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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt Sonnabend/Sonntag den 24 /25. März 1923 Nr. 35. 82. Jahrgang. Unsern Konfirmanden. Die erste Höh', Du hast sie nun erreicht, Ein ernstes Ziel grüßt Dich aus dunklen Toren», Die sorgenlose Jugendzeit, sie neigt Sich nun vor Deinen Blicken traumverloren. Zum ersten Male klingt in Dir ein „Vorbei!" Mit festem Blick halt', was bisher.gewesen Und ruf dem neuen Leben zu: Es sei! Wenn still sein ernstes Buch Du wirst erlesen. Denn wisse, Jüngling, daß wie nie zuvor Das Volk sah hassender auf Dich hernieder Als jetzt, wo man zum Sklaven sich erkor Jedweden einzelnen der deutschen Brüder. Jetzt, wo man gern mit giftdurchsetztem Spott Das Herz will stückweis' aus der Brust uns reißen, Wo unsre Notzeit klagt zum höchsten Gott — Jetzt gilt's, was deutsch noch ist,'zusammenschweißen... Nicht gilt es, fremder Raubgier mit Gewalt Die leiddurchfurchte deutsche Stirn zu bieten, Ob sich die Faust auch ob der Taten ballt, > Die rheinwärts unsrer Väter Land zerwüten. Wir können eins nur, treu sein bis iüs Mark, Wo hart das Schicksal will nach Opfern küren, Und unverdrossen suchen einig-stark Nach Wegen, die zu neuem Glücke führen ... Und trittst Du, Jüngling, in die Welt hinaus, Laß Dich vom edlen Rat der Klugen lenken, Bewahr' das Wort, das Dir Dein Elternhaus Hat eingeprägt, wenn Du von bösen Ränken Und lauernder Gefahr umgeben bist. Bleib' wahr und gut und laß Dir nicht den Glauben, Wenn banger Zweifel Dein Begleiter ist, An Gott, Gerechtigkeit und Menschheit rauben! Auch Dich, mein Kind, in blondgelocktem Haar, Dich mög' kerndeutsches Wesen stets begleiten. Hilf mit, daß Deutschland, jeder Freude bar, Einst wird im Glanze neuer Sonnen schreiten ... Laß nimmer ab, tagtäglich Dich aufs neu Dem Dienst der Heimatfcholle hinzugeben Dem Mutterland und stets sich selbst getreu, Das bleibt fürwahr ein göttlich-hohes Streben... "Betrachtung für Palmarum. Von Pf. Große, Sora. Prediger 5, 3: „Was du gelobest, das halte!" Tausend junge Christen geloben heute am Altar des Herrn ihrem Gott Treue, d. h. sie geben ein Versprechen unter An rufung Gottes, Er gebe, daß sie es besser halten als so viele, die heute beweisen, daß sie es nicht gehalten. Was sagt das in drei Teile zerlegte heilige Versprechen? Du — denn auch dich, der du früher konfirmiert worden bist, geht es an, mach heute wieder gut, was du schlecht gemacht! — du willst 1. glauben an den dreieinigen Gott. So schließ dich immer fester ein in Gottes Liebe. Gib ihm dein Herz! Du willst 2. wandeln «ls frommes Gotteskind: Der Glaube macht den Christen, das Leben beweist den Christen. So schließ dich immer mehr aus von der Welt und ihrer Verführung! Du willst 3. dich treu zu Gottes Wort und Haus und Tisch halten in deiner evangelisch-lutherischen Kirche. Soschließedich immer mehr a n an den lieben Gott durch die Gnadenmittel Wort und Sa krament und an die gläubigen, Kinder Gottes in deiner Kirche! Amen. Jugendpflege. Von Iohannes Meyer, Wilsdruff. An der Jugend zu arbeiten, sie zu pflegen, ist eine der vornehmsten Aufgaben jeder Zeit, eine der dringendsten in unserer Gegenwart. Es wird hier aber auch eine ungemein lohnende Arbeit geboten, denn wer die Jugend hat, der hat die Zukunft. Notwendigkeit und Bedeutung der Jugendpflege hat man seit langem in weiten Kreisen erkannt, aber über das Wie der selben ist man in den einzelnen Lagern sehr verschiedener Mei nung je nach dem Standpunkte, den man in allgemeinen Menschheils- und Weltanschauungsfragen einnimmt Das führt uns zu den einzelnen Zweigen zeitgemäßer Jugendpflege, die wir heute mehr oder weniger grünen sehen am gewaltigen Baume deutscher Volkserziehung. Nach ihrer Wesenseigenart stellen sich uns dar: rein körper