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Wilsdruffer Tageblatt : 12.03.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192603129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19260312
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19260312
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-03
- Tag 1926-03-12
-
Monat
1926-03
-
Jahr
1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 12.03.1926
- Autor
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Fahrt aus der Maas nntergegangcn ist. Die Frau Les Schiffers und drei Kinder sind ertrunken. Aus dem Flugzeug gestürzt. Bei einem Übungsflug eines Albatros-Flugzeuges des schwedischen Heeres über dem Flugplatz Haeganges bei Stockholm stürzte der Mariuefähnrich Helge Nilsson aus einer Höhe von 350 Metern ans dem Flugzeug. Er war sofort tot. Der Ver unglückte scheint sich beim Photographieren zu weit hin- ansgelchut und das Gleichgewicht verloren zu haben. Studenicnstreik in Rumänien. — Die Hochschulen geschlossen. Die rumänische nationalistische Studentenschaft beschloß, den Generalstreik in den Universitäten solange durchzuführen, bis die Beschränkung für die Juden ein geführt fei. Der Untcrrichtsminister verfügte die Schlie ßung aller Hochschulen des Landes. Große Überschwemmung in Kvwno. Eine Über schwemmung von noch nicht dagewesenem Umfang be droht die am Zusammenfluß von Memel und Vilija ge legene Hauptstadt Litauens. Die Memel ist fast sieben Meter gestiegen und hat in den unteren Stadtteilen bereits mehr als 300 Häuser unter Wasser gesetzt. Eine Brücke an der Vilija ist fortgerissen worden. Die Memelbrücken sind in Gefahr. Der angerichtete Schaden geht in die Mil lionen. Pioniere sprengen die von den Flüssen geführten Eismassen mit Dynamit. Bunte Tageschronik München. In München hat sich in einem Hotel in der Nähe des Hauptbahnhoss ein 60jährigcr ehemaliger Ritt meister ans Berlin vergiftet. Die Leiche wurde gerichtlich beschlagnahmt. Alzey. Die Bauern des Kreises Alzey versammelten sich hier zu einer Demonstration vor dem Alzeyer Finanzamt. Nur durch gütliches Zureden konnten Ausschreitungen verhindert werden. Eine Deputation verhandelte mit dem Leiter des Finanzamtes. Stuttgart. In Engelsbrand brach in der sogenann ten Kaserne ein großes Feuer aus. Vier Wohnhäuser und drei Scheunen fielen dem Feuer zum Opfer. Sechs Familien sind obdachlos geworden. Kopenhagen. Im vergangenen Jahre wurden von den skandinavischen Marinen im ganzen 36 Minen unschädlich gemacht, und zwar tt von der dänischen, 20 von der schwedischen und 5 von der norwegischen Marine. Warschau. Im polnischen Heer sind in der letzten Zeit zahlreiche S e l b st m o r d s ä l l e vorgekommen. Binnen dreier Monate haben allein in dem Infanterieregiment Nr. 20 in Krakau zehn Soldaten Selbstmord begangen. Newyorl. Dieser Tage hat eine internationale Einbrccher- bande aus einer amerikanischen Gemäldegalerie 300 Bilder gestohlen. Auswertung der Sparlaffeuguthabtn. Neue Regelung. