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Hrankonborgor Lrzäklo« '"7°°77" (Nachdruck oerbotrn.) 'Erregt entgegnete der Staatsanwalt: „Ob meine Schluß, folgerung falsch oder richtig war, wird hoffentlich der Wei. tere Gang der Hauptverhandlung ergeben, Herr Rechts anwalt! Ich sehe in der Tatsache, daß die Angeklagte in den Stunden vor dem Mord ihre Wohnung aufsuchte, einen Beweis dafür, daß fie dabei die Waffe an sich genommen hat Ob fie fie tatsächlich einem Dritten übergab, der dann I« der Täter sein müßte, erscheint mir jetzt mehr als frag lich. Zum mindesten erscheinen mir die Angaben der An geklagten in diesem Punkte unglaubhaft!" Der Vorfitzende mischte sich dazwischen: „Die Angeklagte wird nunmehr auch sewst nicht mehr bestreiten wollen, in den fraglichen Stunden ihre Wohnung aufgesucht zu Höchen. Denn es erscheint doch mehr als fraglich, daß sie ihre Schuhe und die Strümpfe anderswo Wechselle. Oder wollen Sie das behaupten, Angeklagte?" „Nein, Herr Vorsitzender!" antwortete Mohrchen, die sich Wieder etwas gefaßt hatte. „Ich bin dann wohl wirklich in meiner Wohnung gewesen." Nun wandte sich der Vorsitzende wieder der Zeugin Grü ber zu. „Sie hatten also, nachdem sie von Felter zum Holen des Gebäcks fortgeschickt worddn waren, die Flurtür osfen- stehen gelaffen, Zeugin?" Frau Gruber nickte zustimmend: „Ja — auf Wunsch des Herrn Feller!" „Ich stelle diese Frage deshalb nochmals an Sie, Frau Gruber", fuhr der Vorsitzende erklärend fort, „weil Ihre Aussage in diesem Punkte von ganz außerordentlicher Wichtigkeit ist. Im übrigen —" Dr. Warmholz erhob sich. „Haben Sie dazu noch eine Frage, Herr Verteidiger?" „Eine Frage nicht - aber ich möchte doch festgestellt haben, daß die eigenen Angaben der Angeklagten, soweit sie bisher durch Zeugenaussagen bestätigt wurden, de, vollen Wahrheit entsprechen. Das muß im Hinblick auf ihre gesamten Aussagen von nicht zu unterschätzender Bedeu tung sein." „Und ich möchte feststellen", warf der Staatsanwalt ein, „daß dies Wohl zutrifst, allein nur bei Fragen, die von untergeordneter Wichtigkeit sind. Wenn es die Angeklagte wirklich mit der Wahrheit so genau nimmt, wie Sie, Herr Verteidiger, festgestellt haben möchten — warum sagt sie uns dann nicht, wer nun eigentlich den tödlichen Schuß auf Felter abgegeben hat? Ich hoffe, daß sie sich im Laufe der Hauptverhandlung auch in,diesem wichtigsten aller Punkte zur Wahrheit bekennt!" „Wen» sie hier schweigt, wird sie ihre Gründe dazu haben, Herr Staatsanwalt!" entgegnete Dr. Warmholz. „Es gibt eben Menschen, die lieber selbst eine Schuld auf sich nehmen als andere belasten. Das ist für den Charakter der Angeklagten eher ein Plus als ein Minus! Diesen Dritten zu ermitteln, wäre Aufgabe der Voruntersuchung gewesen, Herr Staatsanwalt, und ich will hoffen, daß es der Verhandlung gelingt, hier endlich Licht in das Dunkel zu bringen!" Der Vorsitzende wehrte wieder ab. „Das Gericht ist selbstverständlich bemüht, den Fall restlos aufzuklären, Herr Verteidiger." Dr. Warmholz nahm wieder Platz. 