liche, körperlich-gemütbildende, intellektuelle mit politischer Fär bung und gemütbildende Jugendpflege mit religiösem Einschlag. Selbstverständlich ist mit diesen Eigenschaften nicht das ganze Wesen gekennzeichnet, sondern nur die ausgeprägteste Wesens seite, während all die andern als Untertöne Mitschwingen, leiser oder lauter. Die rein körperlich gerichtete Jugendpflege ist ein Haupt arbeitsgebiet der Turn-, Spiel- und Sportvereine, deren Zahl und Mitgliederbestand in der klaren Erkenntnis der Bedeutung körperlicher Ertüchtigung immer gewachsen ist. Körperlich und daneben gleich stark die Eemütspslege betonende Iugendpflege- arbeit ist die Losung der Wandervögel, fahrenden Gesellen, blauen Schar u. a. m. Intellektuelle Jugendpflege treiben heute alle politischen Parteien von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten, vorzugsweise aber die sozialdemokratisch orientierten Arbeitergewerkschaften in der Arbeiterjugend. Schließlich eine vorwiegend gemütbildende Jugendpflege wird von den christlichen Iungmänner- und Iungfrauenvereinen be folgt, der ein religiös-kirchliches Gepräge eigen ist, da die Kirche — gleich welcher Konfession — seit langem ihr Träger ist. Einen Sammelpunkt aller dieser angedeuteten Richtungen will die schulische Jugendpflege in Verfolgung ihres Ideals — Er fassung des ganzen jungen Menschen beiderlei Geschlechts — darstellen. Daß sie sich damit die schwerste aller sich ausdrängen- den Ausgaben dieser Art stellt, ist jedem Einsichtigen, noch mehr jedem Eingeweihten klar. Daß sie aber gerade besonders schwer aufkommt, liegt daran, daß sie zuletzt auf den Plan trat. Friedliche, verständnisvolle Nebeneinanderarbeit ohne jede Befehdung ist für alle Zweige der Jugendpflege nicht nur wünschenswert, sondern auch sehr wohl möglich. Doch aus dem nebeneinander Stehen und Gehen werde ein miteinander Raten und Talen. Hier liegt das Problem der örtlichen Jugendorganisation, hier ist ein gangbarer Weg zur Ueber- brückung wirtschaftlicher, sozialer, politischer Gegensätze, ein Schritt zur Aolksversöhnung, die viel, viel notwendiger und möglicher ist als die Völkerversöhnung, zu der außer den Deutschen nicht ein Volk der Erde sich wahrhaft und ehrlich strebend bekennt. Wo dieses Miteinander allseitig erwünscht ist, wird es seinen Ausdruck finden in einem Ortsausschuß für Jugendpflege. Er ist gleichsam die Sammellinse der ganzen jugendpflegerischen Arbeit, zugleich jhre Kraftquelle, denn von hier aus gelangen kommunale oder aus Spenden einge gangene Geldmittel nach der Kopfzahl der einzelnen Jugend organisationen zur Verteilung. Aus jahrelanger eigener Arbeit in einem solchen Ortsausschuß einer Mittelstadt mit beinahe 40 000 Einwohnern kenne ich den Segen dieses treu und nach barlichen Zusammenwirkens, dieses sich gegenseitig Aussprechens und Verstehenlernens, dieses Abschleisens der Schärfen im ehr lichen Zusammenwirkens, dieses sich gegenseitig Aussprechens und Verstehenlernens, dieses Abschleifens der Schärfen im ehrlichen Bemühen das gemeinsam Erstrebte über den Weg zu diesem zu setzen, das ernste Prüfen von Rechts und Links, von weltlicher und kirchlicher Richtung unter dem Gesichtspunkte: Was dient der großen Sache, was nützt nur der Sonderbestrebung? Der Tod aller Iugendpflegearbeit ist aber gegenseitiges Befehden ihrer Organisationen, ihrer Pflege und Pfleglinge. Jede Rich tung hat ein Goldkörnlein Wahrheit, das ihrem Vorhanden Be rechtigung leiht, jede Richtung hat auch Schlacken die den Hellen Glanz des Goldkörnleins Wahrheit beeinträchtigen». Losung der Gegenwart sei es, rege vielseitige Iugendpflege arbeit im Dienste der von Gesetzes wegen geregelten Iugendwoh'l- sahrt zu treiben, die einzelnen Zweige aber zusammenzuschließen in Ortsausschüssen. Friedrich Fröbel dachte wohl zuerst, aber nicht