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst meldet, hat du Aufwertung der Sparkaffenguthaben bei den öffentlichen odei unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen in Preußen durch die Zweite Durchführungsverordnung vom 27. Februar d. I eine wettere Regelung erfahren. Die neue Verordnung legi zunächst fest, daß es für die Auswertung der Sparguthaben einer Anmeldung grundsätzlich nicht bedarf. Lediglich in der Sonderfällen, in denen ein von einer Sparkasse an eine ander« überwiesenes Guthaben unter Zugrundelegung eines höheren Geldwertes als desjenigen ausgewertct werden soll, der für das Datum der Überweisung maßgebend ist, bedarf es der An meldung bis zum 30. Juni 1926. Der Mindestggoldmarlbetrag der bei der Aufwertung zu berücksichtigenden Sparguthaben iß auf acht Reichsmark festgesetzt. Eine Streichung von Einzah lungen der Inflationszeit findet ebensowenig statt wie ciuc rückwirkende Aufwertung von ausgezahlten Guthaben. Die Regelung der Fälligkeit und der Verzinsung der aufgewerteteu Sparguthaben bleibt späterer Anordnung überlassen. Es iß aber Vorsorge getroffen, daß'bereits vor Eintritt der Fälligkeit die Sparkassen in den dringendsten Härtefällen an ciizelm Spargläubiger freiwillig eine Auswertung bewirken. z Arbeiier und Angestellte. Berlin. (Geringe Abnahme der Erwerbs los e n z i f f e r.) Die Zahl der Erwerbslosen hat in der zweiten Hälfte des Februars keine nennenswerte Änderung erfahren. Zwar hat sich die Zahl der männlichen Hauptmtter- stützungscmpfänger gegenüber dem Stand vom 15. Februar nm rund 22 000 vermindert, dem steht aber bei den weiblichen Hauptunterstützungscmpfängcrn eine Zunahme von rund 20 000 gegenüber. Die Gesamtzahl ist von 2 058 392 am 15. Fe bruar auf 2 056 807 am 1. März zvrttckgegangen; das bedeutet eine Abnahme um eins je Tausend. Die Zahl der zuschlags- berechtigten Angehörigen weist für den gleichen Zeitraum da- > gegen einen muagang von or ooo aus. Während der Januar eine Zunahme der Hauptunterestützungsempfänger um 545 000 gebracht hatte, zeigt die Zahl für den ganzen Monat Februar noch eine geringe Zunahme von 26161 gegenüber dem Vor monat. Dortmund. (Teilweise Wiederaufnahme der Arbeit auf Zeche „Radbo d".) Die Wiederherstellungs arbeiten auf der Zeche „Radbod" sind so weit fortgeschritten, daß 600—700 Mann der Belegschaft in verschiedenen Revieren der zweiten und dritten Sohle die Arbeit wieder aufnehmen können. Warschau. (Rückgang der Arbeitslosigkeit in Polen.) Die Zahl der Arbeitslosen in Polen betrug am 1. März 358 002 Personen. Gegen die vorangegangene Bc- rickttswoche hat sich die Arbeitslosenziffer um 1000 vermindert. Aus dem GerichSsssal. Aus Versehen den Falsche» getötet. In der Nacht zum 51. Oktober 1921 wurde in einem Schnellzug in der Nähe von Florenz ein reicher Geschäftsmann aus Pistosa namens Tom maso ermordet. Die Polizei nahm zwei Studenten fest, die schließlich auch den Mord eingestanden. Sie waren von dem türkischen Politiker Hassan Benzinuri angeworben worden und hatten aus Versehen statt eines Türken dessen italienischen Mitpassagier getötet. Die beiden Mörder wurden zu 20 und 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der neue Bothmer-Pro.es>. Ta-- Große Schörfeugerich Potsdam hat sich wiederum mit der Gräfin Bothmer zu be faffen. Diesmal ist sie wegen Urkundenfälschung und Betrüge- angeklagt. Sie hat, wie erinnerlich, auf ein Schreiben, das ihi angeblich die verstorbene Frau Rieck dttüert und worin sie der Ramen der Krankenschwester Hierouyma gefälscht hatte, ein, > Summe von annähernd 900 Mark von einer Freundin dei ' Familie Rieck erhalten. Zu Beginn der Verhandlung gibi s Rechtsanwalt Bahn die Erklärung ab, daß er den