebracht hatte. Der Grund zum Tode ist Liebeskummer. Schwerer Unfall eines Robbcnfängerdampfers. Der Robbenfängerdampfer „Sea l", der von Neufundland zu seiner zweiten Fahrt nach den Eisfeldern ausgelaufen war, erlitt eine schwere Beschädigung durch Feuer oder eine Explosion. Die gesamte Besatzung von 100 Mann treibt jetzt auf dem Eise in der Erwartung eines Net- tungsdampfers, der sofort abgesandt worden ist. Bagdad durch Hochwasser bedroht. Die Stadt Bag dad ist durch Hochwasser des Tigris ernstlich gefährdet Die Deiche sind in der Nähe des Königspalastes durch brochen worden. Das Palais ist geräumt und vollständig von Wasser eingeschlossen. Tausende arbeiten fieberhaft saran, die Mauern ihrer Häuser zu befestigen, um vor wn Überschwemmungen Schutz zu finden. Hunv-rte von Flüchtlingen lagern im Freien, da ihre Hütten von den Kassermassen weggerissen worden sind. Spiet unv Sport. Neuer 10 VOü-Mcilen-Wcllrckord. Der Herrenfahrei Bertrand, der auf der Autorennbahn Miramas bei Mar- feilte einen neuen Sechstagerekord im Automobil auf gestellt und seine Fahrt nach einer kurzen Pause fortge- setzt hatte, um den 10 000-Meilen-Weltrekord (16 090 Kilo meter) zu schlagen, hat auch diesen Plan glücklich durchge- sührt. Er hat die Fahrt beendet und 16190 Kilometer in 203 Stunden 22 Minuten 17 Sekunden zurückgelegt. (Durchschnittsgcschwindigkeit 79,154 Kilometer.) Er iß damit Inhaber des 10 OOO-Meilen-Wcltrekords. - Einen eigenartigen Rekord hat ein französischer Fahrradhändler aufgestellt. Er fuhr, auf Grund einer Wette, von seinem Heimatsort Bäziers nach Perpignan, das ist eine Strecke von 93 Kilometer, freihändig auf dem Motorrad und gebrauchte zu der Fahrt nur 99 Minuten. Arne Borg geschlagen. Die Sensation des vierten Tages der amerikanischen Schwimmeisterschaften war die Niederlage des Schweden Arne Borg in der Meisterschaft im loo-Mrds-Freistilschwimmen. Da Weißmüller nicht antrat, lag das Ende nur zwischen Arne Borg und dem bekannten Rückenschwimmer Walter Lauffer-Cincinnati. Dieser siegte in der glänzenden Zeit von 52,4 Sekunden. Arne Borg wurde kurz vor dem Ziel noch von Lauffers Klubkameraden Ruthlidge abgefangen und auf den drit ten Platz verwiesen. Das Berliner Sechstagerennen in den Ausstellungs hallen am Kaiserdamm nimmt weiter einen lebhaften Verlauf. Nach den letzten Nachrichten ergibt sich folgender Stand: Sergent—Louet 192, Gottfried—Junge 72, Koch- Miethe 15 Punkte. Eine Runde zurück Beckmann- Eaton 76, Frederix—Lorenz 54 und Buysse—Bauer 43 Punkte. Die übrigen Paare liegen weitere Runden zurück. Pariser Sechstageskandal. Am Ende der Viertetz Nacht gab es im Pariser Wintervelodrom bewegte Szenen, die sogar in Tätlichkeiten ausarteten. Als das Publikum morgens die Halle verlassen hatte, versuchte»! einige Fahrer noch Vorstöße, womit sich die anderen nicht einverstanden erklärten. Daraufhin gab es sogar Schläge reien zwischen der» beteiligten Fahrern! Im übrigen wurde das gesamte Feld wieder einmal auf den Kopf ge stellt. Die Spitze haben jetzt Marcot—Putzeis mit eine» Runde vor Wambst—Lacquehay. Die anderen Paars liegen bis acht Runden zurück. Und immer wieder Rademacher! Rademacher, de» frischgebackene amerikanische Schwimmeister, stellte in Chi- kago über 400 und 500 Aards neue amerikanische Re korde auf. Aus vem GsnchSsssal. Ein Spionageprozeß in Alimm. Vom Altonaer Schöffen gertcht wurde der Kaufmann Wilhelm Bähr zu einem Jahi sechs Monaten Gefängnis