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- Verlockungen und Wunder umgeben uns der Vorweihnachtsstimmung unbedingt zu Der Kauf auf dem Weihnachtsmarkt hat auch heute noch seinen Reiz. Sterne und Silberhaar ziehen daS Kind in ihren Bann. Kinder stehen in diesen Tagen doller Erwartung vor den mit köstlichen Sachen gefüllten Schaufenstern. nen, und wir sehen dagegen unsere Frauen und erwachse nen Kinder vor den vielen anderen Läden der Stadt stehen, sehen die Frauen mit den neuesten Schöpfungen der Mode liebäugeln sehen sie ebenso wunscherfüllt vor ei nem Pelzgeschäft, vor der Auslage eines Schuhgeschäfts oder gar vor der reichen Pracht eines Juwelierladens? Nnd an ihnen erfüllt sich das selbe Wunder des Sichnicht« sattsehenkönnens. Auch sie träumen von alle» Wünschen, die sie beseelen, auch sie stört es nicht, daß ja in Wirklich keit nur ein Bruchteil davon erfüllt werden kann. Und die Herren der Schöp fung sollen sich nicht etwa bester dünken. Sie haben oft- geht mit ihnen auf den Weihnachtsmarktl Wahrhaftig, die alten Hampelmänner leben noch, die Welt der Wethnachtsbuden hat sich nur wenig geändert. Mit dem Dust der Honigkuchen und des Schmalzgebäcks ver mischt sich der Karbidgeruch der Lampen in den Buden wie ehedem. Da steht auch ein Mann im Fez, der den echt türkischen Honig verkauft, jenes Zuckernaschwerk, das zum Entsetzen aller Mütter so surchtbar an den auch der Paketbriesträger ge hört. Jedem ist das Bild gegenwärtig, wie er eine den Alltag weit übertreffende Fülle von Paketen in diesen Vorweihnachtstagen zu be stellen hat. Und eine jede dieser Bestellungen ist Aus druck des Gedenkens irgend eines Lieben in der Ferne. Aus der Heimat in die Ferne, aus der Ferne in die Heimat. Kreis: Biele Wünsche regen sich beim Betrachten der AuS- lagen, nur einige werden er füllt, aber es ist so schön, in Wcihnachtswünfchen versunken zu sein. — RcchtS: Märchen- Wald in der Stadt, rin Weih- nachtsdanmstand unter Schnee. Photo: Dr. Paul WolMiauritius (2), Müller, Dr. Weller/Bavaria, Scherl-Bilderdienst — M. Wie die Zeiten sich auch geändert haben mögen, die Wunder der Weih nachtszeit sind dieselben geblieben. Man braucht ja nur mit offenen Augen durch das adventliche Leben in den Straßen zu gehen. Da in es wie rin heimliches Singen des Glücks, da erwacht aller Glanz in gleicher Pracht, wie wir ihn in der Kindheit erlebt haben. mals die größte Ausdauer vor den Schaufenstern und interessieren sich für alles, was als Geschenk für einen gut- gekletdeten Mann in Frage kommt. Da neben liebäugeln sie sogar mit Gänsebrüsten, Weinflaschen und mit Zigarren, die etwas teurer sind^als das Kraut des Werktages. Sollen wir aber darum uns schämen? Ist diese Freude nicht die schönste? Spüren wir uns nicht mit allen Menschen in dieser Hin sicht eins? Das macht uns ja so froh, daß wir in dem Augenblick, da wir mit den Zigarren liebäugeln, in der Tasche schon längst einen ersehnten Schmuck für die Frau tragen, und die Frau hat ebenso in ihrem Wäscheschrank sorgfältig eine Kiste Zigarren verborgen und noch einige Dinge mehr, die sie sich für den Mann abgefpart ha«. Etwas von dieser geheimen gegenseitigen Be glückung wird auch vor Weihnachten in den Straßen lebendig. Während wir uns sonst als wohlerzogene Menschen höchst wenig um den Inhalt fremder Pakete kümmern, möch ten wir jetzt an der Art der Verpackung und der Größe am liebsten erraten, welche Ueber- raschung für seine Lieben wohl dieser oder jener durch das Gewühl der Straßen tragen mag. Dabei werden wir daran erinnert, daß gesprochen, daß die Wethnachtsausstellung In diesem Fenster besonders anziehend ist. Da stehen sie nun davor, als wollten sie die große Fensterscheibe eindrückcn, und vor ihnen breitet sich die ganze Herrlichkeit einer Spielwarenschau aus, in einer Fülle, die die Wangen der Knaben auch ohne einen Dauerlauf heiß werden läßt. Aber die Jun gen begnügen sich nicht mit Staunen. Ihre Sachkenntnis und ihre Phantasie erkennen sofort, was sich mit den Dingen alles an sangen ließe, wenn der Weihnachtsmann genügend Einsicht besäße, nur einen Bruch teil der Wünsche zu erfüllen, die bet diesem Anblick wach werden. Dann lauscht man den Kindern an den Schaufenstern, hört ihre erhitzten Debatten, hört aber auch den Jubel der frohen Erwartung, der durch ihre