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Wilsdruffer Tageblatt : 03.02.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192602038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19260203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19260203
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-02
- Tag 1926-02-03
-
Monat
1926-02
-
Jahr
1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 03.02.1926
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2)ie Aüsgave iaurete c-aym, unter Bekämpfung der Küsten batterien eine Landungsoperation vorzunehmen. Dis Operationen wurden durch schlechtes Wetter behindert. Der Brieftaubendienst hat, wie es heißt, völlig versagt. Auch die Luftaufklärung ist nicht ganz geglückt. Als die Lenkluftschiffe aus der Flughalle Montebourg eingesetzt werden sollten, waren sie nicht in manövrierfähigem Zu stande. Am 10. und 11. Februar werden sämtliche fran zösischen Kriegsgeschwader bei Cherbourg zu großen Ma növer,! zusammengezogen werden. Flagellantenunruhen in Bordeaux. Eine Volksmenge von etwa 200 bis 300 Personen sammelte sich vor der Ka pelle der Flagellantensekte in Bordeaux an und versuchte mit Gewalt in das Heiligtum der Sektierer einzudringen. Der Kastellan widersetzte sich mit der Waffe in der Hand und verletzte drei Demonstranten mit Revowerschnsten. Die Polizei konnte schließlich die Ordnung wieder Her stellen. Die Oberin der Sekte hatte sich vorsichtigerweise auks Land geflüchtet. Die Stürme im Atlantik. Die Stürme im Atlantik dauern unvermindert an. Der Hapag-Dampfer „West phalia" rettete vie zwanzig Mann starke Besatzung des holländischen Frachtschiffes „Alkaid", das sich in großer Seenot befand. Das amerikanische Unterseeboot „T. 3" mußte von einem Dampser ins Schlepptau genommen werden, da sein Olvorrat ausgegangen war. Der Ozean dampfer „Olympic" meldet, daß er infolge heftigen See ganges nur mit sechs Knoten stündlicher Geschwindigkeit fahren kann. Verschiedene kleinere Schiffe befinden sich in Seenot. Zwei furchtbare Feuersbrünste richteten sehr großen Schaden in zwei Stadtteilen Newhorks an. Neun große Verkaufshäuser wurden im Southend- Viertel vollstäuvig zerstört. Der angerichtete Schaden wird auf mehr als zwei Millionen Dollar ge schätzt. — Die andere Feuersbrunst, die zu gleicher Zeit wütete, vernichtete die Bureaus der Standard Oil Cy; der Schaden beträgt hier weit über 300 000 Dollar. Schweres Automobilungtück in Australien. Der Führer eines vollbesetzten Automobilomnibusses verlor bei der Stadt Belgrade im Staat Victoria auf einer sehr abschüssigen Straße die Gewalt über seinen Wagen. Der Omnibus überschlug sich, wobei drei Personen ge tötet und etwa fünfzehn zum Teil schwer verletzt wurden Lunte Tageschronik Breslau. In Hußdorf in Schlesien erschlug ein 88jäh- rlger Rentner seine 62jährige Frau, übergoß die Leiche mit Petroleum, zündete sie an und erhängte sich dann. Nachen. In der Mariannen-Klinik in Aachen wurde eine ( Frau von vier Mädchen entbunden. Mutter und Kinder befinden sich wohl. Caub. Das Blücher-Museum, das beim Einzug der Besatzuugstruppen in das Rheinland 1918 zum Teil nach Limburg und zum Teil nach Naumburg a. d. S. verlegt worden war, wird in nächster Zeit wieder eröffnet werden. Ruhrort. Beim Bau eines Schornsteins auf der Hütte Phönix" stürzte ein Gerüst mit drei Arbeitern in die Tiefe; alle drei fanden dabei den Tod. Brisbane. Die Salomoninseln sind von einem heftigen Erdbeben heimgesncht worden. Die Kirche der katholischen Mission in Tulagi ist zerstört worden. Soweit bis setzt bekannt ist, find Personen nicht zu Schaden gekommen. Arbeiter und Angestellte. Essen. (Kündigung des Lohnabkommens in der nordwestlichen Gruppe der Elsen- und St a h l i n d u str i e.) Der Arbeitgeberverband für den Bezirk der nordwestlichen Gruppe der Eisen- und Stahlindustrie hat das durch den Schiedsspruch vom 28. Oktober 1925 festgesetzte Lohnabkommen zum 28. Februar 1926 gekündigt und eine Her absetzung der Löhne gefordert. Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften finden am 11. Februar statt. Warschau. (Anwachsen der Arbeitslosigkeit in Polen.) Die Arbeitslosigkeit ist weiter stark gestiegen. Am 24. Januar zählte man 355 347 Arbeitslose, von denen die Halste Unterstützung erhielt. Aus -em GerichSssaal. § Barniat-Prozcß erst im zweiten Halbjahr 1926. Bei der Fülle der Akten, die sich mittlerweile in Sachen Varmat ange sammelt haben, ist eine eventuelle Eröffnung des Hauptver- sahrens erst nach Ablauf einiger Monate zu erwarten. Da andererseits nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Verteidi gung ebenfalls mehrere Monate zur Vorbereitung beanspruchen dürfte, ist damit zu rechnen, daß der erste Termin erst in der ! zweiten Hälfte des Jahres stattsinden kann. H Weiter« Vernehmungen im Bartels-Prsgeß. Im Prozeß Holzmann-Bartels wurde der.Kaufmann Wladimir Winzer als Zeuge vernommen. Der Zeuge verbreitete sich über die Differenzen mit Holzmann. Dieser habe ihm 5000 Dollar ge schuldet. Die Differenzen seien so groß geworden, daß er, Zeuge, im Hotel Wiesbadener Hos Holzmann eine Ohrfeige gegeben habe. Dann fuhr Minzer fort: Am 12. September kam Holzmann uni 6 Uhr früh ohne Mantel mit hochgeschla genem Kragen Plötzlich zu mir. Ich sagte ihm, daß ich nichts mit ihm zu tun haben wolle. Er bat mich, ich sollte doch nicht zu Kutisker Schlechtes über ihn sprechen, da er sich mit ihm vergleichen wolle. Holzmann kniete vor mir und küßte mir die Hände. Nach zwei Tagen wollte ich von Dr. Horstmann Auskunft wegen der Einreise meiner Mutter haben. Dieser erzählte mir, daß Holzmann Bartels erzählt hätte, daß ich zwei Deutsche erschossen habe. Ich habe damals gesagt, Holz mann ist ein großer Lügner und Horstmann solle sich von Holz mann eine schriftliche Bescheinigung geben lassen, ob er diese Äußerung getan habe. Als ich Holzmann zur Rede stellte, bestritt er, so etwas gesagt zu haben. — Minzer bekundete weiter, er habe Regierungsrat Bartels Mitteilung davon ge macht, daß Holzmann ihm gesagt habe, er, Bartels, sei be stechlich, da Holzmann ihm Kredit verschösse. § Verurteilung wegen Landesverrats. In Leipzig hatte sich vor dem vierten Strafsenat des Reichsgerichts der 34 Jahre alte Aushilfsarüeiter Georg Johann Mayerhos aus München wegen Landesverrats zu verantworten. Mayerhof war kurz vor Beginn des Krieges, um sich einer Strafe zu entziehen, nach Frankreich geflohen. 1919 kehrte er nach Mün chen zurück. Hier trat er der K. P. D. bei und betätigte sich politisch. Wegen einer anderen Sache wurde die Staatsanwalt schaft auf ihii aufmerksam und verhaftete ihn wegen Landes verrats. Das Urteil lautete aus fünf Jahre Festungshaft. Z Das Urteil im Margics-Prozetz. Nach dreiwöchiger Dauer wurde in Bochum im Prozeß gegen den Tschekaführer Mar- gies das Urteil gefällt. Der Gerichtshof hielt Margies des Totschlages an dem Polizeibeamten Cyron und des Totschlag versuchs an den Polizeibcamten Seitz und Eichholz für überführt. Er erkannte aus acht Jahre Zuchthaus im Fall Cyron und auf je zwei Jahre Zuchthaus in den beiden anderen Fällen. Die Strafen wurden auf elf Jahre zusammeugelegt. Außerdem wurden dem Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte auf sechs Jahre entzogen und aus Stellung unter Polizeiaufsicht erkannt. Z Verurteilung wegen Hochverrats. Vor dem Staatsgerichts- hos zum Schutze der Republik hatte sich der Installateur Karl Braun aus Aachen wegen Beihilfe zum Hochverrat, Ver gehens gegen das Republikschutzgcsetz, Verheimlichung von Wafsenlagern, unbefugten Waffenbesitzes und Sprengstoffver gehens zu verantworten. Das Gericht verurteilte Braun zu zwei Jahren Gefängnis und 200 Mark Geldstrafe; sechs Mo nate der Freiheitsstrafe und die Geldstrafe gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Naß oSer