'Die Vernehmung der Zeugin Gruber nahm ihren Fortgang. „Es besteht an und für sich also doch die Möglichkeit, daß vor der Angeklagten ein Unbekannter das Mordzimmer be tteten haben kann, Zeugin?" .Frau Gruber wurde bei dieser Frage unruhig. Sie fühlte, daß es bei ihrer Aussage auf jedes Wort ankam. „Freilich —" sagte sie etwas stockend. „Möglich wäre das wohl schon gewesen. Aber ich halte das für ausgeschloffen. Ich war ja nur ganz kurze Zeit weg, und dann habe ich bei den Mitbewohnern des Hauses herumgefragt, es hak keiner jemand gesehen, auch der Portier nicht." Und wieder nahm Dr. Warmholz das Wort. „Für mich ist das aber nicht ganz ausgeschloffen, Frau Gruber. Wie in der Voruntersuchung bereits festgestellt werden konnte, hat der Portier des Hauses zur Zeit des Mordes in seinem Wohnzimmer den Nachmittagskaffee getrunken, und von diesem Zimmer aus konnte er das Treppenhaus tveder übersehen, noch konnte er hören, wenn jemand das Haus betrat. Er hat ja auch die Angeklagte nicht kommen hören, ja, nicht einmal den Schuß hat er gehört!" Frau Gruber wurde etwas verlegen. Umständlich wischte fie die dicken Tropfen ab, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten. „Das — das weiß ich nicht, Herr Gerichtshof!" stammelte sie, als wollte sie sich gegen die Frage des Ver teidigers schützen. „Ich weiß daS nicht, wirtlich nicht!" Der Vorsitzende legte sich für sie ins Mittel. „Ich bitte Eie, Herr Verteidiger, der Zeugin in dieser Form keine Vorhaltungen zu machen. Die Zeugin steht unter ihrem Eid und hat nur eine Vermutung ausgesprochen, die für daS Gericht ebenso wertvoll sein kann wie ihre positiven Aussagen!" Und zu Fran Gruber gewandt, fuhr er mit be ruhigendem Tonfall in der Stimme fort: „Der ermordete Felter hat wohl öfter auch bau Besuch des Buchhalters Vollbrecht erhalten. WaS können Sie «ns darüber sagen?" Fran Gruber warf ihm einen dankbaren Blick z«. „Ach —" sagte fie beinahe in leichtem Planderton, „dazu kann ich eigentlich nicht viel sagen, Herr Vorfidestder. Herr Felter war öfter mit Herrn Vollbrecht zusammen, auch in meiner Wohnung. Ich hatte immer den Eindruck, daß sie gute Freunde waren. Mir war der Herr Vollbrecht aller dings etwas unsympathisch. Er sah sehr schlecht aus, hustete viel —" „Haben Sie sich nichts dabei gedacht, Frau Gruber, daß Felter, der doch ein lebenslustiger, gesunder und an Le bensjahren viel jüngerer Mensch war als Herr Vollbrecht, ausgerechnet diesen Mann zu seinem Freunde erkoren hatte?" „Du lieber Gott, Herr Vorfitzender", unterbrach ihlt Frau Gruber. „Meine Gedanken habe ich mir zwar manch mal darüber gemacht, aber schließlich ging mich das ja nichts an, nicht wahr?" „Wußten Sie, daß die beiden an einer Erfindung ar beiteten?"' „Nein, Herr Vorsitzender. Ich wunderte mich nur dar über, daß fie mitunter bis tief in die Nacht hinein iu Felters Zimmer saßen und anscheinend sehr wichtig« Sachen Vorhalten; denn die Tür machten fie immer ganz dicht." „Ist Ihnen vielleicht in der letzten Zeit vor dem grau samen Ende Fetters eine Aenderung im Verhältnis der beiden aufgefallen?" „Ja — etwas schon; aber ich dachte, das kommt davon, weil Herr Vollbrecht doch krank war. Gedacht habe ich da bei weiter gar nichts!" Der Vorsitzende wandte sich an die Beisitzer, an den Ver teidiger und an den Staatsanwalt: „Sind sonst noch Fra gen an die Zeugin?" Das war nicht der Fall. Die Zeugin Gruber konnte auf der Zeugenbank Platz nehmen. Mit einem' Seufzer der Erleichterung folgte fie der An weisung des Vorsitzenden. üb Ms nächster Zeuge betrat der Wachtmeister AloiS Schmidt den Verhandlungssaäl. Die Fragen des Vorsitzenden nach seiner Person und seinem Familienstand beantwortete er in strammer, solda tischer Haltung und mit einem kurzen „Jawohl!" „Sie haben also die Angeklagte unmittelbar nach, der Tat im Mordzimmer festgenommen und die Mordkom mission rufen lasten. Nun erzählen Sie uns, was Sie an