Reden hindurchzittert, und ans einmal wird in uns selbst die Jugend wieder wach, packt uns eine Sehnsucht nach diesen Tagen, da wir «ins ebenso unbekümmert all den Wundern der Vorweihnachtszcit hingegcbcn haben wie diese Jungen. Ist nicht das nichtigste Ding wie ein Glöckletnschwingcn? Der alte Mann, der an der Ecke Lametta feilbietet nnd das un brennbare Engelshaar anpreist, scheint uns wie den Kindern des Anstaunens wert, weil mit dem Silberglanz der Lametta in uns der Schimmer des festlich geschmückten Bau- mes vorahnend wach wird, weil es uns ist, als spürten wir schon die Wärme des Lichterglanzes. Laßt euch von den Kindern führen und Fingern klebt. Aber es ist bunt und süß und wirkt irgendwie aus unsere Phanta- sie. Und auf dem Weihnachtsmarkt wird den Kindern eine solche Näscherei nicht verwehrt. Hier strahlt auch schon der Lichterbanm, hier liegt der Christbaum schmuck, so wie er im Thüringer Wald ge fertigt wird, Kasten neben Kasten, ein buntes Flimmern und Leuchten in einer Farben fülle, die sonst nur in Märchen lebt. Dazu tönen von einem Leierkasten die Wcih- nachtsliedcr nnd mengen sich mit der Musik der Karussells, mit den Ausrufen der Budenbcsiyer zu einer Melodie, deren Disso nanzen uns aber keineswegs stören, weil eben dies alles dazugehört, weil dies alles die Stimmung ansmacht, die uns auf dem Wcibnachtsmarkt befällt. Nicht eher gelingt es, die Kinder zum Verlassen des Marktes zu bewegen, bis ihnen nicht die Gewißheit geworden ist, daß sie nun alles, aber auch wirklich alles gesehen haben. Gewiß, den Kindern gehören vor allein die Seligkeiten dieser weihnachtlichen Welt; aber leugnen wir es doch nicht: auch wir sind von dem Fieber der Erwartung er griffen. Wir sind ja gar nicht so erwachsen, Wie wir immer tun! Was ist es schon für ein Unterschied, wenn sich die Kinder nicht von einem Spiclwarenfenstcr trennen kön- überallhi» suchen die Weihnachtsgrüße ihre« Weg. Wir wandern weiter durch die Stadl nnd sehen einen Menschen, der sich schon seinen Weihnachtsbaum auswählt. Vielleicht ist das der schönste Augenblick vor Weih nachten, wenn die Menschen zwischen den Bäumen stehen und ein Stück nach dem anderen kritisch prüfen. Nichts ist ihnen gut genug, aber nicht etwa, weil sie grundsätz lich unzufrieden sind, sondern weil sie sich für ihre Weihnachtsstube die schönste Tanne — die übrigens nicht einmal eine Tanne ist — wünschen. Vielleicht dauert das Wägen und Handeln auch deshalb so lange, weil sie den frischen Duft des Waldes recht lange genießen wollen und den weihnacht lichen Atem, der von den Bäumen ausgeht. Es ist, als klänge zwischen ihnen ein Weih nachtslied. Wo wir gehen und stehen in dieser Zeit, hören wir diese Melodie, in jedem Jahr neu: Es Weihnächte«! Alles ist erfüllt von einem frohen Locken, überall ruft uns die Weihnach:. Auf Schritt und Tritt verfolgt uns der Weihnachtsmann und zwingt jeden in seinen Bann. Wenn dann bei einem solche«« Gang durch die Verlockungen der werdenden Weih nacht es zu schneien beginnt, wenn alles in die Weiße Hülle des Winterkleides einge mummt wird, wenn zu der bunten Welt der Weihnacht noch das Leuchten der Schnee- kristallc auf aller, Dächern und Fenster simsen kommt und wir die frische Winter- lusl cinatmcn, dann war dieser Gang durch die Stadt so, wie wir ihn uns gewünscht haben, dann klingt in unserem Herzen die Mahnung des St. Nikolaus: „Draußen vom Walde komm ich her, ich muß euch sagen, es Weihnachtei sehr." Ja, es weihnachtet sehr! > Wir merken es überall, und wer es vor > allem auch in seinem Herzen spürt, der« i wird die Weihnachtszeit voller Seligkeit ! bleiben, wie einst in der Kindheit Tagen. Mcttior. Die Schule ist aus. Ein paar zwölf jährige Jungen kommen aus dem Gebäude gerannt, daß die Ranzen einen wilden Tanz auf ihren Rücken aufführen. Und wenn es auch sonst der Jungen Art ist, die Schule möglichst stürmisch zu verlasse«, um den uu- gezähmten Freiheitsdrang der Jugend zu bekunden, so merkt man diesen Buben doch an, daß sie es heute noch eiliger als sonst haben, zumal sie ein paar Straßeulängen in unvermindertem Teinpo weiterlaufen. Dann erst bremsen sie ab und bleiben plötzlich vor einem Schaufenster stehen. Nu»« ist ja alles klar, dein« nur noch wenige Tage trennen uns vom Weihnachts fest. Bei den Jungen hat es sich herum-