Vorsitzen den, Landgerichtsdirektor Westerkamp, als befangen ablehneu Z muffe. Die Strafkammer, die sich mit dem Antrag auf Ab- , lehnung des Vorsitzenden zu befassen hatte, kam zu dem Be- § W die von der Verteidigung gegen Landgerichts- ' dircktor Westerkamp vorgebrachtcn Ablehnungsgründe und Be- Hchwerden keinen Anlaß böten, den Vorsitzenden als befangen anzusehen. Der Antrag wurde zurückgewiesen und sodann in die eigentliche Verhandlung eingetreten, die aber nach Erledi gung einiger Formalitäten vertagt wurde. Spiel und GpsrS. Das Ergebnis des Dortmunder Sechstagerennens ist folgendes: 1. Nieger-Knappe 585 Punkte, 2. Möller- Lewanow 483, 3. de Graeve-Buysse 456, 4. Persyn-Ver- schelden 328, 5. Bauer-Krupkat 238, 6. Saldow-Lorenz 152, 7. Jensen-Steingaß 66 Punkte. Eine Runde Zurück Louet- Mühlhoff. Oberbürgermeister Eichhoff überreichte den beiden Siegern die Ehrenpreise. . Die diesjährigen Rhönsegelflüge. Nach einer Mit teilung aus Gersfeld finden die diesjährigen Segelflug- wettbewerbe der Rhön-Rossittengesellschaft auf der Wasser kuppe vom 25. Juli bis 9. August statt. Steigende Mitglredcrzahlen beim Deutschen Schwimmverbande. Nach der Hochflut sportlichen An- - dranges in den Jahren, die dem Kriege unmittelbar i folgten, machte sich, wie bei allen Sportverbänden, auch ! beim Deutschen Schwimmverband in den Jahren 1923 und s 1924 ein Rückgang der Mitgliedsrzahlen bemerkbar. Diese Nückwärtsbewegung ist im Jahre 1925 nicht nur zum i Stehen gekommen, fondcrn die Zahlen zetaen eine leichte Aufwärtsbewegung. Von der weiteren Durchführung des ' Schulschwimmunterrichts dürfte ein stetes Steigen der i Mitgliederzahlen zu erwarten sein. Der junge Coolidge als Amateurboxer! Der Sohn k des amerikanischen Präsidenten Coolidge ist ein begeister- f ter Amateurboxer. Kürzlich hatte er einen schweren Kampf ! mit Silverman, den man drüben gern mit dem Berufs- f meister Benny Leonard vergleicht. Der junge Coolidge erlitt eine schwere Niederlage, erklärte jedoch, als er m seine Ringecke zurückging, daß er zwar besiegt sei, sich jedoch frisch wie eine Blume fühle! Vermischtes. Eine eigenartige Vereinsgründung wurde inOhligs bei Köln vorgenommen. Dort fanden sich die Gepfän deten zusammen, um eine Änderung in den Zwangs- versteigerungsverhältnissen herbeizuführen. Bei den Ver- einsgründern handelt es sich um Leute, denen durch die Ungunst der wirtschaftlichen Lage ein Möbel- »nd ein Bureaustück nach dem anderen versteigert worden ist. Der Verein bat bereits eine aroße Mitaliederzabl erreicht. . Ein weißer Elefant un Londoner Zoo. Der Londoner Zoologische Garten wird in diesem Sommer einen Weißen Elefanten beherbergen. Das seltene Tier ist von einer Missionsgesellschast von einer indischen Sekte in den inneren Waldgebieten Burmas erworben worden und wird nur für wenige Monate in London ausgestellt fein. Die Misstous- gesellschast erhofft von den zu erwartenden Einnahmen die Möglichkeit zur Verbreiterung ihres Wirkungskreises. Der Weiße Elefant wird in Begleitung zahlreicher Wärter gegen Anfang Mai in London ettttreffen. Das Tier wird im Zoo logischen Garten in einem eigens eingerichteten Pavillon gezeigt werden. Man heiratet wieder. Zum erstenmal nach dem Kriege ist wieder eine Übersicht über die Bevölkerungsbe wegung in Europa erschienen. Es ergibt sich vor allem daraus die erfreuliche