und Stellung unter Polizeiaufsich verurteilt, weil er militärische Geheimnisse an eine fremd, Macht verraten hat. Außerdem wurde wegen Paßvergehen« auf sechs Wochen Gefängnis erkannt, da Bähr ohne Patz di- holländische Grenze überschritten hat. , Wegen Mißachtung von Kriegsordcn ins Gefängnis. Den Gerichtshof der serbischen Stadt üsküb lag dieser Tage ein, merkwürdige Frage zur Entscheidung vor. Ein Ehepaar wm (!) streit geraten. Bevor der Mann den kürzeren zog, un tätlichen -lngrissen seiner Gattin zu entgehen, tvies er aus seim Kriegsorden hin und beschwor die teure Gattiu, einen Balkan krieger mit ihren Schlägen zu verschonen, nachdem der Könic ihn ja durch Verleihung der Orden geehrt habe. Der wütender Ehefrau fehlte das Verständnis für derartige Imponderabilien Sie warf die Ehrenzeichen auf den Boden und bemerkte, daß der König wohl keine anderen Sorgen gehabt hätte, als einen solchen Idioten wie ihren Mann zu dekorieren. Der in seinen Gefühlen tief gekränkte Krieger erbat gerichtlichen Schutz Vv» seiner serbischen Xanthippe. Der Gerichtshof nahm die häuslich, Szene ernst, eröffnete ein Verfahren gegen die temperament volle Kriegergattin wegen Beleidigung König Alcranders unk verurteilte schließlich die Angeklagte zu drei Jahren Gefängnis Dein Ehemann wurden seine Orden durch den Ortspopen neu- geweiht und dann zurückerstattct. . Der Asmus-Prozeß. Im weiteren Verlauf der Verhand lungen verkündete der Vorsitzende, daß die Beweisanträge der Verteidigung, insbesondere der Antrag auf Ladung des frühe ren sächsischen Ministers des Innern, Liebmann, abgelehnt werden, weil diese Beweisanträge für die Beurteilung der Sache unerheblich seien. Dann wird mit der Besprechung der letzten drei „Jllnstrationsfalle" begonnen. Im ersten Falt wird Lr. Asmus vorgeworfen, datz er das Verfahren gegen de» Amtsgerichtsrat Dr. Grosse in Freiberg wegen Meineides nach drei Tagen eingestellt Habe. Asmus stellt fest, daß die General- - staatsanwaltschaft seine Entscheidung gebilligt habe. Bei der Besprechung des nächsten Falles handelt es sich um die Anzeige nnes Schuldirektors in Neuhausen. Das Verfahret» ist am l6. Juli 1921 durch den Vorgänger des Dr. Asmus eingestellt. >luf eine Beschwerde erhob Asmus am Tage nach dem Ein- »äug der Beschwerde Anklage, die zur Verurteilung des Vaters ührte. Im dritten Fall handelt es sich um ein Verfahren «egen eine größere Anzahl von Nationalsozialisten, die Asmus lnfang Oktober 1923 verhaften ließ, weil sie nach Hof gereist varen, um sich in die Litler-Armee einreihen zu lasten. ; »Srle - KsnckrI - WIMrbsN j Amtliche Berliner Notierungen vom 10. April. Börsenbericht. Nach den letzten Kursermätzigungen trat nunmehr bei allerdings recht stillem Geschäft eine leichte Er holung ein. Am Geldmarkt sprach man überraschenderweise vor einer weiteren Herabsetzung des Privatdiskontsatzes, die an geblich demnächst erfolgen soll. Jedenfalls war wieder Gell sehr reichlich angeboten; tägliches'Geld stellte sich auf 5—6 monatliches Geld auf 6,50—7,50 «Devisenbörse. Dollar 4,19—4,21; engl. Pfuni 20,39—20,44; holl. Gulden 168,36—168,78; Danz. 80,Ä bis 81,08; franz. Frank 14,41-14,45: belg. 15,9K-16,0L schwciz. 80,92—81,12; Italien 16,86—16,90; sch Wed Krone 112,43—112,71; d ä n. 109,90—110,18; nor weg. 90,0! bis 90,31; tschech. 