nur an die Kleinen, als er mahnte: Kommt, laßt uns unsern Kindern leben! Plagioklas) und schwarze Hornblendekörner leicht erkennbar. Weil die großen Feld spattafeln mehr oder minder vollkommen parallel gestellt sind, besitzt das Gestein eine Paralleltextur, die für den Bruchbetrieb wichtig ist. Verarbeitet wird der Syenit zu Pflastersteinen, Treppenstufen, Trottoirplatten, Denkmälern u. a. Auf manchen Klüften findet sich gelblichgrüner Epidot. In wenigen Minuten sind wir in Wilsdruff. Wilsdruff führt uns wieder in die älteste Zeit der deutschen Besiedelung zu rück. Wahrscheinlich hat eine Straße, die von der Freiberger Mulde und der Trie- bisch her das Elbtal der Dresdner Gegend suchte, den nach N. vorspringenden Teil des Miriquidi-Waldes (vgl. W. 9) durchquert, und an ihr kann schon um 1100 ein Ritter Wiland eine Siedlung, vielleicht mit einer Burg als Kern, hervorgerufen haben. Wohl noch vor 1300 ist dieses Wilandesdorf Stadt geworden. Das Wald hufendorf machte einer regelmäßigen Stadtanlage Platz. Gleich beim Eintritt in die Stadt zweigt rechts der Wallgraben ab. Folgen wir ihm, fo kommen wir auf das „Gezinge" (von LMLulum-Umgärtung) und können nach wenigen Minuten wieder nach links einbiegend die Stadt umschreiten. Innerhalb dieses kleinen, an die Wilde Sau sich anlehnenden Ovales, hat der regelmäßig angelegte Markt den Reiz der nach einer vernichtenden Feuersbrunst von 1744 ziemlich einheitlich entstandenen, behaglichen Kleinstadthäuser fast unberührt bewahrt. Wen Wilsdruff zu einem be sonderen Besuche lockt, versäume nicht, in der 1897 neu errichteten Nikolaikirche das romanische Portal in der Turmhalle, das ebenfalls romanische Sakramentshäus chen in der Rückwand des Altartisches und den aus dem Jahre 1631 stammenden Altar selbst zu sehen. Wertvoller und einheitlicher ist die Iakobskirche, die Begräb niskirche jenseits des Baches, die ebenfalls in die romanische Zeit zurückfüyrt und wohl die Kirche des ursprünglichen Dorfes darstellt. Bemerkenswert sind hier vor allem die drei Glocken, deren größte mit eigenartigen verschieden gedeuteten Figu ren verziert ist und ihrer Form nach dem 13. Jahrhundert angehört. — In die Geschichte der Stadt und ihrer Umgegend, sowie in alle geographischen Lebens bedingungen führt das von Oberlehrer Kühne geschaffene und verwaltete Heimat museum trefflich ein. Es ist in der Volksschule am Gezinge untergebracht. Sein Besuch wird sehr empfohlen. Dom Markte aus gehen wir 150 Meter in die Freiberger Straße und biegen dann rechts in den „Feldweg" ein. Nach etwa st. Stunde haben wir am Stein hübel zur Rechten einen nicht mehr betriebenen Steinbruch, in dem eine Scheune steht. Zweierlei ganz verschiedene Gesteine finden sich hier, links im Bruch hell rötlichgraue Schiefer, die z. T. mit Ouarzadern durchzogen sind und deren Schiefe rungsflächen saiger stehen und SW—NO streichen, und hinter der Scheune dunkel- graugrüne, unregelmäßig kleinstückig zerklüftete Massen. Der Helle Schiefer ist ein im Gebirgsdruck umgestälteter Quarzpvrphyr. Man sieht noch die kleinen steck- nadelkopfgroßen Ouarzeinsprenglinge in der schiefrig gewordenen Grundmasse. Das dunkle massige Gestein ist ein sehr feinkörniger Diabas. Wir gehen zunächst nach SW weiter und wenden uns dann scharf nach SO, um im Saubachtale zu bleiben. Beim zweiten Hause steht im Bachbett ein tonschiefer- ähnlicher Schalstemschieser an, den man auch am jenseitigen Talhange beobachten konnte. Der Bach selbst besitzt hier schön ausgebildete Flußschlingen, die zum Teil ganz zum Ausgangspunkt zurückkehren und zum Durchbruch reif sind, so daß Inseln und Altwässer entstehen müssen. Dieses ausfallende Pendeln des Wassers weist auf ein geringes Gefälle hin. Ein Blick auf die Katte zeigt, daß die kurze Strecke Grumbach—Wilsdruff durch den