Volltext Seite (XML)
Hus Staat uns Lana. sm m«,e «obr»! »el,»-« Wir i»«er Laüüdrr c»liss«». Wilsdruff, am 14. November 1923. Deputate der landwirtschaftlichen Angestellten und Arbeiter. Im „Nossener Anzeiger" verriet dieser Tage ein „Ein sender" der ahnungslosen Leserschaft, was so ein landwirtschaft licher Arbeiter an Deputaten vereinnahmt. Besonders die dar benden Stadtbewohner werden nach Kenntnisnahme dieser Mengen ausgerufen haben: „Das ist ja ungeheuerlich!" Danach erhält z. B. ein Oberschweizer mit Frau, aber ohne Kinder, «reicher zwei Unterschweizer in Kost hat, neben seinem tariflichen VarlvHn folgende Warendeputate im Jahre: 93,60 Ztr. Kartoffeln — 25 Pfd. pro Tag, 1460 Liter Vollmilch — 4 Liter pro Tag, 24 Ztr. Roggen — 6,5 Pfd. pro Tag, 6 Ztr. Weizen — 1,6 Pfd. pro Tag, 550 Pfd. lebend Schwein (2 Stück) zum Schlachten. Der Schäfertarif verschreibt für einen verheirateten Schäfer lohne Hilfskraft) folgende Deputate pro Jahr: 730 Liter Vollmilch, 250 Pfd. lebend Schwein, 16 Ztr. Roggen, 4 Ztr. Weizen, 6 Ztr. Gerste, 80 Ztr. Kartoffeln. 3m garten pro Jahr also 26 Zentner Getreide, das sind pro Tag i» Jahr über 7 Pfund Getreide und ziemlich 22 Pfund Kar toffeln. Für die Fütterung eines Schäferhundes werden außerdem 8 Zentner Roggen oder Gerste verordnet. Wenn man als Stadtbewohner, der die Begriffe von Zentnern, auf Roggen oder Weizen an-geordnet, nur vom Hören sagen, gewissermaßen aus der Zeitung heraus kennt, so kann einem schwindlig werden. Die große Mehrheit der Stadt bewohner hat es im ganzen Leben nicht kennen gelernt, einen Zentner Roggen oder gar Weizen als eigen zu Haufe zu haben! Kartoffeln, wer nicht gerade einen- kleinen Vorrat „gestoppelt" hat, kauft man nur pfundweise. Bei Preisen von mehreren hun dert Milliarden Mark der Zentner sind nur wenige in der Lage, nach Zentnern einzukaufen. 250 Pfund lebend Schwein! Das ist pro Tag V« Pfund! Das Quantum entfällt nicht einmal im Monat auf den Städter! Und nun gar die Milch! 4 Liter Boll- mklch am Tage! Bei „ohne Kinder"! Wenn unsere milch- losen Säuglinge und Heranwachsenden Kinder das Ungeheuerliche dieser Angaben zu fassen vermöchten: für ihr ganzes späteres Leben wäre haßerfüllter Neid in ihre uns-chuldsvoll-en kindlichen Herzen versenkt, der sich erst in Generationen wieder verlieren könnte, wenn — die ländlichen Arbeiter das Ungeheuerliche dieser Forderungen erkennen und dadurch zur Ein- -und Umkehr gekommen wären. Da zetert und grollt man mit den ländlichen Besitzern, die „nichts herausgeben-"! Du lieber Gott, — müssen sich deren Herzen nicht zu Stein verhärten gegen solche ungerecht fertigten Unterstellungen, wenn ihnen auf grund sogenannter „so zialer" Forderungen derartige Mengen ihrer verschiedenen Er zeugnisse gleich zuvor „wegtarifiert" werden? Man gönnt gewiß jedem das, was er an den elementarsten Lebensnotwendigkeiten besitzt oder doch fucccssioc erhält, um vor Hunger und Ent- behrung geschützt zu sein. Diese zum Himmel schreiende Un gerechtigkeit in der Verteilung unserer frugalsten Lebensmittel übersteigt aber derart alle Grenzen, daß man nur mit innerster Empörung von solchen „Deputaten" Kenntnis zu nehmen ver mag. Wenn das wirklich die tarislichen Forderungen -der Land arbeiter sind, — wo ist die Stelle, die sie in ihre berechtigten Schranken zurückweist? F. — Die Nachrichtenstelle der Oberpostdirektion teilt mit: D^r Geld-verkehr hat bei den Postanstalten einen solchen Umfang an genommen, daß zur ordnungsmäßigen Durchführung des Dienst betriebes außergewöhnliche Maßnahmen notwendig sind. Mit Genehmigung des Reichspostministeriums werden deshalb seit dem 12. November gewöhnliche und telegraphische Postanwei- sungen