12,41—12,45; österr. Schilling 59,Ü bis 59,31; poln. Zloty (nichtamtlich) 40,79—41,01. Produktenbörse. Die Meldungen von den amerikanische» und englischen Märkten lauteten schwächer, auch die Cifforde- rungen für Auslandsweizen sind leicht ermäßigt. Dies ließ di« Haltung etwas nachgeben, ohne daß sich aber im Lieferungs- Handel ivie im Verkehr auf prompte Abladung größerer Umsaf entwickelte. Inländisches Material bleibt knapp, die hoher Forderungen hierfür sind hier nicht zn erzielen, werden abei von den Provinzmühlen teilweise bezahlt. Für Roggen wai die Stimmung im ganzen ruhiger, immerhin lassen die Preis« nur wenig nach, da Angebot Ausnahme findet. Von Gerst« ist bessere Brauware gesucht, aber sehr wenig offeriert. Füi Hafer sind Käufer vorsichtiger geworden, die Marktlage wa! eher schwächer. Die Forderungen der Mühlen für Mehl sini wenig nachgiebig, sie sind aber meist nicht durchzusetzen. Futter artikel blieben behauptet. Buttcrnotierungen. 1. Qualität 1,68 M-, 2. Qualität 1,5t Mark, abfallende Butter 1,30 M. Schlachtviehmarkt. Auftrieb: Rinder 2062, Bullen 379 Ochsen 543, Kühe und Färsen 1140, Kälber 2100, Schafe 6125 Schweine 5691, Ziegen 30. Marktverlauf: In allen Gat tungen glatt, ausgesuchte Rinder und Kälber über Notiz Preise: Für ein Pfund Lebendgewicht in Pfg.: Ochse» a) vollfleischige, ausgemästete 52—55, b) vollfleischige, ausge mästete im Alter von 4—7 Jahren 47—50, c) junge fleischige, nicht ausgemästete 42—46, d) mäßig genährte jüngere und gm genährte ältere 37—40; Bullen a) 51—53, b) 47—49, c) 43—46j Färse»» und Kühe a) 50—54, b) 42—46, c) 34—39, d) 26—30 e) 22—24; Fresser 36—43; Kälber a) —, b) 85—90, c) 72—82 d) 55—67, e) 45—50; Schafe a) 56—60, b) 46—54, c) 34—40« Schweine al —, b) 81—82, c) 80—81, d) 77—80, e) 75-76) Sauen 73—76; Ziegen 20—25. Arbeiter und Angestellte. Berlin. (Geringer Rückgang der Arbeits losigkeit.) Voi» ungefähr der Hälfte der Landesarbeits ämter liegen zurzeit die Berichte über die Erwerbslosenzählun- j gen vom 1. April vor. Die Veränderungen sind diesmal ziem lich ungleichmäßig. Während verschiedene, vor allem ländliche Bezirke, eine»» Rückgang von über 10 A zu verzeichnen haben, ist in einzelnen Städten noch ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit zu beobachten. Als besonders schlecht kann der Beschäftigungsgrad «M Kohlenbergbau gelten. Dagegen ist Vic Besserung im Gebiet der Kletneisenindustrie (Remscheid—Solingen) sehr erheblich Sachsen, für das bereits Gesamlzisfern vorliegen, meldet einen Rückgang von 5 Württemberg und Baden von etwa 8 Die vorläufigen Berichte der übrigen Arbeitsämter ermöglichen « «ür das ganze Reich eine allerdings nur vorläufige Schätzung eines Rückganges Voit etwa 4 Paris. (Lohnbewegung in Frankreich.) Dem ,Matin" wird aus Marseille gemeldet, daß das Zivilpersonal »er dem Kriegsministcrium unterstehenden Werke in Marseille nne Stunde vor Arbeitsschluß die Arbeit eingestellt habe, um nner Lohuversammlung bcizuwohnen. Dem gleichen Blatt vird aus Bourges gemeldet, daß die dortigen Kriegswerk- tätten von den Arbeitern verlassen »vorden seien. Bürherschau. Leopold ». Sachcr.SNasoch: »Do« Juan von Kolon»«»" Mit einem Nachwort von Wolfgang von Einsiedel. Univcrsol-^lvr-v- thek Nr. 6624, Heft 40 Pf., Band 80 Pf., sVcrlag»buchhandlm>g Philipp Reclam jun. Leipzig). „Don Juan von Kolomea" hat Sacher-Ma- sochs literarischen Ruf in Deutschland begründet Der Held der Novelle^ ist Höriger «einer Leidenschaft. Das Eigentümliche seines Charakters besteht darin, daß er sich deshalb von >c ner Fran ab- und änderen 4 