weiten Bogen nach W von 1100 Meter auf Wehranlage nahe, wie auch die starke Friedhofsmauer ursprünglich wohl der Ver teidigung diente. Im Inneren überrascht die weite dreischissige Anlage. Gewölbt ist allerdings nur der Chor. Die Ansätze der Gewölberippen auf Menschenköpfen sind aber auch an den Säulen des Schiffes vorhanden. Offenbar hat die Reformation die Wallfahrtskirche ihres Rufes beraubt, fo daß die Gelder fehlten, auch das Schiff einzuwölben. Bemerkenswert ist das spätgotische, angeblich aus Altzella, stammende, Sakramentshäuschen an der Nordwand des Chores, während die übrigen Chorwände Grabdenkmäler aufweisen. Den Eindruck der Kirche, deren farbige Ausmalung 1922 erfolgt ist, beherrscht der Altar mit seinem mächtigen barocken, dem 17. Jahrhundert angehörigen Aussatz. Die Kanzel ist wesentlich ein facher in schlichten Rennaissanceformen gehalten. — An der Ostwand des südlichen Vorbaus befindet sich noch ein Pranger-Halseifen als Zeichen der mittelalterlichen Gerichtsbarkeit, die hier beim Zusammenströmen der wallfahrenden Massen und dem damit verbundenen, auch heute noch in bescheidenen Resten erhaltenen Jahr märkte, Arbeit fand. Auch das ein wenig östlicher gelegene Gasthaus erinnert an den starken Verkehr, der hier zeitweilig geherrscht haben muß. Das Hofgebäude zeigt mit seinen maleri schen Andreaskreuzen, der Pforte aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts und der feinen Deckenbildung in einigen heute rein wirtschaftlichen Zwecken dienenden Räumen noch die Bedeutung >der Herberge zur Zeit der Wallfahrten. — Ein weiteres Denkmal alter Geschichte besitzt das Dorf, das wir nach Osten hin durchschreiten, in einem der letzten Höfe der linken Seite, dem sogenannten „Steingut". Obwohl äußerlich besonders durch den Einbau großer Fenster umgestaltet, verrät das hohe, mehrstöckige Haus mit seinen abgerundeten Ecken sich ohne weiteres als alt. Wird der Eintritt gestattet, fo sieht man, daß es sich um einen hufeisenförmigen Bau handelt. Im Hauptgebäude sind die Mauern bis oben hinauf 1,10—1,50 Meter dick aus Bruchsteinen errichtet wie die Kirche; das nördliche Gebäude hat nur im Erdgeschoß starke Mauern, darüber aber Fachwerk. Nach der Angabe des Besitzers, Herrn Döring, hat in dem kleinen Hof ein eigener Brunnen gestanden, zu dem ein Wasserleitungskanal bloßgelegt worden ist. Beim Bau der Futtermauer östlich vom Gute ist eine Wallanlage aufgedeckt worden, die etwa 5 Meter vom Hause entfernt den Bau umschloß. Die sicher falsche Ueberlieferung setzt hierher ein Kloster. Es handelt sich wohl um eine alte Befestigungsanlage, deren Entstehung allerdings nicht mehr festzustellen ist. Wie ein beim Bau des übernächsten Gutes bloßgedeckter, jedoch nicht weiter verfolgter Gang, an dessen Vorhandensein auch mündliche Ueber lieferung festgehalten hatte, wahrscheinlich macht, stand das „Steingut" in Ver bindung mit der Kirche. Der Dorfstraße nach Osten auf die Höhe hinauf folgend, kreuzen wir kurz hintereinander zwei Straßen. Die zweite, die alte Kohlenstraße von dem Plauenschcn Grunde nach dem Triebischtale, führt uns ein Stück nach Süden, dann gehen wir im letzten Ausläufer des von Schmiedewalde heraufführenden Tales aus einem Feldwege nach links zur Bayerhöhe, die durch eine Triangulierungssaüle (322,3 Meter) gekennzeichnet ist. Der Rundblick von der Bayerhöhe ist einer der freiesten und schönsten der Dresdner Gegend. Nirgends zeigt sich die Fastebene, die Grundfläche, aus der die Landschaft herausmodelliett worden ist, so klar wie hier. Alle jugendlichen Täler sind verdeckt, nur das Elbtal zieht sich im Osten als scharfkantiger Graben durch die Ebene, deren ursprüngliche Einheit hier jedem Auge offenbar wird. Vier Kirch türme ragen diesseits der Elbe auf, im Nordosten der von Naustadt, daneben Wein- 29