trocken? Gem ei ndebe stimmungsrecht und Alkohol. Ganz nebenbei, fast erdrückt von der Fülle der übrige« Begebenheiten, verzeichnete der Reichstagsbericht der letz ten Tage mit lakonischer Kürze die Tatsache, daß Anträgt bezüglich des GemeindebestimmungsrechteL wieder an den Hauptausschuß zurückverwiesen worden seien. Die Öffentlichkeit kann an diesem Vorgang nicht vornbergehen, denn hinter ihm verbirgt sich, von den wenigsten erkannt, ein wichtiges Kapitel deutscher Innen politik, das sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher Beziehung von größter Wichtigkeit werden dürfte. Was ist es mit dem Gemeindebestimmungsrecht? Be strebungen der Alkoholgegner, unterstützt von poli tischen Parteien, namentlich Sozialdemokraten und Kommunisten, gehen schon seit längerer Zeit dahin, den Gemeinden Vas Recht 'zu verleihen, auf dem Wege der Abstimmung ihrer Bürger darüber zu entschei den, ob in ihren Mauern Alkohol ausgeschenkt werden darf oder nicht. Das R e i ch s w i r t sch a f t s m i n i ste- rium, das sich mit der Materie bereits beschäftigt hat, will den Alkoholgegnern allerdings nicht ganz beipflichten, Wik ihnen aber insoweit entgegenkommen, als das Schank st ättengesetz verschärft und die Jugend vor dem Alkohol mehr als bisher geschützt werden soll. Im Lager der Antialkoholiker scheint man mit dieser Regelung sich durchaus nicht zufrieden geben zu wollen. Man be reitet dort vielmehr einen neuen Schlag gegen den Al kohol vor. Man will durch Sammlung von Millionen von Unterschriften, was schon in nächster Zeit gefchehen soll, auf Regierung und Reichstag einen solchen Druck ausüben, daß beide in einem gegen den Alkohol gerichte ten Sinne entscheiden. Die Antriebs für die verschärfte Temperenzbewegung sind bekannt. Sie werden vor allen Dingen gestützt mit der Sorge für die Volksgefun'oheit, wo bei nicht verschwiegen werden kann, daß durch den durch Krieg, Inflation und Geldmangel hervorgernfenen Rück gang des Alkoholkonsums in den letzten Jahren sich namentlich die Zahl der Geisteskranken bedeutend ver ringert bat. die ück> aus Alkobolikern rekrutierten. /ruawtur er aiwra pars — auch die Gegenseite will f gehört werden, die so manches gegen das Gemeindebe- stimmungsrecht anzuführen hat. Da werden zuerst einmal politische Gründe aufgeführt. Die Einführung des Gemeindebestimmnngsrechtes wird als eins Übertreibung des demokratischen Prinzips, d. h. der Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit, betrachtet. Gerade der de mokratische Staat hat, so wird argumentiert, es sich zur Pflicht gemacht, die Minderheiten nicht an die Wand drücken zu lassen. Und mit demselben Rechte wie die Antialkoholiker könnten, ist das Gemeindebestimmungs recht einmal Gesetz geworden, die Vegetarier den Fleischverbranch aus ihrer Gemeinde ausrotten, Leute, die dem Tabak feind sind, den Nikotingenuß verbieten, und Kuch ein anderes süßes Gist, das Koffein, müßte unter Umständen der gebrannten Gerste Platz machen. Sie be fürchten aber auch durch das Gemeindebestimmungsrecht schwere wirtschaftliche Schäden, dis Bro'los- machung vieler Zehntausender in der Brauindustrie Deutschlands beschäftigten Personen, den völligen Ruin ses deutschen Wein- und Kartoffelbaues. Vor ° »Kem aber wird bei den Gegnern des Gemeindebestim mungsrechts die Furcht gehegt, daß dieses Gesetz nur als Sprungbrett zur völligen Trockenlegung Deutschlands nach dem Muster Amerikas benutzt melden soll. Reisende, die aus diesem für viele Deutsche noch j immer geltenden „gelobten Land" in letzter Zeit zurück- s zekehrt sind, berichten über das trockene Amerika dies ergötzlichsten Dinge. Fest steht, daß der Alkohol dort ans ser Öffentlichkeit ganz verschwunden ist, daß aber im ge heimen um so mehr gezecht wird, wobei die Qualität! der alkoholischen Getränke oft sehr fragwürdig und ihr! Preis im Vergleich hierzu geradezu phantastisch ist. In i Amerika