Frauen zuwcndot, weil er seine eigene Würdelosigkeit der geliebten Z Frau gegenüber nicht erträgt. Er bleibt nur stark gegenüber Frauen, 1 die er nicht lieb«. S» erfährt das Don-Juan-Molw eine ganz neue I Auslegung. L.0N Juan nicht mehr als Getriebener romantischer Sehn- i sucht, sondern Don Juan aus Resignation. Achim von Winterfeld: „Henrik Ibsen". (Dichter-Bio graphien 26. Bandt Unwersal-Biblwthek Nr. 6825. Heft 48 Pf., Baud 80 Pfg. (Verlagsbuchhandlung Philipp Reclam jun. Leipzigs. Ibsen j schrieb einst in einem begeisterten Brief an den Verlag Philipp Reclam l jun., daß er ieine Volkstümlichkeit in Deutschland vor allem der Nni- I versal-Biblioihek verdanke. In der Absatzstatistik erreichten seine l Werke die höchste Zahl von allen ausländischen Autoren. Eine für I weite Kreise verfaßte Biographie dieses Kämpfers gegen die Lüge in l jeder Vermummung wurde von vielen literarisch interessierten Lesern » längst als Bedürfnis empfunden. Winterfeld füllt diese Lücke in aus- f gezeichneter Weise aus. Es gelingt ihm, Ibsens Gestalt und Lebcns- schicksal plastisch darzustcllcn. Er charakterisiert Ibsens Werke und ihre Stellung in der Entwicklung des Dramas. vom Men aas Vette. Roman von A. H o t t i» e r-G r e fe. 86) (Nachdruck verboten) Cs war keil» Pathos in seinem Ton, aber es klang etwas darinnen, das Iula erschütterte. Also auch er? Und auch er schleppte ein solches Gefühl mit sich durch das Leben, so ganz aussichtslos, so ent sagend? Frank Weltin hatte die Bilder zusamn»engerafft und steckte sie ein. „Das sind meine Gefährten. Immer ste. Nur sie. In allen de»» endlosen Jahren nichts anderes, das ist oft zum wahnsinnig werden, Iula." „Und ändern läßt sich da gar nichts?", fragte sie zaghaft. Er schüttelte den Kopf. „Nein." Frank Weltin ging mit wuchtigen Schritten auf und ab. Iula saß neben dem Tische und sah prüfend nach ihm hin. Er mar nie ein weicher Mensch gewesen, nie m»t- teilsam. Es war zwischen ihnen eigentlich trotz aller Ge- schwisterliebe oft etwas Fremdes, Unverstandenes. Und in den Jahren seiner selbstgewählten Einsamkeit hatte sich dies bei ihm noch verschärft. Aber dieses Telegramm schien den Bann zu brechen. Heute begann er zu sprechen, von sich, von seinem Schicksal. Er sprach so bewegt, als sei er ganz allein und rede nur zu sich selbst. Von seinen Kadettenjahren begann er zu sprechen. Der spätere Oberst von Risnach hatte längere Jahre hin- «durch die Militär-Bildungsanstalt geleitet, in welcher er eingereiht worden war. Damals war Elisabeth von Ris nach noch „die Liesel" gewesen, das kleine schmächtige Ding mit den langen, schönen Zöpfen. Sie hatten zu sammen Tanzstunden gehabt, und auf den Bällen der An- jtalt..durfte er, ein paar Jahrs später, mit ihr, der Fünf zehnjährigen, den Tanz eröffnen. Damals hatte es an gefangen. Es war noch halb eine törichte Kinderneigung, halb aber schon ein goldener Iugendtraum. „Und da hast du daheim nie ein Wort davon er wähnt? fragte Iula in eine Pause hinein. Er blieb eine Minute lang vor ihr stehn. „Daheim? Was hätt' ich darüber reden sollen, Iula? Und mit wem dann? Mit der Mutter? Mein Himmel, die war ja jahrelang krank und die Verhältnisse waren so knapp. Es hat ja nie gelangt bei uns. Da ist die Mutter vor lauter Rechnen und Sparen mit der Zeit zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Beste im Leben eine sichere, ruhige Existenz ist. Die gibt's nur dort, wo man Geld genug hat. Daß ihr