diesem Nachmittag erlebten!" Wachtmeister Schmidt holte tief Lust und reckte seine kräftige Gestalt. „Am Nachmittag des 20. März dieses Jahres hatte ich in der Zeit von 3 bis 5 Uhr Patrouillendienst in der Prinz- Ferdinand-Straße. Ich ging die Straße langsamen Schrit tes entlang und beobachtete den Verkehr. Innerlich schimpfte ich mächtig über das schlechte Wetter, als ich plötz lich — es war kurz nach 4 Uhr — so etwas wie einen Schuß hörte. Daraufhin blieb ich stehen und sah mich nach allen Seiten um. Als ich aber nichts weiter feststellen konnte, glaubte ich, daß einem Radfahrer der Schlauch ge platzt sein mochte, oder daß die in den Nebenstraßen spie lenden Kinder mit irgend etwas geknallt hätten. Ich setzte daher meinen Patrouillengang fort. Nach etwa 200 Metern drehte ich wieder um und ging die Straße zurück. Als ich die Kreuzung der Prinz-Ferdinand-Straße mit der Berg straße etwa 300 Meter hinter mir hatte, hörte ich plötzlich jemand rufen: Polizei! Polizei! Ein Mord! Ein Mord!" Der Vorsitzende unterbrach den wie das Verlesen eines Protokolls klingenden Bericht: „Wieviel Zeit mochte ver gangen sein zwischen dem Augenblick, an dem Sie das schußähnliche Geräusch gehört hatten, und dem Augenblick, als man nach Ihnen rief?" Wachtmeister Schmidt setzte seinen Bericht fort: „Als nach der Polizei gerufen wurde, sah ich nach der Uhr. Es War genau 4.15 Ühr. Den Schuß hatte ich einige Minuten früher gehört." „Demnach kann der Schuß etwa gegen 4.07 Uhr gefalle« sein, nicht wahr?" fragte der Vorsitzende. „Jawohl!" kam es knapp und zustimmend aus dem Munde des Beamten. „4.07 Uhr muß das etwa gewesen sein!" Der Vorsitzende machte sich Notizen, auch der Staats- anwalt und der Verteidiger legten diese Aussage deS Wachtmeisters fest. „Fahren Sie st>rt, Zeuge!" Wachtmeister Schmidt holte abermals tief Lust. „Auf die Hilferufe machte ich sofort kehrt, bog von der Prinz- Ferdinand-Straße aus in die Bergstraße ein und stellte fest, daß die Rufe auS dem Hause Bergstraß- 124 kamen, und zwar bemerkte ich als den Rufer den Portier des Hau- seS, der auS dem Fenster seiner im Partcrregeschoß liegen den Wohnung rief. M« ich näher kam, sagte er: Machen Sie schnell, Herr Wachtmeister, oben im zweiten Stock hat eine ihren Liebsten totgeschoffcn! — Daraufhin eilte ich die zwei Treppen hinaus, geführt von dem Portier, und trat in die Wohnung der Krau Gruber. Diese stand auf der Schwelle eines Zimmers und schrie immei^u nach der Poli- zei Als sie mich sah, hörte sie damit auf. Ich trat dann nayer und bemerkte, wie Frau Gruber ein junges Mädel an den Armen hielt, das sich offenbar bemühte, sich zwi- schen Frau Gruber und dem Türrahmen Hindurchzuzwän gen. Wie ich weiter feststellen konnte, lag auf dem Fußbode« deS Zimmers ein Toter, mit dem Gesicht nach unten." „Und was taten Sie dann weiter?" forschte der Vor sitzende. „Frau Gruber sagte zu mir: Diese Person hat Herr« Felter erschoßen! Eben hat sie die Pistole fortgeworsen! — Ich beauftragte sofort den Portier, die Mordkömmsfion an zurufen, und es dauert» auch nicht lange, da Kas diese ein." »Ist Ihnen an dem jungen Mädchen, das Ihnen von Frau Gruber als die Täterin bezeichnet wurde, etwas aus gefallen, Wachtmeister?" „Jawohl, Herr Vorsitzender. Das Mädel sah furchtbar blaß aus und machte einen ganz verstörten Eindruck, so daß ich mir gleich sagte: Die hat ihn erschaffen!" „Das Mordzimmer selbst aber haben Sie nicht betrZen, Nachdem Sie die Angeklagte festgenomwen