und Zahlkarten bei den größeren Pvstanstalten- in Dresden bis auf weiteres nur bis 1 Uhr, bei den übrigen Dresdner Post- anstalten nur während der Vvrmittagsschalterstunden angenom men. Bei der Einlieferung nach dieser Schluhzeit werden die Gebühren für gewöhnliche und telegraphische Aufträge des Geld verkehrs verzehnfacht. Bei den Postanstalten außerhalb Dresdens kann der Schluß für Annahme von gewöhnlichen- und tele- graphischen Postanweisungen und Zahlkarten im Bedarfsfälle ebenfalls bis 1 Uhr vorgerückt werden. . D»«.:13.Nov.: 84000000000« „ 14. Nov.: 1 Goldmark: — 200500000000 Papiermark — Achtung! Briefmarken bis 800 000 Mark werden un gültig! Mit Ablauf des Novembers verlieren alle Freimarken (auch Flugpostmarken) im Einzelwerte von 160 -F bis 800 OOO ihre -Gültigkeit. In -den Händen der Bevölkerung -befindliche, nicht zum Freimachen von Sendungen benutzte Marken dieser Art werden bis Ende Dezember 1923 an den Schaltern der Postanstalten bar oder gegen andere Freimarken eingelöst, wenn von einer Sorte mindestens Marken im Werte von 1 Million Mark vvrgelegt werden. Auch bei höherem Gesamtwert wird ein Teilbetrag unter 1 Million nicht vergütet. Vordrucke mit eingedrucktem Wertstempel (Postkarten, Kattenbriefe, Bri-efum- Mä-ge usw.) werden nicht -eing-elösi. — Wertbeständiges Notgeld der Sächsischen Staatsbank. Um den Uebergang von der stark erschütterten Papiermark währung vorzubereiten, soll bekanntlich Reichsgoldanleihe, die -auf dem Dollarkurs entsprechende Gvtdmärkbeträge lautet, als Ersatzzahlungsmittel in den Verkehr -kommen, bis die Renten mark in genügender Menge -und in genügend kleiner Stückelung vorhanden ist, um den Dienst als Zahlungsmittel zu übernehmen. Auch die Sächsische Staatsbant bringt solches wertbeständiges Notgeld in Beträgen von 10 und 50 Goldpfennigen und 1 Gold mark in kleinen, handlichen Scheinen in den Verkehr. Zur Deckung der Unkosten für die Herstellung des Notgeldes wird ein Beitrag erhoben, der an den Schaltern der Bank zu erfragen ist. Diejenigen, an die Notgeld abgegeben wird, sind jedoch ver pflichtet, das Notgeld ohne Aufgeld weiter zu geben. Ueber den Betrag des ausgegebenen Notgeldes muß nach den Vorschriften des Reichsfinanzministers Reichsgoldanleihe bei der Reichsbank hinterlegt werden. Die staatlichen Kassen Sachsens nehmen das Notgeld der Staatsbank bei Zahlung in Goldmark zum Nenn wert. s — Diebstähle in der Umgebung. In Wei 5 tropp wurde in den letztvergangenen Nächten eine Räucherkammer ausge räumt und daraus gegen 40 Pfund Speck, ferner Schinken und Rauchfleisch von erheblichem Werte entwendet. Ermittlung der Einbrecher wird mit einem Zentner Weizen belohnt. — Im benachbarten Sora erbeuteten vermutlich örtliche Spitzbuben bei einem Einbrüche b50 eingelegte Eier, ferner 14 Stück Butter, Wurst, Fleisch und Wein. — In K a u f-b a ch wurde ein großer Posten Wurst, Brote, Semmeln, Wurst- und Schm-erfett, Eier, Sauerkraut und dergleichen wertvolle Dinge gestohlen. Rus Ser LanaesbauplltsM. Dresden, den 14. November 1923. Ein Kubiknieter Gas 40 Milliarden. Von heute ab be- ttägt der Gutscheinpreis für 1 Kubikmeter Gas (eine Einheit) 40 Milliarden Mark. Unhaltbare Zustände an den Erwe-rbslosenzahlstellen. Den „Dr. N." wird geschrieben: Im Auftrage meiner Firma habe ich qm Dienstag die Kurzarbeiterunterstützung geholt und zwar war ich von früh tt-9 bis nachmittags 3 Uhr unterwegs. Drei Stunden- (B9 bis B12 Uhr) allein habe ich gestanden, um die Bescheinigung zur Auszahlung der Kurzarbeiterunterstützung zu erhalten., Mit dieser mußte ich dann nach der Auszahlungsstelle Königstraße 14, Standesamt, gehen, wo ich bis um 3 Uhr warten mußte. Die Abfertigung ging so