Mädels euch einmal besonders brillant verheiraten werdet, das hat sie wohl nicht zu hoffen gewagt. Aber ich — ein Offizier — die Leute sagten, ein hübscher, schneidiger Offizier, ich sollte die Familie Herausreißen. Da war unsere reiche Cousine, die Helene, die war ja im Familienrat schon immer mir bestimmt. Und als ich zum ersten Male als Leutnant heimkam, da hab' ich es ohne jede Selbstüberschätzung merken müssen, daß das Mädel recht gern „ja" gesagt hätte zu dem Wunsche der Eltern. Nur daß ich schon die andere im Kopf hatte — das war das einzige Hindernis. Wenn ich neben Helene herging und mich an ihrer Hausbackenheit langweilte, sah ich immer neben der kleinen, dicken, kerngesund aussehenden Cousine das zarte, feine Liesel mit den schönen Augen, »nit dem rosigen Mund, der so reizend lächeln konnte. Und dann brachte ich das Wort, das mich an Helene binden sollte, nicht über die Lippen. Die Mutter war damals sehr enttäuscht, Onkel und Tante auch. Helene schmollte in auffallender Weiss. Aber man tröstete sich: Ich war ja noch so jung, sollte erst ein wenig austoben; dann würde ich gescheiter sein. Oh, wenn sie gewußt hätten, all die guten, fürsorglichen alten Leute, daß ich schon einen Winter später mich heim lich mit Elisabeth verlobte —" Er brach jäh ab. Sein mageres Gesicht hatte einen weichen Zug, heiß stieg ihm das Blut zu Kopf. Es hat's kein Mensch wissen dürfen außer Liesbeths Mutter," sagte er dann ruhiger. — „Die war eine stille, ge duldige Frau und hing abgöttisch an ihrem Kinde. Der Oberst war ein Tyrann und neigte stark zum Leichtsinn. Auch trank er gern ein paar Gläser über den Durst und dann gab es wüste Szenen. Gespielt hat er oft toll, und das Geld glitt ihm durch die Finger. Aber für Elisabeth war so viel da, daß es eine Oberleutnants-Kaution ergab. Also, da hieß es nun abwarten. Freilich, als dann der Laßwitz ins Haus kam, da wurde auch die Mutter schwankend. Das war ein Mensch, mit dem konnte ich es kaum aufnehmen. Ein wunderschöner Mann, so recht ein Künstler. Vom Vater her deutsch, aber die polnische Mutter hatte ihm die Augen vererbt und den rassigen Gesichtsschnitt und die Hände. Alle Mädels waren rein verrückt in ihn, nur die Liesbeth nicht. Die hatte eher eine Scheu vor ihm, und dann hielt sie an mir fest. Aber er schwärmte für sie. „Madonna" nannte er sie und „seine Heilige". Er war doppelt so alt als sie. Damals schon sechsunddreißig. Eine Leidenschaft war's wohl kaum, die er für sie empfand, eher ein Ausruhen für ihn nach einer ziemlich tollen Lebensjagd. Er war sehr reich, und seine Plastiken — er war Bildhauer — trugen ihm auch noch viel Geld ein. So war's ja kein Wunder, daß er alle eroberte. Er war damals viel bei den Risnachs — der Alte hing an ihm und auch die Frau." — „Wann ist denn das gewesen?" fiel Iula ein. „Wann? Im Frühling werden's elf Jahre. Wir waren alle in Wien." — „Kam Christa denn nicht damals sehr oft in das Haus des Obersten?" fragte Iula. „Du weißt, Mutter und ich mußten nach Meran — Ihr wäret allein hier —" „Ich glaube schon," sagte Frank Weltin erstaunt. „Sie kam so ziemlich täglich. Der Laßwitz hat sie — wie mir scheint, auch modelliert. Ja, jetzt erinnere ich mich genau: sie hat ihm ost gesessen zu einer Statuette „Der Lenz". Da wollte er ihren Kopf verwenden. — Aber was soll's damit?" ' . „Erzähle nur weiter," sagte Iula drängend. (Fortsetzung folgt.)
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