hatten?" „Nein. Ich blieb im Flur stehen und wartete auf bas Eintreffen der Mordkommission!" „Aber übersehen konnten Sie das Mordzimmer doch? Ist Ihnen dabei etwas ausgefallen?" „Jawohl, Herr Vorfitzender! Auf dem Tische lag Papier, soviel ich sehen konnte, handelte es sich um Zeichnungen, und etwas unter den Tisch geschoben bemerke ich einen Reisekoffer." „War der Koffer verschlossen?" „Nein — der Koffer war weit aufgeklappt." Der Vorsitzende entnahm den' Akten ein Lichtbild. „Das ist hier ja auch deutlich zu erkennen!" sagte er und reichte die Photographie den Beisitzern. Jetzt meldete sich wieder Dr. Warmholz zum Wort: „Ich bitte, die Zeugin Gruber zu befragen, ob der Koffer Ver schlossen war, als fie von Felter fortgeschickt wurde." Der Vorfitzende bat die Zeugin, nochmals vorzutreten. „Sie haben die Frage des Herrn Verteidigers gehört, Frau Gruber. Was sagen Sie dazu?" Etwas zögernd war Frau Gruber nähergetreten. „Ja —- als ich das Zimmer des Herrn Felter verließ, da war der Koffer verschlossen. Er stand an der Wand zwischen den Fenstern, ich konnte ihn genau sehen." „Ich danke — das genügt mir!" sagte Dr. Warmholz und schrieb in seine Handakten. „Eine weitere Stellung nahme zu dieser wichtigen Aussage der Zeugin Gruber be halte ich mir vor!" „Sind noch Fragen an den Zeugen zu stellen?" schloß der Vorsitzende die Vernehmung deS Wachtmeisters ab. „Haben Sie noch etwas zu dieser Aussage zu sagen, An-' geklagte?" Mohrchen sah mit einem müden Blick zu ihm auf. „Nein, Herr Vorsitzender!" sagte sie. „Es ist alles so gewesen, wie der Herr Wachtmeister es schilderte." „Sie können sich setzen, Wachtmeister!" Wachtmeister Schmidt machte eine stramme Kehrtwen dung und schritt der Zeugenbank zu. Auch Frau Gruber nahm dort wieder Platz. Dr. Warmholz bat um das Wort. „Was möchten Sie noch wissen, Herr Verteidiger?" „Nach den Aussagen der Frau Gruber und des Wacht meisters Schmidt halte ich die Abhaltung eines Lokalter mins in der Wohnung der Frau Gruber für unerläßlich. Das Gericht muß nach meinem Dasürhalten unbedingt Augenschein vom Tatort nehmen, um sich selbst davon zu überzeugen, ob nicht doch eine andere Person als die An geklagte vor der Tat unbemerkt in das Haus und in die Wohnung hat kommen können. Ich beantrage die Ab haltung eines Lokaltermins!" Das Gericht zog sich zur Beratung zurück, nachdem der Staatsanwalt keine Bedenken gegen den Antrag geäußert hatte. Nach kurzer Zeit verkündete der Vorsitzende folgenden Gerichtsbeschluß: „Dem Anttage des Verteidigers auf Abhaltung eines Lokaltermins in der Wohnung der Zeugin Gruber wird stattgegeben. Vorerst aber wird in der Beweisaufnahme mit der Vernehmung des Zeugen Vollbrecht fortgefahren." Auf Anweisung des Vorsitzenden wurde darauf der Zeuge Buchhalter Hugo Vollbrecht an den Zeugentisch ge rufen. Vollbrecht machte einen frischen Eindruck. Mit festem Schritt trat er in den Saal und nahm, ohne die Angeklagte eines Blickes zu würdigen, vor dem Zengentisch Auf stellung. Der Vorsitzende vernahm ihn zu seiner Person und machte ihn auf die Bedeutung seiner Aussage mit eindring lichen Worten aufmerksam. „Sie werden Ihre Aussage später beeiden müffel Zeuge. Richten Sie sie danach ein." Vollbrecht antwortete mit einem lauten „Jal" „Sie arbeiteten also mit dem Ermordeten zusammen a« der Erfindung eines neuen MotorS. Wie kam es denn, daß gerade Sie sich mit solchen Sachen abgabcn, da Sie dochj über keinerlei technische Vorbildung verfügen?" kFottfttzung folgt.)