langsam vor sich, daß alle zehn Minuten etwa eine Person -das Geld erhielt. (!) In dem Augen blick, wo mir das Geld ausgezahlt wurde, wurde etwa 50 Per sonen hinter mir ein Mann ohnmächtig. Es wurde nach Wasser gesucht, -die Herren Beamten hielten es jedoch nicht für notwen dig, zu sagen-, wo solches zu finden sei. Auf mein Anraten ging man ins Nebenzimmer, wo man endlich Wasser fand. Inzwischen war aber der Mann verschieden-; er war gestorben in -der Zeit, -die zwischen der Inempfangnahme der Bescheinigung lag, die ihn zur Kurzarbeiterunterstützun-g berechtigte und dem Empfang des Betrages. Der Verstorbene heißt Gustav Stein und war bei der Firma Hermann Radisch, Lottaer Straße 13, Erdg., als Schuh macher beschäftigt. . Rus Äem ?reMast Sachsen. Reinsberg. Die Herren Rittergutspächter, Guts- und Wirtschaftsbesitzer haben den hiesigen bedrängten Kleinrentnern Körner und Mehl zu Brot in hochherziger Weife geschenkt. Döbel». Fund eines Steinbeils. Aus einem Felde an der Döbelner Straße fand der Gutsbesitzer Kitzing in Naundorf beim Rüben ausmachen ein Steinbeil. Das Material -ist ei» grünlicher Stein mit schwarzen Adern. Sebnitz. In Böhmen kauft man billiger! Fast zwei Jahre lang sind die sächsischen Grenzbewohner den böhmischen Grenz» orten fernge-blieben. Die riesige Steigerung der deutschen Preise über Friedensparität veranlaßt jetzt viele Grenzsachsen-, wie derum nach Böhmen zu wandern, namentlich- an Sonntagen, wo sie trotz niedriger Bewertung der Mark in Böhmen alle möglichen Lebensmittel, u. a. Butter, aber auch Textilien, Schuhwaren usw., bedeutend billiger als im Inland kaufen können! Sebnitz. Am Bismarckdenkmal wurde eine an der Rück seite eingelassene Bronzetafel herausgebrochen uyd gestohlen. Oelsnitz i. V. Wegen Versuchs -der Emkommensteuerhinter- ziehung hat das Finanzamt Oelsnitz gegen den Pferdehändler Gustav Schmidt in Papstleithen- auf 122 Billionen 800 Milli arden Mark und gegen- den Viehhändler August Schmidt in Tiefenbrunn auf 118 Billionen 500 Milliarden Mark Geld strafe erkannt. Waldenburg. Ein soziales Hilfswerk führt der Inhaber der Firma Eugen Wilhelm, Kaufmann Georg Krause, durch. In rechtem Verständnis für die Notlage der Vollerwerbslosen veranstaltet er -an drei Tagen eine Speisung von 150 Voll erwerbslosen Familien, indem er Nudeln, Reis und Graupen mit Kohlrabi fettig gekocht abgrben läßt. Gleichzeitig erhält jede Familie ein Pfund Brot. Neuelle Meldungen. Limburg Angriffspunkt der Separatisten. Frankfurt (Main), 13. Nov. Die „Franks. Ztg." meidet aus Weilburg: Der erwartete Angriff der Separatisten auf Lim burg fetzte um 10 Uhr vorm. ein. Bewaffnete Banden kamen aus Diez und gingen sofort zum Angriff auf das Limburger Rathaus vor, dessen Schicksal zur Stunde noch unentschieden ist. Die französischen Behörden scheinen--dem Angriff knit Wohlwollen zuzusehen. An die farbigen Truppen ist scharfe Munition verteilt worden. Die in der letzten Nacht eingedrungen-en Separatisten haben heute vormittag das nur von schwachen Kräften der Schutzpolizei besetzte Rathaus eingenommen. Ueber das Schicksal des Bürgermeisters und -der Beamtet ist noch nichts bekannt. Das Postamt ist -von den Separatisten umstellt. Wofür die Reparationskommission Zeit hat. Die „Times" -erklären, die Botschaftcrkonferenz fahre fort, sich -hinsichtlich des Kronprinzen- und der Militärkontrolle unnötig zu -blamieren. An fremde Regierungen dürften nur Forderungen gerichtet werden-, deren -Erfüllung wahrscheinlich oder erzwingbar seien. Der Kölner „Times-Vertreter" hört aus sehr gut infor mierter Quelle, Jarres habe zur Hauptbodin-gung für seinen Ein tritt in das Ministerium gemacht, daß Deutschland keine weiteren Reparationen zahle. Einberufung des Reichstags. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat einen Antrag auf sofortige Einberufung des Reichstags vorbereitet, der vor aussichtlich am Dienstag dem Haufe zugehen wird. Präsident Löbe wird in diesem Falle ohne nochmalige Befragung des Aeltest-enrates eine Plenarsitzung für Ende dieser Woche anbe- rsumen. Nach -der Verfassung muß er das tun, wenn ein Drittel der Mitglieder des Reichstags die Einberufung verlangt. Die erforderliche Zahl der Abgeordneten kann die sozialdemokratische Fraktion aufbringen, lieber die Zweckmäßigkeit eines Zusammen tritts des Reichstages in diesen unruhevollen Tagen kann man sehr geteilter Meinung sein. Gerüchte über den Rücktritt des Reichswehrmimsters. In politischen Kreisen wird davon gesprochen, daß, wahr scheinlich als Folgeerscheinung zu den Vorkommnissen der letzten Zeit, Neichswehrminister Dr. Geßler amtsmüde sei. Wir er fahren hierzu an zuständiger Stelle, daß diese Gerüchte zunächst den Tatsachen vorauseilen. Die Frage ist zurzeit noch keines wegs spruchreif, wenngleich durchaus mit der Möglichkeit ge rechnet werden- muß, daß bei der notwendigen Ergänzung des Reichskabinetts auch eine Neubesetzung -des Reichswehrministe riums in Frage kommt. Nammen. Roman von Hans Schulze. Sekundenlang schloß Hella wie betäubt die Augen, sie empfand nur noch ein dumpfes Stampfen und Wiegen, den gleichförmigen wuchtigen Takt der Räder, der ihr allmählich immer tiefer und erregter in alle Nerven eindrang. Der Wind floß mit einem hohen, pfeifenden Ton um das blinkende Metall des Kiihlers und wühlte in ihrem Haar, daß sie es kaum mit beiden Händen zu halten ver mochte. Das Herz weitete sich ihr im Rausch der Gefahr, wie gebannt lauschte sie auf die gewaltige Melodie dieses eisernen Riesen, daß ihr die ganze Welt ringsum auf ein mal wie eine große, tiefe Einsamkeit erschien, in der nur das Lied ihrer Sehnsucht klang zu den dröhnenden Trom- Melwirbeln der pfeilgeschwinden Maschine. Da mäßigte sich plötzlich das Tempo der stürmischen Fahrt. Der Chauffeur, der bis dahin unbeweglich wie ein Steinbild über seinem Steuerrade gehockt hatte, wandte den Kopf halb zurück und wies auf einen dunkelgewaltigen Bau, der, von einem massigen Burgfried überkrönt, in einem tiefen Waldausschnitt fast unvermittelt aus der Wasserbreite eines Cees emporzuwachsen schien. „Dort drüben liegt Greifenhagen!" Dann war das Bild aus einmal wieder verschwunden. Eine Kiefernschonung schob sich zu beiden Seiten an die Chaussee heran. Der ASagen bog auf einen Landweg ab und mahlte eine Zeitlang mühsam durch tiefen Sand, die die Übersetzung aus dem Getriebe stieß, daß die Maschine gewaltig lärmte, ehe sie mit knatterndem Ruck immer wieder vorwärtsschoß. Und plötzlich antwortete Hundegebell, und Dächer und Gatter tauchten zwischen den Hellen Kiefernstämmen auf. Der lockere Sandboden wich wieder einem breiten, festen Kiesweg. Eine Torfahrt aus Schmiedeeisen öffnete sich. Dahinter ein riesiger gepflasterter Hof. Das Auto hielt. „Guten Abend, Fräulein Hella!" Graf Eickstädt war an den Wagen getreten und führte chre Hand mit heißem Druck an seine Lippen. Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind!" Dann gingen sie über den stillen Hof, den die Dächer der Stallungen und Scheunen weithin umzogen. „Ich hatte das Auto nach dem Gut befohlen!" sagte der Graf. „Mein Haushofmeister schwatzt gern ein wenig und braucht von diesem nächtlichen Besuch nichts zu wissen. Dort drüben liegt erst das Schloß." Eine uralte Lindenallee öffnete sich. In Einsamkeit und Dunkel, daß der Mond nur hier und da einen schwachen Lichtschein durch die dichten Kronen sandte. Jur Rechten schimmerte ein See wie ein flüssiges Silber rund. Schwerer Duft wehte von seinen Ufern, und feine Funkenschwärme jagten zuweilen über die stillen Wasser, als rieselte ein Fieberschauer über einen weißen Leib. Dahinter reckte sich, in wenigen wuchtigen Akzenten aufsteigend, die machtvolle Fassade des alten Schlosses. Eine mondüberblaute Terrasse leuchtete. Gespenstisch-stumm standen düstere Gruppen von Weymouthkiefern auf den einsamen Rasenlichtungen, gleich vermummten Gestalten einer geheimnisvollen Fabelwelt. „Seien Sic mir noch einmal recht herzlich willkommen in Greifenhagen." Gras Eickstädt hatte Hella durch ein kleines Seite aportal in die große Empfangshalle des Schlosses geführt und schal tete di: elektrische Leitung ein. Eine strahlenoe Lichtfülle durchflutete den weiten Raum, ein Meer von Gold und tiefstem Blau, das wie in Wellen aus dem Kässettengebälk der Decke strömte und sich mit dem satten Kardinalrot der alten burgundischen Gobelins und der gedämpften Glut der kostbaren Perserteppiche zu einer wundervollen Farbensinfonie vereinte. Durch eine breite Flügeltür ging der Blick in das Ar beitszimmer des Grafen und dann weiter auf die Terrasse hinaus, hinter der der Park in dem blassen Mondlicht leise verdämmerte. Hella stand wie im Traum. Der Glanz dieses Reichtums betäubte sie fast. Sie hörte kaum, was der Graf weiter zu ihr sprach, als er sie jetzt bei den Kunstschätzen herumführte und sie mit dem Stolz des Sammlers hier auf ein farbiges Relief des Dona tella, dort auf einige gotische Tapisserie, eine japanische Fayenze oder die reizvolle Wendeltreppe des kleinen Vor saals aufmerksam machte, die einer älteren Schwester in der Kathedrale zu Chartres nachgebildet war. Nun saßen Hella und Graf Eickstädt in den bequemen Korbsesseln der Terrasse. Der inische Diener, den Graf Eickstädt von seiner letz ten Weltreise nach Europa mitgebracht hatte, rollte einen Teewagen mit Erfrischungen heran und zog sich unter feier lichen Verbeugungen wieder lautlos zurück. Geraume Zeit schauten sie, schweigend in die weiße Nacht hinaus, ein jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Ein Springbrunnen rauschte im Grunde des Parkes mit leisen Plätscherlauten, daß es wie eine feine, duftige Melodie unablässig durch die große Stille zitterte. Es war ein verzaubertes Land ringsum, so seltsam fremd, so voll lockender Geheimnisse, daß Hella es immer wieder nicht begreifen konnte, wie sie in einer einzigen kur- zen Stunde aus der nüchternen Wirklichkeit von Pahlowitz auf einmal in die exotische Wunderwelt dieses Märchen schlosses verschlagen worden war. „Fräulein Hella!" Graf Eickstädt hatte sich halb zu ihr hinübergebeugt und legte den Arm um die Lehne ihres Sessels. Ihr Kopf lag weit im Nacken zurück. Die herrlichen Augen leuchteten voller und tiefer, als sie es je getan. Wie ein holder Mädchentraum Shakespeares saß sie in dem Hellen Mondlicht, das die zarte Linie ihrer schmalen' Gestalt mit einer feinen Silberkette umzitterte. „Hella," wiederholte der Graf, „Sie wissen, was ich Ihnen in Berlin gesagt habe, daß Sie die Herrin dieses Hauses werden sollen. Und meines Lebens. Aber Sie wis sen auch, daß mich noch ein anderes Band hält." Sie neigte leise den Kopf. „Herta Löhna!" „Ja, Herta Löhna! Und darum hab' ich Sie gebeten, heute zu mir zu kommen. Es muß etwas Entscheidendes ge schehen. Am Sonnabend soll unsere Verlobung gefeiert werden. Und das gewinne ich nicht über mich, seit ich Sia kenne. Ich weiß ja selbst nicht, was in diesen drei T"--- aus mir geworden ist!" Seine Stimme schwankte, jetzt erst bemerkte sic blaß und eingefallen sejn Gesicht war, wie trüb und sein Auge blickte. (Fortsetzung folgt.)