Tatsache, daß auf unserem Kon- tinent wieder slott geheiratet wird. In einem einzigen Jahr sind in Europa dreieinhalb Millionen neuer Ehen geschlossen worden, überall ist eine Zunahme der Heirats lustigen festzüstellen. An der Spitze stehen Rußland und die Ukraine mit rund 1^i Millionen Hochzeiten in einem Jahr. Gleich nach Rußland rangieren die Belgier, dann kommen die Ungarn. Deutschland steht leider erst an fünfter Stelle. Am wenigsten geheiratet wird (wie auch früher schon) in Schweden und Norwegen; möglich, daß dort die Nähe des Nordpols die Gefühls merklich ab kühlt. In scharfem Gegensatz zu den vielen Heiraten stehen die wenigen Geburten. Nur in Rußland und in — Frankreich zeigt die Geburtenziffer eine kleine Zunahme aeaenüber der Vorkriegszeit. Ehescheidung und Wohnungsnot. In Frankreich hat man die erfreuliche Entdeckung gemacht, daß die Zahl der Ehescheidungen zurückgeht. Man darf daraus allerdings nicht den Schluß ziehen, daß das Bedürfnis französischer Ehepaare, wieder voneinander loszukommen, geringer ge worden sei. Die Sache hat vielmehr einen anderen Grund: Wenn die schsidungslustigen Paare zu dem üblichen Sühne termin erscheinen, wird ihnen von dem klugen Sühnerichter so nebenbei eröffnet, daß der für schuldig erklärte Teil natürlich die gemeinsame eheliche Wohnung werde ver lassen müssen. Das wirkt gewöhnlich so niederschmetternd, daß man nach einigem Besinnen erklärt, man wolle doch lieber zusammenbleiben, da man zwar leicht einen anderen Mann oder eine andere Frau, aber nur sehr schwer eine anders Wohnung finden kann. Auf diese Weise haben sich kürzlich im Laufe eines einzigen Tages nicht weniger als 24 Ehepaare, die sich bereits auf Trennung eingestellt hat ten, miteinander versöhnt. Nachtlager und Gulaschküche im Grabe. In Mare- ist dieses passiert: Der Totengräber und ,,.!,byos»ilärter des Ortes, der am Friedhof wobnt fall in einer der letzten Nächte aus ewem of^ Grabe ein Licht in dis Finsternis dringen. Vou Eu!sc<-eu weckte er zunächst seine Frau, die ihm schlaftrunken mu teilte, daß sie schon in der Nacht vorher Unheimliches be- msrkt habe: es seien vor der Leichenhalle Schatten spa- zierengegangsn. Nun wurde von dem Friedhofswärter auch die Nachbarschaft alarmiert, aber sie lief, nachdem sie über die Friedhofsmauer geguckt hatte, angsterfüllt wieder davon. In der folgenden Nacht mischte sich dann die Poli zei in die Geistererscheinungen. Mit Revolvern in der Hand schlichen sich sechs stämmige Schutzleute auf den Fried hof, wo ihnen sofort ein angenehmer Gulaschgeruch in dis Nase stieg. Und in einem geöffneten Grabe stand ein Mann in Eisenbahneruniform, der mit Behagen den Gu lasch kochte und sich ans zwei Särgen ein Bett zurecht- gemacht hatte. Auf die Frage der Polizei, was er als lebendiger Mensch im Grabs zu suchen habe, erwiderie cr, daß er da unten die Wohnungsfrage gelöst habe und daß ihm bald noch andere Eisenbahner, die keine Wohnung finden könnten, in die Gräber folgen würden. Der Mann wurde mitsamt seinem Gulasch ans dem Grabe entfernt und wird sich nun wegen Friedhofsschändnng vor Gericht zn verantworten haben. Der singende Doktor in Stockholm. In S i -> a h o l m wurde dieser Tage von vielen dankbaren Patienten der 50. Geburtstag des Leiters des BabaLsberg-Kranksnhastsss, Dr. Samuel Hhbbinette, gefeiert, der allgemein als der „singende