herrschen bezüglich des Alkohols dieselben Zu stande wie in Deutschland bei der Zwangsbewirtschaftuns > der Lebensmittel während Krieg und Inflation. Dast Schieber- und Schmugglerwesen steht in voller Blüte und, manche amerikanische Zeitung verherrlicht die Kühnheft! der Alkoholschmuggler. Diese Zustände werden von den Gegnern des Ge-, meindebestimmungsrechts als unvereinbar mit der für i ein Volk notwendigen guten öffentlichen Moral gehalten. Auch sie sind sich klar und wollen dafür eintreten, daß so wohl dem Alkoholmißbrauch gesteuert wie auch! die Jugend vor dem Alkoholgenuß bewahrt werden müsse.! Sie glauben aber, daß diese Ziele auf anderen Wege« als über das Gemeindcbestimmungsrecht erreicht werden können, mit Mitteln, die nach ihrer Ansicht nicht so scharf in das politische und wirtschaftliche Leben Deutschland» rinschneiden und ihnen nicht so schwere Erschütterungen bringen, wie es das GemeindebestimmungsrechL tun würde. . Es handelt sich also hier um wichtige Fragen, was man schon daraus ersehen kann, daß der Reichs taz zunächst einer klaren Stellungnahme ausgewichen ist. Und der geplagte Bürger wird sich so außer mit Steuern und Fürstenabfindungen, Völkerbund und Skandalprozesse« aller Art auch mit der brennenden Frage beschäftige« müssen: Deutschland, naß oder trocken? Vermischtes Der Umhang. Jeder Mensch hatte einmal eine Groß mutter, die ein Umhänge- oder Umschlägctnch hatte, n«d in manchen alten Schränken liegen noch derartige Tücher als rührende Erinnerung an jene Zeit, die wir die „gute alte" zu nennen pflegen. Großmütter gibt es auch beute noch, aber die Umhängetücher waren aus der Mode ge kommen, und man sah sie zuletzt nur noch im Film: wenn dort eine arme Frau aus dem Volke, ein Elendsgefchöpf, auf die Leinwand kommt, trägt sie als Zeichen ihrer großen Not und ihrer Armut unfehlbar ein Umhängetuch; die Kinoregisseure wissen das eben nicht anders. Jetzt aber scheint der Umhang der Großmutter auch außerhalb des Kinos wieder znEhren kommen zu sollen; einstweilen taucht er erst schüchtern und verschämt auf, aber es wird schon werden, und eines Tages wird er wieder ebenso modern sein wie Pagenkopf und kurzer Rock. Augenblicklich steht der Verbreitung des Umhängetuches nur noch die gewich tige Tatsache entgegen, daß die Damenkleider oben etwas sehr ansgeschnitten sind: wenn man aber schon einen schö nen Ausschnitt hat. will man ihn doch auch zeigen uni» nicht durch einen Umhang verdecken. Aber es wird sich sicher ein Ausweg finden lassen und das Umschiagetuch, stas uns diesmal aus Italien kommt, wird schon irgendwo intergebracht werden; wenn nicht anders, 'wird es die vor- nehme Dame zu Hause tränen . . . Dämon öes Lebens. Kriminalerzählung von A. Ostland. K)j (Nachdruck verboten.) Im Garten traf Edith auf Lilian Aldermore. Die neue Hausgenossin kam ihr freundlich entgegen. Als Edith ihr den Brief gab, riß sie den Umschlag sofort herab und las das kurze Schreiben. Ein Zug von Befriedigung trat in ihr Gesicht. Sie steckte das Blatt in die Tasche und schritt neben Tdith ins Haus. Als sie dort den Hauptmann trafen, war Lilians Begrüßung vollkommen ungezwungen. Sie schien seine tieie Blässe, die kalte Abwehr in jeder seiner Bewegungen gar nicht zu sehen. Ganz unbefangen saß sie neben ihm am Frühstückstisch. Manches Mal hob er Len Blick wie in einer stummen Frage zu ihr, doch sie beachtete es gar nicht. Nur ihre Hände spielten nervös «uf der Tischdecke, und einmal riß sie hastig ihr Taschen tuch hervor, um sich ein paar Schweißtropfen von der Stirne zu wischen. Dabei fiel der Brief, welchen sie »den erst erhalten hatte, zu Boden, ohne daß sie es be merkte. AVer der Blick des Mannes, welcher unausgesetzt jede ihrer Bewegungen verfolgte, faßte auch dies kleine Geschehnis. Und fortan heftete er sick mit bohrender Gleich mäßigkeit an das helle Blatt, welches unbeachtet unter dem Tische lag. Lilian Aldermore