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Dresdner Brief. „Sie kommen mir so bekannt vor!" Es gibt Redensarten, die von einem zum andern gleiten, durch Stadt und Land, die uns anfliegen wie der Staub der Straße, wie Bakterien, nur meistens nicht so unheilvoll und gefährlich, sondern für uns ganz selbstverständlich, für andere eher lächerlich. LächerUch nicht wegen der Reden», art selbst, sondern wegen ihrer Häufigkeit. In Dresden begegnet man nur zu oft den Worten: „Tie kommen mir so bekannt vor!* In jeder Gesellschaft kann man rS hören, auf der Straße, im Ballsaal in der Straßenbahn, besonder» die männliche Hälfte der Bevölkerung benutzt diesen Satz gegenüber den Vertreterinnen der weib lichen Hälfte und zwar ebenso gegen junge wie ältere Damen. Nun ja, was ist denn dabei so Besonderes? Warum soll die Dame dem Herrn nicht bekannt vorkommen? Gemach, ihr lieben Leute, die Redensart ist bemerkenswert, weil sie meist auf Unwahrheit beruht und nur dem Wunsche ent spricht, einen Anknüpfungspunkt zu bilden, eine Landungs brücke bei derjenigen älteren oder jüngeren Dame, bei der s das Landen schwierig, aber erwünscht rst. O, ihr schüchternen Herren der Schöpfung, findet ihr keine anderen Worte, die Aufmerksamkeit eurer Dame zu erregen? In Dresden scheint eS nicht so, und die Redens art:. „Sie kommen mir so bekannt vor!' ist ja auch äußerst bequem und niemand kann behaupten, daß dem nicht so sei. Ais ich ein ganz junges Mädel war und noch allen möglichen und unmöglichen Studien oblag, trat mir diese Redensart zum ersten Mal entgegen und jetzt, wo manches Jahrzehnt darüber hingegangen, sprach ein Mann wieder dieselben Worte zu mir. Das erste Mal war's ein junger Stutzer, der dem unerfahrenen Ding auf solch schlaue Art Name und Art abzuschwindeln versuchte, das letzte Mal ein kleiner dicker Herr, der obschon alt und grau, doch noch Anschluß zu suchen schien. Unterdessen habe ich die Redens art auch anderen gegenüber unendlich ost gehört und mich darüber gewundert, daß die Dresdner Frauen und Mädchen nur zu leicht darauf hereinfallen, wo sie sonst nicht so zu gänglich wären. Kommt da in einen Zigarrenladen der Vorstadt ein elegant gekleideter Herr, dem man trotzdem unschwer den Landjunker ansteht. Er läßt sich seinen Zigarettenbehälter füllen und mustert dabet mit Wohlgefallen die hübsche Frau, die ihn bedient. Sie gefällt ihm und er zögert. Was sagt man nur, um seine Wünsche kund zu tun? Endlich, nachdem bezahlt und einer der Glimmstengel in Brand gefitzt ist, fällt ihm die rettende Redensart ein: „F'äulein, Sie kommen mir so bekannt vor. Haben wir uns nicht schon irgendwo gesehen?' „Ich glaube kaum,' sagt die junge Frau zurückhaltend. Aber der Faden ist gefunden und der Landonkel spinnt ihn weiter bis zu der ihm am Herzen liegenden Frage, ob be sagte junge Frau mit ihm einen fidelen Abend verleben wolle. Zur Ehre der Dresdner Weiblichkeit sei es gesagt, daß der menschenfreundliche Onkel unverrichteter Sache ab ziehen mußte. Ein andres ähnliches Gespräch belauschte ich auf der sehr belebten Pillnitzer Straße. Kommt da eine junge Dame schnellen Schrittes gegangen, ein dicker Herr ihr entgegen. Der Herr stutzt, sie lächelt, — er zieht den Hut, — sie ver neigt sich, — beide bleiben stehen Da faßt er sich ein Herz: „Freilein, Sie kommen mir so bekannt vor. Haden wir uns nich schon Srjendwo gesähn?" „Das kann schon sein,' sagt sie nachdenklich, „aber wo?' „Nu, vielleicht in Meißen?" „Ja, das ist möglich, in Meißen!" „Waren Sie denn schon in Meißen?" „Nee " „Ich ooch nich. Aber das iS egal. Darf ich Sie vielleicht begleiten?" Sie nickt rin errötendes „Ja', — er ist selig, kehrt um, trippelt mit seinen kurzen Beinen neben ihr her, — wohin? Ich weiß eS nicht, denn nur zu bald ist das Pärchen im Gewühl verschwunden. Jaja, so wirds gemacht. Ob im schönsten Hochdeutsch oder im unverfälschten Dialekt Dresdner Vorstädte und Hinterhäuser, die Redensart ist da und hat schon manchem schüchternen Jüngling über die erste Verlegenh-itsstammelki hinweggeholfen. Regina Berthold. - Hus arm «erievtslasl Z Berraguug vcs Prvzegrs gegen Overpaaisanwau Lr. Asmus. Zu Beginn der Sitzung im Asmus-Prozeß teilte der Vorsitzende mit, daß das Gericht den bereits angckündig- ten Beschluß über die Verwendung weiterer Akten aus der Voruntersuchung noch aussetzen und versuchen wolle, durch Vorhaltungen aus 15 Aktenstücken und Erklärungen des An geklagten dazu das erforderliche größere Gesichtsfeld zur Be urteilung der Amtstätigkeit des Angeklagten zu schaffen. Gegen diesen Vorschlag wurde von den Verteidigern und vom Angeklagten schärfster Einspruch erhoben. Das Gericht be- jkchloß daraus, diesem Antrag stattzugeben, und vertagte den Prozeß. Als Termin für die neue Hauptverhandlung wurde Ende März oder Ankang April in Aussicht genommen. Sind die Eisenbahner noch Staatsbeamte? Eine grund sätzliche Gerichtsentscheidung sür die Eisenbahner hat die Große Straslammer in Elb er selb gesäll«. Der Staats anwalt batte gegen einen Kassenbeamten der Eilgutabsertigung Elberfeld Anklage wegen Unterschlagung von 74VÜV Marl er hoben, ein Verbrechen, das er als Staatsbeamter tn amtlicher Eigenschaft ausgrsüh« habe. Das Erweiterte Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zu eineinhalb Jahren Gefängnis und erörterte bei der Verhandlung die Frage, ob die ReichS- bahnbeamten nach der Gründung der Retchsbahngesellschast überhaupt noch Beamte im Sinne des Strafgesetzbuches seien. Im Gegensatz zu der vor kurzem erfolgten Behandlung der Frage seitens des Oberlandesgerichtes Hamm erklärte das Erweiterte Schöffengericht, in der Dienst,ätigkeit des Ange- klagien irgendwelche öffentlich-rechtlichen Funktionen nicht er blicken zu können, und verurteilte ihn nur wegen einfacher Unterschlagung. Der Staatsanwalt vertrat einen anderen Standpunkt und legte Berufung ein. Die Berufungsinstanz bestätigte jetzt die Auffassung des Schöffengerichts und damit auch das Urteil nach der rechtlichen Seite hin. Es erklärte, da die Reichsbahn eine Privatgesellschaft sei und der Angeklagte nur eine Tätigkeit ausgeübt habe, die als öffentlich-rechtliche Aktion nicht angesehen werden könne, könne seine Verurteilt»«« wegen Amtsverbrechen» nicht erfolgen. ME ME Z)/e -Amo Sw/77/77S/r. /LOL'/r - Ml»