Doktor" berühmt ist. Der Arzt, der über eins wundervolle Tenorstimme verfügt, verwendet diese Kunst zum Soge» der Menschheit und singt den Patienten, die zur Operativ» vorbereitet werden, Opernarien vor: ja, er entzückt sie sogar durch seine Kunst, wenn er bereits das Messer ansetzt. Er glanbt, daß sein Gesang die Furcht der Kranken verscheucht und zu ihrer Heilung beiträgt. Und daß dieser Glaube nicht bloße Einbildung ist, beweisen die vielen Glückwünsche und Danksagungen, Lie er zu seinem Geburtstag erhalten hat. PatEerblut. Roman von Reinhold Ortmann. 45f (Nachdruck verboten.) In dem Innern Huberts regte sich's wie ein Kampf mit seinem besseren Selbst. Er dachte daran, daß er noch am heutigen Morgen fest entschlossen gewesen war, diesem gefährlichen Roman einen kurzen und end gültigen Abschluß zu geben; er erinnerte sich des furchtbaren Schreckens, der ihn durchzuckt hatte, als er sich bei der Heimkehr von seinem Weibe verlassen geglaubt, und des Unwillens, den er in jenen Augenblicken gegen sich selbst empfunden. Wo waren nun alle die guten Gedanken und Vorsätze dieser bösen Minuten geblieben? Befand er sich denn wirklich schon so ganz im Vann der verführerischen Frau, daß die Vorstellung, sie zu verlieren, hingereicht hatte, einen Sturm leidenschaftlichsten Schmerzes in seiner Seele aufzuwühlen? Und daß er jetzt, in ihrer berückenden Nähe, nur durch den trotzigen Unmut über >br herzloses Spiel abgehalten worden war, sie wild und ungestüm in seine Arme zu reißen? Wohl glaubte er ttch durch diesen Unmut noch immer gepanzert; aber er war dessen schon nicht mehr ganz sicher gewesen, als er eben die leichte Berührung ihrer holden, duftenden Gestalt verspürt, als er dem süßen Sirenenklang ihrer schmeichelnden Stimme gelauscht hatte. Und es war, als ob ein unsicht barer Warner ihm zuflüsterte, nicht auf die Rückkehr des schönen Weibes zu warten, sondern ihrer gefahrdrohenden Gegenwart zu entfliehen, ehe es zu spät geworden war. Aber er hätte ein anderer sein müssen als der eisen köpfige Bauernsohn, um diesem Warner Gehör zu schenken. Und es war zudem kein glückliches Ungefähr gewesen, das den Konsul Cäsar Frederiksen gerade heute wieder in seinen Weg geführt hatte. Er hatte diesen Mann gewiß niemals geliebt, aber er hatte doch noch nie eine so tiefe, an wirklichen Haß grenzende Abneigung gegen ihn emp funden wie heute. Mit nagendem Ingrimm nur konnte er daran denken. daß dieser undurchdringliche Hamburger, hinter dessen Stirn man niemals etwas von seinen Gedanken lesen konnte, jetzt bei seinem Weibe saß, um vielleicht traute Iugend- erinnerungen mit ihr auszutauschen. Er sagte sich nicht, daß Helga einem Alleinsein mit ihrem Vetter sichtbar geflissent lich hatte vorbeugen wollen, daß er seiber es gewesen war, der ihnen durch sein Fortstürzen dies Alleinsein auf gezwungen hatte. Er vergegenwärtigte sich nur noch die Situation so, wie es ihm eben gefiel, sie sich vorzustellen. Und wenn es auch ganz gewiß nicht Eifersucht im ge wöhnlichen Sinns des Wortes war, was er dabei emp fand, so war die Vorstellung doch hinreichend, ihm den Ge danken einer feigen Flucht aus dem Hause der Gräfin im Lichte einer ungeheuren Lächerlichkeit erscheinen zu lassen. Was seiner Frau erlaubt war, würde doch wohl auch er sich gestatten dürfen. Und am Ende hatte er für ihre Standhaftigkeit keine besseren