erhob sich sofort nach dem schnell eingenommenen Frühstück. Sie grüßte nur kurz und ging hinaus. Aber gleich steckte sie nochmals den Kopf zur Türe herein. > „Pluto liegt wieder unten auf der Matte. Der Hund wird mich nicht vorüberlassen. Er mag mich nicht. Edith — wärest du so freundlich, die wenigen Schritte mit mir zu gehen?" Sie hatte gleich von vornherein „als Verwandte" Lem jungen Mädchen das „Du" angeboten. Edith hatte sich -war iekr kübl verbalten und vermied konsequent jede direkte Ansprache, doch Lilian gebrauchte das vertrauliche Wort trotzdem. Auch jetzt erhob sich das Mädchen nur widerwillig. Aber sie ging doch mit. Draußen, in dem dunklen Gange, faßt« Lilian plötzlich nach Ediths Hand. . , „ , „Kind," sagte sie flüsternd, „du mußt mir heften! Ich brauche dich und deine Klugheit. Denn daß du klug bist, das weiß ich, trotzdem ich dich erst so kurze Zeit kenne." Edith zog ihre Hand zurück. „Helfen? Womit?" fragte sie kühl. Lilians schönes Gesicht neigte sich ihr noch näher zu. „Dein Vater ist van einer fixen Idee befallen," sagte sie, „er fürchtet von jedem, der seinen Grund betritt, Böses. Und besonders von einem Menschen —" „Von wem?" unterbrach Edith sie erregt. „Der Name tut nichts zur Sache, Kind? Aber so viel ist sicher : Der Mann, welchen dein Vater so sehr fürchtet, kommt ohne böse Absicht hierher —" „Er kommt hierher?" „Ja, zu mir. Nur in das Gartenhaus, Edith. Und ich kann nicht anders, ich muß ihn empfangen. Es hängt da für mich zuviel davon ab. Und auch im Interesse deines Vaters ist es. Gewiß. Also: Jener Herr kommt heute abend. Er wird rückwärts beim kleinen Gartentore klopfen. Den Schlüssel habe ich be reits." „Oeffnen werde ich ihm selbst. Das Haus hier wird er nicht betreten. Und du, Edith, sieh zu, daß dein Vater es nicht verläßt, daß er sich zur Ruhe begibt wie gewöhnlich, baß er nichts erfährt! Glaube mir, das ist das beste I Auch für ihn." Sie hatte wieder die Hände des Mädchens erfaßt, l Beinahe beschwörend sah sie in das kluge, junge Gesicht. ; „Latz ihn nicht aus dem Haus," flüsterte sie nochmals, s „versprich es mir!" Aber Edith Willstadt konnte nichts versprechen, denn eben erhob sich Pluto mit wütendem Gebell. Es bedurfte aller Ueberredungskünsle des jungen Mädchens, das alte, s treue Tier zu beruhigen. Als Lilian, während Edith de» Hund am Halsband zurückhiett, rasch vorüberhuschts, sah sie nochmals fast befehlend zurück. Dann ging sie raschen Schrittes den Gartenpfad hinab, dem alleinstehenden Häuschen zu. Edith kam noch einmal ins Eßzimmer zurück. Ader ihr Vater war schon verschwunden. Von drinnen — aus seinem Zimmer — vernahm sie hastige Schritte. Er schien aufgeregt auf- und abzugehen. Edith erinnerte sich flüchtig, daß sie beim Verlassen des Zimmers ein Papier unter dem Saum ihres Kleides hatte rascheln hören. Sie bückte sich und sah nach. Aber auf dem großen, dunklen Teppich war nicht das mindeste zu sehen. * * * Als Herbert von Ramin, nachdem er Edith so un gern und zögernd verlassen batte, nach der Stadt zurück- gekehrt war, ging er nochmals in sein Bureau. Sein Chef, welcher ihn als einen pflichtgetreuen und verwend baren Beamten schätzte und ihm sein ganz besonderes Zutrauen schenkte, arbeitete noch in seinem Privatzimmer. Ramin sah das Licht der elektrischen Lampe durch dis matten Scheiben der Türe. Ais er nebenan, in feinem eigenen Bureau, eine Lade aufzog, klang auch schon die Klingel, welche ihn zum Chef berief. Eine Minute später betrat er das Gemach. Der Abteilungsvorstand, Dr. Hesselbach, ein magerer, älterer Herr, saß in seinem Lehnsessel vor dem großen Schreibtisch, auf dem eine Fülle von Papieren und Schreibgeräten, Büchern, Broschüren, Heften usw. auf- gestapelt war. Als der junge Beamte eintrat, blätterte Dr. Hesselbach in einem Berichte. Nun legte er ihn aus der Hand. (Fortsetzung folgt.)
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