Garantien, als er sie für sein eigenes Verhalten während der nächsten Viertelstunde in sich fühlte. Sollte er nur darum seit seinen Jünglings- jähren aller Spießbürgerei den Krieg bis aufs Messer er klärt haben, um sich in der ersten bedenklichen Situation selbst wie ein jämmerlich feiger Spießbürger zu benehmen ? Nein, er wollte bleiben — nun gerade wollte er bleiben. Und was kommen sollte, mochte immerhin kom men. Er war doch wohl Manns genug, die Verantwortung für seine Handlungen zu tragen. Kein bestimmtes Geräusch, sondern die instinktive Ahnung von etwas Außerordentlichem, das hinter seinem Rücken geschah, hatte ihn veranlaßt, in rascher Bewegung den Kopf zu wenden. Nun aber stand er regungslos, keines Wortes, nicht einmal eines Ausrufs der Ueberrajchung fähig. Die er da vor sich sah, war ihm ja keine neue Erscheinung mehr, denn es war die Gräfin im Kleopatra- Kostüm des gestrigen Abends. Aber sie schien ihm dennoch eine ganz andere, schien ihm tausendmal königlicher, tausend mal schöner und verführerischer als die Beherrscherin der gestrigen Probe. Nicht der Schmuck, der an ihren nackten Armen, an ihrem weißen Halse und auf ihrer halb ent blößten Brust funkelte, konnte diese Veränderung bewirkt haben. Sie mußte in dem Ausdruck ihres Gesichts liegen, in dem süß schmachtenden Lächeln ihres leicht geöffneten Mundes, in dem herausfordernden Glanz ihrer voll zu ihm aufgeschlagenen Augen. Und er dachte auch gar nicht daran, sich nach der Ursache zu fragen: er gab sich wider standslos dem hinreißenden Eindruck gefangen, wie man sich einer Macht unterwirft, gegen die zu kämpfen von vornherein törichtes Unterfangen wäre. Wohl eine Minute lang starrte er stumm auf die sinnberückende Frauengestalt: dann mit einem Laut, der sich fast wie ein Stöhnen aus seiner Kehle drängte, stürzte er vor ihr auf die Knie und bedeckte ihre Häude, die sie ihm widerstandslos überlieh, mit seinen durstigen, brennenden Küssen. „Aber, um des Himmels willen, mein Freund, was tun Sie?" mahnte sie halblaut und in einem Ton, der alles andere eher als eine Zurückweisung bedeutete. „Wenn man uns so überraschte —I" Er erhob sich nicht, aber er gab ihre Hände frei, um mit beiden Armen ihre schlanke, geschmeidige Gestalt zu umschlingen, wie wenn er sie zerbrechen wollte. „Wie schön du bist, Pola l Schöner, als je ein Weid auf Erden gewandelt! Du bist die Göttin der Schönheit — die Göttin der Liebel Und du mußt mein sein — mein — oder ich schwöre, daß ich hier zu deinen Füßen sterbe." „Sie sprechen wie ein Tor, Hubert! Wollen Sie denn, daß ich bereuen soll, mich Ihnen so gezeigt zu haben? Gestern konnte ich Ihre Kühnheiten dulden, weil wir eben eine Komödie spielten. Jetzt aber sind wir nicht Antonim und Kleopatra, sondern zwei nüchterne Alltagsmenschen^ die die Mcht haben, verständig zu bleiben." Sie hatte einen schwachen, nicht allzu ernst gemeinten Versuch gemacht, sich seiner Umschlingung zu entwinden, und er mußte fühlen, daß es ihr in Wahrheit durchaus nicht darum zu tun war, ihn zu entmutigen. Darum sprang er wohl auf, aber er gab sie nicht frei, sondern preßte sie nur noch stürmischer an sich und vergrub seine Lippen in den weichen Wellen ihres duftenden Haares. „Pola!" stieß er mit heißem Atem hervor. „Meine geliebte Polal" (Fortsetzung folgt.)
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